gen. Bis Abends 9 Uhr dauerte das gemüth- liche Beisammensein beider Vereine, dann aber mahnte die eintretende Dämmerung die Nagol­der Sangesbrüder dringend zur Heimkehr und so fuhren sie unter dem Gesänge des Liedes: Gute Nacht, gute Nacht, mein feines Lieb rc." zur Stadt hinaus und flugs gings wieder der lieben Heimath zu. Hoffen wir, daß sie twn dem Stelldichein befriedigt, uns bald wieder mit einem Besuche erfreuen mögen.

In Cannstatt hat der ledige Fabrik­arbeiter Hepperle beim Verlassen ^er Decker'schen Fabrik, wie gewohnt, seine ausgetrunkene Most­flasche in die Rocktasche gesteckt. Unter dem Por­tale stolperte derselbe über einen kleinen Gegen­stand und fiel zu Boden; dabei ging die Flasche in Scherben und da Hepperle mit dem Vorder­arm auf einen solchen Scherben aufschlug, ver­letzte er sich so bedeutend am Handgelenk, daß ungeheurer Blutverlust folgte und derselbe schwer verletzt zu seinen Eltern gebracht wurde.

(Schwurgericht Tübingen.) In dem verhandelten vierten Falle wurde der Schulamts­verweser Johs. Helber von Haiterbach we^en Sittltchkeitsvergehen zu 4 Jahren Zuchthaus, im fünften Falle der Maurer Konr. Lutz von Simmersfeld wegen gleichen Verbrechens zu 1 Jahr 6 Mon. Zuchthaus verurthetlt.

Zu Anfang dieses Monats ist zu Hohent­wiel der langjährige Anwalt und Festungs- Aufseher Schultheiß Eberspächer, 72 Jahre alt, gestorben, was manchen Besucher der Ruine, den der verstorbene wackere Veterane dabei als Führer begleitete, interesfiren wird. Zu seinem Nachfolger als Anwalt von Hohentwiel und Bruderhof ist der Oekonom Herr Carl Pfister dort bestellt worden, während die Stelle des Aufsehers über die Festungs-Ruine noch nicht de­finitiv besetzt ist.

(Brandfälle.) In Oppenweiler und am Samstag Nacht die großen Freiherrl. v. Sturmfelder'schen Wohn- und Oekonomie- gebäude und zwei weitere Scheunen abgebrannt. Der Gebäudebrandschaden beträgt ca. 70 000 M.

Durch einen bedeutenden Brand wurden am 27. d. M. Nachm, zwei größere Anwesen in Böhringen, OA. Sulz vollständig zerstört. Der Schaden an Gebäuden beträgt über 11000 Mk. Das Feuer scheint durch Kinder, die sich in Abwesenheit sämmtlicher Hausbewohner allein zu Hause befanden, verursacht worden zu sein.

Am gleichen Tage, Mittags 12 Uhr, brann­ten inOetisheim, OA. Maulbronn, 1 Wohn­haus und 4 kleinere Nebengebäude nieder. Die Größe des Brandschadens ist 2300 Nt. Es wird Brandstiftung vermuthet.

(Unglücksfälle und Verbrechen.) Ein Dragoner, der sich wegen rückfälligen Dieb­stahls an einem Kameraden im Untersuchungs- Arrest befand, hat sich am 30. d. früh inUlm erhängt. Um den Selbstmord ausführen zu können, schnitt er den Bett-Ueberzug in Streifen, drehte diese in einen Strick zusammen und hängte

sich daran auf. Der Selbstmörder stahl schon vor einem halben Jahr 15 M., kam deßhalb 2 Monate zu den Militär-Sträflingen; aber kaum zum Regiment zurückgekehrt, stahl er eine Uhr und versetzte dieselbe. In Bietigheim hat sich ein Zimmermann von Massenbachhausen in die Enz gestürzt, aus welcher er uur noch als Leiche gezogen werden konnte; aus Briefen, die man bei dem Unglücklichen fand, der etwa im Alter von 2225 Jahren steht, läßt sich schließen, daß eine Veruntreuung die Veran­lassung zu dem unseligen Schritte war. In Leutkirch scheint über der Familie des Röß- leswirths Breins fett letzter Zeit ein wahrer Unglücksstern obwalten zu wollen. Nachdem erst am vergangenen Montag der fünfjährige Knabe sich eine bedeutende Verletzung der Hand zuzog und sich die Hand derart verschlimmerte, daß man eine Amputation derselben befürchtet, wurde am letzten Mittwoch der 10jährige Knabe gleicher Familie, welcher sich aus dem Felde seines Vaters befand, von einem mit Mähen beschäftigten Manne so unvorsichtiger Weise mit der Sense in den Fuß gehauen, daß sehr wahr­scheinlich derselbe ebenfalls abgenommen werden muß. Mit der Familie hat man allgemeines Bedauern. Ein der Gemeinde Beutels­bach «ungehöriger verheiratheter, 46 Jahre al­ter Weingärtner stürzte so unglücklich durch das Garbenloch seiner Scheuer, daß er noch am nämlichen Tage seinen Geist aufgab.

