ihm kurz zuvor bezahlten 250 M. wieder an sich genommen haben und von seinen Papieren den Schuldschein, die Brieftasche habe er An­fangs im Stalle, nachher im Walde vergraben, und verschiedene Papiere verbrannt. Die ihm zur Last gelegte Brandstiftung leugnet er gleichfalls; er behauptete, es sei das Werk eines Brandstifters gewesen, der ihn habe bestehlen wollen, denn es sei von ihm eine Leiter hinten am Hause gesehen worden, von der aber Nie­mand sonst etwas weiß. Von großem Inte­resse ist das Gutachten des Sachverständigen Stadtdirektionswundarzt Dr. Strudel, der die Sektion der aufgefundenen Leiche, nach der Brandstiftung in der Nacht vom 15. bis 16. Febr. d. I., vorgenommen, und an dem Schädel die Ueberzeugung gewonnen hat, daß ein Eindruck an demselben sei, der nicht von einem Fall Herkommen könne, sondern durch einen gewich­tigen Schlag mit einem schweren und starken Instrument beigebracht sein muffe. Dr. Stendel konstatirt ferner, daß zwar an der Leiche die Haut durch einen Anfang des Verwesungspro­zesses bereits etwas weich und nicht mehr fest gewesen sei, daß man aber am Halse Spuren einer Erwürgung oder Erdrosselung gefunden habe. Eine Rippe (sie wird im Spiritus auf­bewahrt vorgezeigt) war gebrochen, wahrschein­lich durch Knieen auf dem durch den Schlag ohnmächtigen Wertheimer, um ihm vollends durch Erdrosseln den Garaus zu machen. Stadt­direktionsarzt Dr. Gußmann bestätigt das Gut­achten des Dr. Strudel als vollkommen mit seinen Ansichten übereinstimmend, erzgebe zwar die Möglichkeit iwAllgemeinen zu, daß durch einen star­ken Stoß auf den Magen der Tod eintreten könne, was aber bei den sonstigen Verhältnissen im vorliegenden Fall total auszuschließen sei. Unter den heute vernommenen Zeugen sind von Erheblichkeit die Aussagen der Wittwe Wert­heimer, welche bestimmt versichert, daß ihr Mann nie mit weniger als 58000 M. fortgegangen sei, besonders diesmal nicht, wo er eine Zahl­ung bei der Hofbank und verschiedene Einkäufe habe machen wollen. Woher der anonyme Brief, der ihn nach Kaltenthal gelockt, gekommen, weiß sie nicht. Ein anderer Zeuge sagt, daß der Angekl. kurz vor dem Verschwinden Wertheimers geäußert habe, wenn er denselben dort hinten im Stalle hätte, könnte man ihn abthun. Schluß des ersten Tags.

(2. Tag.) Der Andrang des Publi­kums ist noch ebenso stark, wie am ersten Tag. Es wird mit dem Zeugenverhör fortgefahren. Christian Mezger von Vaihingen kam am Mon­tag den 28. März, Morgens 6 Uhr, von der Solitudestraße her nach Vaihingen und will dem Wertheimer begegnet sein. Er weiß es da­her, daß es der Montag war, da er auf zwei seiner Kameraden wartete, um mit ihnen zu­sammen in den Steinbruch zu gehen. Wettere 3 Zeugen wollen den Wertheimer auch noch am Montag in Vaihingen gesehen haben, gaben aber zu, daß sie sich auch getäuscht haben kön­

