Straub, gebürtig von Kirchheim a. d. Teck, ist ein namhaftes Erbe in Aussicht, indem nach einer Veröffentlichung am 25. August im württembergischen Staatsanzeiger, am 8. Juli v. I. in Chicago gestorben ist: „Kaufmann Jakob Straub", ohne daß in Amerika erbberechtigte Personen ausfindig gemacht werden konnten. Da der Verstorbene außer seinem hiesigen Bruder in Deutschland noch eine Schwester und Tochter hinterlassen haben soll und das Vermögen des Verstorbenen ein beträchtliches sein soll, so ist eine Veröffentlichung vorstehender Notiz für alle Straube wohl von Wichtigkeit.
* (Verschiedenes.) In Rottenburg gerieten Hopfenarbeiter mit einander in Streit, in dessen Verlauf der 30 Jahre alte Ernst Baither von Stuttgart den 27 Jahre alten Joh. Gg. Jäckle von Gmünd durch einen Stich ins,Herz tötete. Der Thäter wurde verhaftet. — In Knittlingen wurde am Freitag nacht dem Lindenwirt Rapp sämtliche in der Kegel- bahn aufgehängte Wäsche gestohlen. Von dem Thäter hat man noch keine Spur. — Am Mittwoch nacht wurden in Blochingen in einem Hause 124 Mk. gestohlen. Dem Dieb muß die gestohlene Summe zu groß gewesen sein, denn ein Hundertmarkschein wurde vor dem Hause des Bestohlenen gefunden. Der Dieb bekannte auf einem gefundenen Zettel, daß er schon mehrere Diebstähle ausgeführt habe und man seiner nicht vergessen möge. Hoffentlich wird dieses Schriftstück dazu beitragen, dem Langfinger sein unsauberes Handwerk für einige Zeit zu legen. — In Wein - garten wurde ein zur 14tägigen Uebung einberufener Landwehrmann trübsinnig und sprang 2 Stock in den Kasernenhof herunter; derselbe wurde schwerverletzt in das Spital verbracht. — Dem Bauern und Metzger Lorenz Friedrich inHirschau, Vater von 6 Kindern, wurde beim Maschinendreschen infolge eines Falles der linke Vorderarm abgerissen.
* Es ist hohe Zeit, daß die Militärgerichtsbarkeit reformiert wird. Das beweist folgender Fall mit folgendem Urteil: Vor 14 Tagen schob ein Unteroffizier in Oberachern Kegel. Als ihm eine Kugel aus der Bahn sprang, befahl er einem in der Nähe sitzenden Soldaten, die Kugel zu holen, was der Soldat aber mit der Bemerkung ablehnte, „er sei kein Kegeljunge." Das gleiche that ein zweiter Soldat. Nun brachte der Unteroffizier die beiden zur Meldung. Noch um 9 Uhr abends wurden sie in ihrem Quartier verhaftet, über Nacht in einen Kohlenraum verbracht und des andern Morgens nach Rastatt abgeführt, woselbst sie ihrer Be- strafung entgegensehen. Die Eigenart der Angelegenheit wird man ermessen können, wenn man erwägt, daß der Befehl des Unteroffiziers reine Privatsache, und nicht etwa eine dienstliche Angelegenheit war.
* Die Sonntagsruhe wird in Preußen immer straffer gehandhabt. So ist in Westfalen jetzt die Jagd an Sonntagen verboten worden.
2 Zur Herbeiführung einer Revision des Jmpf- gesetzes hat bekanntlich im vergangenen Jahre der Reichstag auf eine Anregung des Abg. Prof. Förster hin bei der Staatsregierung den Antrag gestellt, eine Kommission zu ernennen, welche das Jmpfgesetz einer nochmaligen Prüfung unterziehen sollte. Trotzdem aber inzwischen fast ein Jahr vergangen ist, verlautet noch immer nichts davon, daß die Regierung dem Antrag
Folge gegeben hat, oder daß irgend welche sonstigen Schritte in dieser Sache gethan sind. Infolgedessen hat jetzt der „Deutsche Bund der Vereine für Gesundheitspflege und arzneilose Heilweise" an den neuen Staatsminister v. Posadowsky ein Gesuch gerichtet, in welchem unter Hinweis auf den vorjährigen Beschluß des Reichstages um Einberufung der Kommissionen zur Prüfung des Jmpfgesetzes gebeten wird.