(Konkurseröffnungen.) Chr. Schmutz, Guts­pächter auf dem Ernstemhof, Gem. Züttlingen; E. Enßlin, Kaufmann in Ravensburg; Johann Georg Kopp, Schuh­macher in Fluor«; A. Gaub. Domänenpächter von Schön­berg; Johs. Wacker, gew. Metzger in Schorndorf; Theod. Breuninger in Backnang; Johannes Schöll'er, Bäcker in Balingen.

Deutsches Reich.

Hamburg, 30. Juni. (Retchstagswahl.) Rabe erhielt 11608, Bebel 11711, ungilttg 160 Stimmen. Demnach wäre Bebel gewählt.

A ach en, 30. Juni. Ein gestern hier aus­gebrochener Brand hat etwa zwanzig Gebäude ergriffen, darunter das Rathhaus, dessen Dach- stuhl und Thürme ausbrannten. Die Akten und sonstige Papiere wurden gerettet. Die Feuerwehren der benachbarten Städte waren rasch zur Hilfe herbeigeeilt.

Köln. Dieser Tage versuchte in der näch­sten Umgebung der Stadt ein Thurmfalke, einer Henne junge Küchlein zu entführen. Die Alte aber, unterstützt von zwei ihres Geschlechts, fiel über den Räuber her, und diese hielten ihn unter wüthendem Geschrei so lange am Boden liegend fest, bis menschliche Hülfe kam, die sich des frechen Eindringlings lebend bemächtigte und ihn einsperrte.

Wesel. Dieser Tage ereignete sich hier gelegentlich der Artillerie-Schießübungen ein schwe­rer Unglücksfall. Eine Granate platzte näm­lich in dem Augenblicke, als sie in das Rohr eingesetzt wurde. Die Verwüstung war eine gräßliche. Ein Mann war sofort todt, vier

Der Kdeismüller.

Lebensbild von LoNmslinA.

(Fortsetzung.)

Das ist wirklich eine Überraschung!" sagte der Doktor zugleich.

Nicht wahr, Friedrich," rief Valentin lachend,und du wunderst dich sicher, wie ich, der Müllergeselle, den Sprung machen konnte. Doch waS willst du, der Alte wollte ja stets hoch mit mir hinaus. Meine so schnelle wie glänzende Karriere hat seine kühnsten Erwartungen über­flügelt. Ich bin jetzt darauf aus, ihm zu zeigen, wie sich sein Sohn im Purpur ausnimmt und wie es denselben kleidet, wenn er mit Szepter und Krone sein Spiel treibt."

Die Züge des Doktors verfinsterten sich.

Das wolltest du?" fragte er unwillig.Und gerade heute wie geht das zu?"

Der Zufall fügt es so." meinte Valentin munter. Es ist Som­mer in den kleinen Städten ist nichts zu machen; wir grasen daher an Sonntagen die Dörfer ab. Doch ehe ich es vergesse"

Valentin wandte sich zurück.

Lassen Sie einen Moment halten, Direktor!" rief er.Meine verehrten Kollegen und Kolleginnen, ich habe die Ehre, Ihnen meinen Bruder, den Herrn Doktor von Mühlenschmidt vorzustellen!"

Das ganze Völkchen war während des kurzen Gesprächs zwischen den beiden Brüdern bereits unruhig geworden; vielsagendes Gekicher des weiblichen Personals hatte sich vernehmen lassen. Auf die Aufforderung Valentins hielten die Wagen und sofort ergoß sich die buntscheckigte Gesell­schaft auf die Straße, wo sie den fremden Wagen umringte und den Insassen desselben in allen Tonarten begrüßte.

wurden schwer, mehrere andere, darunter der Hauptmann der betreffenden Batterie, leicht ver­wundet.

Aus Regensburg kommt die Nach­richt, daß der junge Fürst von Thurn und Taxis aus Anlaß der Festlichkeiten zur Mer seiner Großjährigkeitserklärung für die Arme« der Stadt eine Summe von nicht weniger als 84 000 M. überwiesen habe. Das klingt hoch, will aber doch verhältnißmäßig nicht so viel de-' deuten, wenn man bedenkt, daß, wie ultramon­tane Blätter behaupten, die Mutter des Fürsten, die Erbprinzessin Helene, während ihrer zwölf­jährigen Vormundschaft in der Lage gewesen ist, aus Revenuen des fürstlichen Vermögens 33 Millionen M. zu ersparen, von denen sie selbst jetzt ein Drittel und ihr Sohn zwei Drittel er­halten soll. Man darf den Fürsten jetzt wohl getrost als den reichsten Großgrundbesitzer sti Preußen und Deutschland bezeichnen.

