gegen Bezahlung eines Beitrags an die Wunder» arbeitsstätte-Verwaltung Amtspslege von mindestens 1 Mk. Plakate zum Anschlag an die Haustüren erhältlich mit der Aufschrift: Ausweis über geleisteten Beitrag zur Wander- arbeitsstätte. Bettel verboten. Umschau unter­sagt." Mit der Wanderarbeitsstätte ist zugleich ein Arbeitsnachweis verbunden und diejenigen, welche Arbeitskräfte wünschen, dürfen sich nur ev. telephonisch an das Stadtschultheißenamt Nagold wenden, worauf die Arbeitsuchenden mit entsprechender Anweisung den betr. Arbeit­gebern zugesandt werden. Die Schultheißen­ämter wurden angewiesen, alle bettelnd oder zweck-, arbeits- und mittellos herumziehenden Personen unnachsichtlich durch die Polizeiorgane aufgreifen und behufs ihrer strengen Bestrafung an das Oberamt einliefern zu lassen. Die Polizeidiener, welche durch den Landjäger­stationskommandanten bereits instruiert worden sind, sowie die Feld- und Waldschützen, Nacht­wächter und Straßenwärter werden instruiert und angewiesen, auf die herumziehenden Wanderer strenges Augenmerk zu richten und event. ihre Festnahme und Vorführung zu bewirken.

Bei dem am 35. Oktober, vormittags 9 Uhr, in Tübingen beginnenden Schwur­gericht haben neben anderen als Geschworene Dienste zu" leisten: Friedrich Keppler, Säg­werksbesitzer in Calmbach, Karl Maier in Wildbad, Johann Simon Mayer, Kronen­wirt in Nagold, Georg Friedrich Blaich, Bauer und Schuhmacher, in Altbulach, O.-Calw, Friedrich Schönlen, Kaufmann und Stadt­pfleger, in Liebenzell, Adolf Sidler, Sägwerks­besitzer, in Höfen.

Wasseralfingen. 5. Okt. Auf bedauer­liche Weise kam Assistenzarzt vr. Blumhardt in Voll, ums Leben. Als er gestern Nacht vom Bett aus die Lampe ausblasen wollte explodierte diese und Blumhardt erhielt solche Brandwunden, daß er heute früh starb. Trotz der unsäglichen Schmerzen, die er zu erdulden hatte, hat Blumhardt bei vollem Bewußtsein noch seine letzten Verfügungen getroffen.

Heilbronn, 2. Okt. Das schwäbische Landesturnfest, das Heuer in Heilbronn abge­halten wurde, hat einen Ueberschuß von über 5000 Mk. ergeben. An Eintrittsgeldern sind für Turnerkarten rund 16 000 Mk., für Fest­besucher ca. 17 000 Mk. eingenommen worden. Der Umsatz in Bier betrug 26 000 Liter, Wein wurden 9000 Liter verzapft.

Ulm, 4. Okt. Der frühere Redakteur der Ulmer Zeitung und jetzige Parteisekretär in Oldenburg Dr. Hermann Körner wurde heute von der Strafkammer des Landgerichtes zu 6 Monaten und der frühere Lehrer Georg Uhl zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie in der Faschingsnumer den katholischen Dekan Magg und die Töchter des Rechtsanwalts Hetze! durch Inserate schwer beleidigt hatten. Die Verhandlung wurde zeitweise mit Aus­schluß der Oeffenttichkeit geführt und ergab die völlige Grundlosigkeit der in den Inseraten aufgestellten Behauptungen.

Pforzheim, 2. Okt. In einer hiesigen großen Goldkettenfabrik hat eine Anzahl an den Maschinen beschäftigter Arbeiter die Arbeit eingestellt, weil ihnen eine Lohnherabsetzung angekündigt wurde.

Pforzheim, 1. Okt. Die Arbeitsgelegen-' heit in der Pforzheimer Schmuckwaren-Jnduftrie (Bijouterie) hat sich im August wiederum etwas gebessert und es konnten durch das Arbeitsamt 378 männliche und 236 weibliche zusammen 614 Arbeitskräfte vermittelt werden. Wie im Vormonat, so war auch im August sehr rege Nachfrage nach Goldschmieden auf fein montierte Gold- und Plantinjuwelen, während die Nach­frage nach Goldschmieden auf kurante Gold- und Doubleebijouterie nur mäßig war.

Baden-Baden, 4. Okt. Im benach­barten Steinbach wurde in einer Lehmgrube der dortigen Dampfziegelei ein Mammutzahn von 2,60 m Länge und 16 ein Durchmesser gefunden.