* Die Fahrpreise auf den deutschen Eisenbahnen sollen vereinfacht werden. Rückfahrkarten soll es nicht mehr geben. Dafür wird der Preis der einfachen Fahrkarten auf die Hälfte der Rückfahrkarten herabgesetzt. Unter Umständen tritt dadurch eine Verbilligung für das Publikum ein, da aber gleichzeitig auch alle Sondertarife aufgehoben, und allzu billige Rückfahrkarten aufgebessert werden sollen, so tritt zwar eine Vereinfachung, aber keine Verbilligung der Fahrpreise eui.
* Der letzte der Unteroffiziere des 1. Eisenbahnregiments, welche dazu bestimmt sind, in Südwestafrika eine Bahn anzulegen, ist in Hamburg ein- getroffen und wird demnächst mit der Lokomotive und 80000 Schienen seinen Kameraden nach Afrika folgen. Er wird den Dienst eines Maschinenführers verrichten.
sf Ueber die Märsche der Truppen des Grafen Häseler hört man verschiedene Urteile. Sie gingen bei einzelnen Bataillonen bis zu 58 lrm, einer für Friedenszeiten ganz ungebräuchlichen Leistung, die auch nur erzielt werden konnte, weil das Wetter an dem betr. Tage kübl und naß war.
* Einen Handel mit Berliner Kindern wollte ein Berliner Verbrecher in Paris eröffnen. Die Pariser Polizeipräfektur verständigte die Berliner Polizei, daß ein Pariser Agent Namens I. in Begleitung einer Frauensperson zahlreichen Pariser Hebammen die Offerte machte, er könne gesunde Berliner Kinder zartesten Alters in beliebiger Anzahl und mit jeder Haarfarbe reichen kinderlosen Ehepaaren gegen gute Bezahlung liefern. Er fügte hinzu, es könnte ein regelmäßiges lukratives Exportgeschäft werden. Der Agent ließ seine Pariser Adresse zurück, entfloh aber mit seiner Begleiterin, als ein Detektiv im Hotel erschien.
* Ueber 400 Fahrräder stehen gegenwärtig im städtischen Pfandhause in Frankfurt a. M. und harren ihrer Auslösung.
* Frankfurt, a. M., 11. Septbr. Der König von Italien hat der hiesigen italienischen Wohlthätig- keitsgesellschaft 2000 Frs. überweisen lassen.
* Die „Neue Freie Presse" meldet aus Olmütz: In der Hohenstädter Brauerei von Wilhelm Braß u. Co. fand heute früh eine große Kesselexplosion statt, bei welcher 11 Personen getötet und viele verwundet wurden. Der Schaden ist beträchtlich.
* Homburg v. d. Höhe, 11. Septbr. Bei dem gestrigen Mittagsmahle vor der Abreise des italienischen Königspaares tauschten Kaiser Wilhelm und König Humbert nochmals Worte innigster Freundschaft und hoher Verehrung aus. Der Trinkspruch König Hum- berts galt dem ruhmvollen deutschen Heere, der Kaiser brachte ein dreifaches Hurrah auf die tapfere italienische Armee aus.
* Köln, 10. September. Der erste oberrheinische Frühzug stieß heute morgen zwischen Station Urbach-
Kalk unweit Köln mit einem Güterzuge zusammen. Wie verlautet, sind der Packmeister und ein Bremser tot. Zahlreiche Personen sind teils schwer, teils leicht verletzt. Vom Kölner Bahnhof gehen zahlreiche Hilfsmannschaften, sowie Krankenwagen ab. Das Unglück geschah auf offenem Felde. Der Anprall war ein gewaltiger. Der Materialschaden ist bedeutend.
