Bahnhof beschäftigte Arbeiter David Hamm, welcher als Lampist die Eisenbahnwagen zu be­leuchten hat, versuchte auf den 5^ von Ulm eintreffenden Personenzug 28 aufzuspringen, ehe derselbe zum Anhalten gebracht war. Er ver­fehlte hiebei den Wagentritt, fiel unter die Rä­der und wurde dergestalt überfahren, daß er auf der Stelle todt blieb. Der Verunglückte wird als ein braver nüchterner Mann geschildert. Hamm ist Vater eines Kindes.

Deutsches Reich.

Berlin. Der Reichskanzler hat einen Tag früher als er beabsichtigt hatte, Berlin ver­lassen und sich zunächst nach Friedrichsruhe be­geben, von wo er voraussichtlich die Fahrt nach Kisstngen zum Kurgebrauch antreten wird.

Nach der jetzt fertiggestellten Rednerliste hat in der letzten Session des Reichstags Eugen Richter nicht weniger als 350 Mal das Wort ergriffen. Ihm zunächst kommt Wtndthorst, der 198 Mal sprach.

Wie von Ems gemeldet wird, besuchte der Kaiser daselbst Montag Abend mit zahlreichem Gefolge die Vorstellung der Miss Wanda in der Restauration Lindenbach. Der Kaiser folgte mit sichtlichem Interesse den schwierigen Pro­duktionen, welche die Künstlerin mit Anmuth, Sicherheit und großer Gewandtheit am Trapez und an dem Drahtseile im Verein mit Mr. Frankloff ausführte. Besonderes Aufsehen er­regten die Fahrten an dem etwa 400 Meter langen und 40 Meter hohen, eine Thalschlucht überspannenden Seile, welchen Weg Miss Wanda, an einer über das Seil führenden Rolle sich mit den Zähnen haltend, in kaum zehn Sekun­den zurücklegte. Am künftigen Sonntag wird der Hofkunstfeuerwerker Vidacowich aus Höchst a. M. ein großes Feuerwerk in den Kuranlagen abbrennen.

Der Kaiser hat eine Einladung der Stadt Frankfurt a. M. zu einem Festmahl am 27. September angenommen, an welchem außerdem eine große Anzahl anderer deut­scher Fürsten, welche während des Ma­növers Gäste des Kaisers sind, theilnehmen werden. Die feierliche Einweihung des Nie­derwalddenkmals findet dann am folgenden Tage, am 28. September, statt.

Aus einer von der Concordia, dem Verein zur Förderung des Wohles der Arbei­ter" veranstalteten Statistik der mittleren Ar­beitszeiten und Arbeitslöhne in den einzelnen Staaten, resp. Provinzen am 1. Okt. 1882 geht hervor, daß in Württemberg die Löhne in sämmtlichen Zweigen im Durchschnitt zu den höheren und höchsten gehören.

Ein jüngst ergangenes Urtheil der Straf­kammer zuFreiburg bietet für weitere Kreise Interesse. Ein Detailreisender, der mit dreister Zudringlichkeit seine Waare anbot, leistete der Aufforderung einer Hausfrau, sich zu entfernen, nicht sofort Folge und wurde grob. Wegen Hausfriedensbruchs erhielt er vom Schöffenge­

richt 3 Tage Gefängniß und die Strafkammer hat auf ergriffenen Rekurs das Urtheil be­stätigt.

Plauen, 5. Juli. Als gestern Nachmit­tag 3 Uhr der König Albert von Sachsen die Wollkämmerei von Georgi u. Comp, in Mylau besichtigte, bestieg er mit dem Kreishauptmann Dr. Hübel, Geheimrath Bär, Oberstallmeister Ehrenstetn, Flügeladjutant Malortie, zHandels- kammerpräsident Georgi, Bürgermeister Jakob, Direktor Clad und Amtshauptmann Wslck einen Fahrstuhl, um vom ersten in den zweiten Stock zu fahren. Wider Erwarten bewegte sich aber der Fahrstuhl abwärts, und stieß mit mächtiger Gewalt auf den Fußboden. Unmittelbar da­rauf erfolgte ein schwerer Schlag; ein großes Gewicht hatte sich oben abgelöst und tödtete Dr. Hübel, während Direktor Clad einen Armbruch erlitt. Der König und alle Uebrigen blieben unversehrt. Der König war tief er­schüttert, er hat die Reise sofort abgebrochen und ist nach der Residenz zurückgekehrt.

