(Selbstmord.) Am Montag Abend erschoß sich in Willmandingen (Reutlinger Alb) ein in den fünfziger Jahren stehender Gipser. Kurz vorher sagte er noch in einer Wirtschaft seine schreckliche That voraus. Der Lebensüberdrüsfige befand sich in ungünstigen Vermögensverhältniffen.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) Eine brave Familie in Trugenhofen (Neres- heim) ließ, wie es sehr häufig geschieht, ihr 6jähr. Söhnchen in Gesellschaft eines 5jähr. Spielgenoffen vor einigen Tagen allein in dem verschlossenen Hause zurück. Die Knaben fanden, wie es scheint Zündhölzchen, denn nach einiger Zeit erscholl heftiges Geschrei aus dem Hause und als die Nachbarn herbeteilten, fanden sie den einen der beiden, dem Wirth Bader gehörigen Knaben mit brennenden Kleidern. Aerztliche Hilfe war zwar bald zur Stelle, trotzdem aber ist der Knabe seinen schweren Brandwunden erlegen. — Ein junger Kaufmanns-Lehrling aus Auenstein, der sich durch größeren Geldbesttz auffällig gemacht hatte, wurde von der Ulmer Polizei deßhalb angehalten. Derselbe gestand schließlich, das Geld seinem Prinzipal, dem Kaufmann H. in Kirchheim a. N., nach und nach entwendet und mit demselben das Weite gesucht zu haben. — Bei Reparatur der bet der Dur lang er Mühle über die Lein führenden Brücke ereignete sich am Montag Nachmittag ein schweres Unglück. Während die Zimmerleute vom Flußbett aus die Brücke etwas in die Höhe trieben, fiel ein circa 3 Meter langer Sprießbalken um und traf dabei den etwa 70jähr. Zimmermann Jakob Wahl von Thanau so unglücklich auf den Oberkopf, daß er sofort bewußtlos umsank und schon nach 10 Minuten eine Leiche war. — In Willsbach wollte ein Bauer ein Faß mit Spiritus ausbrennen und hat dabei, wie es scheint, das Spundloch zu fest verschlossen. Die erwärmte Luft schlug mit donnerähnlichem Krache den Boden des Fasses hinaus, wodurch der Mann einige Schritte bei Seite geschleudert und derart verletzt wurde, daß ihm zwei Finger an der rechten Hand abgenommen und der gebrochene Arm eingerichtet werden mußte. — In Stein buch (Eßlingen) schlug ein Zigeuner wüthend mit einem Stein auf seine abgemagerte Mähre ein, und als ihn ein dortiger Bürger zurechtwies, ffchlug er diesem den Stein mit solcher Gewalt an den Kopf, daß ein Schädelbruch erfolgte. Der Thäter ist in Haft. — In Ravensburg ist letzten Sonntag der Prokurist eines dortigen Geschäfts mit 5000 M. unterschlagener Gelder durchgebrannt. Bis jetzt hat man nur soviel von dem Flüchtling in Erfahrung gebracht, daß er sich am Sonntag in einem Laden einen Revolver gekauft und auf den Nachmittagszug ein Fahrbillet nach Tübingen gelöst. Außer dem betrogenen Geschäftshaus hat auch noch die be- dauernswerthe Braut des Geflüchteten das Nachsehen.
Deutsches Reich.
Von Berlin, 7. Aug. wird gemeldet: Der Untersuchungsrichter beschloß mit Zusttzm mung des Staatsanwalts, Kraszewski gegen Kaution und unter fortdauernder Beobachtung durch die Polizei aus der Untersuchungshaft zn entlasten. Kraszewski ist nach Erlegung einer Kaution von 30000 Mark, von seinem Ver- theidiger und einem höheren Polizeibeamten begleitet, heute Nachmittag nach seiner Villa bei Dresden abgereist.
