Sommer auf der Weide gehen, beweise hinlänglich die großen Vorzüge der freien Bewegung gegenüber der ausschließlichen Aufzucht in Ställen. Daß auch bei uns gute Jungviehweiden eingerichtet werden können, die einen günstigen Erfolg aufzuweisen haben, zeigen die bis jetzt in unserem Lande vorhandenen, wie in Heusteig, Schlat, Gingen a. d. F. und Freudenstadt. Auch für unfern Bezirk wäre die Beschaffung einer Jungviehweide von großer Bedeutung. Die Verhältnisse dafür liegen viel günstiger als in andern Bezirken, da unter zwei großen Gütern mit den erforderlichen Stallungen und guten Quellwaffers eine Wahl getroffen werden könne, nämlich zwischen dem Hofgut Roßrücken bei Berneck und dem Freih. v. Kechler'schen Gut in Unterschwandorf. — Nach Schluß des belehrenden Vortrags dankte H. Oberamtmann Ritter im Namen der Anwesenden dem Redner und forderte zur Aeußerung über den Vorschlag auf. Von bewährten Oekonomen des Bezirks, von Herrn Link in Tröllenshof, von Herrn Ru eff in Spielberg, sowie von Hrn. Oberamtstierarzt Wallraff wurde die Einrichtung einer Jungviehweide ebenfalls dringend empfohlen. Als nun der Vorsitzende über die Frage, ob eine Bezirksjungviehweide eingerichtet werden soll, abstimmen ließ, war dis ganze Versammlung vollzählig für Ausführung des Projekts. Die Auswahl eines der beiden Orte und Näheres über die Durchführung der Pläne wurde ebenfalls einstimmig dem Ausschuß in Auftrag gegeben, der dann bei einer in Bälde in Altensteig abzuhaltsnden Hauptversammlung seine Vorschläge zur Beurteilung darlegen werde. Zu den Ausführungskosten und zur Bestreitung der jährlichen Ausgaben werde nach der Mitteilung des Hrn. Oekonomierats Fecht ein namhafter Staatsbeitrag in Aussicht gestellt. Da das Unternehmen auf Aktien ausgeführt werden soll, ließ Hr. Oberamtmann Ritter ein Zirkular zur Unterschrift herumgehen, auf dem sich alsbald 22 Viehbesitzer durch Unterzeichnung zur Annahme von Aktien bereit erklärten. — Nach Erledigung dieses Gegenstandes empfahl der Vorsitzende den gemeinschaftlichen Bezug von Kunstdünger durch den landw. Verein und der Darlehenskassenvereine. Auch dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Hierauf erfolgte die Ausbezahlung der bei der staatlichen Bezirks-Rindviehprämierung gewährten Preise, woraus noch Hr. Ober- amtstierarzt Wallraff über die Bekämpfung der Tuberkulose (Perlsucht) einen eingehenden Vortrag hielt. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß nach dem Rechnungsabschluß pro 1896/97, mitgeteilt von Hrn. Kassier Klein, die Jahreseinnahmen des Vereins insgesamt 4704,26 Mk., die Ausgaben 4094,90 Mk. betrugen. — An belehrenden Anregungen zum erfolgreichen Betrieb der Landwirtschaft bot die gestrige Versammlung außerordentlich viel.
* Neuenbürg, 19. Nov. Das anhaltend gute Wetter kommt unserer Wasserleitung zu gut, indem die Grabarbeiten jetzt soweit gefördert sind, daß die Einweihung des Werkes bis 1. Dez. erfolgen kann. Die Leitung ist 8000 Meter lang. Die Wafferleitungs- arbeiten sind wohl auch daran schuld, daß sich in Neuenbürg bis jetzt wenig Interesse zeigt für das Eiseu- bahnprojekt Neuenbürg - Conweiler - Marxzell, die Verbindung mit dem Albthal, dessen Bahn nächstdem dem
feit einigen Stunden unausgesetzt ihrem Auge vorschwebte. Wie war das nur so rasch, mit so überwältigender Macht über sie gekommen!