In Heidelberg ist am Samstag und Sonntag der Parteitag der Deutschen Volks­partei abgehalten worden. Verhandelt wurde hauptsächlich über Mittelstandsfragen und die Frage der liberalen Einigung. Mit allen gegen

15 Stimmen wurde eine Entschließung für die Verschmelzung der linksliberalen Parteien gefaßt.

Offen bürg, 2. Okt. Vor der Straf­kammer I des hiesigen Landgerichts wurde heute der 39 Jahre alte verheiratete Buchhal­ler Franz Mößmer aus Sigmaringen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte in den letzten Jahren während seiner Beschäftigung bei dem jetzt aufgehobenen Fürstlich Fürsten- bergischen Rentamt Wolfach Unterschlagungen in Höhe von etwa 72000 Mark verübt. Mößmer huldigte dem Börsenspiel und hat auch über seine Verhältnisse gelebt. Die Spe­kulationen, die innerhalb "U Jahren einen Umsatz von 8 Millionen erreichten, scheinen zum Teil geglückt zu sein. Die Standesherr­schaft ist für ihren Schaden gedeckt. Nach den Angaben Mößmers hätte sich die Mehrzahl der Fürstenbergischen Beamten in Donaueschin- gen, wo er bis Oktober 1906 bedienstet war, ebenfalls mit Börsenspekulationen befaßt und dadurch sei auch er hierzu bewogen worden.

München, 30. Sept. In der gestrigen Jahresversammlung des Deutschen Museums stellte Professor Dr. v. Linde im Namen des Vorstandes den Antrag, im Ehrensaal des Museums auch ein Denkmal des bekannten Pioniers des deutschen Maschinenbaus August Borsig (Berlin) aufstellen zu lassen. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. In Anknüpfung daran machte Prinz Ludwig von Bayern folgende Bemerkungen:Auch ich möchte auf Borsig Hinweisen als auf einen Mann, der sich von ganz unten herauf ohne die geringste unsaubere Lebensweise und ohne irgend welche unsauberen Mittel, wie es bei vielen reich ge­wordenen Leuten so häufig der Fall ist, in die Höhe gearbeitet hat. Es ist mir dies ein Be­weis dafür, was ich immer gesagt habe, trotz allem, was man immer sagen kann, ist es niemand verwehrt, auf ehrliche und anständige Weise von unten herauf sich empor, ja in die höchsten Sphären zu arbeiten. Den künftigen Generationen, und vor allem der Gegenwart, muß der Name Borsig ein Beispiel sein und ein Vorbild." (Starker, anhaltender Beifall.)

Frankfurt, 3. Okt. In Heidelsheim in Hessen wurde vor drei Jahren ein militär­pflichtiger junger Mann vom aktiven Militär­dienst befreit, weil er als einziger Sohn seine Eltern zu unterstützen hatte. Vor einigen Wochen mißhandelte der Sohn seine Eltern schwer und verließ das Elternhaus. Auf die von den Verlassenen erstattete Anzeige hat nun die Militärbehörde den zur Befreiung vom aktiven Dienst führenden Reklamationsgrund nicht mehr als vorliegend erachtet und den jungen Mann trotz seiner 25 Jahre auf zwei Jahre zum Militärdienst beim Jnfanterie-Regt. Nr. 117 einberufen. Eine an das Korpskom­mando gerichtete Bittschrift des Einberufenen blieb ohne Erfolg.

Darmstadt, 30. Sept. In der heutigen Sitzung der Stadtverordneten wurde mitgeteilt, daß der kürzlich verstorbene Konsul a. D. Müller und dessen Frau ihr gesamtes weit über eine Million Mark betragendes Vermögen (vorbehaltlich des lebenslänglichen Zinsgenusses für die Verwandten) der technischen Hochschule in Darmstadt vermacht haben. Die Stiftung soll dazu dienen, strebsamen Studierenden der technischen Hochschule die Mittel zur Vollendung ihrer Studien zu gewähren.

B erlist, 5. Okt. Der Chemiker Georg Heim, der unter der Beschuldigung, in Südwestafrika große Summen Diamanten beiseite geschafft zu haben, kürzlich verhaftet wurde, hat sich im Gefängnis erhängt.

Berlin, 4. Okt. Die Reichskassenscheine zu 10 Mark werden künftig aus einem halt­bareren Papier hergestellt werden. Es wird ungefähr dieselbe Stärke wie das der Reichs- barcknoten zu 100 Mk. besitzen-

Aus dem letzten Reichsbankausweis lzieht das Berl. Tagebl. den Schluß, daß für den Geldmarkt Vorsicht geboten ist. Ein großer Teil der Ansprüche, die an die Reichsbank herantreten, wird zwar nur vorübergehender Natur sein, immerhiu bleibt mit ungünstigeren Verhältnisseu zu rechnen. Und diese Aussicht muß für unsere großen Kreditinstitute eine Mahnung sein, noch energischer, als bisher, dem Spekulationsfieber, das sich des Publikums

bemächtigt hat, entgegenzutreten. Da Deutsch­land schon jetzt ziemlich stark an das Ausland verschuldet sein soll, wäre es nicht erwünscht, wenn das Eintreten einer lokalen Goldknappheit nur durch die Hilfe des Auslandes zu vermei­den wäre.

