man das ganze Gesetz einstimmig an. Es folgt die Berathung über folgende Petitionen: betr. den Bau der Linie von Memmingen nach Leutkirch und von Wangen an die bayerische Grenze; betr. das Projekt einer Bodenseegürtel­bahn; betr. Bau einer Linie von Memmingen über Ochsenhausen, Biberach, Buchau nach Her­bertingen. v. Schlierholz empfiehlt die Boden­seegürtelbahn. Dentler für Wangen-Hergatz. Mohl meint, die Bodenseegürtelbahn sei schäd­lich für das Interesse Württembergs. Der Transitverkehr von Oesterreich nach Frankreich werde dadurch von den württembergischen Bahnen abgezogen. Ezgmann und Probst meinen, Mohl habe in der Sache zu partikularistische An­schauungen, treten für die Petitionen ein, eben­so Distel, Uhl und Egger. Minister v. Mitt­nacht konstatirt, daß die Verhandlungen mit Bayern sowohl als mit Baden hinsichtlich der Anschlüsse noch zu gar keinem Resultat gediehen seien. Die Regierung fasse die Sache so auf, daß wenn ihr die Petitionen einfach zur Kenntniß- nahme mitgetheilt würden, sie nicht gehindert sei, die Verhandlungen mit Bayern unter Wah­rung der Interessen Württembergs fortzusetzen; vielleicht werde sich doch noch ein befriedigender Abschluß finden lassen. Die Kammer be­schließt, die Petitionen derMegierung zurKennt- nißnahme mitzutheilen und die erste Kammer zum Beitritt zu diesem Beschlüsse einzuladen. Die oberschwäbischen Abgeordneten haben moti- virt abgestimmt, dahin, daß sie die K. Regier­ung bitten, bei den Verhandlungen mit Bayern das Interesse Württembergs voll und ganz zu wahren. Schluß der Sitzung.

Laudesuachrichteu.

Calw, 30. April. In der heutigen Satz­ung der Amtsversammlung ist der einstimmige Beschluß gefaßt worden, die Naturalverpflegung der armen Wanderburschen in der bisherigen Weise fortbestehen zu lassen, wonach die Amts­korporation den Gemeinden Vo ihres Aufwands ersetzt. Die wohlthätige Wirkung dieses Ver­pflegungssystems fand allgemeine Anerkennung. Seit Einführung desselben hat sich der Auf­wand der Korporation für Arrestantenkosten um ungefähr 1000 M. per Jahr vermindert.

Stuttgart, 27. April. In der Ange­legenheit der Genossenschafter der Volksbank in Konkurs gegen den frühem Verwaltungsrath, Entschädigungsansprüche betr., wird uns mitge­theilt, daß die elfteren geneigt sind ihre Forder­ung von 600000 M. auf 400000 M. zu re- duziren. Als letzter Termin zum friedlichen Austrag ist der 8. Mai bestimmt worden. Die Mitglieder des Verwaltungsrathes sollen mit Freuden geneigt sein, auf den Vorschlag einzugehen, dagegen ist ein bedeutender Bruch- theil der Genossenschafter mit diesem, ihrer An­sicht nach etwas zu mageren Vergleich keines­wegs einverstanden.

Stuttgart, 30.April. Dem soeben er­schienenen Jahresbericht der Stuttgarter Han­

dels- und Gewerbekammer entnehmen wir fol­gende allgemeine Angaben: Sehen wir von den, vom einheimischen Consum abhängigeren Artikeln, und von einer weiteren Kalamität von mehr lokaler Bedeutung, nämlich von dem Conkurse der Volksbank und der Liquidation der Hand­werkerbank ab, so ist bei der Großindustrie seit 3 Jahren eine durch wirklichen Bedarf hervor­gerufene Besserung von ganz gesundem Gepräge und das Fernbleiben der früheren fieberhaften Bewegung zu konstatiren. Besonders ein Licht­punkt hebt sich gegenüber früheren Berichten an­genehm hervor, der nämlich, daß die Konkurrenz­fähigkeit unserer Großindustrie auf dem Welt­markt mit jedem Jahr stärker sich erweist und die früheren Klagen über ungenügende Beschäf­tigung immer mehr abnehmen. Namentlich die Hauptbranchen unseres Bezirks, vor allem die Farbwaaren-, Möbel- und Pianofortefabrikation, sodann die chemische Industrie, die Baumwoll­spinn- und Weberei, ebenso die Kammgarn­spinnerei, die Korsettentndustrie, Trikotweberei und Rundstuhlfabrikation, die Wirkmaschinen-, Metallwaaren-, Nähmaschinen- und Werkzeug- Industrie, die Eisenmöbel- und Plaque-Fabri­kation, die Anstalten für Vernickelung und elektrische Apparate, die Schuhfabrikation, die Herstellung von Handschuhen, von Leder zu technischen Zwecken, von Etuis- und Sattler­leder, die Marmorindustrie, die polygraphischen Institute u. s. w. erfreuten sich einer sort- schreitenden Steigerung des Absatzes, einzelne auch der Verkaufspreise. Diese Thatsache ist mit um so größerer Befriedigung zu verzeichnen, als sie manche Firmen veranlaßte, ihre Arbeiter­zahl zu erhöhen und ihre Betriebsanlqgen zn vergrößern und damit auch der Arbeiterbevöl­kerung wieder reichlicher und lohnendere Arbeit verschaffte. Die vermehrte Beschäftigung ge­langt auch in der Statistik über die Einrichtung neuer oder Erweiterung vorhandener Etablisse­ments zum Ausdruck.