Als Melitta heute ihre Stunde beim Professor genommen, war plötzlich ein junger Mann eingetreten; beim ersten Blicke dieser brennenden, schwarzen Augen hatte sich ihrer eine eigentümliche Bangigkeit bemächtigt, sie vermochte nicht weiter zu spielen, lässig sanken ihre Hände von den Tasten herab; ihr war zu Mute, als sei sie plötzlich in eine neue, ihr gänzlich fremde Welt getreten; wie durch einen Zauberschlag war sie für die Erinnerung an all das Vergangene verschwunden, sie sah und hörte nichts mehr als den dunkeläugigen Fremden vor sich.
Wie geistesabwesend saß sie da, ihr Ohr vernahm nichts von dem. was die beiden Männer miteinander sprachen; nach einer kurzen Rücksprache mit dem Professor entfernte sich der Fremde. Sie starrte ihm nach, als sei er eine Erscheinung aus einer anderen Welt.
„Jetzt haben Sie einen unserer ersten Violinkünstler gesehen," sagte lächelnd der Professor zu ihr; „Herr Cornaro ist ein ehemaliger Schüler unserer Anstalt. Er hat eine Tournee durch Frankreich und Italien gemacht und gedenkt jetzt sich einige Zeit hier in seiner Vaterstadt aufzuhalten. Wollen Sie ihn spielen hören? Er giebt heute ein Konzert; ich habe gerade noch zwei Karten übrig; wollen Sie dieselben?"
„O Herr Professor!" sagte sie und faltete bittend die Hände.
Der Professor lachte.
Verkehr übergeben werden kann. Die Bewohner der Orte Schwann, Conweiler, Arnbach rc. wollen die Angelegenheit vorwärtsbringen. „Jetzt oder niemals", lautet die Losung.
* Böblingen, 22. Nov. Die Stichwahl zwischen Rektor Dr. Hartranft und Färbermeister Schäfer ist auf Donnerstag den 2. Dezember anberaumt.
* Stuttgart, 22. Nov. Die Landessynode hat am Freitag das kirchliche Gesetz und verschiedene Anträge, betr. Christenlehre erledigt. Am Montag nachmittag beantwortete Konsistorialpräsident Frhr. v. Gemmingen die Anfragen Bosserts betreffs der Samstagshochzeiten und betreffs der Agitation gegen die Octs- schulaufsicht. Zu letzterer Frage verlas der Konsistorialpräsident eine Erklärung der Obeckirchenbehörds, dis unter dem Beifall der Versammlung mit der Versicherung schloß, die geistlich: Schulaufsicht werde keineswegs preisgegeben werden, lieber den Antrag Schmid-Sonneck auf Aufhebung des Z 146 der Verfassungsurkunde, wonach Kirchendiener nicht innerhalb des Oberamts, in dem sie wohnen, in die Abg.-Kammer gewählt werden können, ging die Synode nach lebhafter Debatte mit 32 gegen 20 Stimmen zur Tagesordnung über. Der Antrag der kirchenrechtlichen Kommission, betr. die Zulassung bestimmter Personen zu den Verhandlungen des Disziplinargerichts für Geistliche wurde angenommen.^
* Stuttgart, 21. Nov. (Protestversammlung der württemb. Ortsvorsteher.) In der Liederhalle versammelten sich heute weit über tausend Ortsvorsteher, um gegen das geplante Octsvorstehergesetz einen geharnischten Protest loszulaffen. Unter anderen bemerkte man Oberbürgermeister Hsgslmaier-Hsilbronn, Oberbürgermeister Dr. Mülberger, Eßlingen, Oberbürgermeister Wagner, Ulm, den Stadtschultheiß und Landtagsabgeordneten Sachs von Crailsheim. Nachdem Stadtschultheiß Hartranft von Freudenstadt die Versammlung begrüßt hatte, begründete Oberbürgermeister Dr. Mülbsrger, Eßlingen, in ausführlicher aber rein sachlicher oft von stürmischen Beifallskundgebungen unterbrochene Rede folgende Resolution: I. „Die heute tagende Versammlung verkennt nicht, daß die Zeitverhältnisse auf die Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Amtsdauer der Ortsvorsteher Hinweisen, ist aber der Ansicht, daß der gegenwärtige Zeitpunkt der denkbarst ungünstigste ist zur Durchführung dieser mit verschiedenen Beschränkungen der Amtsobliegenheit der Ortvorsteher verknüpften Reform, da die Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches in allernächster Zeit, im Jahre 1900, bevorsteht und hierdurch ganz wesentlich in ihren Einzelheiten noch gar nicht übersehbare Verschiebungen in der