Wader Monik

Amtsblatt

Mr die Stadt Wit'öbaö-

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Nr- 51

Samstag, den 1- Mai l909-

I 45. Jahrgang

Wunöschau

Der Württembergische Landtag erörterte die Frage der Raterteilung an Gemeinden und Gewerbetreibende bei Herstellung elektrischer Anlagen. Die hierfür in den Etat eingestellten 7000 Mk. wurden mehrmals befürwortet, des­gleichen die Gründung von Ueberlandzentralen auf genossenschaftlicher Grundlage. Von be­sonderer Wichtigkeit waren einige Mitteilungen des Ministers v. Pischek über die Frage der Verwendung der Illerwasserkräfte für die Elektri­sierung der oberschwäbischen Bahnen. Die an- gestellten Untersuchungen haben ergeben, daß sie sich hierzu in weitgehendem Maße eignen. Die geplante oberschwäbische Ueberlandzentrale wird dabei trotzdem die nötigen Kräfte zuge­wiesen erhalten, vorausgesetzt, daß die Verhand­lungen mit Bayern über die Teilung der Wasserkräfte zu einem befriedigenden Ergebnis führen. Nach Mitteilung des Ministers des Innern wird in dem Müllerschen Garten (Ecke Schloß- und Kanzleistraße) von dem 70 000 Mark betragenden Ueberfchuß der Bauausstellung eine Ausstellungshalle errichtet werden.

Calw. Am 12. Mai wird (lt. oberamtl. Bekanntmachung) eine vom Kaiserl. Automobil­klub veranstaltete Wettbewerbsfahrt für Nutz- und Lastwagen bezw. eine Uebungsfahrt der Versuchsabteilung der Verkehrstruppen in unserer Gegend stattfinden und ist dazu die Staats- straßenftreke Unterreichenbach, Liebenzell, Hirsau, Calw, Althengstett, Ostelsheim ausersehen. An der Wettbewerbsfahrt werden 27 Fahrzeuge (6 Omnibusse, 4 leichte Lieferungswageu, 9 Last­wagen und 8 Lastzüge), an der militärischen Uebungsfahrt 20 leichte Armeelastzüge nebst zugehörigen Begleitwagen teilnehmen.

Calw. Wie das Calw. Wochenbl. vernimmt, ist derBadische Hof" (Besitzer Hr. D. Schmid) verkauft und geht mit dem 1. Juni in den Besitz von einem Fachmann, Herrn Fr. Braun in Kniebis, über. Die Kaufsumme beträgt 85000 Mark.

Nagold, 30. April. Heute früh starb der älteste Mann der Stadtgemeinde und wohl auch des Bezirks, Spinner Johannes Deuble, im Alter von 95 Jahren; er war 36 Jahre in der Spinnerei von Rentschler tätig und lebte feit 14 Jahren im Ruhestand. Seit einigen Jahren war er bettlägerig und wurde wie seine 90jährige, seit 20 Jahren bettlägerige Frau von der Tochter gepflegt.

, Freudenstadt, 29. April. In Kloster­reichenbach war Herzog Ulrich von Württem­berg vom Sonntag bis gestern früh zur Auer­hahnjagd anwesend. Er hat auf der Kleemiß Wei prächtige Hahnen zur Strecke gebracht und ist gestern wieder nach Stuttgart abgereist.

Tübingen, 27. April. Das Schwurgericht hat den verheirateten 48 Jahre alten Bauern und Walds chützen Christoph Beutler von Eff- rmgen wegen Fälschung einer öffentlichen Ur­kunde und versuchten Betrugs unter Zubilligung mildernder Umstände zu 2 sts Monaten Gefäng- ms verurteilt. Beutler hat die Oberamts- sparkasse in Nagold durch Fälschung einer Zmsquittung zu schädigen versucht. Ferner hat das Schwurgericht die Schreinerseheleute

Gröner von Kullenmühle von der Anklage des betrügerischen Bankerotts freigesprochen.

Pforzheim, 28. April. Die Goldschnipfler- Affären werden hier nicht alle. Gestern wurden hier wieder ein Hilfsarbeiter und ein Kauf­mann in einer Bijouteriefabrik wegen fortge­setzten Golddiebstahls und wegen Hehlerei fest­genommen.

Pforzheim, 27. April. Der hier aus­gebrochene Maurerstreik gibt zu allerlei Erörte­rungen Anlaß. Man erinnert daran, daß den Winter über von der Stadtverwaltung Zehn­tausende von Mark von Notstandsarbeiten ausgegeben wurden. Kaum aber ist die Zeit herangekommen, in der gebaut werden könnte, so wird gestreikt, weil die Arbeiter eine Lohn­erhöhung und Verkürzung der Arbeitszeit am Samstag und Montag verlangen und nicht erhalten. Die Zeit ist aber so ungünstig wie möglich, um eine Lohnerhöhung zu fordern. Der Verdienst der Unternehmer ist gegenwärtig aufs äußerste herabgedrückt. Die Unternehmer bezw. Handwerker machen bei Submissionen Abgebote bis 25°/o und sogar 30°/o vom An­schlag. Nicht selten kommt es vor, daß als Zahlung der Bauarbeit Grundstücke oder gar ein fertiges Haus in Tausch genommen wer­den muß. Dabei sind zur Zeit Häuser hier schlecht verkäuflich und nicht sehr gut vermietbar. Unter diesen Umständen wird nur halb so viel gebaut als früher und werden zahlreiche ge­nehmigte Pläne auf nächstes Jahr verschoben, von denr man eine Besserung hofft.

