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Tuttlingen, 1. Jan. Ein unbekannter Mann, der nicht gerade den Eindruck eines Stromers machte, versuchte in mehreren Läden eine Rolle wechseln zu lassen, angeblich bestehend in Zwanzigpfennigstücken im Werthe von 20 M. In einem Laden gab er vor, er habe beim Kameralamt 30 M. zu bezahlen und möchte, um dort bald fertig zu sein, 30 M. in Gold einwechseln. Er legte zu der 20 M.-Rolle noch 10 M. auf den Ladentisch und erhielt richtig 30 M. in Gold, mit welchem er verschwand. Beim Oeffnen der Rolle fanden sich darin Pfennigstücke im Betrag von 1 M.; der betreffende Geschäftsmann ist somit um 19 M. geprellt.
Ravensburg, 31. Dez. Am 28. d. M. wurde in unmittelbarer Nähe von hier ein alter Mann, der von Erhebung einer Erbschaft, die unerwartet aus Amerika gekommen, nach Hause zurückkehrte, angefallen und ausgeraubt. Der Thäter, welcher das Geld noch bei sich trug, konnte indeß bald verhaftet werden.
Künzelsau, 1. Jan. Ein hiesiger Kaufmann wurde dieser Tage gar unangenehm überrascht. Als er nämlich nach eingenommenem Mittagessen in den Laden zurückkehrte, war die Ladenkasse größteutheils ihres Inhalts beraubt. Er hatte es in der Eile unterlassen, den Laden zu verschließen.
Sternenfels, 1. Jan. In der Neu jahrsnacht hat sich ein 20jähr. Bursche von hier durch die linke Hand geschossen, so daß dieselbe abgenommen werden mußte.
Deutsches Reich.
Berlin, 2. Jan. Bei dem gestrigen Neujahrsempfang der Generale sprach der Kaiser während der Unterhaltung mit einzelnen derselben seine Zuversicht auf Erhaltung des Friedens aus.
Berlin, 2. Jan. Der Vaterländische Frauenverein hat ans Anordnung der Kaiserin den Betrag von 3000 Mark zur Unterstützung der durch Hochwasser Bedrängten am Oberrhein nach Karlsruhe abgesandt.
Düsseldorf. Hier sind zwei Söhne eines hiesigen bedeutenden Metzgers, die sich durch unerlaubte Mittel vom Militärdienst freigemacht haben, verhaftet worden.
Prenzlau. Das hiesige Kretsblatt enthält folgende Bekanntmachung des ersten Staatsanwalts: „Wer hier bei Eisglätte auf unbe- streutem Trottoir verunglückt, wolle im öffentliches Interesse schleunigst bei mir den Strafantrag gegen den Schuldigen wegen fahrlässiger Körperverletzung stellen.
Pforzheim, 28. Dezbr. Am Samstag gerietst ein Arbeiter der Ehrismann'schen Fabrik dem Wasserrade zu nahe und verletzte sich derart, daß er bereits den Geist aufgab.
Ausland.
Wien, 2. Jan. Neuestens eingelangte authentische Berichte stellen es außer allen Zweifel, daß Botschafter Graf Wim pffen in voller plötzlicher Geistesstörung Hand an sich gelegt hat, und auch die wenigen Zeilen, welche er in den aufgefundenen Briefen hinterlassen, geben den vollständigen Beweis, daß eine den Verewigten seit mehreren Tagen beherrschende hochgradige nervöse Aufregung unter dem Drucke einer fixen Idee sich zum vollen Wahnsinn gesteigert hat. Alle in Umlauf gebrachten Gerüchte über eine andere veranlassende Ursache der unglücklichen That erscheinen demnach vollkommen unbegründet. Die Vermözensverhältnisse des Verstorbenen find vollkommen geordnet.
Prag, 2. Jan. Die hiesigen Jungczechen sandten Grevy eine Beileids-Depesche über den Tod Gambetta's. In czechischen Kreisen feiert man Gambetta als mächtigen Freund des Sla- venthums, als den Förderer des Bündnisses zwischen den romanischen Stämmen und den slavischen Nationen gegen den gemeinsamen deutschen Feind, weßhalb sein Verlust unersetzlich sei.
Paris, 2. Januar. Der Ministerrath beschloß gestern Abend die Leichenfeier Gauv bettas auf Staatskosten zu übernehmen.
