sick über den 4jährigen Zimmermeisterssohn Otto Günth und befahl ihm, den Hausgang zu verlassen. Als das Bübchen nicht ging, holte der junge Krafft das geladene Gewehr seines Vaters und schoß nach dem Knaben. Derselbe war sofort tot. Als der Mordbube bald darauf festgenommen wurde, zeigte er keinerlei Reue.
* Gegenwärtig sind in Pforzheim noch 143 Perso- nen am Typhus erkrankt.
* Der Schnapsteufel hat in diesem Jahre in Ober- kirch bereits 3 Opfer gefordert. Am verflossenen Dienstag abend geriet der betrunkene Straßenarbeiter Panter bei der Öbendorfer Brücke in die hochgehende Rench und ertrank. Seine arme Frau hat ihm oft einen derartigen Tod prophezeit — allein er gab ihr stets zur Antwort: ich bin Soldat gewesen und kann schwimmen.
* München, 30. Septbr. Der Namenstag des Königs Otto wurde heute in der üblichen Weise mit Hof- und Militärgottesdienst begangen. Der König, der Jahre lang Anfälle heftiger Erregung hatte, die mit mehrtägiger starrer Unbeweglichkeit wechselten, der zudem sehr unregelmäßig in der Nahrungsaufnahme war, ist seit einiger Zeit sehr ruhig geworden und nimmt die Nahrungsmittel mit einer gewissen Gleichmäßigkeit. Früher verweigerte er oft tagelang die Nahrungsaufnahme, worauf dann Tage heftigen Eß- begehrens folgten. Das ist nun anders geworden. In dem geistigen Zustand des Königs ist jedoch keine Aenderung eingetreten. Eine solche ist nach der ganzen Art der Erkrankung nicht möglich. Die oben erwähnten Veränderungen werden aber günstig auf das übrige körperliche Befinden des Kranken einwirken, das auch in den Zeiten größter Unregelmäßigkeit der Funktionen ein vortreffliches war.
* Die rentabelste Beschäftigung ist, Hofopernsängerin zu sein. Die Sängerin Ternina in München erhält jährlich 30000 Mk. Gehalt und hat 4 Monate Urlaub im Jahr. Ihr Kontrakt bindet sie noch zwei Jahre. Trotzdem will sie den Kontrakt brechen und nach Hamburg gehen, wo ihr Direktor Pollini dort jährlich 60000 Mark geboten hat. Nun hat ihr die Münchener Hoftheaterintendanz 40000 Mark Gage und 4 Monate Urlaub im Jahr geboten, um sie von Pollini abzubringen. Die Ternina ist aber darauf nicht eingegangen. Es ist eine Sünde, einer Theaterdame solche Gehalte zu zahlen, weshalb die „Augsb. Postztg." hervortritt und sich aus sozialpolitischen Gründen und mit Rücksicht auf die übrigen weit niedriger bedachten Mitglieder der Hofbühne strikte gegen Bewilligung einer so hohen Gage erklärt und droht, daß das Centrum im Landtag die Position für bauliche Einrichtungen des Hoftheaters ablehnen werde, wenn für die Ternina so viel Geld übrig sei.
* Der unvermeidliche Krach, den man dem Badeort Wörishofen prophezeit hat, ist bereits, wie die „M. P." meldet, eingetreten. Da und dort haben die Gerichtsvollzieher und Konkursverwalter bereits Arbeit erhalten. Auch hat vor einigen Tagen der Villenbesitzer Müller seinen Konkurs angemeldet.
* Darmstadt, 2. Okt. Das russische Kaiserpaar ist in Begleitung des Grafen Murawieff kurz vor 4 Uhr hier eingetroffen.
* Berlin, 2. Okt. Der von mehreren Blättern gemeldete Zusammenstoß der Matrosen der „Kaiserin
Kelch und Arm.
Eine reiche Zeit, in der wir leben. Wann ist so viel rotes Gold in den Handel und Wandel über die Erde gerollt wie heute? Wann jagten so viele Feste einander? Wann verstand man an festlichen Tagen so viel Pomp und Pracht zu entfalten wie heute? Und doch verstummt in unserer Zeit die Klage nicht über Massenarmut, ja Massenelend.