Zur Uebernahme der Luftschiffstation Metz, wo ein starres Reichsluftschiff 2 I, ein unstarres Militärluftschiff Parseval II und ein halbstarres Groß'sches Luftschiff stationiert werden, reist heute Hauptmann George mit einem Sergeanten und 12 Luftschiffern von Berlin ab.

Berlin, 29. April. Einer der jungtür­kischen Führer hat sich nach einer Konstanti- nopeler Privatmeldung über den neuen Sultan Mohammed V. wie folgt ausgesprochen:Der Eindruck, den Mohammed V. auf mich ge­macht hat, ist wirklich vorzüglich. Der Sultan spricht ausgezeichnet, er hat entschieden Red­nergabe. Sein Ausdruck im Türkischen ist so korrekt, daß er überhaupt als direkt druck­fertig bezeichnet werden muß. Der Sultan ist trotz jahrelanger Abschließung sehr gebildet. Das erste, was er nach der Absetzung Abdul Hamids sagte, war:Ich habe, ohne daran schuld zu sein, durch meinen Bruder gelitten. Ich für mein Teil verzeihe meinem Bruder." Der Jungtürke fährt dann fort, der Sultan sei sehr einfach, entschieden ein glücklicher Mensch, der keinerlei Absolutismusregungen besitze oder die Absicht habe, im Stil der alten Dildizkamarilla zu regieren. Man sehe deutlich, daß er so lange gelitten habe und infolgedessen den Absolutismus verdamme. Unser Sultan soll ein freier Mann sein, der als selbständige Persönlichkeit im Rahmen der Verfassung regiert. Deshalb ist man bestrebt, den Sultan von allen Parteien und der Ope­rationsarmee fernzuhalten und deshalb haben auch die Generale der Operationsarmee ab­lehnen müssen, dem vom Sultan ausgesproche­nen Wunsch nachzukommen, in Hofdienste zu

treten oder Stellungen als Generaladjutanten anzunehmen. Es muß von vornherein auch jeder Schein einer Beeinflußung des Sultans oder die Möglichkeit falscher Deutungen nach dieser Richtung hin vermieden werden. Der Hofstaat des Sultans wird nach dem Muster europäischer Höfe eingerichtet werden: Ober­hofmarschall, Zeremonienmeister und einige Kammerherren, 5 bis 6 Flügeladjutanten. Die Hofhaltung wird ohne jeden Luxus mit weniger Ausgaben geführt werden.

Konstantinopel, 28. April. Das Fetwa des Scheck ul Islam hat folgenden Wortlaut: Was geschieht mit einem Imam der Musel­manen, der zu wiederholten Malen die Vor­schriften des Korans verletzte, der das Reich als Tyrann verwaltete, der heilige Bücher ver­brannte, der sich widerrechtlich den Besitz frommer Stiftungen aneignete, der nach seinem Schwur, das Reich von nun an nach dem Scherifat zu regieren, den Eid gebrochen hat, durch Be­stechungen die Ursache eines Bürgerkrieges war, und der das Volk ausstachelte, sich gegenseitig zn töten?" Die Antwort lautete:Er muß abdanken oder entthront werden."

Saloniki, 29. April. Die Fahrt Abdul Hamids von Konstantinopel hieher ging ohne Zwischenfall von statten. Abdul Hamid war sehr niedergeschlagen und abgespannt. Er­schien unter dem Eindruck der letzten Ereignisse zu leiden. Seine Gesundheit scheint erschüttert zu sein. Er verbrachte die Fahrt meist vor sich hinbrütend und halb schlummernd. Er verlangte weder Speise noch Trank, nur ein­mal ein Glas Wasser. In müder Haltung verließ er den Bahnwagen und überblickte kurz die Umgebung. Er wurde sodann zum Wagen geführt, in dem er mit dem Prinzen Platz nahm. Unter -starker Kavalleriebegleitung er­folgte sodann die Fahrt nach der Stadt. Die Frauen hatten die Schleier zurückgeschlagen und blickten neugierig aus den Wagenfenstern. Viele glaubten, einen Transport gefangener Würdenträger vor sich zu haben. Nur wenig Leute hatten von der Ankunft Abdul Hamids Kenntnis. Auf den Straßen waren überall starke militärische Posten aufgestellt. Das Volk feiert noch die Tronbesteigung des neuen Herrschers. Ueberall war Musik und Gesang zu hören. Die Häuser waren beflaggt.

Konstantinopel, 29. April. Von authentischer Seite heißt es, es sei ziemlich sicher, daß der Sultan die Bildung des Kabi­netts Muktar Pascha übertragen werde.

Haag, 30. April. Die Königin von Holland ist heute früh 7 Uhr von einer Prinzessin ent­bunden worden. Das Befinden der Königin ist sehr gut. Einigemal schon waren die Hoffnungen des niederländischen Volkes auf einen Thronerben zu nichte geworden, nun aber ist sein Wunsch erfüllt worden, indem Königin Wilhelmina am heutigen Tag einer Tochter das Leben gegeben hat. Diese Tochter ist nun­mehr die präsumtive Nachfolgerin auf dem Thron, doch nur so lange, als Königin Wilhel­mine ihrem Gemahl nicht etwa auch noch einen oder mehrere Söhne schenkt. Diese würden dann ihrer heute geborenen Schwester im Recht an den Thron Vorgehen.