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Wr. 2.

S Gambetta -st.

Das neue Jahr hat sich mit einem über­raschenden Ereigniß eingeführt: in der Neujahrs­nacht starb auf seinem Landsitze in Ville d'Avray der bedeutendste Mann des gegenwärtigen Frank­reichs, Leon Gambetta. Seit Wochen lag der­selbe infolge einer Verwundung danieder, über deren Entstehen die mannigfachsten und aben­teuerlichsten Gerüchte im Umlauf waren. Seine Freunde verbreiteten, er habe sich durch Unvor­sichtigkeit beim Umgehen mit einem geladenen Revolver selber in Hand und Arm geschossen; eine andere weit verbreitete Lesart lautete, eine Geliebte, die endlich auf Einlösung des ihr schon vor Jahren gegebenen Eheversprechens drang und abschlägig beschicken worden war, hätte die Mordwaffe gegen ihn erhoben. Wie dem auch sein mag: die Verwundung war eine schwere und zwang den Patienten sich gänzlich von den Geschäften der Politik zurückzuziehen.

Gambettas Freunde waren zwar stets voller Hoffnung auf seine baldige und vollständige Wiedergenesung und in Wirklichkeit schien sich diese Hoffnung zu erfüllen; die Heilung der Wunde nahm ihren normalen Verlauf. In­dessen hatte sich eine innere Krankheit (Zucker­ruhr) an der Gambetta schon lange litt, der­art entwickelt, daß die intimen Kreise des Ex­diktators das Schlimmste befürchten mußten. Und diese Befürchtung war keine grundlose: In der Neujahrsnacht, kurz nachdem das neue Jahr draußen unter Glockenklang und Gläserklingen begrüßt worden war, breitete der Todesengel seine schwarzen Fittiche über Frankreichs be­deutendsten Mann aus.

Ja, Gambetta war der bedeutendste unter allen Politikern unseres westlichen Nachbarlan­des; denn die Größe eines Politikers ist nicht immer abhängig von den Fähigkeiten, Anlagen und Absichten, sondern von der Bedeutung, die ihm seine Landsleute, mit Recht oder Unrecht, beilegen. Und in dieser Beziehung stand Gam­betta, trotz seiner Mißerfolge während des letz­ten Jahres, geradezu einzig da. Von seinen Freunden und Anhängern fast sklavisch verehrt, von seinen Feinden mit Schmähungen der ge­meinsten Art überhäuft, die selbst vor dem Schmerzenslager des Exdiktators nicht Halt machten, übte er oftmals einen bestimmenden Einfluß auf die Geschicke seines Vaterlandes. Wir Deutschen haben keine Veranlassung, dem französischen Patrioten an seinem Grabe Lobes­hymnen zu singen, aber wenn wir seine oft her­vorgehobene Vaterlandsliebe für wahr halten, dann können wir wenigstens dem Manne von Cahors unsere Achtung nicht versagen. Er war es, der den Krieg von 1870 bis in das Jahr 1871 hineinspielte und seinem und unse­rem Volke noch Tausende von Blutopfern ab­verlangte; aber sein Wollen entsprang dem Patriotismus, dem man es in erregten Zeiten verzeiht, wenn er sich über das zu Erreichende täuscht.

Gambetta hat nie ausgehört, ein Feind Deutschlands zu sein, wenngleich seine politische Klugheit ihm die größte Vorsicht zur Richt­schnur machte. Bei dem bekannten Marine­festmahl in Cherbourg löste der Wein seine Zunge und der damalige Ministerpräsident Frey- ctnet hatte Mühe, durch eine öffentliche Rede tm entgegengesetzten Sinne die aufgeregten Wo­gen wieder zu beschwichtigen.