Eine reiche Zeit, die sich ihrer allgemeinen Bildung rühmt, die von einer Entdeckung zur andern eilt. Aber sie muß es gestehen, und wenn die meisten Kinder dieser Zeit zu stolz dazu wären, so müßten sie es an sich selbst erfahren: Bildung macht nicht frei und glücklich, Bildung allein ist völlig außer Stande, hinter das Riesenfragezeichen, mit dem unser Jahrhundert Abschied nimmt, eine Antwort zu setzen, die von dieses Riesenfragezeichens Länge auch nur eines Zolles Breite hinwegnimmt.
„Wer ist reich? Wer ist arm?"
In Wien lebte ein reicher Mann herrlich und in Freuden. Was die allerorts erschlossene Welt an Schätzen und Genüssen bietet, das zauberte ihm sein goldener Zauberstab in seine Prunkgemächer, von deren Wänden die Gemälde gefeierter Maler grüßten. Seine Tische zierten die seltsamsten Leckereien, zu denen er den Schwarm seiner lustigen Freunde lud. Während des^Mahles sangen und musizierten die Künstlerinnen der fröhlichen Kaiserstadt an der blauen Donau. Ein reicher Mann, den Tausende beneideten und Hunderte haßten. Denn es wird uns von sihm nicht erzählt, daß er den armen Lazarus an seiner Schwelle duldete.
Augusta" mit einem griechischen Volkshaufen beschränkt sich nach Erkundigung der „Nordd. Allg. Ztg." darauf, daß im Hafen von Munichia mehrere Seeleute des genannten Schiffes mit einigen Griechen in Streit gerieten. Bei der hierdurch entstandenen Schlägerei, an welcher sich die umstehende Volksmenge beteiligte, wurden 2 Matrosen der „Kaiserin Augusta" leicht verletzt. Auf den zur Abholung der beurlaubten Mannschaft entsandten Offizier und das abholende Boot wurde mit Stühlen geworfen. Der Zwischenfall ist dadurch erledigt, daß am folgenden Morgen im Aufträge der griechischen Regierung der Hafenkapitän von Munichia und tags darauf der griechische Ministerpräsident an Bord der „Kaiserin Augusta" erschienen, dem Kommandanten ihr tiefstes Bedauern aussprachen und strengste Bestrafung der Schuldigen zusicherren.
sj (Zu den Reichstagswahlen.) Eine zeitgemäße Anregung giebt die badische nationale Parteikorrespondenz im Hinblick auf die demnächstigen Wahlen. Nicht so sehr die Marineforderungen als vielmehr handelspolitische Fragen würden bei der bevorstehenden Wahlbewegung die Parole bilden. Auf diese hin Vorbereitungen zu treffen, erscheine dringender. Unter diesem Gesichtspunkte füh^t das Blatt folgendes aus: „Uns scheint, daß die Frage der Erneuerung der Handelsverträge, obwohl die letzteren noch über fünf Jahre zu laufen haben, viel entschiedener die Wahlbewegung beherrschen wird. Sollen bei einem Neuabschluß alle Stände zu ihrem Recht kommen, dann ist dringend zu wünschen, daß die wichtigsten Erwerbsgruppen, Landwirtschaft, Handel und Industrie Zusammenarbeiten. Es ist bekannt geworden, daß bereits Vertreter dieser drei Stände eine Beratung in Berlin abgehaltenhaben. Es dürfte sich aber dringend empfehlen, daß auch von den Parteien in den einzelnen Wahlkreisen sachkundige Mitglieder der drei Stände vor Inangriffnahme der Wahlarbeit gehört werden."
sj Daß der Bau von Avisos für die deutsche Marine eingestellt werden soll, wird von der „Nordd. Allg. Ztg." bestätigt. Außer Panzerschlachtschiffen und Küstenpanzern sollen künftig nur noch große und kleine gepanzerte Kreuzer gebaut werden, von denen letztere in der gleichen Weise und zu den gleichen Zwecken, wie bisher die Avisos verwendet werden sollen. Es wird auf diese Weise ein Schiffstyp vermieden, der sich überlebt hat.
