er hoffe so in einer Stunde 150 bis 200 Kilo­meter zurückzulegen. Die Fortbewegung erfolge durch Räderpaare. Falls die bereits eingeleiteten Schritte zur Finanzierung des Unternehmens Erfolg haben sollten, dürfte die erste Linie von Marburg nach Frankfurt am Main in Angriff genommen werden. Die Linie dürfte dann bis zur Aeronautischen Ausstellung, die bekanntlich in Frankfurt am Main stattfinden wird, beendet sein.

Was die türkischen Frauen bei dem freiheitlichen Umschwung in der Türkei gewon­nen haben, das erzählt eine in Konstantinopel lebende Mitarbeiterin der WienerZeit" fol­gendermaßen: Ich fragte kürzlich eine Frau, ob sie mit der Freiheit zufrieden fei, die ihr so plötzlich vom Himmel herab in den Schoß ge­fallen. Sie antwortete:Ich kenne keinen andern Unterschied, als daß mein Mann uns früher jeden Abend Essen heimbrachte und wir zusammen aßen und ruhig und fest schliefen und daß er jetzt jeden Abend im Cafe sitzt. Früher trank er wie die andern zuweilen Racks, den griechischen Branntwein jetzt kommt er jeden Abend betrunken heim und schlägt uns dann, und wir haben weder Geld noch Ruhe. Früher schlief er jede Nacht so ruhig wie mein Jüngstes, jetzt wirft er sich hin und her und redet im Schlaf vonVolkes Simme" und Volkes Wille", lauter Dinge, an die ich nicht gewöhnt bin und die ich nicht verstehe. Nein, mir ging es besser, solange das, was sieKon­stitution" nennen, noch nicht da war."

Caracas, 31. Dez. Präsident Gomez ist im ganzen Lande anerkannt worden. Die Re­volution hat ohne Blutvergießen geendet. General Celestrino Castro, ein Bruder des früheren Präsidenten und Chef des Departements Tachira, hat das Kommando über die Truppen abge­geben und alle Waffen mit Munition, über 6000 Gewehre mit 3 000 000 Patronen, aus­geliefert. Dies ist als entscheidend dafür an­zusehen, daß der frühere Präsident Castro nicht mehr als Machtfaktor gelten kann. Die Presse ist frei, das Viehmonopol aufgehoben, die Grenzstreitigkeit mit Columbia geregelt und der Schiffsverkehr auf dem Zulia von und nach Columbia wieder hergestellt.

gom Erdbeben in Mitalien.

Rom. Die Katastrophe in Süditalien ist von unermeßlicher Größe und Furchtbarkeit. Sicherlich ist sie das gewaltigste Naturereignis der modernen Zeit und stellt selbst das Erd­beben von San Franzisco und Valparaiso, wenigstens an Verlust von Menschenleben in den Hintergrund. Fast alle Berichte von Augen­zeugen stimmen damit überein, daß die Flut­welle die meisten Menschenopfer forderte. Unter dem Wasser in der Straße von Messina hat sich so schien es, ein maritimer Vulkan geöffnet, der die Flutwelle verursachte. Das Meer trat zuerst 300 bis 400 Meter vom Lande ab, dann kam es plötzlich 10 Meter hoch mit furchtbarem Getöse zurück und begrub die verzweifelt zwi­schen den stürzenden Häusern auf die Straße flüchtenden Menschen.

Reggio, 2. Jan. Es ist jetzt bekannt geworden, daß die Flutwelle in der Nähe von San Giovanni einen ganzen Eisenbahnzug mit den Reisenden verschlungen hat.

Aus Rom wird demBerl. Tagbl." gemeldet: Vor dem Bahngebäude in Reggio öffnete sich eine 50 Meter tiefe Erdspalte, aus der eine hohe, phosphoreszierende Wassersäule hervorsprang. In San Euphemia beginnt die Verwesung der Leichen die Luft zu verpesten und Scharen von Krähen heranzuziehen. Auch hier sind Plünderer am Werk.

Rom. Ein Telegramm des Direktors des Observatoriums in Catania, Ricco, an die Agencia Stefani" besagt, die Docks des Hafens in Messina hätten sich bis zum Meeresspiegel gesenkt; die Flutwelle sei von Messina bis Syrakus, Termini und Jmerese gegangen. Die Zahl der Opfer betrage insgesamt 200 000.

Das uralte Messina, die an Sagen und Geschehnissen reichste Kolonie Griechenlands soll nach 2700jährigem Bestand ein Trümmer­feld bleiben. In amtlichen Kreisen Italiens verlautet, Messina soll nicht wieder aufgebaut sondern die gerettete Bevölkerung anderswo

angesiedelt werden. Tatsächlich besteht unter den Stadtverordneten Catanias auch der Plan, eine neue Vorstadt für die dorthin geflüchteten Messianer zu erbauen und dem Vorort den Namen Messina zu geben. Mehr als 15 000 Flüchtlinge verwundete und unverwundete sind aus Messina in Catania eingetroffen. Die Hospitäler sind voll, doch fehlt es an Aerzten.

