Kaufmannsläden konnte man noch die ganze Einrichtung erblicken, als wenn eben die Käufer u«d Inhaber den Laden harmlos verlaßen hät­ten; zwischen anderen Trümmern blickte der Mechanismus einer Bierpression hervor, u. zeigte uns nebst den noch gefüllten Flaschen und den in Regalen aufgestellten Gläsern, daß hier eine Wirthsstube theilweis im Wasser verschwunden sei; Werkstätten fleißiger Arbeiter waren von der Fluth durchströmt und für immer ver­nichtet kurz, die Ausdehnung der Verwüstung ist eine so großartige, daß man die Verluste kaum zu schätzen im Stande ist. Das Furcht­barste sind aber die Jammerscenen, die sich an den Plätzen abspielen, wo die aus ihren zer­störten und überflutheten Wohnungen geflüchte­ten Menschen zusammengedrängt auf Hilfe wa ­ten ; nur Wenige können jeweils in Booten sicher gebracht werden. An dem Fenster eines vom Wasser umgebenen Hauses erschien eine jam­mernde Mutter und bat um Gotteswillen um etwas Milch für ihre hungernden Kinder und laut weinend wandte sie sich ab, als sie ihre Bitte als vergeblich erkannte. Die wackeren Mannheimer Schiffer konnten der Anforderung um Rettung leider nur gering entsprechen, d^ch nahmen sie in ihr Schiff auf, was dasselbe tragen konnte und als es den Grund berührte, sprangen die muthigen Männer in das eisige Wasser und schoben das Fahrzeug auf lange Strecken, nur um zu retten, was möglich war, wobei sie alle Bezahlung auf das Entschiedenste zurückwiesen.

Aus Frankenthal, 1. Janr., 2 Uhr Morgens berichtet man derFrankfurter Ztg.":

Das war eine schreckliche Sylvesternacht für die hiesige Gegend! Bereits im Kampfe mit den Wafsermassen, die der Kanaldammbruch und der Dammbruch bei Friesenheim herbeigeführt, brachen heute Nacht 11 Uhr die Landdämme bei Bobenheim, Roxheim und Mundenheim und setzten das ganze Gebiet von Ludwigshafen bis Worms unter Wasser, aus welchem der höher gelegene Theil von Frankenthal gleich einer Insel hervorsieht. In einem Zeitraum von kaum einer halben Stunde waren die schon theilweise überschwemmten, aber immer noch passirbaren Gemeinden Bobenheim, Roxheim,

Morsch, Beindersheim und Petersaue bis zu den Dächern überfluthet. Der Anprall der Fluthen war ein so gewaltiger, daß sämmtliche Häuser in den vordersten Straßen der genannten Ge­meinden geradezu hinweg rasirt wurden u-d jetzt nur noch Trümmerhaufen sind. Vom Ber­gen der Habe konnte keine Rede sein und es galt nur das nackte Leben zu retten. Alles flüchtete nach den Kirchen und höheren Gebäuden.

Ungeachtet großer Finsterniß durchsuchten be­herzte Männer auf improvistrten Fahrzeugen die überflutheten Gegenden nach Frauen und Kindern. Soweit bis jetzt bekannt, ist kein Men­schenleben zu beklagen.

Worms, 1. Januar. In dem Hofgut Scharrane stehen 50 Stück Pferde und Rind-

Inkognilo.*)

Humoreske von <V. v. Ll s, U1 s ts, tt.

I.

In der Hinterstube des GasthausesZur Ente" in Krempelheim saß die gewöhnliche Stammgesellschaft in lautem Gespräch um den gro­ßen runden Tisch versammelt. Das starke Krempelheimer Bier scheint die Gemüther der Herren schon ziemlich erregt zu haben, denn die Unter­haltung wird immer lebhafter und droht zuletzt sogar in Zank aus­zuarten.

Na, das ist doch stark," donnerte der Bürgermeister Sauerbach gegen den Oberförster Schwede,mir wollen Sie weiß machen, Ihre Diana, das faule Thier, hätte den Hasen lebendig gefangen? Erzählen Sie Ihr Jägerlatein, wem Sie wollen, aber mir, dem Bürgermeister von Krempelheim"

Was, Jägerlatein wäre das?" unterbrach ihn dergOberförster in gereiztem Tone,Bürgermeister, Sie beleidigen mich. Wenn Sie mir's nicht glauben wollen, so fragen Sie den Thomas hier, der dabei war, als Diana den Hasen gefangen hat. Thomas, ist's wahr oder nicht?"

