in den russischen Ostsee-Provinzen sind derMos­kauer Zeitung" zufolge nichts weiter als Kniffe desgroßen deutschen Diplomaten", welcher Deutschland gegen Rußland aucheten will, denn in Wirklichkeit lägen derartige Ausschreitungen gar nicht vor. Mit diesem Artikel hat das Blatt Niemand anders Lügen gestraft als den Zaren, der bekanntlich bereits sein Augenme.k aus die betrübenden Vorgänge in den baltischen Provinzen gerichtet hat.

Laudesmchrichtell.

Freudenstadt, 8. Nov. Heute wurde die neue Straße von hier über Zwieselberg nach Rippoldsau dem Verkehr übergeben. Das Pro­jekt einer besseren Verbindung dieser benachoar- ten Orte ist schon alt, erst Heuer aber ist es zu Stande gekommen, und cs ist damit dem ZKagen- verkehr, der sonst den großen Umweg über den Kniebis nehmen mußte, eine bedeutende Erleich­terung geschaffen, welche die Kurgäste künftig zu schätzen wissen werden. Die Uebernahme der Straße auf württembergischer Seite erfolgte durch Oberbaurath Leibbrand von Stuttgart als Vertreter des K. Ministeriums des Innern. Mittags fand ein Esten in der Post statt, bei welchem sich auch Gäste von Rippoldsau be­theiligten.

In Freuden st adt kamen in einer dor­tigen Wirthschaft zwei Fechtbrüder in Wort­wechsel, was den einen, den Schwaben, so er­bitterte, daß er demBruder" aus Pommern sein Messer ins Gesicht und auf den Kopf schlug und ihm die Kopfschwarte auf eine be­trächtliche Länge durchschnitt. Der Thäter ist auf und davon, der so Zugerichtete aber liegt im Krankenhaus.

Im Calwer Wochenblatt erklärt Herr Julius Stälin, daß er einervon Wählern aus Stadt und Land an ihn gerichteten dringlichen Aufforderung Rechnung tragend," ein neues Mandat annehme, obwohl er, seinen persönlichen Bedürfnissen entsprechend, die Ehre der Ver­tretung des Bezirks gerne einem Andern über­lassen hätte.

Stuttgart, 7. Nov. Eine eigenthüm- liche Art der Verihetdigung gab lautN.-Z." dieser Tage ein Rechtsanwalt vor dem Schöffen­gericht in Leonberg bei Gelegenheit der Ver­handlung eines Milchverfälschungs-Prozesses p,ns. Er meinte, geltend machen zu dürfen, daß ein Wasserzusatz von 36 pCt. nichts so Schlimmes sei, das mache auf eine Tasse Kaffee noch nicht einen Pfennig aus. Auf die Be­merkung, daß die Milch auch für Kinder ge­braucht werde und in diesem Zustand für solche gesundheitsschädlich sei, meinte der schlagfertige Vertheidiger, die Frauen sollten eben ihre Kin­der selbst säugen, und wo nicht, gebe es ja zu diesem Behufs Milchkuranstalten, wo allezeit reine und unverfälschte Milch zu haben sei. Daß es auch ärmere Frauen gibt, welche die theuere Milch der Milchkuranstalten nicht zahlen können und durch eine um 36 pCt. verdünnte Milch

betrogen sind, fiel dem Vertheidiger nicht ein. Doch das Gericht faßte die Sache anders auf und verurtheilte die bescheidene Milchverfälsche­rin zu 4 Wochen Gefängniß, 40 M. Geldstrafe und in die Kosten, sowie zu der Einrückung des Urtheils.

Stuttgart, 8. Novbr. (Strafkammer.) Unter den zahlreichen Verhandlungen, welche ge­stern vor der I. Strafkammer des k. Landge­richts stattfanden, ist nur die gegen den 36 I. alten Dienstknecht Jakob Friedrich Roggenbauch von Mindersbach, OA. Nagold, erwähnenswerth, welcher wegen rückfälligen, theils einfachen, theils schweren Diebstahls und Widerstands gegen die Staatsgewalt vor Gericht stand. Der Angekl. hatte im Mai d. I. einem Schlaf­kollegen das Portemonnaie unter dem Kopf­kissen vorgezogen und daraus 2 M. entwendet. Am 26. Sept. aber ging er nach Kornwestheim, woselbst er früher bet dem Bauern Hahn in Dienst gestanden hatte. Er schlich sich in dessen Wohnung ein, erbrach eine Kommode und ent­wendete daraus 5 Hundertmarkscheine und 1 Zwanzigmarkstück. Unangefochten ging er wie­der hinaus und ging direkt nach Marbach, wo­selbst er sofort den Versuch machte, den Kleider­händler Kühnle zu bestehlen. Er wurde jedoch ertappt, als er schon für 116 M. diverse Kleider von den Nägeln genommen hatte und fort wollte. Seiner Verhaftung wiedersetzte er sich ganz energisch und beschimpfte die Landjäger, denen er gewaltigen Widerstand leistete. Hierbei nun, behauptete er, sei ihm das meiste des ge­stohlenen Geldes abhanden gekommen, denn man fand nur noch 131 M. bei ihm vor. Es muß jedoch angenommen werden, daß er es wegge­worfen hat, um den Diebstahl leugnen zu kön­nen, was er in der Voruntersuchung that. Schließ­lich gestand er Alles und wurde zu 3 Jahr 8 Mon. Zuchthaus, ^0 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurtheilt.