Der Großherzog von Baden stiftete 3000 Mk und richtete alsbald nach Bekannt­werden der furchtbaren Erdbebenkatastrophe ein Telegramm an den König von Italien, in dem er sein wärmstes Mitgefühl mit dem nationalen Unglück ausdrückte. Der Schweizer Bundes­rat hat für die von der Katastrophe Betroffenen 2000 Francs bewilligt. Die vom Lordmayor von London eingeleitete Sammlung übertrifft bereits 20 000 Pfund, wovon auf Wunsch des italienischen Botschafters 10 000 Pfund sofort telegraphisch nach Rom übermittelt wurden. Die sächsische Königssamilie spendete 3000 Mk., die italienische Kolonie in Dresden 6000 Mk.

In Frankreich brachten die Sammlungen bereits in den ersten Tagen über 600 000 Frs. Der Ministerrat zeichnete 125 000 Frs., die Stadt Paris 30 000, das Haus Rothschild 100 000, jede der Großbanken 25 000 Francs.

Die Sammlungen in Neapel ergaben am Sonnabend eine halbe Million, die Mailänder Sparkasse wird 1 Million Lire spenden.

Rom, 30. Dez. Pierpont Morgan spendete 50 000 Lire für die Hinterbliebenen der Ver­unglückten. Der Maltheserorden stellte sein gesamtes Feldlazarett zur Verfügung.

Rom, 1. Jan. Der Papst hat für die Opfer in Süditalien 100 000 Lire, die Königin- Witwe Margaritha 20 000 und das Kollegium der Kardinale ebenfalls 20000 Lire gestiftet.

Dw Stadlvertretung von Paris bewilligte einstimmig 30000 Frcs. für die Opfer des Erdbebens. Im Einverständnis mit dem Fi­nanzminister wird die Bank von Frankreich der italienischen Regierung zur ersten Hilfeleistung 100000 Frcs. überweisen, von denen sie selbst 50 000 Frcs. spendet.

Ais AM und Wgklmig.

Wildbad, 3. Jan. Große Anziehungskraft übt immer die Weihnachtsfeier des hiesigen MilitärvereinsKönigin Charlotte" aus;kaum genügt die gewiß geräumige Turnhalle zur Auf­nahme der vielen Besucher des Festes. Eines­teils mag für die ungewöhnlich große Teilnahme an demselben der Grund mitsprechen, daß der Militärverein nur diese eine Feier im Jahr veranstaltet, andernteils aber wird er darin zu suchen sein, daß eben, abgesehen von den Männerchören,die charakteristischen Aufführungen, meist Motive aus dem Soldatenleben, durch ihre Urwüchsigkeit und Eigenartigkeit anziehen. Diesmal fand die Feier am Neujahrstag statt.- Die Turnhalle war, wie immer, schön und sinnbildlich geschmückt und für die Gabenverlosung eine Ausstellung aller möglichen, Aug und Herz erfreuenden Gewinne von verschiedener Güte und Art arrangiert. Da in der Halle trotz strenger Külte draußen, eine wohlige Wärme herrschte, da auch Speisen und Getränke, ver­abreicht von Herrn Köhler zum Palmengarten gut mundeten, sagte sich jeder: hier ist gut sein. Nach einer herzlichen Begrüßung und Beglück­wünschung zum neuen Jahr, seitens des Vor­stands, Herrn Hotelier G. Schmid, dessen zündende Ansprache in einem Hoch auf das Königspaar gipfelte, wickelte sich das reichhaltige, vielseitige Programm musterhaft und ohne lange Pausen ab. Dazwischen ertönten schneidige Weisen der hiesigen Feuerwchrkapelle, die unter ihrem Di­rigenten, Herrn W. Fuchslocher, tüchtiges bot, welch Letzterer sich übrigens auch als Gesangssolist in dem LiedDer Königsgrenadier bei Weißen­burg" auszeichnete. Musiklehrer Wörner hatte wieder, wie alljährlich, die musikalische Leitung der Aufführungen und die Direktion des Männer­chors übernommen; er hat auch diesmal vor­zügliches geleistet. Die Wahl der Chöre, von denenDie Ehre Gottes" von Beethoven,Der Soldat" von Silcher undJägers Liebeslied" von Gernsheim hervorgehoben werden sollen, war eine auserlesene, die Ausarbeitnng des Vortrags eine bis in's kleinste Detail seine und sorgfältige, der frische und reine Gesang von

