8 Stuttgart, 20. Mai. Wie die allgemeine deutsche Lehrerzeitung berichtet, fälschte kürzlich in Chemnitz eine Hausfrau einen Entschuldigungszettel für das Schulversäumnis eines Mädchens, um dies für Aufwartdienste ausnützen zu können. Wegen Urkundenfälschung wurden ihr drei Tage Gefängnis zudiktiert.
ß Stuttgart, 20. Mai. Die Rückkehr der Majestäten aus England erfolgt Freitag den 28. Mai; dagegen wird Ihre kgl. Hoheit Prinzessin Pauline einen 4- oder 6-wöchentlichen Aufenthalt bei ihrer Tante der Herzogin von Albany nehmen.
8 Stuttgart, 20. Mai. Vom deutschen Zentral- komite der württemb. Landesvereine vom roten Kreuz erging die Bitte Wäsche und Verbandmaterial für 25 Kranke zu sammeln und gemeinsam mit dem Münchener Verein nach Athen zu senden.
* Untertürkheim, 19. Mai. Berichten aus dem Neckarthal zufolge haben die Weinberge während der frostigen Tage keinen Schaden genommen. Die jungen Triebe haben sich prächtig entwickelt und zeigen gesunden Fruchtansatz. Auch Steinobst und Birnen lassen eine günstige Ernte erhoffen, während der Stand der Aepfel viel zu wünschen übrig läßt.
* Eßlingen, 19. Mai. Wie die E. Ztg. erfährt, ist die Veranstaltung einer Lotterie für die Freilegung der Frauenkirche genehmigt worden.
* (Verschiedenes.) Das Gesuch des Vereins für fakultative Feuerbestattung zu Stuttgart vom 17. Februar 1894 um Zulassung der fakultativen Feuerbestattung ist vom königl. Staatsministerium unter dem 8. Mai 1897 abschlägig beschicken worden. — Dem Fabrikanten Löw aus Äöppingen wurde im Bahnhofswartsaal inEßlingen, während er schlief, seine goldene Uhr. sowie ein Portemonnaie mit ca. 60 Mk. und sein seidener Schirm entwendet. — Der 5 Jahre alte Sohn des Rosenwirts von Neukirch wurde von einem Langholzfuhrwerk überfahren, wobei ihm der rechte Arm abgedrückt wurde, so daß dieser amputiert werden mußte. — In Dehlingen, OA. Neresheim, sind Dienstag nacht 4 größere Gebäude niedergebrannt. — Ein Arbeiter von Vellberg wollte auf dem Heimwege von der Arbeit Maiblümchen pflücken, stürzte aber dabei über eine 30 iu hohe Felswand herab und war sofort tot. — Vor einigen Wochen kamen aus der Baukasse im Fürst!. Schlosse zu Wolsegg 5000 Mark abhanden. Ein Handwerksmeister von Ravensburg, der zu jener Zeit dort beschäftigt war, wurde dieses Diebstahls bezichtigt. Am Mittwoch nun kam die Nachricht, daß das verloren geglaubte Geld gefunden und der Verdacht von dem rechtschaffenen Manne genommen sei. Der Vater des verdächtigen Handwerkers ist unterdessen gestorben; man sagt aus Kummer über das seinem Sohne zugefügte Unrecht.
* Wiesbaden, 20. Mai. Als der Kaiser heute früh von seinem Spazierritt zurückkehrte, brachten ihm etwa sechzig bei einem Bau beschäftigte Arbeiter lebhafte Huldigungen dar. Der Kaiser zeigte sich darüber hoch erfreut. Um 1 Uhr nahm der Kaiser das Frühstück im Osfizierskasino.