Bochum. Der Amtmann Schäfer in Herne hat folgende Bekanntmachung erlassen:Mit Rücksicht auf die bekannte Gefahr, welcher ein­zelne, im Freien sich befindende Frauenspersonen ausgesetzt sind, richte ich an alle Landwirthe und Dienstherrschaften die Aufforderung, daß sie Frauenspersonen nicht ohne Begleitung auf den Feldern herumgehen oder arbeiten laßen." Es ist in der That weit gekommen mit den hiesigen Sicherheitszuständen, daß eine derartige Warnung nothwendig wurde. .

Vom Schwurgerichte zu Thorn wurde dieser Tage ein Mann Namens Grapentin aus Hohenktrch, der am 4. Dezember v. I. wegen Brandstiftung zu 3 Jahren Zuchthaus verurtheilt war, nach Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund der betgebrachten Entlastungsbeweise freigesprochen, nachdem er bereits sieben Monate der Zuchthausstrafe unschuldig verbüßt hatte.

Ausland.

Wien, 3. Juli. Beim Grafen Chambord ist ein großer Kräfteverfall zu konstatiren, wenn auch Todesgefahr nicht in unmittelbarer Sicht ist.

Prag. Vor einigen Tagen reiste die 7jährige Tochter eines hiesigen -Kapellmeisters ganz ohne Begleitung von Prag nach Konstanz am Bodensee. Um den Hals, an einem roth- seidenen Bande, trug das Kind, in deutscher und französischer Sprache versaßt, seine Reise­route : PragPilsenFurthSchwandorf Regensburg Augsburg BuchloeLindau Konstanz. Laut einer Depesche war die Kleine nach 32stündiger Fahrt glücklich in Konstanz eingetroffen.

Paris. Da die neueren Nachrichten das Ende des Grafen Chambord demnächst er­warten lassen, so hat die Regierung für diesen Fall bereits Vorkehrungen getroffen und sich entschlossen, falls irgend eine Kundgebung von seiten der Orleans, betreffend die Nachfolge des Prätendenten, erfolgen sollte, die sofortige Aus­

weisung der gesammten Familie Orleans anzu­ordnen.

Pa,rts, 4. Juli. Chambords Testament soll dem Papste übersandt worden sein. Der Graf von Paris ist noch unschlüssig bezüglich des in seiner Eigenschaft als Nachfolger zu er- laffendenManifestes, dessen Veröffentlichung seine Ausweisung aus Frankreich nach sich zöge. Durch die Reise nach Oestrsich fft Zeitgewinn beab­sichtigt. Die legitimistischen Ultras dürften eher Don Carlos als Chef anerkennen.

Zwischen Frankreich und Madagas­kar geht der Krieg immer lustig weiter. Die neuesten Meldungen vomKriegsschauplatz" be­sagen, daß eine Abtheilung Franzosen in Stärke von 500 Mann als Garnison in der Hafenstadt Tamatave zurückgelassen wurde, und daß die übrigen Truppen auf dem Vormarsch in das Innere begriffen sind. Die Hovas hätten sich in die Gebirge zurückgezogen, wo sie Verstär­kungen erwarteten. Ein Zusammenstoß stehe bevor.

Lyon. Unter Leitung des Abbe Moigno hat sich eine Gesellschaft gebildet, um die Wagen des Königs Pharao, welche bet der Verfolgung der aus Egypten entweichenden Juden vom Meere verschlungen wurden und jetzt von einer Salzkruste bedeckt sein sollen, zu heben! 750000 Frank sollen zu dem Zwecke dieser Expedition bereits gesammelt sein.

Mailand. Unter der Bevölkerung von Dervio sind ernstliche Unruhen ausgebrochen, weil der dortige Geistliche den kürzlichen Theater­brand als eine Strafe Gottes bezeichnet. Es mußte deßhalb Gensdarmerie nach Dervio ent­sandt werden.

London. Eine Alarmnachricht kommt aus Neufundland. Im Nordtheile des St. Lorenz-Golfs sollen nämlich dreißig Rooben- fangschooner von Eismaffen umringt und die Mannschaften dem Verhungern nahe sein.