Cannstatt, 28. April. Seit 11. dieses Monats wird ein hiesiger junger Bürger, der vor einigen Monaten behufs Uebernahme von Eisenbahnarbeiten nach Ungarn reiste, vermißt. Derselbe erhielt von seiner hier verbliebenen Familie eine Geldsumme zugeschickt, die ihn nicht mehr antraf. Alle Nachforschungen der Pester Polizei sowie öffentliches Ausschretben waren bisher erfolglos.

R 0 ttweil, 29. April. In Dotternhau- sen kamen bekanntlich am Fastnachtsdienstag grobe Ausschreitungen vor gegen den Ortsvor­stand und mehrere von demselben zu Aufrecht­erhaltung der Ordnung berufene Einwohner, welche mit Werfen von Steinen, Holzscheitern, Bierfäßchen u. s. w. verfolgt und theilweise be­schädigt wurden, und wobei ein Angriff auf ein Wohnhaus mit roher Gewalt stattfand. Von den Zusammengerotteten wurden 10 sofort in Untersuchung gezogen und 7 verhaftet, in Folge der Voruntersuchung wurden 6 außer Verfolg­ung gesetzt, 4 aber hatten gestern vor der Straf­

sachen je 320000 Mrk. Schluß der Sitzung. Nächste Sitzung: Montag.

30. April. (30. Sitzung.) Berathung des Berichts der volkswtrthschaftltchen Commis­sion über den Gesetzentwurf betr. die Beschaff­ung von Geldmitteln für den Eisenbahnbau

u. s. w. (im Ganzen 4200 000 M., die durch Anlehen ausgenommen werden sollen). Der Referent der Kommission, Abg. v. Lu z-Nagold betont, daß an eine fernere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes im Innern des Landes der Fi­nanzen wegen nicht gedacht werden könne. Benz bittet um eine Eisenbahn von Reutlingen über die Alb mit Anschluß an die Donaubahn. v. Leib­brand empfiehlt in warmen Worten die Weiter­führung der Bahn Freudenstadt-Schiltach nach Schramberg. Dr. Lenz erwartet, daß der An­schluß der oberen Neckar- mit der Donaubahn über Urach führen werde. Wendler hofft da­gegen, er werde über Reutlingen, Eningen rc. führen. Ministerpräsident v. Mittnacht stellt die Vorlage eines Gesetzes über die Erbauung einer Eisenbahn nach Schramberg für nächsten Herbst in Aussicht, wenn die Finanzlage des Landes es gestatte. Gegenwärtig bestehen auf Seite der Betheiligten nicht weniger als 13 ver­schiedene Bahnprojekte, welche der Minister auf­zählt. Man müsse mit neuen Bahnbauten sehr vorsichtig sein, namentlich mit dem Bau von Verbindungsstrecken, welche die einzelnen Rou­ten abkürzen und dadurch die Renten der Slaats- bahnen noch weiter Herabdrücken. Hierauf wird Art. 1 des Gesetzes (1300000 M.) für die Bahn nach Schiltach genehmigt. Bei Art. 2 verwendet sich Hartenstein lebhaft für die Er­weiterung des Bahnhofes in Cannstatt, dessen Frequenz nach Stuttgart die größte des Lan­des ist. Ministerpräsident v. Mittnacht erkennt die Nothwendigkeit dieser Erweiterung an, der Ausführung stehen noch einige Schwierigkeiten entgegen. Der Ministerpräsident erläutert so­dann die Absichten der Regierung, betr. die Einführung der elektrischen Beleuchtung auf dem Bahnhof in Stuttgart. Dieselbe solle in den beiden Hallen in Betrieb gesetzt werden mit einem Aufwand von 21000 M. Je nach den hier sich ergebenden Erfahrungen werden die Bahnhöfe Ulm, Heilbronn, Cannstatt folgen. Bezüglich der Beleuchtung der Wagen mit Gas handle es sich zuerst um Anlegung einer Füll­station in Stuttgart mit einem Aufwand von 10000 M. Die Einrichtung eines Wagens be­rechne sich im Durchschnitt auf 600 M. Der Hr. Minister macht endlich noch Wittheilungen bezüglich der in Aussicht genommenen Einführ­ung der Westinghouse'schen event. Carpenter'schen (verbesserten Westinghouse'schen) Bremsvorrich­tung. Es sprechen zu diesem Gegenstand noch

v. Keßler, v. Schad, v. Mittnacht. Art. 2 wird genehmigt, ebenso Art. 3. der für Bedürfnisse der Post- u. Telegraphenverwaltung 74 439 M. exigirt und AR 4 der die Regierung zur Auf­nahme eines Anlehens bis zu 4200 000 M. ermächtigt. Bei der Schlußabstimmung nimmt