sj Ein schweres Eisenbahnunglück hat sich auf der Eifelbahn bei Gerolstein ereignet. Amtlich wird darüber gemeldet: Dienstag abend 11 Uhr 30 Min. entgleiste ein Militär-Sonderzug, bestehend aus 32
Wagen mit Reservisten für die Garnison Metz auf der Eifelbahn zwischen Hildesheim und Gerolstein. Es wurden 9 — nicht 28, wie eine erste Meldung sagte — und ein Bremser getötet und etwa 35 Reservisten und 2 Fahrbeamte, zum Teil schwer, verletzt. Der Unfall entstand durch das Zerreißen des Zuges und das Auslaufen des Hinteren Teiles auf den vorderen, infolge des starken Gefälles der Bahn an der betr. Stelle. Nach weiterer Meldung war der Zug von 5 Offizieren und 1124 Reservisten der Regimenter 98, 130, 135 und 143 besetzt, welche von Barmen über Köln und Trier nach Metz befördert werden sollten. Sieben Wagen sind vollständig zertrümmert. Als der Lokomotivführer bremste, stieß die losgekoppelte Wagenreihe mit voller Kraft auf den vorausfahrenden Zug, so daß die Wagen zertrümmert und sämtliche Insassen unter den Trümmern begraben wurden. Eine Anzahl der Verletzten soll dem Tode nahe sein. Die Reservisten stammen zumeist aus dem Wupperthal. Unter den Verunglückten befinden sich zahlreiche Familienväter. In Trier sind mittels eines sofort requirierten Sanitätszuges 30 Schwerverwundete eingetroffen und in die Krankenhäuser übergeführt. Wie der Reichsanzeiger mitteilt, bat sich zur Untersuchung des Unglücks der Vortragende Rat im Reichseisenbahnamt v. Misani sofort an Ort und Stelle begeben.
*(Was ein Weber in Laubau i. Schl, verdient,) verrät der Berliner „Konfektionär." Man wundert sich manchmal, wie es möglich ist, für einige Pfennige ein Taschentuch fertig zu stellen. Aber die den Webern und Säumern gezahlten Löhne sind auch danach. Der im Durchschnitt auf eine Parte — etwa zehn Dutzend Taschentücher — gezahlte Webelohn beträgt ungefähr 8 Mk., darin ist jedoch enthalten der Lohn für das Spulen des Schusses, welches der Weber entweder von seinen Kindern u. s. w. besorgen läßt, oder wofür er sonst über 1 Mk. zahlen muß. Es bleibt ihm für seine Person also ein reiner Arbeitsverdienst von 7 Mk. für die Parte. An dieser Parte webt er bei täglich mindestens 14stünd. Arbeitszeit ungefähr acht Arbeitstage oder Ihz Arbeitswoche. Sein Wochenverdienst beträgt also 5,25 Mk., der Tagelobn 87^2 Pfg. Solch kleine Pflästerchen wie 10 v. H. Lohnerhöhung, Webschulen u. s. w. nutzen nichts, hier muß eine Radikalkur vorgenommen werden, und die heißt, „ausreichende Lohnerhöhung." Mindestens 50 v. H. Lohnerhöhung hält das Blatt für nötig, um die Laubaner Taschentücherfabrikation mit der Zeit in einen anderen Ruf zu bringen. Auch die Löhne für das Säumen der Tücher sind bedeutend herabgesetzt, sie trugen vor etwa 15 Jahren noch 25—30 Pfg. das Dutzend. Heute sind sie herunter bis auf 6 Pfg. bei einzelnen Sorten und 10 Pfg. im Durchschnitt. Was sind die Folgen davon? Wer hat den Schaden? Die Säumerinnen. Die müssen, um etwas zu verdienen, so angestrengt nähen, daß sie bleichsüchtig, unterleibsleidendundschwindsüchtig werden. Und wer hat den Nutzen? Der Fabrikant mcht, der Konsument nicht, der Kleinhändler nicht viel, nur der Großhändler.
Ausländisches.
* Rom, 17. Mai. Em peinlicher Vorfall soll sich, wie die Zeitung „Fanfulla" zu erzählen weiß, bei der
Per wikde Lufch.
(Fortsetzung.)
Wieder war er zwei Wochen fort. Aus dem Hof sah es wüst und verfallen aus. An Herbstbestellung dachte niemand mehr. Kein Stück Vieh, kein Pferd war mehr im Stall. Auch der alte stumpfe Knecht war gegangen, da er keinen Lohn mehr erhalten konnte.