* Köln, 10. September. Das Eisenbahnunglück bei Kalk wurde dadurch herbeigeführt, daß ein Güterzug, der vor der Station Urbach halten mußte, bei der späteren Weiterfahct 6 Wagen durch Zerreißen einer Koppelung hinterließ. Der um 6 Uhr 8 Min. von Köln abfahrende oberrheinische Personenzug stieß bei dichtem Nebel mit voller Kraft auf die zurückgebliebenen Güterwagen. Sämtliche Wagen des Güterzuges sind zertrümmert, ebenso der größte Teil der Wagen des Personenzuges. Getötet wurde der Packmeister Becker aus Deutz, sowie der Hilfsbremser Otten aus Kalk. Zwei Personen wurden schwer, zahlreiche andere leicht verletzt. Durch den Trümmerhaufen sind beide Geleise gesperrt. Der gesamte oberrheinische Verkehr mußte unter Beobachtung der größten Vorsichtsmaßregeln über Mülheim nach Köln geleitet werden. Die Züge trafen mit einstündiger Verspätung in Köln ein. Mehrere Vertreter der Eisenbahnbehörde werden sich an Ort und Stelle begeben.
D Elberfeld. -Der letzte Akt eines Familiendramas hat sich am Dienstag abend abgespielt. In dem Stadtteil Hecklinghausen wohnte der Fabrikarbeiter Albert Kronenberg mit Frau und Kind. Die Ehe war keine glückliche, denn der Mann hatte sich dem Trünke ergeben; er sorgte nicht genügend für seine Familie und es gab daher oft Streit zu Hause. Die Frau, der man nur Gutes uachsagte, litt darunter und machte wiederholt Andeutungen, daß sie ein solches Leben nicht ertragen könne. Als am Dienstag abend der Mann wieder einmal angetrunken nach Hause kam, da reifte in ihr der Entschluß, sich das Leben zu nehmen, und auch ihr Kind, einen vierjährigen Knaben, mit sich zu nehmen. Sie verließ, nachdem sie einen Zettel geschrieben hatte, worin sie ihre unselige Absicht, sich und den Knaben zu ertränken, kundgegeben hatte, die Wohnung, lief zum Mühlengraben der Wupper, die infolge der letzten Regengüsse ziemlich hochging, und stürzte sich und das arme Kind hinein. Die Leiche des letzteren wurde noch in dem Mühlengraben ge- funden, die der Frau in Elberfeld ans Land gezogen.
sf Eine Blüte des Submissionswesens erregt in B a m b e r g Aufsehen. Die eisernen Geländer an den Quais sollen neuen Anstrich erhalten. Bei der ersten Submission stellten die größeren Meister Angebote von 30—35 Pfennig für den laufenden Meter; daraufhin wurde eine zweite Submissionsverhandlung anberaumt, bei welcher ein Kleinmeüter sich erbot, um — 5 Pfennig den Anstrich auszuführen. Der Magistrat hat diesem den Zuschlag erteilt, ihm jedoch auch das Recht des Verzichtes eingeräumt, wenn er nicht auf seine Kosten komme. Und da soll dem Handwerk geholfen werden!
Ausländisch«»,
* Die Tschechen haben das Schlagwort ausgegeben: „Die deutsche Sprache muß in Böhmen ausgerottet werden." Die Blätter fordern auf, die deutsche Sprache im Verkehre nicht zu dulden. Das Stra-
«L S»
ES ist kein Glück, so rein, so tief,
Daß nicht eine Thräne mit unterlief,
Es ist so schwer, so bang kein Weh,
Daß nicht eine Hoffnung darüber geh'!
Die öürgerkiche Haute.
Novelle von Doris Freiin v. Spättgen.
(Fortsetzung.)
„Möglich ist aber immerhin, daß der richtige Treffer einmal sein Herz berührt hat und der Wunsch, sich zu verheiraten, in chm wach wurde. Doch glaubst du, Edelgard, ein Mann wie Graf Geierstem würde sich jemals darüber hinweg setzen können, daß wir, deine nächsten Anverwandten, nur schlichte, bürgerliche Leute sind?"
„Nein, Tante Elisabeth, für so borniert und engherzig halte ich den Grafen nicht," nahm Edelgard für den Anwesenden Partei.
