s!

alten Nothdach, dem vielhundertjährigen Wahr­zeichen der Stadt Ulm Abschied zu nehmen. Münsterbaumeister Prof. Beyer gab einige archi­tektonische Mittheilungen und stellte in Aussicht, daß Ulm mit seinem ausgebauten Münsterthurm das höchste Bauwerk der Erde haben werde. Oberbürgermeister v. Heim rief dem Münster­baumeister und seiner Bauhütte ein fröhliches Glück auf! zu.

Deutsches Reich.

In Bezug auf die Verhaftung des pol­nischen Dichters Joseph Ignaz Kraszewsky ist zunächst zu berichtigen, daß dieselbe nicht in der zu Schöneberg gehörigen Schwerinstraße, sondern in einem Berliner Hotel bewirkt worden ist, wo sich Kraszewsky, von Pan kom­mend, zu voraussichtlich längerem Aufenthalt einlogirt hatte. In der Schwerinstraße ist aller­dings dieser Tage auch eine mit diesem Fall in Zusammenhang stehende Verhaftung vorge­nommen worden und zwar die eines höheren Telegraphenbeamten H., der durch die bei der Haussuchung in der Dresdener Wohnung des Dichters Vorgefundenen Papiere compromtttirt sein soll. Als die Macht, zu deren Gunsten Kraszewsky hochverräterische Handlungen ge­plant haben soll, wird Frankreich bezeichnet. Die Berliner politische Polizei, welche, nach der durch die Kriminalpolizei bewirkten Festnahme der Verdächtigen, die Recherchen und Haussuch­ungen in Berlin und in Dresden leitete, hat die Akten bereits der Staatsanwaltschaft über­geben. Von der laut einem Dresdener Tele­gramm der »National-Zeitung" in Aussicht stehenden baldigen Freilassung Kraszewskis ist an zuständiger Stelle nichts bekannt.

Koblenz, 17. Juni. Die Kaiserin hatte heute die zur Kriegsschule in Engers komman- dirten Portepeefähnriche der kgl. sächsischen und kgl. württembergtschen Armee zur Audienz be­fohlen. Dieselben wurden der Kaiserin durch den Direktor der Schule, Major v. Schrötter, vorgestellt.

Aus Weissenau wird zur Illustration des Unterstützungs-Wohnfitzgesetzes demMain­zer Journal" geschrieben: Vor einigen Tagen kam eine Droschke von Mainz hier an; in der­selben saßen zwei Schutzleute, vier Kinder und eine Frau, und erklärten die Schutzleute, daß der Mann der Frau unterstützungsberechtigt in Weissenau sei, der Mann könne aber seine Fa­milie nicht ernähren und es müsse deßhalb die Gemeinde Weissenau für die Familie sorgen. Der Familienvater, der von der Stadt Mainz den Ausweisungsbefehl erhalten hatte, erschien später auf unserer Bürgermeisterei, und es wurde von der Gemeinde der Familie eine Wohnung angewiesen. Das auffallendste an der ganzen Geschichte ist, daß der aus Mainz ausgewiesene Familienvater ein Mainzer ist, der vor mehreren Jahren nach Weissenau zog und so hier unter­stützungswohnsitzberechtigt wurde. Seine Be­rufung bei der Mainzer Behörde auf seine Ei­

genschaft als Mainzer Bürger schützte ihn nicht vor der Ausweisung aus seiner Vaterstadt.

Bonn, 16. Juck. In der heutigen Sitz­ung des Schöffengerichts nahm ein zu einer Gefängnißstrafe von einigen Monaten verur- theilter Bursche von 21 Jahren den Spruch so übel, daß er sich blitzschnell eines seiner Schuhe entledigte und denselben in voller Wuth dem . Vertreter der Staatsanwaltschaft gegen die ! Brust warf. Den wohlverdienten Lohn für ! solche Rohheit wird ihm die Strafkammer in ; Kürze zubtlligen.

(Ein wüthender Stier.) Folgender Unglücks­fall wird aus Schübling a. d. Elbe berichtet: Am 13. Juni weidete der Hirt Marhold in der Nähe unseres Dorfes friedlich seine Heerde Kühe, als plötzlich der Stier unter die Kühe sprang und mit entsetzlicher Wuth seine Hörner an den Thieren probirte; zwei Kühe lagen in ^ kurzer Zeit zerfleischt da. Von panischem Schrecke» ! ergriffen, hatte sich Marhold auf einen nahe- ^ stehenden Baum geflüchtet, und wäre hier wahr- ! scheinltch geborgen gewesen, hätte nicht das Unglück gefügt, daß um diese Zeit seine er­wachsene Tochter ihm das Mittagsbrod brachte. ^ Die Warnungsrufe des Mannes gingen leider I ungehört an dem Ohre des Mädchens vorüber, das kaum von dem wüthenden Thiere erblickt, , von ihm angefallen und durchbort wurde. Et» i gleiches Schicksal traf den der Tochter zu Hilfe - eilenden Vater. Beide sind ihren Verwundun­gen bereits erlegen. Der Stier ist mittelst > mehrerer Gewehrschüsse getödtet worden. Aehn- ! lich wie bei den Schafen soll auch bei diesem Stiere eine Kopf-(Dreh-)Krankheit konstatirt sein, f