Haben Sie den Derschau nicht gesehen?' So tönt es in Baden - Baden seit einigen Tagen von Mund zu Mund. Ueber den Ur­sprung der Frage wird derN. B. Ldsztg? von dort gemeldet: Vor mehreren Wochen sah man in einer hiesigen Buchhandlung den Plan zu einer stattlichen Villa ausgestellt, die an ei­nem der schönsten Punkte unserer Stadt errichtet werden sollte. Ein reicher in Paris lebender Russe hatte sich in der Nähe des Promenade­platzes einen Bauplatz um den ansehnlichen Preis von 110000 M. von einer älteren Dame erworben und im Nu waren auch die Arbeiten zu dem Bau an hiesige und in der Nähe woh­nende Geschäftsleute vergeben und Jeder freute sich im Stillen auf das gute Geschäft; denn der neue Bauherr war in jeder Beziehung nobel, von einem Handeln und Feilschen war diesmal keine Rede. Das Befremdende bei der Sache war jedoch eine Cautionsleistung von 5 pCt. der Accordsumme in klingender Münze, beim Bauherrn hinterlegbar, um für die rechtzeitige Fertigstellung und prompte Lieferung gedeckt zu sein. Doch was thut man nicht? Die Cautiou wurdeaus bezahlt, nur ein Einziger weigerte sich sie dem Bauherrn auszuliesern, und hinterlegte sie bei der hiesigen Vorschußbank. Die Vor­arbeiten waren im vollen Gange, die Funda­mente wurden gegraben, die Steinzufuhren be­trieben ; Jeder befliß sich, seinen übernommenen Verpflichtungen pünktlich nachzukommen, um der Caution nicht verlustig zu gehen. Merkwürdiger Weise läßt sich weder der Architekt noch Herr Derschau, der reiche Bauherr, sehen. Den Leuten wird unheimlich zu Muthe, sie wenden sich nach Paris, wo man einen derartigen Namen nicht kennt; nach Petersburg, von wo die erschreckende Nachricht etntrifft, Derschau sei ein herunter­gekommenes Subjekt ohne jegliche Mittel. Der schlaue Gauner hat bereits das Weite gesucht, ca. 30 000 M. den Geschäftsleuten aus der Tasche geschwindelt, die als Gimpel auf den Leim gingen und sich gegenseitig fragen: Hast Du den Derschau nicht gesehen?

Willst du," fragte Valentin lachend den Doktor,daß ich dfl jedes iheure Mitglied der würdigen Genossenschaft einzeln vorstelle, Bruder, oder"

Nein, nein!" wehrte der Doktor lebhaft ab und wendete sich den munteren Leutchen zu.Ich bin Ihnen sehr verbunden, meine Herr­schaften, danke, danke bestens für Ihre freundliche Begrüßung und freue mich, Ihre werthe Bekanntschaft zu machen; vielleicht habe ich auch spa­ter einmal die Gelegenheit, mich Ihrer künstlerischen Leistungen zu er­freuen, für heute muß ich indessen bedauern!"

Der Doktor wendete sich wieder zu seinem Bruder Valentin; er schien verdrießlich oder ärgerlich geworden zu sein.

Ich bin nicht aufgelegt, Posten zu treiben," sagte er scharf be­tont,aber ich möchte einige Worte mit dir allein sprechen."

Dein Wille geschehe!" sagte Valentin.Zurück, Genoffen, der Herr will mir die Ehre allein schenken. Schiebt Eure Karren weiter, allgewaltiger Direktor, und gebt mir auf eine Stunde Urlaub, ich stehe dir zu Diensten, Friedrich!"

Lachen, Witze und Scheltworte bildeten zunächst die Erwiederung des ausgelassenen Völkchens, doch zog sich dasselbe zurück. Die Wagen setzten sich in Bewegung und die früheren Insassen derselben schleuderten vorläufig nebenher. Die beiden Brüder waren, abgesehen von dem Fuhr- mann des Doktors, allein.

Komme zu mir in den Wagen, Valentin," sagte jener,oder nein, ich werde aussteigeu. Wir können eine Weile zu Fuße gehen; eS Plau­dert sich dabei besser, fahrt ein Stück voraus, Mann."

Diese letzten Worte galten dem Fuhrmann und wurden gesprochen, während der Doktor seinen Sitz im Wagen verließ und zu Boden sprang.

Ich freue mich, dich zu sehen," fuhr der Doktor, zu dem Bruder