Freilich ist's wahr," bestätigte der Forstgehilfe Thomas,der Hase lag hinter einem Kohlkopf und schlief, als Diana daherkam."

Ja, da berufen Sie sich gerade auf den richtigen Gewährsmann," erwiederte der Bürgermeister,als wenn's nicht bekannt wäre, daß Thomas Ihnen immer beistimmen muß!"

Thomas müßte mir beistimmen?" rief Schwede entrüstet.Wer kann mir nachsagen, daß ich Thomas zu unwahren Aussagen verleite?

*) Nachdruck verboten.

Vieh bis zum Kopf im Wasser. Der Ort Edig­heim ist fast ganz vernichtet, Lebensmittel fehlen überall, die Einwohner retten ihr Leben durch Flucht. Sturmartiger Wind verursacht starken Wellenschlag, der Rhein wächst wieder rascher.

Ludwigshafen, 2. Jan. Ein mit 40 Flüchtlingen aus Oppau besetzter Nachen wurde auf dem Wege nach hier durch den herrschenden Sturm und die Strömung an einen Baumstamm getrieben und zerschellte. Nur 5 Personen ha­ben von den 40 das Leben gerettet, die übrigen sanken in ihr nasses Grab. In Frankenthal und Umgegend sind mindestens 9000 Menschen obdachlos.

Mainz, 3. Januar. Unter furchtbarem Sturm und Regen ist der Rhein auf 5,88 m gestiegen. Die Materialbahn wird bis zum Ludwigsbahnhof fortgesetzt, die Lokomotiven werden als Pumpen benützt.

Auch Hyänen in Menschengestalt, die die allgemein herrschende Verwirrung zu Raub und Einbruch benutzen, tauchen auf! So erzählen Edtgheimer, daß 34 dieser Scheusale versuch­ten, in verlassene Häuser dieses Ortes etnzu- dringen, um unter dem Scheine zu retten, ihre Räubereien auszuüben. Ihnen ward der Lohn in gerechter Weise, vielleicht zu milde! sie wur­den tüchtig durchgehauen und ins Wasser ge­worfen, woraus sie gehörig durchnäßt wieder auftauchten und das Weite suchten.

Laudesuachrichteu.

Alten st aig, 3. Jan. Die Beilage zum Staats-Anz." vom 3. Jan. enthält ein von der K. Staatsschuldenzahlungskasse ausgegebenes Verzeichniß derjenigen auf Inhaber lautenden Staatsschuldscheine, welche in Folge der Ver- loosungen gekündigt, aber noch nicht eingelöst wurden, sowie derjenigen, welche gerichtlich mit Zahlungssperre belegt oder kraftlos sind. Wei­ter sind diejenigen Zinsscheine (Coupons) be­zeichnet, welche mit gerichtlicher Zahlungssperre belegt sind. Wir machen aus diese wichtige Be­kanntmachung die Staa.sgläubiger aufmerksam und bemerken, daß das Verzeichniß in der Exp. d. Bl. zur Einsicht aufliegt.

Von der obern Nagold, 31. Dezbr. Die im Oberamtsbezirk Nagold durch Haus­kollekte, Kirchenopfer u. s. w. eingegangenen Geld­beiträge und Naturalien für die Hagelbeschädig­ten beziffern den Gesammtwerth von 4641 M. 60 Pf., wovon 4402 M. 18 Pf. der Zentral- leitung des Wohlthätigkeits-Vereins zugestcllt worden sind. In der Stadt Nagold ist pro 1882 von 450 Einlegern die Summe von 2832 M. 23 Pf. in die Pfennigsparkaffe nieder- gelegt, hievon sind aber wieder 146 M. zurück­gezogen worden. Auf den einzelnen Sparer kommen sonach durchschnittlich 6 M. 29 Pfg. Einlage per Jahr. In Egenhausen wur­den von 146 Einlegern in 2246 Portionen ca. 815 M. zur Sparkasse gebracht. Auf eine Per­son fallen durchschnittlich 5 M. 58 Pfg. Na­

gold legt die Sparpfennige in der dortigen Handwerkerbank, Egenhausen bei der Renten­anstalt in Stuttgart verzinslich an. (Neckarztg.)