Gemeindeverwaltung eintreten werden, welcher Umstand es als wünschenswert erscheinen läßt, daß eins einheitliche, das Ganze der Gemeindeverwaltung umfassende Reform durchgeführt werde. Die Versammlung legt daher den gesetzgebenden Faktoren die Bitte vor, im Interesse der Gemeinden des Landes, insolange als das bürgerliche Gesetzbuch noch nicht eingeführt ist, jede bruchstückweise Gemeindereform zu unterlassen. II. Hinsichtlich der im Amte befindlichen Ortsvorsteher ist im Anschluß an die Worte des Ministers in der Kammer der Abgeordneten eine Rückwirkung auszuschließen, da hiedurch nicht nur die gesamte Gemeindeverwaltung
gefährdet, sondern den Gemeinden unverhältnismäßige Lasten aufgebürdet werden und überdies eine durch das Staatswohl keineswegs gebotene Beeinträchtigung der im Amte befindlichen Ortsvorsteher eintreten und eine Reihe unerquicklicher Prozesse für die Gemeinden entstehen werden. Sollte aber je die Rückwirkung be- schlossen werden, dann wäre es geboten, dieselbe in einer den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen entsprechenden Weise zu ordnen und den durch die Gesetzgebung beseitigten Ortsvorstehern volle Entschädigung zu gewähren." Nachdem noch als Korreferent Oberbürgermeister Wagner auf die große Ungerechtigkeit hingewiessn hatte, die der Staat zu begehen im Begriff stehe, wurde die Resolution unter großem Jubel einstimmig angenommen.
* Frickingen, OA. Neresheim, 21. Nov. Zwei Arbeiter von hier fanden am letzten Donnerstag beim Sandgraben im Walde 18 Goldmünzen, die der Zeit des römischen Kaiser Justinian angehören. Die Münzen sind dünner als unsere Goldmünzen und ungefähr von der Größe der letzteren. Die eine Seite der Münzen zeigt einen Kopf mit der Unterschrift: Justinian; die Kehrseite zeigt einen Engel. Die Buchstaben 600 weisen jedenfalls auf die Zeit der Prägung hin.
* (Verschiedenes.) Dieser Tage feierten die Weingärtnerseheleuts Jakob Friedrich Bürkle in Benningen das Fest der goldenen Hochzeit. — In Horrheim hat sich der Jagdaufseher Wilhelm Großmann, ein in seinen Vsrmögensverhältnissen heruntergekommener Bäcker, in seiner Wohnung erschossen. — Am 11. ds. wurden dem David Maurer in Lachweil er 100 Mk. gestohlen. Dieser Tags nun sandte der Dieb, der sich scheint's auch mit einer kleineren Summe begnügte, dem Bestohlenen 66 Mark aus Stuttgart großmütig wieder zu. — In Rottweil hat sich der ca. 30 Jahre alte ledige Konrad Bippus von Bühlingen erschossen. — Auf der Station Pfeffingen fiel ein 70jähriger Mann zwischen die Räder des Eisenbahnzuges, wobei ihm beide Füße abgefahren wurden. Der Bedauernswerte starb noch auf dem Transport zum Spital. — Dieser Tage sollte in Affalterbach eine Hochzeitsfeier stattftnden. Es war alles bereit. Die Hochzeitsgästs waren geladen und zum Teil schon erschienen. Der Wirt hatte das Festmahl bereiten lassen, Tanzmusik bestellt und sich zugleich auf eine „Nachkürbe" eingerichtet. Die Glocken läuteten; nichts fehlte, nur — der Bräutigam war nirgends mehr zu finden. Bis gegen Morgen hatte
sich im Hause seiner zukünftigen Schwiegermutter
er
aufgehalten, sich aber dann entfernt mit dem tröstlichen Abschisdswort: „So, Hochzich ka' halta, wer will!" Die verlassene Braut ist bis jetzt noch untröstlich. — Wegen eines Vergehens der fahrlässigen Eisenbahntransportgefährdung wurde der Lokomotivführer Knöpfte von Aalen von der U l m e r Strafkammer zu 1 Monat Gefängnis verurteilt. Er war am 29. Juli auf der Station Niederstotzingen der Vorschrift zuwider statt 1 Minute zu halten, mit Volldampf durch die Station gefahren und auf die letzten Wagen eines kreuzenden Güterzugs gefahren, wodurch ein Schaden von 800 Mk. entstand. — In Ob er schwarz ach hat der Hausierer Ruß sein elfjähriges Kind erdrosselt. — Der Schuhmacher Hößle von Offenhausen bei Neu-Ulm
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„Sie sollen die Karten haben. Doch nun ans Studieren!"