Großes Aufsehen erregte in der thüringer l und sächsischen Advokatenwelt der Prozeß gegen f den Advokaten Friedrichin Altenburg. Fried- i rich war vor einigen Monaten wegen Verwendung i von Geldern, die er für Clienten vereinnahmt ' und in seinem eigenen Nutzen wider den Wille» seiner Mandanten verwendet haben sollte, wäh- f rend er behauptete, daß ihm diese Gelder als Darlehen überlaffen worden wäre», vom Land- ^ gericht zu Altenburg zu 4 Jahren Gefängniß i verurtheilt worden. Dir dagegen beim Reichs- > gericht eingelegte Revision wurde von demselben zurückgewiesen, dagegen ordnete das Oberlandes- l gericht zu Jena auf Antrag der Vertheidigung Wiederaufnahme des Verfahrens an. In vori­ger Woche kam die Sache daher wieder vor dem t Altenburger Landgericht zur Verhandlung und f trug der Staatsanwalt mit Rücksicht auf noch l zwei ähnliche Fälle, die dem ersterwähnten Falle « glichen, nun auf eine Gesammtstrafe von 9 Iah- f ren Gefängniß an. Das Urtheil, welches am i 14. ds. vom Landgericht Altenburg publiztrt z wurde, lautete auf acht Jahre Gefängniß und 5 Jahre Ehrenverlust. Der Urtheilssprnch macht ungeheure Sensation.

Aus Sachsen, 16.Juni. Die Finanzen des Landes bessern sich von Monat zu Monat. ^ Die Einnahmen der Staatsbahnen im Mai find ^ die höchsten, welche bisher in einem Monat er- i

Verwaltungsaktuar Rapp (Sohn des Gemeinde­raths Rapp von Walddorf) begab sich heute Vorm. 11 Uhr ins Bad, von welchem er nicht mehr zurückkehrte. Nach zweistündigem Suchen wurde sein Leichnam in der Rems in der Nähe des Beinsteiner Thurms aufgefunden. Die Klei­der hingen in einem Badhäuschen; von hier aus hat er sich ohne Zweifel in die freie Rems begeben und dort während des Schwim­mens in Folge eines Schlaganfalls den Tod durch Ertrinken gefunden. (S. M>)

Stuttgart, 19. Juni. Durch Höchste Entschließung Sr. Maj. des Königs ist der Württembergtsche Konsulats-Posten in Cöln aufgehoben worden.

Friedrichshafen, 16. Juni. Seit der Anwesenheit des Königs dahier haben wir beinahe täglich kürzere oder längere Gewitter­regen gehabt. Doch war es Seiner Majestät bis jetzt ^noch jeden Tag möglich, Spaziergänge im Schloßgarten und Ausfahrten in die Um­gegend zu machen. Der hiesige Aufenthalt ist entschieden von günstigem Einfluß auf das Be­finden des Königs und die Genesung hat in der letzten Zeit wieder, wenn auch langsame, doch deutliche Fortschritte gemacht. Nur stellt sich bei den täglichen Spaziergängen regelmäßig eine rasche Ermüdung ein, wie überhaupt das Gefühl von Mattigkeit und Nervosität immer noch nicht ganz gehoben ist.

Vor etwa sechs Wochen hat ein Mann mittleren Alters unter Zurücklassung seines Ge­betbuches und einer Notiz, daß er wegen seines Weibes und seiner Stieftochter den Tod suche, sich im See beisFriedrichshafen durch Er­tränken das Leben genommen. Für die Fest­stellung der Persönlichkeit waren keine Anhalts­punkte zu ermitteln, erst letzter Tage ist es der dortigen Polizeihörde gelungen, den Unglück­lichen als einen gewissen Dettling zu agnos- ziren. Derselbe wohnte in Ravensburg und war so ehrlich, vor seinem Abgänge zur letzten Reise seine Schuldner mittelst Inserat im dor­tigen Blatte zur Quittirung der Rechnungen einzuladen.

In Tisch art bei Nürtingen, wurde, wie man uns mittheilt, am Freitag Nachmittag im Hause des Gemeindepflegers, solange die Be­wohner auf dem Felde sich befanden, eingebrochen, und der Inhalt der Kasse, welche der Dieb mit­telst einer Axt zertrümmerte, mit 24 Mrk. ge­stohlen. Der Dieb hatte darin ohne Zweifel mehr vermuthet, da seitens des Gemeindepflegers kurz zuvor 600 Mark zum Ausleihen ausge­schrieben wurden, die aber bereits vergeben waren. Der Dieb, welcher von der Tochter eines Nach­bars gesehen wurde, war gut gekleidet und be­fand sich im mittleren Alter.