Unter der Grde.*)

Eine Erzählung aus dem australischen Goldgräberleben.

Von Gustav Lössel.

Die seltsame Geschichte, die ich Ihnen erzählen werde, ist wahr, sie ist aus meinem Leben. Sie werden sie mir vielleicht nicht glauben, Sir, aber das ist Ihre Sache."

Ich sah den Sprecher an. Es schien ein Mann von mindestens siebzig Jahren, so faltig war sein Gesicht, so weiß sein Haupthaar und der langmähnige Bart. Wenn man aber Gestalt und Haltung und das wildflammende Auge befragte, hätte man ihm ein viel jüngeres Alter zuschreiben mögen. Wir hatten uns schon öfter an dieser Stelle, einer Taverne in der Stawellstraße in Ballarat (das größte Goldfeld und die zweitgrößte Stadt der Kolonie Viktoria) getroffen, aber erst heute hatte ich die populärste Straßenfigur dieser Stadt denOld Vick" dies war natürlich nur ein Spitzname mittels einiger Kannen Bier so vor die Frage seiner als geheimnißvoll bekannten Vergangenheit ge­stellt, daß er nicht umhin konnte, meine Neugierde zu befriedigen. Draußen brannte die Mittagssonne und lag blendend auf dem weißen Sand der Straße, die durch keinen Menschen, auch nicht einmal einen Hundeschatten verdunkelt wurde; wir saßen allein in der kleinen Seitenstube der Taverne und hatten dort keinerlei Störung zu befürchten.

Ich nickte meinem Gegenüber ermunternd zu; wir thaten beide einen tiefen Zug und der alte Goldgräber erzählte wie folgt:

Gerade hier, wo jetzt die Stawell-, Eureka-, Radier- und George- straße sich ausbreiten, befand sich damals, es war im Jahre 1845, der auch geschichtlich bekannte Thefl der Ballarat-Goldfelder, welcher Eureka

*) Unberechtigter Nachdruck verboten.^

genannt wurde. Ich arbeitete in diesem Theil. Die Unzufriedenheit mit den Maßregeln der Regierung, die gegen Ende dieses Jahres z» einer blutigen Revolte der Digger (Goldgräber) führte, hatte schon da­mals eine hochgradige Gährung erreicht und es gab, wie immer in sol­chen Zeiten, eine Menge Subjekte unter uns hergelaufenes arbeits­scheues Gesindel die dem zufriedenen, erfolgreichen Digger das Gold neideten und seinen Claim (das ihm zugewiesene Ausschachtungsterraiu) übersprungen*)" hätten, wenn das nur so angegangen wäre. Gruppen­weise saßen sie am Rande der Claims und debattirten über Politik der Teufel hole die Politik! über die Gold-Konzession, die man warum überhaupt? mit einem Pfund Sterling pro Quartal be­zahlen müsse; daß die berittenen Polizisten, dieblauen Hallunken", wie man sie nannte, die bei der Arbeit begriffenen Digger umringten und alle ohne Konzession zum Goldgraben Betroffenen sofort verhafteten; über die Ausschließung der Digger von allen Ehrenämtern; daß keinem Dig­ger auch nur ein Fußbreit Erde zur anderweitigen Bestellung mit Kar­toffeln u. s. w. bewilligt werde, und was dergleichen Dinge noch mehr waren, die damals den Gegenstand vieler Klage und offenen Murrens bildeten. Ich hörte nie danach hin, denn ich hatte Besseres zu thun. Ich arbeitete schwer, aber mit dem denkbar günstigsten Erfolge. Ich hatte vor, mich bald ganz zurückzuziehen und mit meiner Mary, der drallen, schönen Tochter eines Tavernenhalters in der inneren Stadt, ein Hotel oder einBoarding House" und dergleichenaufzumacherff, wie man so sagt. Das wäre nun auch alles ganz schön in Erfüllung gegangen, die Einwilligung des alten Woodstock, des Vaters meiner Mary,

*) Wenn sich ein Goldgräber länger als 24 Stunden von seinemClaim" ent­fernt, so kann ein Anderer die Demarkationslinieüberspringen", wodurch der Clm« sein eigener wurde.