Nr. 14.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

93. Jahrgang.

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Donnertztag. den 17. Zanuar 1918.

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Ein WM Entgegenkommen der Mittelmächte gegenüber Rußland.

Sie VerhandlniM w Brest-Liimsli.

Immernoch die Fragen des Selbstbestimmungs­rechts der fremden Völker und der Räumung der besetzten Gebiete.

In der vorgestrigen Sitzung der beiderseitigen Ab­ordnungen wies Staatssekretär v. KLHlmann zunächst auf die umständliche Handhabung der Verhandlungen hin, wie sie sich in jeweiliger schriftlicher Abfassung der von beiden Parteien abzugebenden Erklärungen darstelle, und machte praktische Vorschläge zur Vereinfachung des formellen Geschäfts. Als materielle Antwort auf die russischen Vor­schläge, die besetzten Gebiete zu räumen, und dann eine Volksabstimmung kn diesen vornehmen zu lassen, erklärte v. KLHlmann, daß die Vorschläge für die Vierbundmächre in der vorliegenden Form unannehmbar seien. Die russischen Vorschläge seien ganz einseitig und nicht für eine Verständi­gung geeignet. Trotzdem wollen die Verbündeten nochmals den Versuch machen, ob sich nicht eine Verständigung er­zielen lasse. Vor allem wird dann als wichtigster Faktorei Beurteilung der Stellungnahme der beiden Parteien heraus­gehoben, dah mit dem Abschluß des Friedens mit Rußland keineswegs auch der allgemeine Friede verbunden sei, daß die Mittelmächte vielmehr gezwungen seien, mit den anderen Gegnern weiter Krieg zu führen. Daraus ergeben sich natürlich gewisse militärische und politische Forderungen. In erster Linie kann an «ine Zurückziehung der Heere, solange der Weltkrieg dauert, nicht gedacht werden. Das sollte n. E. auch die ruffische Negierung, trotz ihrer doktri­nären Anschauung in politischen und militärischen Dingen, begreifen. Wir haben schon einmal darauf hingewiesen, daß wir im Falle einer Räumung der besetzten Gebiete keinerlei Sicherheit dafür hätten, ob sich eines schönen Tages die Verhältnisse in Rußland nicht von Grund auf ändert,, wodurch wir auf einmal unsere Ostgrenze, die wir durch Besetzung feindlichen Gebiets vorläufig gesichert haben, wieder der ernstesten Gefahr ausgesetzt sehen würden. Wenn das die Russen nicht einsehen, dann wollen sie keine Verständigung und dann ist auch ein Weiteroerhandeln zwecklos.

Zur Frage des Selbstbestimmungsrechts der Fremdvölker vertrat die Abordnung der Vierbundmächte den Standpunkt, daß das SelLstbestimmungsrecht auch Teilen von Nationen zustehe, nicht nur Nationen. Es könnten des­halb auch Teile von Nationen ihre Selbständigkeit und Ab­sonderung beschießen. Es sei dabei keineswegs angenom­men, daß die Okkupationsgrenze (Grenze des besetzten Ge­biets) für die Abtretung dieser Gebiete maßgebend sein solle. Es handelt sich hier wohl um die Festsetzung der Grenze Kurlands, Litauens und Polens mit Rußland. Um nun den Russen soweit als möglich entgegenzukommen, er­klärten sich die Abordnungen der Dierbundmächte bereit, zuzi,stimmen, daß eine Volksabstimmung aus breiter Grund­lage die Beschlüsse über die staatliche Zugehörigkeit der Ge­biete sanktionieren soll. Ein Referendum (Abstimmung jedes stimmberechtigten Bürgers) sei dabei nickt nötig, denn die van der- russischen Regierung anerkannte Lostrennung der Ukraine und Finnlands sei auch nur auf Grund nationaler Versammlunasbeschlüsse erfolgt. Im übrigen ver­wies die Abordnung auch auf die Unabhängigkeitserklärung -er Vereinigten Staaten, die von dem Tag der Erklärung an in einem Urteil des obersten Gerichtshofes in Washing­ton (im Jahre 1808) als völkerrechtlich maßgebend an­erkannt worden sei. Die Mittelmächte erklären aber, daß Deutschland und Oesterreich-Ungarn nicht die Nbffcht hätten, sich die jetzt von ihnen besetzte» Gebiete einznverleibea, und sie zur Annahme dieser oder jener Etaalsform zu nötigen; pe behalten sich jedoch freie Hand vor» mit den Völker« der