nen. Der Polizeidiener von Vaihingen hat nur im Hirsch gehört, daß Wertheimer noch am Montag in Vaihingen gesehen worden. Er hat nachgeforscht, aber nichts Bestimmtes erfahren, auch 8 Tage nachher mit dem Schultheißen von Kaltenthal darüber gesprochen. Gemeinderath Seher von Kaltenthal weiß von dem Bruunen- loch im Keller, wie ein solches in manchen Häu­sern dort sich befinde. Sonst weiß er nichts von den Verhältnissen des Angeklagten als daß er nicht gern gearbeitet habe. Zeuge Stations­kommandant Edel kam erst im Mai 1881 nach Kaltenthal, ist also bei den ersten Vorgängen nicht dort gewesen, nachher aber auf Anordnung der Staatsanwaltschaft hatte er viel mit der Sache zu schaffen. Von dem Zeugen Hirt hat er ge­hört, daß Götz vor seinem Vater gesagt habe, wenn man den Wertheimer so hinten im Stall hätte, so könnte man ihm eins versetzen, daß er fertig wäre. Hirt darüber gehört, bestätigt dies. Am 19. Februar d. I. hat er nach dem Brand, als die Leiche gefunden, der Ausgrabung angewohnt. Von den Briefen des Wertheimer weiß er nichts und hat auch nichts darüber er­fahren. Schultheiß Bosch von Kaltenthal ist durch die erste Frau des Angeklagten mit diesem verwandt und kennt dessen Verhältnisse. Es stand gut mit ihm bis in die letzte Zeit; nachdem er gebaut habe, sei er bet seiner zwei­ten Frau zurückgekommen und habe in den letzten beiden Jahren, wo er auch, da er wenig mehr gearbeitet, von oben herunter gelebt, seine Güter größtentheils verkauft. Der Zeuge Schafknecht Lang hat in der Nacht des Brandes das Feuer zuerst gesehen und es sei ihm aus­gefallen, daß bei dem ersten oben im Giebel gesehenen Feuer schon Licht unten in der Woh­nung sei. Kaminfeger Staiger war der erste zur Hilfe auf dem Brandplatz zwischen 2 und 2Vs Uhr und fand schon das ganze Dach von allen Seiten in Flammen; der Angeklagte war schon ganz wie gewöhnlich angekleidet und seine Frau hat von dem Hause Sachen heraus ge- than, eine Leiter hat er hinter dem Hause nicht gesehen. Der 17V- Jahre alte Sohn des Ka­minfegers hat auch keine Leiter hinten gesehen, aber eine lange Leiter von des Nachbars Gar­ten herbeigeholt und an dem Giebel angelegt, um zu löschen. Kaminfeger Bertsch kam auch herbei und hat sich gewundert, daß es an allen Ecken und Enden des Hauses zugleich ge­brannt und Betten und Anderes schon aus dem Hause gerettet worden und vor dem Hause war. Er habe sogleich vermuthet, daß der Angeklagte selbst es angezündet habe. Schon 1871 in dem früheren Hause des Angeklagten habe es gebrannt und Manche haben damals geglaubt, daß der Angeklagte es selbst ange­zündet habe. Nachdem die Beweisaufnahme für geschlossen erklärt worden, legte der Präst dent den Geschworenen sechs auf die Verbrechen bezügliche Fragen vor, von denen die erste, auf vorbedachten Raubmord lautend, nach ^stünd. Berathung bejaht wurde, dagegen wurde der

Angeklagte von der Anklage der Brandstiftung fretgesprochen. Der Angeklagte hörte diesen Ausspruch mit scheinbarer Gleichgiltigkeit an. Ebenso das auf Antrag des Staatsanwalts auf Grund des Z 211 gefällte Todesurtheil, das erste, das im Juitizpalast ausgesprochen wurde. Zum Schluß richtete der Hc. Präsident noch eme ernste Mahnung an den Verurtheilten, sein Gewissen durch ein reumüthiges Geständniß zn erleichtern.

Stuttgart, 6. Juli. Die Lohnbewegung bei den hies. Schreinern und Drehern nimmt größere Dimensionen an, als man bisher zu erwarten geneigt war. Die heute Abend abge­haltene Schreiner-Versammlung lieh dem Vor­gehen der Arbeiter in der Schöttle'schen Fabrik ihre Unterstützung trotzdem die Inhaber der sieben großen Möbelgeschäfte erklärt hatten, sie würden für diesen Fall morgen Mittag schließen. Die Arbeiter bestehen darauf, daß für gewöhnliche Arbeit ein Aufschlag von 10 pCt., für gewichste Arbeit von 15pCt., für polirte Arbeit von 20pCt. gewährt und der Minimal-Taglohn auf 3 M. 30 Pfg. festgesetzt werde. Voraussichtlich wer­den also morgen die größeren Möbelfabriken geschlossen, wodurch etwa 2000 Arbeiter brod- los werden. Die Arbeiter ihrerseits hoffen auf Unterstützung von außerhalb und suchen die Pianoforte-Arbeiter mit in den Strike hinein­zuziehen. Ob das gelingen wird, bleibt noch abzuwarten. Einstweilen wählten die Arbeiter eine Commission von sieben Personen, die mit den Prinzipalen unterhandeln soll. Gehe» die Prinzipale nicht auf die Forderungen ein, so soll allen unverhetratheten Arbeitern Retseunter- siützung gewährt werden, um von hier fortzu­kommen.

Stuttgart, 6. Juli. Gestern Abend 9Vs Uhr wurde bei Ankunft des Zuges von Ludwigsburg bei der Visitation der Waggons ein etwa 14 Tage altes lebendes Kind weibl. Geschlechts in einem großen Schaal eingewickelt unter einer Bank gefunden. Die Mutter des ausgesetzten Kindes konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden, das Kind wurde vorläufig in der Krippe untergebracht.

