gab, daß die Sendung von dem württ. Postpersonal an das Personal der Reichspost richtig übergeben wurde, daß aber der betr. hiesige Bedienstete das Kistchen auf das Trittbrett des Bahnpostwagens legte und es mitzunehmen vergaß. Als man auf dem hiesigen Post- amt das Fehlen der Sendung wahrnahm, war der Zug bereits abgefahren. Es wurde sofort »achtele- graphiert, die Sendung lag aber nicht mehr auf dem Brett. Sowohl gestern abend als heute früh wurde die Bahnstrecke abgesucht, jedoch erfolglos. Falls die Sendung nicht von unberufener Hand weggenommen wurde, was wohl kaum der Fall sein wird, so ist sie zweifellos von dem Brett auf der Fahrt zur nächsten oder übernächsten Station heruntergefallen, wobei leicht möglich ist, daß sie in das Hochwasser der Donau oder bei der Ueberfahrt über die verschiedenen Brücken in die Donau selbst fiel. Dem Finder ist eine Belohnung von 500 Mk. zugesichert.
* (Verschiedenes.) In Spiegelberg ist am Freitag nacht das Wohnhaus des Karl Hägele abgebrannt. Die ledige 64 Jahre alte Schwägerin des Besitzers, welche seit Monaten krank und geistig gestört ist, hat den Brand aus Lebensüberdruß verursacht. — Am Mittwoch nacht machte Kronenwirt St. in Dornhan den Versuch sich zu erhängen. Als seine Frau ihn daran hindern wollte, bedrohte er sie mit Totschlägen, worauf sie zu ihrem Schwiegervater flüchtete, um diesen zu Hilfe zu rufen. Bis sie wieder heimkam, hatte sich ihr Mann, der den Selbstmord schon längst geplant hatte, erhängt. Die sofort ange- stellten Wiederbelebungsversuche blieben ohne Erfolg. St. soll dem Trünke ergeben gewesen sein. — In Mergentheim ist der Musketier Bentz, welcher dieser Tage sich mit seinem Dienstgewehr zu entleiben versuchte, an der erhaltenen Schußwunde gestorben. — Auf dem Wege von Horrheim nach Vaihingen fanden zwei Herren in der Nacht vom 2. Februar einen noch hellglühenden Meteorstein auf dem Felde. Sie dirigierten ihn mit ihren Stöcken auf die Landstraße und als er abgekühlt war, nahmen sie ihn mit nach Hause. Er hat ein Gewicht von 20 Pfund. — In Stuttgart stürzte ein 4 Jahre altes Mädchen im Hause seiner Pflegeeltern in der Hasenbergstraße durch ein Treppenfenster 4 Stock hoch herab, wobei es so schwere Verletzungen davontrug, daß es nach kurzer Zeit starb. — In Hammelburg a. Rh. fand eine Frau in einem Wecken einen Hundert-Mark- Schein vor, der mitgebacken war. Der Bäcker, welcher den Schein als gestohlen angezeigt hatte, schenkte der armen Frau, die den Schein wiederbrachte, 20 Mk.
* Karlsruhe, 3. Febr. Die Karlsruher Wirte beschlossen heute in einer stark besuchten Versammlung, an die Brauereien eine Petition zu richten, die Bierpreise im Hinblick auf die mißliche Lage des Wirtschaftsgewerbes um 1 Mark pro Hektoliter nach den bestehenden Vertragsverhältnissen zu ermäßigen.
* Berlin, 4. Febr. Folgenden Trinkspruch hielt der Kaiser bei der Frühstückstafel anläßlich der von dem russ. Obersten Nepokoischitzky vorgenommenen feierlichen Uebergabe der vom Kaiser Nikolaus II. dem Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment verliehenen neuen Fahnenbänder: „Mein verehrter Herr Oberst! Ich
»s zr
Willst Du getrost durchs Leben geh'n,
Blick über Dich I
Willst Du nicht fremd im Leben steh'n,
Blick um Dich!
Willst Du Dich selbst in Deinen Worten seh'n, Blick in Dich!
Zwischen Lipp' und Ketchesrand.