besetzten Gebiete Verträge dieser Art abzuschließen. Außer­dem wollen sie die militärische Besetzung bis zum all­gemeinen Frieden auf das notwendigste Maß beschranken, und der Bevölkerung soviel als möglich Bewegungsfreiheit geben. Gleichzeitig heben sie aber auch hervor, daß dieses Entgegenkommen den äußersten Rahmen darstellt, innerhalb dessen eine friedliche Verständigung noch z» erhoffen sei, und v kkühlmann stellte noch fest, daß eine Verständigung nur möglich sei, wenn auch Rußland den ernsten Wille.« zu einer Verständigung zeige.

Trotzky machte im großen Ganzen Ausführungen von weniger großer Wichtigkeit: er wandte sich gegen die kürz­lich gemeldeten Ausführungen des Generals Hoffmann, in denen dieser auf die Unduldsamkeit der russischen Regierung im eigenen Land hingewiesen hatte. Er mußte zugeben, daß auch seine Regierung auf der Macht fuße, wie man in der ganzen Geschichte bisher keine andere Regierungen kenne. Solange die Gesellschaft aus kämpfenden Klassen (und sagen wir Nationen und Rassen) bestehe, werde sich dir Macht einer Regien-"» c>us Kraft begründen und durch G wall ihre Herrschaft behaupten, o. KLHlmann erklärte, d> ^ zwischen seiner Haltung und der des G^rerals Hoffmann keinerlei Zwiespalt bestehe, daß die Russen also keine zwei Richtungen in der Politik vor sich haben. Nachdem Trotzky nochmals festgestellt hatte, daß er in der Frage der Zurück­ziehung der Truppen aus den besetzten Gebieten keineswegs der Ansicht des deutschen Vertreters beitreten könne, und dieser betont hatte, daß die Frage der Sicherheit die Hal­tung der Mittelmächte rechtfertigte, einigte man sich dahin, nunmehr in die mündliche Beratung der russischen Vor­schläge einzutreten. Wie man erfährt, sollen wieder wei­tere schritte vorwärts erreicht worden sein. 0 5-

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Die Verhandlung«« in Brest-Litowsl.

(WTP.) Brest-Litowsl, 16. Zan. Gestern fanden wettere Besprechungen der österreichisch-deuLsch-russische« Kommisstoa zur Regelung der territoriale« und politi­schen Frage« statt. Trotz der vorläufig «och starken Ab­weichungen in der Auffassung der beiden verhandelnden Teile konnte in einige» Punkten «ine gewiss« An­näherung festgestellt werden.

Neutrale Urteile über die Verhandlungen in Brest-Litowsk.

Rotterdam, IS. Jan. DerN. R. T." schreibt in einem Artikel: Trotzky hat selbst gesprochen und hat andere auch sprechen lassen, als ob er der Vertreter eines siegreichen -taates wäre. Rußland aber hat noch nicht gesiegt. Was tun die Detreter denn eigentlich bei den Friedens­verhandlungen noch? Euchen sie vielleicht noch eine be­queme Gelegenheit, für ihre maximalistischen Ideen Propa­ganda zu machen, oder sind sie wirklich naiv genug zu glauben, daß sie, obwohl sie geschlagen wurden und ohn­mächtig sind, ihre Gegner nur durch Reden soweit bringen können, als ob diese geschlagen wären? DerMaasboode" schreibt: Staatssekretär v. KLHlmann hat die ganzen Re­gister seines diplomatischen Talents meisterhaft spielen lassen, um den Russen den Standpunkt der Deutschen hin- ichtlich der besetzten Gebiete und ihrer Regelung darzu­legen. Es hatte dann und wann den Anschein, als ob er die Gegenpartei in die Enge treiben und zu Zugeständnissen singen würde, aber das von ihm gesponnene diplomatische Netz wurde durch den unwandelbaren Doktrinarismus der russischen Delegierte« und vor allem Trotzkys zerrisse«.