„Pah! Du kennst die Welt nicht, Kind. Er in seiner hohen Stellung als Majorats- und Standesherr in der Provinz L. muß bei der Wahl seiner Frau auch auf deren Anhang sehen. Also höre an: wenn Geierstein sich dir nochmals nahen sollte und ernstlich Feuer fängt, muß man ihn recht lange über unsere Existenz im Dunkeln lassen. Später, das heißt, wenn die Sache erst in Ordnung wäre, müßte er eben ein Auge zudrücken über die bürgerliche Tante. Den Rat gebe ich dir Edelgard."
Als das junge Mädchen einige Zeit nach dem I Gespräch mit der Tante über eine Handarbeit gebeugt > am Fenster saß, durchkreuzten viele ungereimte Ideen das junge Hirn.
Ein Don Juan, der den Mädchen die Köpfe verdreht ! Die bürgerliche Tante! Rücksichten auf seinen hohen Stand! dachte Edelgard, indem ein eingentümlicher Druck ihr das Herz zusammen preßte. Wie vergifteter Mehltau waren all' jene Worte aus das geheimnisvolle Ahnen einer ersten Liebe herabgefallen. Konnten diese beiden grauen Augen, die sie fragen und beseligend angeblickt hatten, der Abglanz einer falschen Seele fein? Thräne um Thräne rieselte auf die weiße Stickerei in ihrem Schoße nieder.
Ach ja, das Leben barg viele bittere Stunden. Das hatte Papa schon hundertmal gesagt.
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An einem Tische vor dem „Elefanten" auf der alten Wiese zu Karlsbad saß ein Herr vor seinem Morgenkaffe. Das bewußte rosenrote Dütchen mit den obligaten Wasserkipseln lag neben ihm. Allein noch hatte er weder den duftenden Mokka noch das Backwerk berührt. Sinnend starrte er die Straße entlang auf der sich der dichte Menschenstrom von den Quellen nach dem Puppschen Etablissement hinaufbewegte.
„Sonderbar — höchst sonderbar, daß ich mich die ganze letzte Zeit so lebhaft mit Ella beschäftigt habe," murmelte der Herr, wobei er sich mit der kräftigen, wohlgepflegten Hand über die Stirn strich. „Die alten Tagebuchblättcr aus jener Zeit, die ich jüngst durchstöberte, mögen vielleicht die Schuld daran tragen,
I daß eine längst vergessene und vegrabene Episode > meines Lebens plötzlich wieder in wunderbarer Klarheit vor meinen Geist tritt. Ich träume sogar von ihr und sehe sie zuweilen leibhaftig vor mir stehen — ja, wie auch eben jetzt wieder. Es war mir doch, als müßte jene Dame dort im dunkelblauen Anzuge mit dem kleinen Filzhütchen keine andere als Ella sein! Thorheit, einundzwanzig Jahre sollten wohl eigentlich genügt haben, jene schmerzliche Erinnerungen zu verwischen; aber man ist eben nur ein schwacher Mensch, der sich so gern an das anklammert, was einst schön und beglückend war."
Der Einsame war eine noch immer stattliche, fast reckenhafte Erscheinung von achtundvierzig Jahren, mit hellblondem Haar und Bart, dessen Gesicht ansprechend gewesen wäre, wenn sich in ihm nicht ein Ausdruck von Herbheit, Widerspruch und Verdrossenheit abgespiegelt hätte. Auch die klugen blauen Augen blitzten trotzig, fast menschenfeindlich über die große Menge hinweg, als betrachte er jeden einzelnen als seinen persönlichen Feind.
In tiefe, schmerzliche Gedanken versunken verzehrte er nun fein Frühstück. Darauf zündete er sich eine Zigarre an und lehnte sich beharrlich zurück.
Eigentlich war er jedoch ein großer Narr, sie noch heute mit eiserner Zärtlichkeit an längst Ueberwundenem festzuklammern. Warum hatte er sich denn zeitlebens immer so dagegen gesträubt, glücklich und zufrieden zu sein? Er hatte eine sanfte liebenswürdige Gattin gehabt, die leider zu früh verstarb, er besaß drei prächtige, blühende Kinder und euren stattlichen Besitz —