großer Wirkung, spontanen und reichen Beifall lösend. Viel Freude machten natürlich die hu­moristischen Nummern des Programms. Einzelne Scenen waren aber auch derart packend u. erhei­ternd, daß die Zuschauer nicht aus dem Lachen kamen. Couplets ,Schwänke, komische Soli und Duette wechselten in bunter Reihenfolge ab; eines gestaltete sich heiterer als das andere. Der Schwank Der Weg durch die Küche oder drei von der Artillerie," das humoristische GesamtspielDer geprellte Ochsenwirt," die humoristische Duett­sceneKammerdiener und Kammerzofe," das DuettKieslack und Dämlack," die Soloscene Wie man Couplets fabriziert" gaben den Mitwirkenden (Frl. Wacker und Kappelmann, Herren: Josef Eitel, Gall, Bausert, Rob. Schmid, Bäcker.Schmid, Schlüter, Fuchs­locher, Bechtle, Mayer) Gelegenheit nach mancher Richtung, gesanglich und mimisch ihre Talente zu entfalten und keins stand dem Andern im Können zurück, alle wetteiferten, das Beste zu bieten. Viel Fleiß unb Mühe zeigten diese Leistungen, doch ebensoviel Ge- wandheit und Verständnis. Wohlverdienter Beifall fehlte den Darstellern infolgedessen nicht; er hat über das ganze Programm vorgehalten und gezeigt, wie hochbefriedigt und dankbar das Publikum für den gebotenen Genuß war. Auch den Deklamationen des Herrn Krimmel lauschten die Anwesenden mit großer Aufmerk­samkeit und Spannung; sein ausdrucksvoller Vortrag fand ebenfalls dankbare Zustimmung. Daß die den Aufführungen folgende Tanzunter­haltung nicht minder lebhaften Anklang fand, das ist aus ihrer Beendigung in früher Mor­genstunde zu schließen. Der Militärverein darf stolz auf dieses sein dreißigstes Weihnachtsfest zurückblicken; es war wohl eines der schönsten, das er veranstaltet hat und warmer Dank ist seinem Vorstand zu zollen für seine Mühewaltung um das gute Gelingen desselben.

Wildbad. Die Gesellschaft Sägewerk u. Holzhandlung Sprollenmühle Wildbad, Gesell­schaft mit beschränkter Haftung, hat sich am 31. Dezember durch Beschluß der Gesellschafter auf­gelöst. Forderungen sind beiden Liquidatoren: Christian L>chill, Bauunternehmer in Wtldbad, Karl S chanz, Zimmermeister in Sprollenmühle, anzumelden.

Pforzheim, 4. Jan. Hier lief gestern das Gerücht um, der langgesuchte Mörder der Else Bauer hier sei endlich in Calmbach ver­haftet worden. Das aufsehenerregende Gerücht bestätigte sich zwar nicht, insofern als der Ver­haftete vorerst sein Alibi Nachweisen konnte. Auf jeden Fall aber hat die Polizei eine zwei­felhafte Persönlichkeit in die Hand, bekommen. Es ist dies der 32 Jahre alte ledige Zimmer­mann Karl Beque, geboren in Schönenbuch, also ein Zunftgenosse des Vaters der ermor­deten Else Bauer, auf dessen Arbeitsplatz Beque übrigens bekannt sein soll. Beque war vom 16. November bis 9. Dezember in Calmbach beschäftigt, vom 14. bis 26. Dezember in Markgröningen, auf Neujahr kam er wieder nach Calmbach zurück, wo er am Neujahrstag verhaftet wurde. Die Verhaftung erfolgte zu­nächst deshalb, weil sich Beque der militärischen Kontrolle seit 3 Jahren entzog. Sodann steht er im dringenden Verdacht, den am 16. Dezember um Mitternacht zwischen Wildbad und Calm­bach an einem 25jährigen Holzhändler begangenen Raub verübt zu haben. Der Ueberfallene glaubt Beque bestimmt wieder zu erkennen. Natürlich wird die Behörde noch genau prüfen, ob es sich bestätigt, daß Beque am Mordtag der Else Bauer (15. Nov.) nicht in der Nähe von Pforzheim sein konnte. Daß er bald -darauf dort war, soll schon festgestellt sein, auch soll er ein blutiges Hemd gehabt haben. Beque sitzt im Gefängnis in Neuenbürg. (Pf. Anz.)

W erwischtes.

(Eine nützliche Verwendung des Weih­nachtsbaumes). Der seines Schmuckes entklei­dete Weihnachtsbaum sollte nicht gleich ins Feuer geworfen werden, denn er kann noch den ganzen Winter hindurch im Dienste des Vogelschutzes Verwendung finden. Man lasse warmes mit Sämereien, Fleichstückchen und Weißbrot ver­mischtes Fett (Talg), auf die Zweige träufeln.