Anna ging aus und ein, wie ein Gespenst in einer verwitterten, verlassenen Höhle. Seit Tagen hatte sie keinen Menschen mehr gesehen, als sei ihr Haus verrufen und verfehmt. Sie kochte ihre dünne Kartoffelsuppe und wartete ihres Kindes. Mehr that sie nicht — was sollte sie auch? Sie wartete, daß irgend etwas geschehe, was ein Ende machte. - Es war ein dunkler unfreundlicher Abend. Der Herbstwind fuhr pfeifend, stöhnend um das einsame Haus. Er fuhr in den Kamin, fuhr in das müde flackernde Feuer hinein, als ob es kein Recht mehr hätte, auf dem unwirtlichen Herde zu brennen.
Anna saß an dem Fenster und starrte in das Dunkel. Ihr Kopf war dumpf und müde. Sie dachte nichts mehr — sie wartete auf das Ende.
An ihren Füßen kroch das Kind auf dem Fußboden. Es war ein armes, elendes Wesen. Die rechte Schulter war steif und in die Höhe gewachsen. Die Augen blickten blöde und stumpf in die Welt.
Anna nahm das Kind auf ihren Schoß und drückte es in schmerzlicher Mutterliebe an sich.
„Du armes, armes Kind! — Wollte Gott, es wäre aus mit uns beiden!"
Das Feuer flackerte auf, sein roter Schein leckte mit gespenstischer Zunge an ihrem Kleide.
Leise, schleichende Schritte nahten. Mechanisch wandte sie sich um. Da sprang sie plötzlich auf, alle Lebenskraft erwachte und spannte sich in ihr zu neuer Energie — vor ihr stand Ignaz Michalski.
Sie legte das Kind in die Wiege und stellte sich vor ihn hin, kampfbereit, seinen Angriff zu erwarten.
„Guten Abend, Anna. So allein, mein Schätzchen!"
Keine Antwort.
„Das ist eine Abendstunde wie zum Küssen und Zärtlichthun."
Er faßte sie ihn dreister Liebkosung unter das Kinn. Sie stieß in aufwallendem Eckel seine Hand zurück.
„So böse, mein Kätzchen? Na, ich will dir ein Geschichtchen erzählen, vielleicht besänftigt das deinen Zorn. Also böre nur. Ich bin jetzt Herr auf diesem Grund und Boden, ja denke dir, ich bin Herr und Gebieter in diesem Hause! Dein Eheliebster hat's an mich verspielt in regelrechtem rechtschaffenen Spiel! Und das beste kommt noch! Weißt, was er auf die letzte Karte setzte — auf eine einzige Karte? — Sein liebes schönes Frauchen! Was siehst du mich an, so entsetzt? Ja, ja, es ist freilich schrecklich, daß er sein Glück so versucht! Um seine Frau zu spielen! Er hat dich nie verdient! Aber wie die Karte fällt, so gilt's! Noch heute geht er fort aus dieser Gegend, er hat's geschworen, und ich trete in seine Rechte! Ich bin der Herr auf diesem Hofe und, Anna, werd' ich auch dein Liebster sein?"
Enthüllung des Verfassungs-Denkmals in Turin zugetragen haben. Als der König, die Königin und der Kronprinz im Begriffe standen, nach dem Schlosse zurückzufahren, trat der bekannte Professor der Nationalökonomie an der Universität Turin. Cognetti, auf den König zu mit den Worten: „Majestät, halten Sie eine Ansprache an die Arbeitervereine!" Obschon der König den Professor gar nicht kannte, erwiderte er dennoch höflich, die Zeit sei zu vorgerückt, er werde im Schlosse erwartet, werde aber die Arbeiter-Vereine tags darauf gern empfangen. Daraufhin riß sich der Professor ohne weiteres seine Orden von der Brust, warf sie auf die Erde und schrie: „Majestät, Ihr Vater Viktor Emanuel hätte anders gedacht." Der Präfekt und andere Beamte traten zwischen den König und den erregten Kronprinzen einerseits und den Professor andererseits und beendigten den unangenehmen Auftritt.