Ulm, 18. Juni. Auf der Höhe unseres Münsters versammelte sich am Samstag Abend eine gewählte Gesellschaft, um in dem bedeu­tungsvollen Momente, wo der Weiterbau und Ausbau der großen Steinpyramide des Haupt- thurmes in Angriff genommen wird, von dem

Der Kdelsmüüer.

Lebensbild von Leerl LoNmsllnA.

(Fortsetzung.)

Aus den Augen des Doktors schoß einen Moment ein lebhafter Blitz hervor; dann glitt ein Ausdruck von Kälte über sein Antlitz.

Also nicht!" stieß er fast rauh hervor.Und doch wäre durch Erfüllung meiner Bitte unser Verhältniß so leicht, wie schnell und an­gemessen geordnet worden. Ich kann mich nicht rühmen, viel von den Eigenschaften meines Vaters mitbekommen zu haben, doch ein Stück seiner Beharrlichkeit, Ausdauer oder Hartnäckigkeit scheint auf mich übergegangen zu sein. Sie wird nach Ihrer zweiten Ablehnung meiner Vorschläge eine Rolle spielen, Herr Prediger!"

Herr Doktor von MühlenschmidtI" sagte der Prediger stark betont.

Gut nennen Sie mich jetzt so!" unterbrach ihn der Doktor rücksichtslos.Dieser Doktor von Mühlenschmidt darf schon eine andere Sprache führen, wie der liebe Friedrich Schmidt, welchen ich vorhin nannte, und er wird es thun, weil er um sein Höchstes im Leben kämpft und weil er niemand mehr das Recht zugesteht, zwischen ihn und den Gegenstand seiner Liebe zu treten!"

Die Damen bekamen bei dieser Rede des jungen Mannes einen Schreck. Der Prediger erschien wenigstens betreten. Der Doktor hatte plötzlich ein verändertes Aussehen gewonnen. Wer den Vater im Zorn gesehen hatte, mochte immerhin den Sohn als eine verbesserte Auflage in derselben Stimmung bezeichnen.

Ich habe bereits gesagt," fuhr der junge Mann fortdaß ich schon seit Jahren der Einwilligung meines Vaters zu einer ehelichen

Verbindung nicht bedurfte. Hätte ich anders gewählt, wie geschehen, ! würde ich ihn auch nie um dieselbe angegangen sein. Das wäre Ihren ^ Ansichten nach unkindlich gewesen, Herr Prediger; ich füge hinzu, daß ^ man es auch unklug nennen könnte, weil ein Mann wie der Herr von , Mühlenschmidt nach langen Jahren eine solche Unterlassung durch Ent- erbung rügen dürfte. Doch auf Enterbung bin ich, seit der Vater meinen älteren Bruder, ohne eigentliche Veranlassung dazu, von sich gewiesen, ! stets vorbereitet; ja, ich werde wahrscheinlich auch der mir einst möglicher- j weise zufallenden Erbschaft entsagen. Noch mehr, ich habe seit meinen« !! sechzehnten Jahre dafür gesorgt, daß die auf meine Studien verwendeten n Mittel niemals die Summe, welche mir von der Mutter aus ihrem Ver- > mögen dazu ausgesetzt worden, überstiegen haben. Ich habe also dein i Herrn von Mühlenschmidt nicht zu danken, was ich seit dem Abschluß > meiner Knabenjahre verbrauchte, und noch weniger, was aus mir geworden ^ ist. Ich führe dies alles an, um Ihnen meine Stellung zum Vater, ^ sowie meine Berechtigung zum selbstständigen Handeln in der wichtigsten > Lebensfrage des Mannes vollkommen klar zu machen. Hoffentlich ist ^ mir dies gelungen, und ich nehme keinen Anstand weiter, zu erklären, ^ daß ich von heute ab den Vater aufgebe, um der Verlobten mein Ge- ; lübde zu halten. Es ist dies mein fester Entschluß, Herr Prediger, und > auf Grund desselben bitte ich Sie nunmehr nochmals, meiner Verbindung mit Ihrer Tochter kein Hinderniß in den Weg zu legen!"

Ich muß mich wirklich darüber wundern, Herr Doktor," entgeg- nete der Prediger scharf betont,daß Sie sich zu solchen Erklärungen Hinreißen lassen und solche Entschlüsse fassen können. Ich bedaure, dav ^ Sie in der Großstadt gelernt haben, die Kindespflicht gering zu schätzen- . Das Kind ist unter allen Umständen den Eltern Gehorsam schuldlg- ganz besonders, wenn es sich um den Bund der Ehe handelt. Eine Ehe ;