sj Dem viel erörterten Artikel „Drohnen und Bienen" suchen die „Hamb. Nachr." jetzt einige Spitzen mit einem zweiten Artikel „Theoretiker und Praktiker" zu nehmen, in welchem sie streng sachlich den Nachweis führen, daß aus doctrinairem Stolz und Theoriesucht Fehlgriff auf Fehlgriff begangen wird, und daß es deshalb Not thue, Männer des praktischen Lebens, deren Erfahrung oft mehr wert ist, als die höchste Gelehrsamkeit, in die Parlamente hineinzuwählen. Der Artikel empfiehlt daher zum Schluß als Parole für die kommende Wahlkampagne: „Mehr Männer des praktischen Lebens, weniger Theoretiker und Doctrinaire!"
0 (Frei-Post,Gesellsch. m. beschr.Haftg.) Unter diesem Titel wird, wie Berliner Blätter berichten, ein neues weltstädtisches Unternehmen im Zeichen des Verkehrs ins Leben treten. Die Frei-Post, die von einem finanzkräftigen Konsortium gegründet ist, beabsichtigt,
Wieder hatte er eine Nacht durchschwelgt. Längst war die Zeit da, wo er den Diener zum Ankleiden zu rufen pflegte. Heute blieb alles still. Auch auf das Klopfen des Dieners erfolgte keine Antwort. Da brach der Diener die Thür' auf und fand seinen jungen Herrn bleich und tot. Er hatte selbst Hand an sich gelegt, zuvor aber die schwellenden Polster seiner Prunkgemächer zerschnitten und die prahlenden Spiegel und Bilder an ihren Wänden zertrümmert, um handgreiflich zu beweisen, daß die Erde keine Freude mehr für ihn übrig habe, daß alles, was sie ihm bieten könne, ihn anmute wie eine widerwärtige Medizin den Kranken, der die Unzulänglichkeit aller ärztlichen Hilfe längst begriffen hat.
Ein reicher Mann, jung und mitten im Golde und mitten in der Freude sitzend, und doch innerlich längst tot, ehe er starb, millionenmal ärmer als das arme Mütterlein, das droben in der öden Dachkammer mit der Hornbrille vor den Augen kindlich-gläubigen Herzens im Buch der Bücher liest. Der arme reiche Mann, der es nie verstand, sich Freude zu machen mit dem Ueberfluß an Mamon, der nie geübt hat die herrliche, heilige Kunst, mit seinem Reichtum Thräncn- quellen auszutrocknen und Dornen aus brennenden Wunden zu ziehen und Licht fallen zu lassen auf dunkle Erdenwege einsamer Pilger! Wie viel Staub, wie viel Haß, wie viel Fluch klebt am Golde, das nur dem Genuß und der Selbstsucht dient! Wie hilft solch Gold die Mächte entfesseln, die an dem großen Revolutionshebel arbeiten, der die ganze moderne Welt aus ihrem wurmstichigen Gefüge heben soll!
einem Jeden nickt nur Briefbogen und Couverts, son- dern auch die dazu gehörige lOPfg.-Reichspostmarke vollständig kostenlos zu liefern. Die Unkosten des Unternehmens werden dadurch gedeckt, daß die sehr gefälligen Quartbriefbogen aus feinstem Schreibpapier die durch eine sinnreiche Kombination als Briefumschlag zusammengelegt werden können, auf der inneren Seite mit Inseraten bedruckt werden. Da der Gesellschaft die Bogen und Umschläge durch Reichs-Gebr.-Must.- Schutz geschützt sind, so ist dieses Unternehmen gegen Nachahmung sicher. Die erste Emission, „lOOOOBogen", wird Anfang Oktober zur Ausgabe gelangen und in allen größeren Geschäften, Hotels, Restaurants u. s. w. unentgeltlich zu haben sein.
AEürrdlfchrS»
D Wien, 1. Oktober. Der Abg. Wolf scheint ein sehr streitbarer Herr zu sein. Am Freitag nannte er den Justizminister, weil ihm dieser wegen der Verhaftung des Redakteurs Hofer nicht Rede stehen wollte, einen „Justizmörder".