* Rom, 17. Mai. Nach einem anonymen Briefe an die Behörde, der auf einem groben Papier geschrieben, zuerst den jämmerlichen Zustand der öffentlichen Sicherheit in Italien beklagt, soll der Anarchist Frezzr, welcher den Mordauschlag auf den König machte, aus Rache von einem ehemaligen Gefängniswärter, der jetzt Geheimpolizist sei, getötet worden sein. Dieser, früher mal Gefängniswärter des Frezzi, hätte wegen des letzteren eine Bestrafung erlitten und hätte sich rächen wollen. Am nächsten Morgen sei Frezzi von dem Balkon der Gefängniskapelle von San Micheli hinuntergeworfen worden, um den Glauben an Selbstmord zu erwecken. — Weiteren Nachrichten zufolge hat der Tod Frezzis bereits zu Kundgebungen sozialistischer und demokratischer Vereine Anlaß gegeben, und die Kammersitzunq vom Samstag erhielt einen höchst unruhigen Abschluß, als Cavalotti und der Sozialist Costa Interpellationen über die Sache einbrachten. UebrigenS sind drei Polizisten und zwei Gefängniswärter m Haft genommen worden, so daß auch die Behörde die gegen die beteiligten Beamten gerichteten schweren Anklagen offenbar sehr ernst nimmt.
sf Ans Rom: Zwischen der englischen und italienischen Regierung sind angeblich wegen der Abtretung Kassalas bereits Verhandlungen im Gange, die ein befriedigendes Resultat erwarten lassen. In der Deputiertenkammer wird durch Anschlag bekannt gemacht, daß der republikanische Abg. Fratti und 10 Gari- baldianer in der Schlacht bei Dokomos gefallen sind.
* Paris, 19. Mai. Aus Anlaß des Zusammentrittes der Kammer und wahrscheinlich auch in Folge der lebhafter gewordenen royalistischen Agitation hat sich Prinz Victor Napoleon bemüßigt gesehen, ein Manifest an das französische Volk zu richten, in welchem er erklärt, daß Frankreich nur in der Verwirklichung der bonapartistischen Ideen sein Heil wiederfinden könne.
* Paris, 19. Mai. Heute nachmittag empfing Hanotaux den Fürsten Ferdinand von Bulgarien.
sj Aus Paris: Der Botschafter Montebello ist aus Petersburg in Paris eingetroffen; man vermutet, er sei gekommen, um Faures russische Reise zu ordnen. — Bei Eröffnung der Deputiertenkammer widmete der Präsident Briffon den bei der Brandkatastrophe in derStraße Jean Goujou umsLebenGekommenen einen teilnahmsvollen Nachruf und gedachte des allgemeinen Anteils, den die ganze Welt an dem Unglück, das
Ein qualvolles Stöhnen brach sich von ihren Lippen. Er trat näher. Auf seiner Stirn war deutlich, wie ein Warnungszeichen, ein roter Streifen der vernarbten Wunde zu sehen.
„Anna, ich bin ein wohlhabender Mann. Ich habe genug, eine Frau glücklich zu machen. Ich habe dich in der Macht. Ich kann dich von dem Hof jagen in Elend und Not, ich kann dich aber auch halten wie eine vornehme Dame. Ich leg's in deine Hand. Du bleibst hier als Herrin, wenn du willst, oder gehst als Bettlerin auf die Straße. An deinen Vater denke nicht. Der kann sich selbst nicht mehr helfen. Du weißt es wohl. Ich heirate dich, sobald ihr geschieden seid. Du kommst dann mit mir in die Stadt. Ich habe dich immer für ein verständiges Weib gehalten. Du machst ein gutes Geschäft. Willst du, was ich dir biete?"
„Lieber vor Hunger elend umkommen auf der Straße will ich, als Ihnen auch nur eine Brotrinde danken!"
„Du sprichst wie ein Kind, Anna. Sei keine Thörin! Du mußt es lange wissen, daß ich dir gut bin. Was kann dir besseres geschehen, nun, wo doch alles hier zusammenbricht? Ein Weib, so hübsch und jung wie du, ist doch für den Hunger zu schade. Ich bin kein Freund vom langen Reden. Ich habe dir gesagt, daß ich kommen werd', wenn meine Zeit gekommen ist — jetzt bin ich da. Und ich denk', die Weiber wollen selber ohne Umstände genommen sein. Nicht, Kätzchen?"
(Fortsetzung folgt.)