(Landtags-Candidaturen.) In Horb wird Kaufmann Paul Bertscher ein Man­dat als Abgeordneter für den dortigen Ober- amtsbezirk annehmen. Ob Lehrer Nußbaumer wieder auftriit, ist noch nicht gewiß. In Rottenburg wird dem seitherigen Abgeord­neten Holzherr der Oberamtspfleger Vogt von da gegenübergestellt. InAalen verbreitete der bish. Abgeordnete Moriz Mohl eine An­sprache an seine Wähler, in welcher er erklärt, eine Wiederwahl anzunehmen, und sein seitheriges öffentliches Wirken darlegt. In Heid ru­he im wird der bisherige Abg. Posthalter Rei­ter von Ellwangen wieder austreten, von deutsch- parteilicher Seite wird als Gegen-Candidat Oekonom Bantleon von Waldhausen ausge­stellt.

In wenigen Bezirken des Landes werden, wie derSt.-A." miithe-lt, soviele Orts-Vor­steher eine so hohe Zahl von Dienst-Jahren zählen, wie in dem Bezirk Neckarsulm, indem von 34 die Hälfte über 20 Jahre das Amt bekleidet und zwar 9 von 2125, 4 von 26

len wie schwarze Flocken weithin über den Wiesengrund verstreut, und noch ein anderer Wagen. Zwischen diesem und den nachfolgenden waren die Ketten zerrissen und die entsetzt herausgesprungenen Passagiere stan­den händeringend umher.

Doch als die erste namenlose Aufregung und Verwirrung sich ge­legt, zeigte das Unglück sich nicht so erfchreckend, wie es unfehlbar aus­gefallen sein müßte, wenn die Lokomotive um einige hundert Schritt zu­vor an der dort steil abschießenden Böschung entgleist wäre. So war hier nur der eine, zum Glück wenig besetzte Wagen umgeworfen und auf dem Damm liegen geblieben; die Insassen desselben arbeiteten sich unter Beihilfe der Schaffner zumeist mit ungefährlichen Quetschun­gen und Verletzungen aus den zerbrochenen Fenstern und Thüren heraus.

Nur ein schon älterer Herr, der in einem Koupee erster Klasse be­findlich gewesen, war schwerer verletzt worden und unfähig, sich selbst zu helfen. Erst mit Mühe gelang es, ihn ebenfalls ins Freie zu bringen; jede Bewegung, die er machte, verrieth, daß er heftigen Schmerz, beson­ders am linken Oberschenkel, litt, und fo sehr er offenbar gewohnt war, sich zu beherrschen, fuhr ihm doch ab und zu ein ächzender Laut von den Lippen. Ein vornehm gekleidetes, etwa zehnjähriges Mädchen stand rathlos jammernd, aber völlig unversehrt neben ihm; man wollte ihn in einen der stehen gebliebenen Wagen des Zuges tragen, allein er er­klärte auf das Bestimmteste, das Rütteln eines späteren Weitertransports nicht aushalten zu können und gebot, ihn mit seiner Tochter in das nächste Haus zu bringen, von dem sogleich in die Stadt nach einem Arzt geschickt werden solle.

Ein soldatisches, an Befehlen und Widerspruchslostgkeit gewöhntes Wesen that ihn unverkennbar als einen höheren Offizier kund. Ein in der Gegend bekannter Schaffner redete ihn alsHerr Oberst" an und

bis 30 und 4 von 3136 Jahren; der Ael- teste unter Allen ist der Schultheiß in Zütt- lingen.

Ulm, 8. Novbr. Heute gieng, was wohl seit einem Jahrzehnt nicht mehr der Fall war, ein Ordinarischiff voll inländischem Weizen von hier Donau abwärts nach Ingolstadt.