Zu der in Erfurt stattfiudenden Vorfeier des Lutherjubiläums find schon am Montag und Dienstag die Hallenser, Göttinger, Er. langer, Bonner, Berliner und Leipziger Studenten unter klingendem Spiel in die festlich geschmückte Stadt eingezogen. Inzwischen trafen ferner ein die Studenten aus Breslau, Straßburg, Kiel, Rostock, Greifswald, Tübingen und Heidelberg. Vorgestern Abend war eine Stu- dentenversammlung, die von 700 Personen besucht war. Vom frühen Morgen an brachten gestern Extrazüge ununterbrochen über 20,000 Festgäste. Der Erbgroßherzog von Weimar ist angekommen. Das Innere der Augustiner- kirche ist mit prachtvoll blühenden Blumen und Pflanzengruppen dekorirt; aus dem Friedrich- Wilhelmsplatz erhebt sich eine Kolossalbüste Luthers. An zahlreichen Häusern steht man Luthers Bild. Um 9 Uhr fand Festgottesdienst in der Barfüßerktrche statt, wobei Generalsn- perintendent Bauer die Festpredigt hielt. Eine halbe Stunde später fand ein zweiter Festgottesdienst in der Augustinerkirche statt, wobei Superintendent Rietschel (Wittenberg) predigte. Der Nachmittags stattgefundene Festzug ! stellte den Moment dar, in welchem Luther auf der Reise nach Worms feierlich eingeholt wurde.
Ausland.
Wien, 7. Aug. Der Frkf. Ztg. zufolge verursachte in Czechenkreisen die Parole der Theilung Böhmens in ein deutsches und czechi- sches Gebiet Aufregung. Man nimmt an, dies sei das nächste Aktions-Programm der Deutschen.
Pest, 8. August. In den Abendstunden versammelte sich gestern eine zahlreiche Volksmenge vor dem Hotel, worin die Familie Scharf abgestiegen war, lärmte und warf die Fenster ein. In Folge des Einschreitens der Polizei und eines um IOV 2 Uhr niedergegangenen Platzregens zerstreute sich die Menge, nachdem sie noch einige Gaslampen zertrümmert hatte.
Im Königreich Polen hat sich unter den Gutsbesitzern eine besondere Art Hagelversicherung gebildet, bei welcher die Schäden in natum vergütet werden. Jeder Versicherte steuert je nach dem Verstcherungsquantum seiner Ernte, jedoch höchstens 1 Prozent, bei, so daß wer 1000 Scheffel versichert hat, 10 Scheffel vorkommenden Falls abzultefern hat. Stroh zm
Stuttgart, 8. August. (Landgericht.) Beleidigungen durch Korrespondenzkarten werden als öffentliche angesehen, nachdem bekanntlich schon Mahnungen durch solche Karten als Beleidigungen aufgefaßt werden. Ein solcher Fall wurde vor der Strafkammer verhandelt. Der Studirende M. R., der in Tübingen von der Schule gewiesen woroen war, weil er sich zu viele Carcerstrafen zugezogen hatte, schrieb an Professor Dr. Treuber daselbst eine Korrespondenzkarte mit beleidigenden Worten. Das Schöffengericht hier hatte ihn zu 4 Tagen Ge- fängntß verurtheilt. Das Landgericht erkannte auf die Berufung des Staatsanwalts und Angeklagten gegen den letzteren auf 14 Tagen Gefängniß.
Der Prozeß des Raubmörders Götz von Kaltenthal dürfte unter Umständen noch einmal vor das Schwurgericht verwiesen werden, da die Vertheidtgung alle Aussicht haben soll, mit ihrem Revisionsantrag durchzudringen.
Stuttgart, 8. August. Im Schreinerstreike ist wie es scheint ein Waffenstillstand eingetreten. Von beiden Parteien verlautet nichts mehr. Die Principale sorgen für Gewinnung neuer Arbeiter und haben sich denselben hiesige und auswärtige Kleinmeister zur Verfügung gestellt. So soll Wagner und Starker sein Personal wieder vollzählig haben. Die Kleinmeister, welche sich im Akkord bis aus 6 M. stehen, kommen so entschieden bester weg als wenn sie auf eigene Rechnung schaffen.
Der in Gärtringen kürzlich bet einer Hochzeit ausgebliebene Bräutigam hat sich nachträglich doch noch eingestellt, so daß am letzten Samstag die Hochzeit vor sich gehen konnte. Derselbe war auswärts beschäftigt und hatte deßhalb, wie der »Gäubote" berichtet, die Einladung zur Hochzeit zu spät zu Gesicht bekommen.
Verflossenen Samstag wurde in Laufen a./N. der erste 1883er Wein getrunken. Ein dortiger Einwohner hat nämlich eine schöne Kamerz mit Frühklevuer; da nun Wespen, Fliegen u. dgl. die Trauben stark dezimirten, war der Eigentümer gezwungen, die Lese vorzunehmen; er preßte die Trauben alsbald aus und brachte sodann im Freundeskreise den Wein sogleich zum Ausschank. Gewiß, eine Seltenheit am 4. August.