Wie von Gl as go w berichtet wird, schlug bei dem Stapellauf des DampfersDaphne" in Ltnthouse das Schiff um. Gegen hundert Personen ertranken. DemB. T." meldet man über das Unglück folgendes Nähere: Die Daphne" war ein Schiff von 600 Tonne» Gehalt und vierzehn Fuß hoch. Sie rannte schnellstens vom Stapel hinab, allein sofort, als sie das Wasser berührte, fing sie an, furcht­bar zu rollen, worauf Alle an Bord vorwärts und rückwärts liefen, da sie ein Umkippen be­fürchteten. Plötzlich sahen die entsetzten Zu­schauer das Schiff sich nach links neigen und kopfüber kenternd in der Fluth, die gerade hoch war, verschwinden. Sofort dampften einige Tugs hinzu und begannen die Rettung der Schwimmenden, auch Boote von den benach­barten Werften ruderten fzu der Unglücksstätte und retteten so viel als möglich. In wenigen Minuten wurden alle Schwimmenden gerettet, allein nahezu 60 Personen, die im Schiffsräume sich befanden, sanken unter. Dies waren zumeist Ingenieure, Feuermänner und Zimmerleute,

Der Adelsmüller.

Lebensbild von Larl LcInnslivZ.

(Fortsetzung.)

Die Dorfschenke glich sehr bald einem Ameisenhaufen, dessen Be­wohner eine rührige Thätigkett entfalteten. Im Gastzimmer derselben traf eine Anzahl Mitglieder der Gesellschaft Vorbereitungen, die Unan­nehmlichkeiten der Reise in der Tageshitze durch geeigneten Stoff ver­gessen zu machen und zu den bevorstehenden Anstrengungen neue Kräfte zu gewinnen.

Von anderen wurden die Wagen in den Hof geschoben; die über­mäßig angestrengten Pferde wurden von den Leuten des Wirthes aus­gespannt und in den Ställen untergebracht. Die Dörfler waren natür­lich überall dabei, um tapfere Zuschauer und Bewunderer, auch wohl Kritiker abzugeben. Der Herr Direktor Broeker trat mit dem Besitzer der Schenke sofort in eine längere Unterhaltung über die spätere Wirk­samkeit der Gesellschaft.

Der Sonntag, an welchem das erste Aufgebot des Doktor Schmidt mit Johanna Müller, der Tochter des Predigers, erfolgte, sollte für die Bewohner von Benzen im vollsten Sinne des Wortes zu einem Tage der Ueberraschungen werden.

Die Szenen in der Kirche und auf dem Kirchhofe, die schleunige Abreise des Doktors, welche doch nicht so völlig unbemerkt geblieben und Veranlassung zu verschiedenen Vermuthungen gab, dann die An­kunft der Komödianten denn daß die Leute, welche soeben ihren Ein­zug gehalten, solche waren, hatte man sogleich erkannt bedeuteten schon viel für einen Ort wie Benzen aber es lag noch weit mehr Staunenswerthes im Hintergründe.

Wie wir wissen, hatte Valentin Schmidt, der älteste Sohn des Adelsmüllers, ursprünglich gar nicht die Absicht, sich im Dorfe zu er­kennen zu geben. Es waren acht bis neun Jahre verflossen, seit er zu­letzt in Benzen gewesen. Seine damalige Anwesenheit in Benzen zählte nur einige Stunden, die er in der Mühle verbrachte, wogegen er das Dorf nur eilig passirte. Schon vor diesem Besuch war er drei Jahre lang von Benzen abwesend. Zur Zeit seiner ersten Entfernung aus dem Dorfe zählte er neunzehn Jahre und jetzt fast dreißig. Das verstrichene Dezennium hatte ihn ziemlich stark verändert und bei einiger Nachhilfe im Aeußeren seiner Person dürften ihn die Bewohner von Benzen wohl nicht so leicht erkannt haben.

Jene Veränderung seiner äußeren Erscheinung war ja schon von dem jetzigen Mimen ins Auge gefaßt, doch sein Entschluß durch die Be­gegnung mit seinem Bruder wieder aufgehoben worden. Valentin Schmidt hielt deshalb seinen Einzug in das Dorf, wie ihn die Natur und Zeit herausgebildet hatten.

Dennoch ward der Sohn des Adelsmüllers von denjenigen, die ihn zuerst sahen, nicht sofort erkannt. Er siel zwar seiner hervorstechenden Persönlichkeit wegen auf, doch das Richtige ahnte niemand.

Erst als sich Valentin bei der bald folgenden Erfrischungsvor­nahme, an welcher sich auch einige junge Männer aus dem Dorfe ve- theiligten, unter derben Scherzen nannte, erinnerte man sich seiner, und wie ein Lauffeuer flog es durch das Dorf, daß des Adelsmüllers Valentin bei den im Dorfe angelangten Komödianten sei.

Die Angelegenheiten nahmen inzwischen ihren weiteren Verlaus. Der Herr Direktor Broeker war mit dem Wirthe dahin einig geworden, daß die leerstehende Scheune des Grundstücks in einen Musentempel um­gewandelt werden sollte.