Backnang, 8. Nov. Der Bezirk Backnang versorgt Gerichte und Staatsanwaltschaft gegen­wärtig leider reichlich mit Arbeit. So wurde gestern zu später Abendstunde auf Befehl des Amtsgerichts ein hiesiger Bürger, derRoth- gerber Th. F. Breuninger, der zu den besseren ^ Familien der Stadt gehört, verhaftet, ein Akt, ! der viel von sich reden macht. Der Mann galt ^ als fleißig und geordnet, hat sich aber für Ver­luste, die er im Laufe des Jahres in Folge der ! Zahlungseinstellung mehrerer Kunden erlitten, durch Wechselfälschungen zu entschädigen gesucht, die er in ausgedehntem Maße betrieb.

So viel man hört, liegt bereits ein Gestärwniß von ihm vor. Er hat in einer Reihe von an eigene Ordre gezogenen Wechseln, nachdem solche von dem Bezogenen acceptirt waren, die Sum­men dadurch vecä..dert, daß er vor dieselben eine weitere Zahl setzte, so daß der Betrag sta t z. B. 300 M. lautete: 5300M. Die Summe der auf diese Weise verfälschten Wechsel, die zum Theil noch im Umlauf sind, soll über 30000 M. betragen.

Waldsee, 8. Nov. In einer Versamm­lung unseres Gewerbevereins wurde beschlossen, i eine Petition an den Reichstag auf möglichste ! Beschränkung des Hausirhandels durch Erschwer­ung der Pätentirung und höhere Besteuerung, namentlich durch den Beizug zu den Gemeinde­lasten, abgehen zu lassen.

(Unglücksfälle und Verbrechen.)rJn Stuttgart wurde in einem dortigen Gasthofe die Leiche eines Mannes gefunden, der sich in seinem Zimmer entleibt hat. Am letzten Samstag wurde ebendaselbst der junge Israelit:, ein Mann Ende der zwanziger Jahre, der als Agent in London für verschiedene deutsche Fir­men diese auf eine enorme Weise beschwindeln wollte, gefangen eingebracht. Der Betrüger war auf dem Schub mit einer ganzen Bande Gesindels; er trug seinen Reiseteppich, seine Reise-Tasche fammt Schirm mit der Eleganz eines Gentlemans. In Neuenbürg wurde der frühere Badisch-Hofwirth Ziegler, während i er beim Amtsgericht zu thun hatte, vom Schlage gerührt und gab nach wenigen Stunden fernen Geist auf. In Pflaumloch wurde das fünfjährige Söhnchen einer dort allgemein ge­achteten Familie todt aus der Ortshüloe ge­zogen. Wie dasselbe in jdie Hülbe gekommen, kann nicht gesagt werden. Auf einem von Ludwigsburg nach Stuttgart gehenden Zuge am letzten Sonntagabend setzte es unter den Passagieren, die vielfach ihre Damen bei sich hatten, eine solenne Prügelei ab, bei welcher mit Stock und Schirm operirt wurde, so daß das Sonntagsvergnügen dieser Restdenzler nicht !

äußerte, das nächste Haus sei der etwa zehn Minuten entfernteHer- !

bergshof."

So tragt mich dorthin," befahl der Oberst, dessen Schmerzen sich ersichtlich steigerten.

Der Beauftragte meinte indeß, der Weg zum Hof sei in der Nacht nicht gut zu finden und das Wirthshaus in Ottershude wenn auch etwas entfernter, wohl rathsamer. Doch der Verwundete stöhnte:

Nein, ins nächste"

Die Kraft verließ ihn und er schien einer Ohnmacht nahe. Ta sagte unerwartet die Stimme eines Knaben:

Ich bin vom Birkenhof und will den nächsten Weg dahin führen."

Der Oberst hob matt, doch erfreuten Ausdrucks die Lider und ant­wortete :

Hab' Dank, mein Junge, es soll Dir nicht ungelohnt bleiben."

Auf einer schnell bereiteten Bahre Huben einige Träger ihn auf ! und transportirten vorsichtig unter Geerdts Weisung den offenbar in der Hauptstadt sehr angesehenen Verunglückten über das Feld davon. Heftig schluchzend ging die Tochter nebenher, sie fragte immer wieder in kind­licher Verzweiflung, ob ihr Vater sterben werde, und faßte zuletzt, da die Träger ihr keine Antwort gaben, in ihrer Trostlosigkeit Geerdts Arm, wie den eines Retters, klammerte sich au ihn und verhieß ihm, sie wolle ! ihm ihre schönsten Spielsachen schenken, wenn er ihren Vater nur bald ^ dahin bringe, wo ihm geholfen werde. !

Dann entstand bei der Ankunft des nächtlichen unerwarteten Gastes ein großes Durcheinander auf dem Birkenhof.

Jans Gebaur hatte in praktischen Dingen seinen einfachen Kopf , auf dem richtigen Fleck und ordnete, sobald er sich mit der Sachlage vertraut gemacht, die bestmögliche Unterbringung des Verwundeten in