Einen wirklich komischen Eindruck, schreibt der »Pforzh. Beob." machte es, als dieser Tage mehrere Personen aus Birkenfeld im Trauer- anzuge und mit Kränzen versehen einem jungen Manne in Büchenbronn die letzte Ehre erweisen wollten. Sie waren nicht wenig erstaunt, als sie denselben ganz munter vor seinem Hause antrafen, im Begriffe, die Kühe einzuspannen, um auf das Feld zu fahren. Ohne ein Wort zu sprechen, gingen die »teilnehmenden Verwandten" schnelleren Schrittes als sie gekommen waren, ihrer Heimath wieder zu. Eine Namens- Verwechslung hatte zu diesem Irrtums geführt.
Das ewig WeMiche. «druck verb-tm.)
Humoristische Novelle von I-r. Uslbi g.
(Fortsetzung.)
Herr Kandidat Kleinmichel wurde seinerseits etwas unruhig. Es kam ihm jetzt vor, als wenn die Wahl dieses Gedichtstoffes seiner Schülerin gegenüber nicht recht passend erscheinen wollte. Es schien ihm in- deß pädagogisch geboten, sich das in keiner Weise merken zu lasten, vielmehr die Sache in größter Unbefangenheit weiter zu verfolgen.
»Es ist im Allgemeinen die Stillung der Sehnsucht," fuhr er trocken fort, »von der der Dichter spricht; der Dichter personifizirt die Sehnsucht im Bilde eines Geliebten — die Dichter, mein Fräulein, lieben es, allgemeine Begriffe persönlich einzukleiden. Das gewählte Versmaß ist, wie Ihnen schon bekannt sein wird, der kurze, diesmal nur dreifüßige Jambus. Der Dichter fährt nun weiter fort:
»Schon liegt die Welt im Traume,"
Daraus sehen Sie schon es ist eine Traumwelt, nicht die gewöhnliche Welt, in der wir uns befinden.
»Und es blühet die duftige Nacht."
Das ist offenbar ein sehr gewagtes Bild. Es ist dies aber kein Wunder. Im Traume pflegen sich unsere Begriffe bekanntlich auch zu verwirren. So läßt der Dichter die Nacht blühen, obwohl im Grunde nicht die Nacht blüht, sondern nur die Blumen. Auch sind es nur die in der Nacht blühenden Blumen, nicht diese selbst, welche duften. Der Dichter hätte also korrekt sagen müssen: Es duften die Blüthen der Nacht. — Sie werden das begreifen? — Aber ich bitte Sie, mein Fräulein, Sie find nicht bei der Sache, Sie sehen ja ganz wo anders hin."
»Mein Gott, sehen Sie denn nicht?"
»Was ist's denn?"
»Die Mutter!"
»Ihre Frau Mama?"
»Sie schläft." ^ ,
»Bei der Schwüle, welche bereits seid heute morgen herrscht und die auch schon ihren Eintritt in das Zimmer nahm, finde ich das i« höchsten Grade begreiflich. Lesen Sie nur weiter!"
Gleichen las:
»Der Mond im blauen Raume
Hält für die Liebe Wacht." — ,
Hier hielt sie inne. Sie schwieg. Auch der Kandidat Klein- michel schwieg.
»Der Dichter," fuhr der letztere nach einer Pause fort, »der Dichter läßt den Mond aufgehen und zwar im blauen Raume. Das ist offen- > bar falsch, denn wenn der Mond scheint, so ist es Nacht, wie das auch ^ aus der vorhergehenden Zeile sich ergibt; in der Nacht ist der HM ^ mel aber bekanntlich nicht mehr blau, da ist er vielmehr schwarz oder doch von etwas grauer Färbung. Der Dichter stellt dann weiter die Mutter als Wächter für die Liebe —"
»Die Mutter?" . ,
»Den Mond — den Mond — wollte ich sagen — ich versprach mich, i »Sie schläft wahrhaftig."
»Der Mond?"
»Die Mutter!"
Herr Kandidat Kleinmichel war in eine eigenthümltche Erregung gerathen, bei welcher er in der Folge nicht blos die Worte verwechsele, , sondern auch den Bleistift, den er gewöhnlich in der Hand zu Halle» pflegte, zu Boden fallen ließ. Margarethe bückte sich sofort, deuselve» ^