Roman von I. Berger.
(Fortsetzung.)
Mit Verzweiflung gewahrte Wulf, wie groß ihr Kummer war, wie schwer sie litt. Er öffnete ein paar mal die Lippen, um ihr zu sagen: „Weine nicht, wir wollen zusammen durchs Leben gehen, und was es auch sei, ob Freude oder Trübsal, mit einander tragen in Liebe und Treue." Aber die Worte kamen ihm nicht aus dem Munde.
Noch einen langen kummervollen Blick richtete er auf sie, dann wandte er sich langsam ab und schritt mit ernstem Gesicht hinaus, dem Sammelplätze der Gesellschaft zu.
Das Gewitter hatte ausgetobt und der Sturm sich gelegt. Tiefe Stille lag über dem Walde; nur gedämpft drang durch die Bäume das Rauschen der Oker. Hinter dem Kamm des Rommelsberges sank die Sonne hinab und purpurne Röte färbte den Abendhimmel.
Im selben Augenblick, als Wulf aus dem Schatten der Schwarztannen hervortrat auf die Helle Fahrstraße,
bitte Sie, der Dolmetscher meiner Gefühle und der Vermittler des Dankes zu sein, den ich im Namen des Regiments Seiner Majestät und im Namen meiner ganzen Armee für Seine Majestät ausspreche, für den neuen Beweis der Huld, den er seinem Regiment gespendet hat. Seine Majestät hätte kein besseres Geschenk machen können, denn was ist dem Soldaten lieber und was schätzt der Soldat höher als seine Fahne; er schwört zu ihr, er dient unter ihr, er ficht für sie, er fällt für sie. An die Zeichen der Gnaden früherer Chefs des Regiments, die aus lorbeergekrönter Zeit herrühren und die zurückführen auf Daten, an denen besonders der Monat Februar so reich ist in Bezug auf die Beziehungen der Waffenbrüderschaft zwischen den Heeren Sr. Maj. und den meinigen, aus vergangenen Tagen reihen sich die Fahnenbänder würdig an. Das Regiment und meine Armee empfinden diese Ehrung in ihrer ganzen Bedeutung und danken dafür aus vollem Herzen und bitten Sie, Se. Maj. zu versichern, daß das Regiment nicht nur mit Stolz auf diese Fahnenbänder blicken, sondern auch sich stets mit besonderer Freudigkeit der Tage entsinnen wird, wo Se. Maj. aus Allerhöchst eigenem Entschluß sich an die Spitze seiner Fahne stellte und dieselbe unter dem Jubel der Bevölkerung in die Stadt Breslau einführte, deren Namen dauernd die Beziehungen seiner Vorfahren zu den meinigen verkörpern wird. Wir aber erheben unsere Gläser und trinken auf das Wohl Sr. Majestät den -allerhöchsten Chef des Kaiser Alexander Gardegrenadierregiments, Se. Maj. Kaiser Nikolaus hurrah, hurrah, hurrah." Auf diesen Trinkspruch des Kaisers erwiderte Oberst Nepokoischitzki: „Ew. Maj. versichere ich, daß ich die Worte Ew. Maj. meinem Herrn getreulich mitteilen werde; nunmehr aber rufe ich Se. Maj. Kaiser Wilhelm II. lebe hoch, hoch, hoch!"
* Berlin, 5. Febr. In der Rede des Kaisers beim gestrigen Frühstück zu Ehren der russischen Gäste wird die Betonung der früheren Waffenbrüderschaft beider Heere allseitig beachtet. Der Trinkspruch ist gleichsam eine Wiederholung dessen, was der Kaiser im Okt. vor. Jahrs nach der Abreise des Zaren in Görlitz gesprochen hat. Damals wurde gesagt, der Trinkspruch wäre wunderschön, wenn ihn der Zar gehalten hätte. Das gilt auch von der gestrigen Rede des Kaisers. Der Zar aber wird sich hüten, an die Waffenbrüderschaft von 1813—15 zu erinnern, die sich gegen seinen jetzigen Waffenbruder Frankreich richtete!