Die Veröffentlichung der russischen Geheimdokumente.

Rußland und Japan.

Jswestija" vom 14. Dezember bringt folgende weiteren Geheimberichte zur Geschichte der russisch-japanischen Beziehungen:

1. Eeheimtelegramm des Botschafters in Tokio

vom 18. Oktober 1917. Nr. 439.

Da in Frankreich von neuem die Frage der Ent­sendung japanischer Truppen auf diesen oder jenen Kriegs­schauplatz erwogen worden ist. und die japanische Presse nach wie vor diese Frage in verschiedener Art bespricht, halte ich für meine Pflicht, mitzuteilen, daß nach meiner festen lleber- zeugung, die von meinem englischen und französischen Kol­legen geteilt wird und sich auf wiederholte Gespräche unserer­seits. sowohl mit dem Minister des Aeußern, wie mit anderen japanischen Staatsmännern gründet, die japanische Regierung schon längst diese Frage unabänderlich in nega­tivem Sinne entschieden hat und ihre Stellung in dieser Ai^elegenhe'U auch nicht andern wird. , Krupensky.

2. Eeheimtelegramm des Botschafters in Tokio.

vom 22. Oktober 1917. Nr. 449.

Bezugnehmend auf das Telegramm Bachmetiews Nr. b38.

Wenn die Vereinigten Staaten der Ansicht sind, wie dies Lansing unserem Botschafter ausgesprochen hat, daß die Anerkennung einer Sonderstellung Japans in China keine praktische Folgen haben wird, so wird diese Ansicht in Zu­kunft unweigerlich zu ernsten Mißverständnissen zwischen Le» Bereinigten Staaten und Japan führen. Seitens Japans tritt immer mehr und mehr das Bestreben zutage, die Sonderstellung Japans in China unter anderem in dem Sinne auszulegen, daß andere Mächte in China keinerlei politische Schritte unternehmen sollen, ohne vorher ihre An­sichten über diesen Punkt mit Japan ausgetauscht zu haben, was in gewissem Sinne eine Kontrolle seitens Japans über die äußeren Beziehungen Chinas bedeuten würde. Anderer­seits legt die japanische Regierung ihrer Anerkennung des Prinzips der offenen Tür und der Integrität Chinas keine große Bedeutung bei, indem ste dies nur für eine Wieder­holung der schon früher von ihr den anderen Mächten ge­gebenen Versicherungen hält, die der japanischen Politik in China keinerlei neue Beschränkungen auferlegen. Es ist da­her sehr möglich, daß mit der Zeit auf dieser Basis Miß­verständnisse der Vereinigten Staaten mit Japan entstehen werden. Der Minister des Aeußern hat mir heute von neuem bestätigt, daß in den Verhandlungen .des Vicomte Ishij es sich nicht um besonderes Entgegenkommen Japans in diesem oder jenem Teile Chinas handelt, sondern um seine Sonderstellung in China überhaupt. Eine Kopie wird nach Washington gegeben. Krupensky.

S. Eeheimtelegramm des Botschafter« in Tokio.

vom 29. Oktober 1917. Nr. 45«.

Bezüglich der in der Presse veröffentlichten Instruk­tionen, die der Exekutivausschuß des Arbeiter- und Sol­datenrats Skobelew für die Pariser Konferenz erteilt hat, weisen die hiesigen Zeitungen einstimmig darauf hin, daß der Punkt, der die Rückgabe der Kolonien au Deutschland betrifft, sowohl für Japan, wie sür England absolut un­annehmbar ist. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch die japanische Regierung sich niemals dazu bereit finden wird, Deutschland dle ihm gehörende» Südseeinseln und da» Gebiet von Tsingtau zurückzugeben. Krupensky.

(Jswestija" vom 19. Dezember veröffentlicht endlich als Abschluß dieser Verhandlungen zwischen Rußland und Japan eine geheime Verständigung beider Staaten hin­sichtlich eines gemeinsamen bewaffneten Auftretens im fernen Osten bis zum Jahre 1S21, die aus der deutsche« Presse bekannt ist.)