Paris. Die Ruinen eines der stolzesten Königsschlöfser der Welt, der Tuilerien, find für 3800 Mark zum Abbruch verkauft worden. Die Uhr des Palastes, welche auf halb 10 Uhr zeigte, als die aufsteigenden Flammen der von den Kommunisten entfachten Brände die Bewegung des Pendels verhinderten, wurde von einem Engländer für den Preis von 200 Pfund (4000 M.) angekauft.
London, 2. Jan. Alle Blätter besprechen mit tiefem Bedauern den Tod Gambetta's. Die „Times" glaubt, dieses Ereigniß könne das Gleichgewicht Europas stören und wünscht zu wissen, wie dasselbe aufrecht zu halten sei. „Daily News" hofft, die französische Republik habe ihren dauernden Bestand bereits gesichert; doch sei sie unläugbar ihrer stärksten Stütze beraubt. „Morningpost" sagt, die Republik werde trotz des Todes Gambetta's eine Schwächung nicht erfahren.
Petersburg, 2. Jan. Ueber den Tod Gambetta's sagt das offiziöse „Journal de St. Petersbourg": Es habe niemals zu den enthusiastischen Bewunderern Gambetta's gehört, der mehr Redner als Staatsmann gewesen sei; seine Aktion, besonders außerhalb seiner offiziellen Stellung ausgeübt, sowie die Art der Geltendmachung seines Einflusses hätten ihm viel Feinde gemacht. Die Gluth seines Patriotismus sei fast ausgeglichen worden durch die Intoleranz gegen Diejenigen, welche anderer Ueberzeuguug waren; es sei vorauszusehen, daß die Monarchisten die Republik als mit Gambetta abgestorben betrachten, die Intransigenten die Republik für von dem Todfeinde befreit erklären würden.
Seine Größe sei im Abnehmen, seine Stellung stark erschüttert gewesen, sein Verlust involvire keine Gefahr für die Nation. — Der „Golos" anerkennt die hohe politische und volkstümliche Bedeutung Gambettas und sagt dann: Gambetta ließ niemals seit 1870 die Annäherung an Rußland außer Acht, deren Verwirklichung mit seinem Tode undenkbar geworden ist. Die „Neue Zeit" bezeichnet Gambetta als einen, ihr äußerst sympathischen Politiker, dessen Tod ein tiefes Mitgefühl der russischen Gesellschaft hervorgerufen habe. Die deutsche „St. Petersburger Ztg." weist darauf hin, daß Gambetta gerade jetzt abberufen worden sei, wo noch blinder Kriegslärm herrsche; das Blatt glaubt, die Franzosen würden mit der Zeit lernen, der größeren Ruhe, welche ihnen der Tod Grm- betta's gewähre, froh zu werden. Der „Herold" glaubt, die Legitimisten Frankreichs und Deutschlands würden an Kraft gewinnen und er plä- dirt für ein festes Dreikaiserbündniß, an welchem die anarchistischen, klerikalen und chauvinistischen Wünsche und Hoffnungen machtlos zerschellen würden.
Handel ««d Berkehr.
Nagold, den 30. Dezember 1882.
Neuer Dinkel ... 7 50 6 73 6 40
Haber. 6 50 5 90 5 25
Gerste. 8 — 7 78 7 60
Bohnen ..... 8 50 7 36 7 20
Weizen ..... 11 — 9 69 9 40
Roggen. 9 — 8 80 8 40
Linsen ..... -10 —-
Linsen-Gerste ... 7 80 7 57 7 50
Roggen-Weizen . .- 10 40 -
Calw, den 30. Dezember 1882.
Kernen ..... - 9 25 -
Dinkel ..... 7 — 7 — 7 —
Haber ..... 6 — 5 50 5 —
ViktUalieupteise
auf dem Wochenmarkt in Altenstatg am3. Janr.
Vs Kilo Butter.85 Pfg.
2 Eier .......... 14 Pfg.
Verloosungsliste über alle bis 30. Dezbr. gezogenen Serienloose nebst Verlosungskalender für's neue Jahr. Diese Heuer in ihrem 17. Jahrgang erschienene Liste ist in der That für jeden Loosbesitzer die lohnendste Geldausgabe, wenn man bedenkt, wie viel Tausende von gezogenen Loosen (sogar mit Haupttreffern von 100 000, 80000, 70000, 60 000, 50 000 rc.) noch unerhoben sind und der Verjährung anheimfallen. Gegen 50 Pfg. Briefmarken wird jedem die Liste franco zugesandt vom Herausgeber A. Dann in Stuttgart.