Ellwangen,6. Juli. DieJagst-Ztg." vernimmt, man sei dem steckbrieflich verfolgten Postmeister Kettnacker von Bopfingen auf den Fersen, und zwar in Amerika, woselbst er in einer Stadt gelegentlich eines deutschen Lieder­festes in Damengesellschaft beim Champagner von Bekannten getroffen wurde. Von der Ju­stizbehörde seien sofort Schritte gethan worden, um des Flüchtlings habhaft zu werden.

Deutsches Reich.

Potsdam, 7. Juli. Prinzessin Wilhelm wurde heute früh nach sechs Uhr von einem Prinzen entbunden.

Aus der Pfalz vernimmt man häufiger als aus andern Gegenden von großen Spenden vermöglicher Bürger. Ein neues Beispiel dieser Art melden Pfälzer Blätter. Ein ungenannter

Der Adelsmüller.

Lebensbild von SoUmsttiiK.

(Fortsetzung.)

Das schaulustige Publikum war schon eine Stunde vor dem an­gekündigten Beginn der Vorstellung versammelt. Zur Freude des Di­rektors hatte sich dasselbe recht zahlreich eingefunden und er trieb sein: Leute zur Eile an, um zur Erhaltung der guten Laune der Versammelten etwas früher beginnen zu können.

Wer jemals die leidenschaftliche Geschäftigkeit des Direktors einer Wandertruppe bei rapide mit Besuchern sich füllender Scheune ge­sehen, der wird leicht ermessen können, daß jene Mahnungen an Grob­heit ihres Gleichen suchten.

Die mit der Kaffe dicht an der Hinterthür des Hauses sitzende Direktorin empfieng dagegen das Publikum äußerst höflich und zerfloß förmlich in liebenswürdiger Aufmerksamkeit.

Es gelang denn auch Beiden, den auf verschiedenen Wegen von ihnen angestrebten Zweck zu erreichen. Der Vorhang stieg über eine Viertelstunde früher, als angekündigt worden war, empor und das Pu­blikum war ziemlich ruhig geblieben, bis es jenes wichtige Ereigntß durch ein langgezogenesAh!" bewundern konnte. Franz Moor begann die Handlung mit der bekannten sorglichen Frage nach dem Wohlbefinden seines würdigen Erzeugers.

Es ward mittlerweile denn auch draußen abendlich; die Dämmerungs­stunde trat soeben stärker auf, als sich ein erster Nachzügler vor dem Wirthshause einfaud, an dessen Thür der als Zettelträger engagirte Junge Wache hielt, um den Rest des ihm anvertrauteu Schatzes los zu werden.

Wir kennen jenen Spätling bereits; es war jener Mensch, dessen sich der Adelsmüller bedient hatte, seinen zweiten Sohn, den Doktor, so schnöde von der Schwelle des Hauses weisen zu lassen und den dieser Herker genannt hatte.

Herker steckte jetzt in zivilen Sonntagskleidern. Er nahm dem Jungen einen Zettel ab, und nach dem kritischen Grinsen, welches sein Antlitz überflog, schien es, als sei ihm der Kunstgenuß, der hier geboten ward, nicht ganz fremd doch plötzlich stutzte er und machte ein recht verblüfftes Gesicht.

Ja was ist denn das?" stieß Herker endlich hervor.DaS hat uns ganz gewiß der Herr Doktor eingerührt!"

Schnell schritt er nun durch das Haus, wo er in seinem Eifer an der Hinterthür durch Frau Broeker aufgehalten wurde.

Billet gefällig, mein Herr?" fragte dieselbe.

Herker sah die Dame einen Moment verwundert an, dann hielt er ihr nicht ohne eine gewisse Impertinenz den Zettel vor die Nase.

Was soll der Name hier bedeuten, Frau?" fragte er barsch.

Der Name?" meinte die Direktorin noch leidlich höflich.Es ist der Name unseres geschätzten Kollegen und Gastes!"

Na, da soll doch gleich!" rief Herker zornig.Wo ist der Direktor! Ich muß gleich den Direktor sprechen!" ..

Mein Mann ist auf der Bühne oder in den Koulissen beschäftigt! meinte die Dame.

Herker wandte sich zum Gehen.

Erlauben Sie," rief jedoch Frau Broeker,der Direktor hat jetzt nicht Zeit für Sie, guter Freund! Sie müssen schon den Zwischen­akt abwarten, wenn Sie ihm etwas zu sagen haben. Ohne Billet kom-