Gambetta galt allgemein als der Nachfol­ger Grevys, trotzdem er sich in seiner Eigen­schaft als Präsident desgroßen Ministeriums" Harke Blößen gegeben und die Erwartungen seiner Freunde und seines Landes nicht erfüllt

Menstaig, Ireilag den 5. Januar.

hat. Wer nun die Führerschaft der großen re­publikanischen Partei Frankreichs übernehmen, ob sie dem radikalen Clemevceau zufallen wird, das können erst die nächsten Tage zeigen.

Aus einen Umstand möchten wir aber zum Schluffe noch Hinweisen: die Deutschfeindlichkeit Rußlands und Frankreichs hatte in den Per­sonen Skobelcffs und Gambettas ihre bedeutend­sten Vertreter. Beide sind nicht mehr, und da­ran knüpft sich der Wunsch, daß auch im Osten und Westen die deutschgegnerischen Pläne fallen gelassen werden.

Tagespolitik.

Die Ausbeute an politischen Tages­nachrichten aus der inneren Politik ist natur­gemäß unter dem Einfluß der festtäglichen Nach­wirkung eine sehr dürftige. Der Neujahrs­empfang bei Kaiser Wilhelm hat stets einen mehr privaten Charakter gewahrt, so auch in diesem Jahre. Das Vertrauen in die Aufrecht­erhaltung des europäischen Friedens ist durch die jüngsten Allarmnachrichten glücklicherweise nicht erschüttert worden möge diese Zuver­sicht auch in unserer Geschäftswelt ihre wohl- thätigen Folgen äußern.

In parlamentarischen Kreisen macht man sich darauf gefaßt, daß die Reichsregierung schon in nächster Zeit mit Mehrforderungen für militärische Zwecke an den Reichstag heran­treten werde. Man will wissen, daß dieselben recht beträchtlich sein würden, und daß zu deren Deckung die Aufnahme einer Anleihe vorge­schlagen werden würde. Seitens der amtlichen Stellen verhält man sich diesen Gerüchten gegen­über schweigsam, so daß es bisher nicht möglich war, zuverlässig festzustellen, inwieweit dieselben begründet sind. Es ist aber wahrscheinlich, daß eine nachträgliche Erhöhung des Militäretats vom Reichstage begehrt werden wird; jedoch wird der Betrag nicht so hoch sein, um die Aufnahme einer Anleihe erforderlich zu machen.

Zu den Zwecken, welche die Reise des Prinzen Friedrich Karl nach Egypten und einem Theil der ostafrikanischen Küste verfolgt, gehört, wie dieNordd. Allg. Ztg." vernimmt, auch die Sammlung von Material für Pläne deut­scher Colonisation.

Das hervorragendste Ereigniß in Frank­reich bildet der in der Neujahrsnacht erfolgte Tod Gambettas. Nach zweistündigem Todes­kampf, während dessen den Kranken das Be­wußtsein nicht verließ, trat die Katastrophe ein. Spuller und St. Etienne, Gambettas Freunde, waren bei ihm. Beim am nächsten Tage statt­findenden Neujahrsempfange sprach Präsident Grevy sein tiefstes Beileid über den Tod Gam­bettas aus. An die Hinterlassenschaft des Ver­storbenen wurden die Staatssiegel gelegt, da Gambetta verschiedentlich hohe Staatsämter be­kleidet hat. Es ist noch unbestimmt, ob die Beisetzung in Paris oder in Nizza stattfindet. Ein Testament hat Gambetta nicht hinterlassen. (Leon Gambetta wurde am 20. April 1838 in Cahors geboren, hat mithin ein Alter von noch nicht ganz 45 Jahren erreicht. Von Beruf Advokat, wurde er 1868 zum ersten Male in den gesetzgebenden Körper gewählt, wo er sich durch seine heftigen Angriffe gegen das Kaiser­reich hervorthat. Nach dem Sturz des Kaiser­reichs wurde er Minister des Innern, verließ am 8. Oktober Paris per Luftballon und über­nahm in Tours auch das Kriegsministerium. Er organisirte die Masscnaushebung, schaltete als Diktator, konnte aber den Ausgang des Krieges nicht ändern. Stets zum Mitglieds der Deputirtenkammer gewählt, wurde er der

1883.