* Die „Dresd. Nachr." veröffentlichen Mitteilungen über ein Gespräch, das ein Besucher des Fürsten Bismarck kürzlich mit diesem hatte. Ueber sein Befinden äußerte sich Fürst Bismarck: „Ich fühle mich matt, aber nicht krank. Meine Krankheit ist Mangel an Lebenslust. Meine Existenz hat keinen Zweck mehr. Dienstliche Pflichten liegen mir nicht mehr ob; was ich als Zuschauer sehe, daran habe ich keine Freude. Wenn ich noch länger lebe, wird dies immer weniger der Fall sein. Ich fühle mich einsam; meine Frau habe ich verloren und meine Söhne gehen ihren eigenen Geschäften nach. Auch die Land- und Forstwirtschaft hat mit dem zunehmenden Alter das Interesse für mich verloren. Feld und Wald besuche ich nur selten, mir fehlt die Lust dazu, seitdem ich nicht mehr reite, jage oder nach Belieben durch die Büsche kriechen kann. Allmählich fängt auch die Politik an, mich zu lang
kam der Senator auf einem mit Decken und Tüchern vollgepackten Wagen angefahren. Als er den jungen Offizier am Wege stehen sah, stieß er einen lauten Freudenschrei aus und ließ den Kutscher halten.
„Da haben wir Sie endlich, lieber Schollermarck," rief er. „Eine förmliche Hetzjagd stellten wir schon auf sie an. - Doch wo ist Hilde ?" Er spähte ängstlich nach allen Richtungen aus.
„In der Schutzhütte, Herr Senator," stotterte Wulf mit verlegenem Gesichtsausdruck. „Wir fanden während des Unwetters dort guten Unterschlups."
„Soo — Hm! Aber zum Kuckuck, was plagte Sie denn, um mit dem Mädel gerade m den Hochwald zu laufen, als der ganze Himmel schon pechschwarz von Gewitterwolken war?" suhr der alte Herr ihn an. „Und warum paßten Sie nachher nicht auf und kamen wieder, ehe die Geschichte losging? — Aber Jugend ist leichtfertig, und wir Alten haben die Angst und Aufregung davon!"
Er hielt inne, sprang rasch vom Wagen herab und bedeutete Wulf, einzusteigen, sich in eine warme Decke zu hüllen und einen tüchtigen Cognac zu trinken. Dem Kutscher gebot er zu warten, da er sofort nach der Schutzhütte eilen wollte, um seine Tochter zu holen, die sich — bei solch einem infamen Donnerwetter — sicher den schlimmsten Katarrh geholt hatte, den man sich denken könnte.
Wulf war sprachlos über das barsche Wesen des Senators, den er bisher nur von der liebenswürdigsten Seite kannte. Er vermochte kem Wort der Entschuldigung vorzubringen. Die Stirn von dunkler
weilen. Wie gesagt, Mangel an Lebenslust, das ist meine Krankheit, wenn ich eine habe.
* Dortmund, 3. Febr. Ein Arbeiter, der auf einem hiesigen Werke seinen Lohn abgezählt in einer sog. Lohndüte empfangen hatte, trat Lernach mit der Behauptung auf, es seien in jener Düte 20 Mark zu wenig gewesen. Als seine Reklamation keinen Erfolg hatte, klagte er das Werk ein, weshalb sich das Ge- Werbegericht mit der Sache beschäftigte. Der Arbeiter blieb dabei, daß 20 Mk. gefehlt hätten, während der Vertreter des Werkes behauptete, daß bei der streng durchgeführten Kontrolle ein Irrtum vollständig ausgeschlossen wäre. Er ersuchte deshalb, den Arbeiter mit seiner Klage abzuweisen. Das Gericht entschied aber entgegengesetzt mit der Begründung im Urteil, daß die Hingabe von Lohndüten kein Zahlungsmittel abgebe; bei etwa vorkommenden Differenzen sei der Beklagte beweissällig für den richtigen Inhalt. Da dieser Beweis nicht erbracht worden, habe zu Gunsten des Klägers entschieden werden müssen.
s) (Deutsch!) Wie berichtet wird, haben die Eisenbahndirektionen Bromberg und Danzig eine Verfügung erlassen, worin mit Nachdruck darauf hingewiesen wird, daß es Pflicht der Beamten und Hilfsbediensteten sei, nicht nur im amtlichen Verkehr, sondern auch im Verkehr mit dem Publikum sich grundsätzlich der deutschen Sprache zu bedienen. Niemand soll als Beamter oder Hilfsarbeiter, auch nicht als Vorarbeiter angenommen werden, der nicht der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig ist.