Stuttgart, 2. Jan. Gestern früh 8 Uhr wurde vor der Johanneskirche eine hölzerne Kiste gefunden, welche mit Stricken umbunden war und den Leichnam eines ca. 3 Jahre alten Knaben enthielt. Letzterer war bis zum Skelett abgemagert, zeigte an seinem Körper verschiedene Hautschürfungen und am Hinterkopf offene Wunden, welche darauf schließen lassen, daß der Knabe vor seinem Ableben gröblich miß­handelt oder verwahrlost worden sein dürfte. Bei den sofort durch die Polizei angestellten Nachforschungen wurde die Mutter in der Per­son der 29 Jahre alten ledigen Creszenz Lam- precht von Wurzach ermittelt und festgenommen. Dieselbe hat hier mit dem Maurer Wilhelm Pfeiffer von Großgartach, wo letzterer seine an- geheirathete Frau mit 4 Kindern zurückgelaffen hat, im Konkubinat gelebt. Pfeiffer wurde als der Theilnahme verdächtig ebenfalls festgenom­men. Beide wurden heute dem K. Amtsgericht übergeben.

Herrenberg, 3. Jan. Bei der Stich­wahl erhielt v. Morlok und Schürer je 2064 Stimmen. Das vorläufige Resultat ist also Stimmengleichheit.

Spaichingen, 2. Jan., Abends. In der Stichwahl ist Bühl er Sieger geblieben.

Heilbronn Amt: Härle gegen Haag gewählt.

In Folge des anhaltenden Regens wurden am 1. Jan. die Thäler der Murr und der Sulm wiederholt und noch bedeutender als an den Weihnachtsfeiertagen überfluthet.

Sulz a. N., 31. Dezbr. Oekonomierath Schosser von Ktrchberg hielt hier in einer zahlreich besuchten Versammlung einen Vortrag über das Hagelversicherungswesen. Redner wies auf Grund des von ihm als Referent des deut­schen Landwirthschaftsraths in Berlin über die­ses Thema gesammelten Materials überzeugend nach, daß es bei der großen Hagelgefährlichkeit Württembergs fast unmöglich sei, eine staatliche Zwangsversicherung zu gründen, weil die Prä­mien bis auf das Doppelte der gegenwärtigen Grundsteuer zu stehen kämen, was den Land- wirth erdrücken müßte. Indem er sonach zu der Ansicht gelangte, mit welcher die ganze Ver­sammlung einverstanden war, daß man von einer Zwangsversicherung ganz absehen müsse, empfahl er schließlich die Versicherung der Felderzeugniffe bei den bestehenden Privatversicherungsgesell­schaften, wobei die Gemeinden, oder auch die Raiffeisen'schen Darlehenskassen, wo sich solche befinden, vermittelnd eintreten könnten, während auch in gewissen Fällen der Staat ergänzend helfen könnte.

Giengen a. d. B., 31. Dez. In Folge der niederen Fruchtpreise haben hier sämmtliche Bäcker die Brodpretse herabgesetzt.

Aber stadtbekannt ist's, Herr Sauerbach, daß Sie den Gemetndediener Otterbein zur Bestätigung Ihrer unwahrscheinlichen Geschichten bet sich haben müssen. Thomas, ists wahr oder nicht?"

Thomas wollte sprechen, aber der Bürgermeister lachte so höhnisch auf, daß er erschreckt schwieg.

Und übrigens weiß ich recht gut, weshalb Sie immer so aufge­bracht sind, wenn ich eins meiner Jagdabenteuer erzähle," fuhr der Oberförster nach einer Pause fort,ich wills Ihnen sagen: well Sie meine Diana nicht leiden können, weil Sie überhaupt keinen Hund lei­den können, seitdem Ihnen Phylax vor drei Jahren den Streich ge­spielt hat!"

Ich könnte die Hunde nicht leiden?" rief Herr Sauerbach ge­kränkt,Herr Schwede, Sie gehen in Ihren Beleidigungen zu weit!"

Ja, Sie hassen das ganze Hundegeschlecht," fuhr der Oberförster nachdrücklich fort;weshalb würden Sie sonst die Hundesteuer jährlich erhöhen? Sie sagen, Sie könnten den Nutzen dieser Thiere, deren größ­tes Vergnügen darin bestände, zu fressen und ehrsamen Leuten gelegent­lich in die Waden zu beißen, gar nicht einsehen?"

Hiebei warf Schwede einen spöttischen Blick auf die besagten Körper- theile des Bürgermeisters, die das von ihm bezeichnet Attentat aller­dings nicht leicht ermöglichten.

Aber die Ursache liegt tiefer," sprach Schwede weiter.O ich

Wie verhält sich denn die Geschichte mit Phylax?"

Diese Frage wurde von einem jungen Manne aufgeworfen, der bisher, mit Zeitungslesen beschäftigt, an einem Seitentischchen gesessen hatte und nun ein prächtiges Exemplar der eben besprochenen Vierfüßler zärtlich streichelte.