Hauptführer der Republikaner, Präsident der Kammer und im Dezember 1881 Minister­präsident. Durch seine Bestrebungen für Ein­führung des Listenwahlsystems schon nach weni­gen Wochen gestürzt, blieb er Deputirter und als solcher thätig, bis ihn seine vor wenigen Wochen erfolgte Verwundung an der Ausübung seines Mandats verhinderte.)

Die Kundgebungen zu Gunsten von Oberdank nehmen in Italien ihren Fortgang, werden aber überall von der Polizei schnell unterdrückt. In Wien berühren dieselben be­greiflicherweise sehr unangenehm. Ein italie­nisches Blatt, das in den unteren Volksschichten stark verbreitet ist, tischt folgendes Märchen auf: Kaiser Franz Joseph habe sich 1865 an Napoleon mit der Bitte gewendet, bei dem Präsidenten Juarez von Mexiko die Begnadigung des gefangenen Kaisers Maximilian zu erwirken. Napoleon that dies, erhielt aber eine abschlägige Antwort; er theilte dieselbe dem Kaiser Franz Joseph mit und fügte hinzu, derselbe möge sich an Victor Hugo wenden; dem würde der Prä­sident von Mexiko die Bitte nicht abschlagen. Das geschah auch und Victor Hugo bat tele­graphisch, von der Erschießung des Kaisers Maximilian abzusehen. Juarez antwortete, die Exekution habe leider schon stattgefunden, sonst würde er die Bitte, deren Gewährung er den Mächtigen Europas versagt habe, dem großen Dichter nicht abschlagen. Das genannte Blatt fügt nun hinzu, Franz Joseph habe durch die Nichtbegnadigung Oberdanks dem greisen Victor Hugo seinen früheren Liebesdienstver­golten."

Die Ueberschwemmunge».

Vom Rheinthal laufen immer entsetzlichere Jammerberichte über die furchtbaren Verheer­ungen durch das Hochwasser ein. Es ist uns nicht möglich alle an dieser Stelle wiederzugeben und beschränken uns deßhalb auf die nothwen- digsten Schilderungen in nachsolgenderZusammen- stellung:

Mannheim, 81. Dez. Der Ort Frie- senheim in der Pfalz, der 2400 Einwohner hatte, ist als vernichtet zu betrachten. Die letzten Einwohner wurden aus der Kirche und Schule nach Ludwigshafen befördert. Diese Nacht stürzte Haus um Haus zusammen, bis jetzt über 100 Gebäude.

Ueber den Zustand des fast vollständig zer­störten Ortes Friesen heim entnehmen wir emem Berichte derN. B. Lztg." vom 1. Jan. das Folgende: Hier spottet der Anblick jeder Beschreibung. Die noch stehenden Häuser sind meist vollständig verlassen, das Wasser hat Thüren und Fenster zerstört und man blickt in die noch mit den vollen Einrichtungen ausge­statteten Zimmer, die zur halben Höhe im Was­ser stehen, auf dem Bettzeug, Kleider u. Haus­rath wild durcheinander treibt. Entsetzlich ist aber der Anblick der zerstörten und zusammen­gebrochenen Gebäude, deren Zahl uns gestern bereits auf 136 angegeben wurde. In diesen Trümmern sind Hunderte von Haussieren be­graben, deren Rettung unmöglich war und kaum ist es zu glauben, daß die Menschen den Wasser- fluthen noch entfliehen konnten, denn den mei­sten zusammengestürzten Häusern, so weit die­selben noch aus dem Wasser herausragen, sieht man es an, daß sie in der wildesten Flucht ver­lassen wurden. Wir haben bei unserer Fahrt in Wohnungen geschaut, in denen noch das- geschirr vom letzten Gebrauch auf dem Tische stand, wo Kleider und Betten herumschwammen, wie sie das Wasser aus den zersprengten Be­hältern hervorgeschwemmt hatte; in kleinen