* Wien, 2. Okt. In der heutigen Gemeinderats- Sitzung beantragte der antisemitische Vizebürgermeister Neumayer eine Petition an den Reichsrat, worin mit Bezug auf die anläßlich der Einführung der neuen Civilprozeßordnung erfolgte Ernennung von Richtern auch jüdischer Konfession die Erlassung eines Gesetzes verlangt wird, wonach Christen nicht von jüdischen Richtern beeidet werden dürfen.
* Wien, 2. Okt. Die Zulassung der Frauen zum Apothekerberuf hat jetzt auch die beiden österreichischen Apothekervereine beschäftigt. Diese haben sich auf einen anderen Standpunkt gestellt als der deutsche Apothekerverein , der gegen die Zulassung von Frauen Verwahrung eingelegt hat. Der Allg. österreichische>Apo- thekerverein entschied sich für vollkommene Gleichberechtigung der Frauen, wenn sie die gleichen Pflichten erfüllen wie die Männer; die Pharmaceutische Gesellschaft gab ihr Gutachten dahin ab, däß'das Ministerium geeignet vorgebildeten Frauen von Fall zu Fall die Zulassung gestatten solle. Oesterreich leidet zur Zeit unter einem gewissenPersonenmangel im Apothekerberuf.
* Eine blutige Schlacht, in der im ganzen 50 Mann kämpften, wurde am Sonntag abend in Basel geschlagen. Vor einer verrufenen Wirtschaft rauften 30 norddeutsche Zimmerleute miteinander und trieben die zuerst in geringer Anzahl, um Frieden zu stiften, eingreifenden Polizisten in die Flucht. Darauf zogen diese telegraphisch neue Streitkräfte herbei, und auf 20 Mann verstärkt, liefen sie mit blanker Waffe Sturm. Nach hartnäckigem Widerstand suchten die Zimmergesellen in der Wirtschaft hinter Schränken, Möbeln und in Betten Schutz. Nachdem das Haus umzingelt war, wurden 24 Gefangene gemacht, die zum Teil schwer verwundet waren. Sämtliche Uebelthäter wurden gefesselt abgeführt.
2 In Frankreich spitzen sich Personalfragen in der Diplomatie und Verwaltung derart zu, daß man an eine Gefährdung des Kabinetts Meline zu glauben beginnt. Der Botschafter Lozä begründet seine Ablehnung des algerischen Generalgouverneurpostens mit Familienrücksichten, doch glaubt man, der eigentliche Grund seiner Weigerung sei die Befürchtung vor maß-
Vor Jahren — so erzählte ein moderner Schriftsteller — besuchte ich einen befreundeten Gutsbesitzer und sprach zufällig vom Paradies. Da lächelte er und rief, zum Fenster hinaus auf sein weites Gut deutend: „Das ist mein Paradies!" — Und allerdings breiteten sich da aus im Sonnenschein Weinberge und Wiesen, von blühenden Obstbäumen umrahmt, in sanftem Abhang bis zum blauen See hinab, und am jenseitigen Ufer erhoben sich schöne Hügel und darüber die schneeigen Alpengipfel in die blaue Luft, ein prächtiges Bild! — Nach wenigen Jahren kam ich wieder; immernoch lächelte der See im Sonnenschein und es grünten die Bäume; aber im Zimmer saß der Besitzer, gebrochen, finster, brütend im Armsessel. Sein geliebter Sohn war vor seinen Augen im See ertrunken, eine Tochter unglücklich verheiratet, und er selbst siechte langsam an einem unheilbaren Leiden dahin. Und als seine jüngere Tochter ins Zimmer kam und fragte: „Vater, ich fahre in die Stadt, was soll ich dir mitbringen?" antwortete der Mann finster: „Eine Pistole!"
Arme reiche Leute mitten im Vollbesitz ihrer Kraft und im Vollgenuß ihres Reichtums! Wie arm erst, wenn das Unglück über sie herfällt wie ein starker, gewappneter Mann und das Siechtum seine langsam zu Tode marternden Krallen in ihre Muskeln und Nerven gräbt und sie nun von ihrem Armsessel aus zu einem Nachthimmel aufschauen, an dem ihre Bildung ausgelöscht bat die Sonne der Liebe, an dem die Morgen- und Abendsterne des Glaubens und der Hoffnung ihnen längst untergegangen sind!
Arme Herzen, ob ihr euch hängt an den Gold-