Sie wußte selbst nicht, wie es kam, sie hatte heute besser wie sonst gespielt und doch war sie eine Zeit sehr nachlässig in ihren Studien gewesen, sie nahm sich aber nun fest vor, mit eisernem Fleiße zu lernen und zu üben, um recht bald eine Künstlerin zu werden. Sie wollte ihm gleich stehen, sie wollte ihm m ihrer Kunst ebenbürtig werden, er sollte nicht auf sie herabsehen können!
Sie ließ die Hände vom Gesicht sinken und begann ihre Toilette. Noch nie hatte sie so viele Sorgfalt auf ihre äußere Erscheinung verwendet als gerade heute, und auch die Doktorin meinte, Melitta sähe aus.
junge Mädchen lächelte trübe bei diesen
„brillant"
Das Worten.
„Ich bin nicht schön," sagte sie leise für sich, „und er? — wie vielen schönen Frauen wird er schon begegnet sein?"
Sie sah ihn im Konzertsaal wieder. Seine hohe, geschmeidige Gestalt erschien sogar im schwarzen Fracke schön, das hellbraune Haar legte sich in schweren Wellen auf die weiße, scharf gemeißelte Stirn; die dunklen Augen blitzten in wahrhaft dämonischer Glut.
„Eine für Frauen sehr gefährliche Mannesschönheit," hörte Melitta hinter sich einen alten Herrn zu seiner Nachbarin sagen, eine dunkle Röte flog beim Anhören dieser Worte über ihr Gesicht, sie warf einen flüchtigen Blick nach rückwärts. Hwter ihr saß Minna Hellbronn, die jetzige Baronin von Königsegg.
Im
Das junge Mädchen wandte sofort den Blick ah. selben Moment setzte Cornaro den Bogen an. Voll und klar drang der süße Ton des Instruments durch den Saal, eine einfache Melodie war es, die da von Meisterhand gespielt wurde und dann mit sanften, traurigen Moll-Akkorden schloß, die sich mit einem Male in kühne, glänzende Passagen und Läufe auflösten, ans deren wildem Chaos heraus immer wieder die sanfte Melodie erklang — mit einem kurzen, scharfen Akkord, gleich einem Schmerzensschrei, schloß der Künstler.
Einige Sekunden lang blieb alles unbeweglich. Dann brach ein wahrer Beifallssturm los.
Melitta saß betäubt da; in ihren Augen perlten Thränen — so schön, so meisterhaft hatte sie noch nie spielen gehört!
„Ein doppelt gefährlicher Mann," sagte der schwatzhafte alte Herr hinter Melitta zu seiner Nachbarin. „Er fesselt Aug' und Ohr mit unwiderstehlicher Gewalt." Minna lachte.
„Sie, Frau Baronin besitzen kein Herz, die Liebe kann Ihnen nichts anhaben."
Minna klappte ihren kostbaren Fächer etwas hastig zu.
„Ich will nicht sagen, daß ich kein Herz besitze, versetzte sie langsam, „es liegt nur erstarrt im Winterschlaf und wird wohl nie wieder zum Leben erweckt werden."
Der alte Graf stieß einen affektierten Seufzer aus. „Wenn ich noch um einigsJahrzehnte jünger wäre!"
(Fortsetzung folgt.)
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