Vermischtes.
(Mißverhältnis) „Ihr neuer Speisesaal, Herr Wirth, ist recht hübsch, aber unpropor- tionirt." — „Was wollen Sie damit sagen, Herr Baron?" — „Ich meine nur, er ist viel zu groß im Verhältnißzuden servirten Portionen."
Der Bürgermeister warf ihm einen finsteren Blick zu. Der Oberförster aber lächelte schadenfroh und erzählte:
„Vor drei Jahren besaß der Herr Bürgermeister einen prächtigen Pudel — Phylax hieß das liebe Vtehchen. Phylax hatte einen großen Hundeverstand; nur einmal machte er einen dummen Streich, der ihm theuer zu stehen kam. Bei der letzten Durchreise unseres Fürsten durch hiesige Stadt wollte der Herr Bürgermeister eine Begrüßungsrede halten, die er lange vorher sorgfältig einstuviert hatte. Auf der Schützenwiese, wo der feierliche Akt vor sich gehen sollte, hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden: der Fürst kam, stieg aus dem Wagen und nahm die Anrede des Bürgermeisters entgegen. Dieser hatte die Einleitung glücklich überstanden, da drängte sich plötzlich der treue Phylax durch die Menge, er sieht seinen Herrn und springt, ohne jedes Gefühl für den feierlichen Moment, mit freudigem Gebell au ihm in die Höhe, wobei er die weiße Weste seines Gebieters in bekannter Hundemanier mit genialen Schmutzzeichnungen versieht. Der Herr Bürgermeister ist ganz außer sich, er hat den Faden seiner Rede vollständig verloren und kann nur stottern: „Phylax, kusch dich! Halt mir das Vieh weg! — Euer Durchlaucht — wie gesagt — in unterthäntgster Ehrfurcht — au, au — der Hund — daß dich das Mäuslein beiße — du nichtsnutziges Thier —" Der Fürst hält das Taschentuch vor den Mund, und das versammelte Volk bricht in ein schallendes Gelächter aus. Phylax merkt wohl, daß er Unheil angerichtet hat, er will seinen Herrn besänftigen, stellt sich auf die Hinterfüße und macht sonst noch allerlei Künste, aber die Sache wird dadurch nur schlimmer!"
„Herr Schwede, ich muß gestehen, Sie sind über die Maßen taktlos!" fiel der Bürgermeister dem Erzähler zornig in die Rede. „Ich begreife nicht, wie Sie diese alte Geschichte wieder auswärmen können."
„Aber ich bitte Sie, versetzte der boshafte Schwede, „Herr Blühmer wollte sie ja wissen."
„Was wurde denn aus dem Phylax?" forschte der Geometer Winkler, der mit dem Bürgermeister nicht gut stand, weiter.
„Das gute Viehchen hatte sich die Gunst seines Gebieters für immer verscherzt," antwortete Schwede, „die verunglückte Rede forderte Rache,
Phylax, der so manche Nacht Haus und Hof getreu bewacht —
Phylax mußte sterben!"
„Was wollen Sie damit sagen, Herr Schwede ?" fuhr der Bürgermeister zornig auf. „Der Hund ist allerdings gestorben, aber ganz ohne mein Zuthun. Otterbein — wo ist Otterbein? — nun, komm Er mal her: ist's wahr, was ich gesagt habe?"
Der Stadtdiener Johann Christian Otterbein, ein kleines, dickes Männchen in abgetragener Uniform, nickte beistimmend:
„Allerdings, Phylax hatte sich den Magen an einem Schinken verdorben."
„Aus Sehnsucht darnach!" sagte Schwede lachend.
Der Apotheker Hädrich empfand Mitleid mit dem Geärgerten und suchte das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken durch die Frage:.
„Wird Ihr Geschichtswerk bald im Drucke erscheinen, Herr Sauerbach?"
Wir müssen hier einschalten, daß der Bürgermeister außer seinen Amtssorgen auch noch die auf sich genommen hatte, eine „Geschichte der Stadt Krempelheim von ihrer muthmaßlichen Gründung an bis 'mtf die Zeit der Gegenwart" zu schreiben.
(Fortsetzung folgt.)