* Hamburg, 6. Febr. Die Anmusterung der Seeleute deckt jetzt das tägliche Bedürfnis. Kürzlich wurde sogar das ganze Strikekomite angemustert. Der Ausstand der Seeleute wird also wohl nur deshalb nicht offiziell als beendet erklärt, weil gar kein Komite mehr vorhanden ist.
*' H a m bur g, 6. Febr. DerHafenarbeiter- strikenst beendet. Die Abstimmung der Sinkenden ergab 65 Proz. der Stimmen für Wiederaufnahme und 35 Prozent gegen die Wiederaufnahme der Arbeit.
AusländischßS.
* Genua, 6. Febr. 3500 Hafenarbeiter stellten heute die Arbeit ein.
* Paris, 6. Febr. Jn Kanea herrscht voller Aufruhr. Der Gewehrangriff ging von den Mohammedanern aus. Die Zahl der Opfer ist unbekannt; vermutlich ist dieselbe beträchtlich. Das engliche Panzerschiff landete einen Offizier und 5 Matrosen zum Schutze der Telegraphenbureaux. Der französische Panzer landete unmittelbar darauf die gleiche Anzahl, welche mit den Engländern zusammen die Bureaux bewachen. Mehrere fremde Panzer werden erwartet.
* In der französischen Kammer brachte der Deputierte de Mahy den Antrag ein, daß von nun an in öffentlichen und in privaten Schulen Frankreichs keine Ausländer mehr angestellt werden dürfen. Begründet wird dieser Antrag damit, daß sich angeblich unter diesen Lehrern Leute finden, deren eigentliches Gewerbe „Spionage" sei. — Die Spionagefurcht läßt die Franzosen immer noch nicht schlafen.
D Der belgische Senat hat mit 50 gegen 47 Stimmen das von der Kammer angenommene Gesetz
Röte übergoffen, stieg er ohne weiteres ein und setzte sich zu dem Kutscher auf den Bock.
Der Senator zerrte mit hastiger Bewegung ein paar wollene Plaids vom Wagensitz und machte sich schnell auf den Weg, mehr laufend, als gehend.
In wenigen Minuten hatte er die Schutzhütte erreicht und schaute erschrocken auf Hilde. Sie kauerte zusammengesunken auf der schmalen Holzbank und lehnte das Köpfchen an die Mauer. Ihre rosige Frische war wie fortgeweht von dem schneeweißen Gesichtchen, auf dem ein Zug von Gram und Trauer lagerte. Die Augen standen voll Thränen und zwischen den feinen Brauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet. Das blonde Haar war verwirrt und mit nachlässiger Hast am Hinterkopfe aufgenestelt. Von Zeit zu Zeit lief ein Zittern und Schauern über ihre Gestalt.
„Guter Gott, wie Du aussiehst, mein Liebling!" rief der Senator und faßte ihre kleine kalte Hand.
Sie fuhr zusammen und schaute ihn an. — Sekundenlang irrten ihre Augen über ihn, als kenne sie ihn nicht. Dann drängte sich ein leiser schluchzender Seufzer über ihre erblaßten Lippen.
„Mein armes dummes Närrchen, hast Dich gewiß fürchterlich vor dem Gewitter geängstigt?" sagte er sanft. „Weiß das noch von früher her, wo Du Dich im Winkel verkrochst, wenn der Donner grollte. Ja, ja warst immer eine kleine furchtsame Maus!*
Er nahm das schöne bleiche Gesicht seines Kindes in die Hände und streichelte es. „Na, nun wieder Kopf hoch und ruhig sein, mein Herzchen! Jetzt geht's nach Haus und gleich ins warme Bett. Und nachher