MnterHcMenöss.

yerrlor.

Erzählung von S. CH. von Sell.

(Fortsetzung). (Nachdruck verboten)

Ulrikens Lippen kräuselten sich verächtlich, während sie diesen mit vielen frommeu Redens­arten gewürzten Brief las. Kitty stand ihr gegenüber, die großen schwarzen Augen in Todes­angst auf sie geheftet.

Du sollst zurückkommen, Kitty." Sie reichte ihr das Schreiben.

Das Mädchen durchflog es und warf es auf den Tisch.Wann kann ich reisen?"

Reich mir das Kursbuch. Wir wollen über­legen, wann und wie."

Viel zu langsam ging alles für Kitty's fie­bernde Angst. Endlich war der Koffer gepackt; endlich das Gabelfrühstück vorüber, bei dem sie doch nichts hat essen können. Sie saß neben Martha im Damenkoupee. Fräulein Ulrike be­stand darauf, ihr das Mädchen bis München mitzugeben. Von dort sollte Kitty allein reisen. Fräulein von Thingen, die Aeltere, stand auf dem Perron und sprach in ihrer Aufregung fort­während.

»Ich hoffe, Mansuetos wird dich am Bahnhof empfangen. Seine Mutter wird leider bereits bei ihren Freunden in Partenkirchen fein. Ich glaube aber, daß er sagte, er müsse bis zum 15. August in der Stadt bleiben und könne sie nur hinbringen. Entsinnst du dich nicht Kitty?"

»Ich glaube. Sei ruhig, Großtante, ich werde schon durchkommen."

Im schlimmsten Fall wenn er doch ab­wesend wäre und die Depesche ihn nicht erreichte

hast du ja Martha, sie kommen morgen mit dem ersten Zuge dem Salzburger Schnellzug

zurück. Na, und in Berlin wird dich Beh- rends erwarten und auf den Schlesischen Bahn­hof bringen. Ich habe ihm Alles genau tele­graphiert. Sei nur vorsichtig, Kind, und ver­ständig. Ach, das bist du ja, aber ich meine nur. Nun reise mit Gott!"

Kitty atmete auf als der Zug sich in Be­wegung setzte. Es war drückend heiß. Gewit­terwolken hingen drohend über den Bergen.

Wenn's nur 'was gäb'", sagte der Schaff­ner der die Fahrkarten knipste, 's ist halt gar zu heiß. Aber Heuer hängt's fest da droben."

Unerträglich lange dehnte sich die Fahrt durch die Gebirgstäler.

In finsteren, graublauen schattenden Massen standen die Berge; fahl graugrün, staubbedeckt, dehnte sich das offene Land. Fernher grollte leifes Donnern und zuckte rotes Wetterleuchten, aber kein Regentropfen labte das schmachtende Erdreich; die lastende Schwüle hielt an. Wie ein zorniges Ungetüm raste der Eisenbahnzug, in weiße Dampfwolken gehüllt, über die angst­voll harrende Erde.

Im Koupee neben Kitty saßen zwei hübsche Salzburgerinnen, die unaufhörlich schwatzten und lachten. Der Klang ihrer Stimme tat Kltchs Ohren weh, aber sie ertrug ihn mit stumpfer Gleichgültigkeit. Ihr Kopf schmerzte, ihre schla­fen pochten, ein brennender Durst quälte fw Aber sie dachte gar nicht daran, sich ein Glas Bier oder Limonade zu kaufen, als der Zug m Rosenheim anhielt. So sehr überwog die gei­stige Qual die körperliche, fo peinvoll fesselnd waren die Gedanken, die ihr durchs Hirn wir­belten. . , ,

Wenn sie die Augen schloß, weil sie das rastlose Vorüberjagen der Bilder draußen uichl länger zu sehen vermochte, so tauchte ihr >m Innern Felix' Gestalt auf, bleich und schmal, mit den in Watte gehüllten Händen auf seinem Schmerzenslager. Und dann kamen die unauf­hörlichen Vorwürfe; warum hatte sie ihn aller gelaffen, den die sterbende Mutter ihr ans He s gelegt? Warum hatte sie nicht heftiger darauf

gedrungen, daß er ein anderes Zimmer erhiel Im Frühjahr war er umquartiert worden. ^ kleinen Geschwister bekamen ein Fräulein, o