jetzigen Jahreszeit, wo so ziemlich alle Obstbäume in der herrlichsten Blüthe dastehen, einen herzzerreißenden Eindruck macht.
— In Ulm wurde am letzten Freitag Abend wieder ein „Armer Handwerksbursche" wegen Bettelns festgenommen, welcher im Besitze von 405 M. (400 in Gold, das andere in Silber) war, welche er sich nach und nach erspart haben will. Was an der Sache Wahres ist, dürfte die Untersuchung ergeben.
Im Gasthaus zum „Hirsch" in Fluorn saß letzthin Abends der Todtengräber Rempp von da beim Glase Schnaps; da er den wiederholten Aufforderungen des Wirthes, nach Hause zu gehen, nicht Folge leistete, wurde einfach das Licht ausgelöscht und der Mann sitzen gelassen, da er, wenn er mit den Leuten in Conflikt kam, nicht gerade durch Höflichkeit sich auszeichnete. Als nun andern Morgens früh die Wirthin die Stube betrat, lag der Zecher auf dem Fußboden, wie sie meinte, schlafend; sie holte ihren Mann, und als dieser den Schläfer wecken wollte, hatte er eine — Leiche vor sich! Durch gerichtsärztliche Obduktion wurde constatirt, daß Rempp schon längere Zeit mit Lungenemphysem behaftet, höchst wahrscheinlich in angetrunkenem Zustande zu Boden fiel, auf das Gesicht zu liegen kam und elendiglich erstickte.
Bopfingen, 7. Mai. In der letzten Woche hat sich in Oberdorf ein Fall zugetragen, der von sich reden macht. Es starb nämlich eine Frau von B. G. Der Leichenschauer Dr. E., pr. Arzt, stellte nach der Besichtigung der Leiche den Todienschein zur Beerdigung aus. Die Beerdigung fand am folgenden Tag in der gewöhnlichen Weise statt. Noch am Tage der Beerdigung lief der Witt- wer zur Obrigkeit mit der Anzeige, daß seine Frau als scheintodt begraben worden sei. Er beharrte auf seinem Verlangen und die Leiche wurde Nachts zwischen 10 und 11 Uhr durch den Todtengräber ausgegraben; die Leiche wurde aus dem Sarge gehoben und vom Leichenschauer nochmals genau untersucht, wobei man sich von dem wirklichen Tod der Verstorbenen überzeugte. Der Leichenschauer legte seine Stelle als Leichenschauer sofort nieder, weil er durch den Glauben, er könne todt und scheintodt nicht unterscheiden, sich gekränkt fühlte.
Se. Maj. der Kö nig von Württemberg ist am 3 d. von Rom abgereist und Nachmittags in Genua eingetroffen, wo Höchst Derselbe einige Tage zu verweilen gedenkt. — Der württ. Landtag soll am Mittwoch den 24. ds. Mts. schon eröffnet werden.
(Selbstmorde.) In Göppingen hat sich Schieferdecker W., der in jüngster Zeit in Konkurs gerathen war und ein Geschäft, das er in einem benachbarten Orte abschließen wollte, nicht erhalten hatte, erhängt.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Wald Hausen bei Schorndorf wurde am Donnerstag Abend der Stationstaglöhner Hegelau vom Zug überfahren, wobei derselbe
lebensgefährliche Verletzungen erlitt. — In Gült stein erlitt am Freitag Morgen der 32jährige unverh. Taglöhner Johs. Bahltnger in der dortigen Gyps- und Sägmühle, wo er seit seinem 14. Lebensjahr arbeitete, durch Zerspringen des Schwungrads so schwere Verletzungen, daß er kurz darauf starb.— In Reichenbach hat sich letzthin ein 13jähriger Bursche beim Bereiten von Kurzfutter mittelst der Maschine 2 Finger der linken Hand total weggeschnitten. Eine neue Mahnung, vorsichtig mit solchen Werkzeugen umzugehen. — Ein gräßliches Unglück hat sich letzten Freitag in Groß- süssen ereignet. Die 19jähr. Dienftmagd eines dortigen Kaufmanns hatte das Unglück, eine hängende Erdöllampe herabzustoßen. Der Kolben zerbrach und das brennende Oel setzte die Kleider des Mädchens alsbald in Flammen. Leider konnte das Mädchen, trotz der raschen Hilfe mit Decken und Wasser, nicht mehr gerettet werden. Unter unsäglichen Schmerzen in Folge der erlittenen großen Brandwunden starb es am darauffolgenden Tage.
Deutsches Reich.
— Dem Kaiser war die Nachricht von der Geburt seines Urenkels am Samstag gegen 11 Uhr Nachts übermittelt worden und schon in früher Morgenstunde begab er sich am Sonntag nach Potsdam. — Der Stadt Berlin wurde die Geburt des ersten Sohnes des Prinzen Wilhelm Sonntag früh zwischen 8 und 9 Uhr durch 101 Kanonenschüsse kundgethan. Nach dem Abmarsch der Artillerie aus dem Lustgarten zog die dort angesammelte große Menschenmenge vor den Kaiserpalast, um den Monarchen zu begrüßen, der nun auf drei seiner Nachfolger blickt.
Speyer, 5. Mai. Vor einiger Zeit starb der Einnehmer Paulus dahier. Wie berichtet wird, fehlen in der ihm unterstellt gewesenen Stadtkaffe bedeutende Beträge; man spricht von 84 000 M. Auch über die Ursache des Todes des Paulus kursiren Gerüchte.
Kaiserin Eugenie traf am 6. d. in Ems ein. Auf ihrer Reise berührte sie Cöln. Sie besuchte dabei den Dom. Die einstige Beherrscherin der Franzosen hat sehr gealtert, sie gieng gebeugt, auf einen Stock gestützt, einher, ihr bleiches Antlitz zeigte die Spuren des Seelenschmerzes, an welchem die unglückliche Frau seit dem Tode ihres Sohnes leidet.
Ausland.
In Hungerbühl bei Romanshoxn erhielt eine Frau den Besuch ihrer beiden Schwestern. Diese trafen dieselbe in der Küche beschäftigt. Freudig überrascht drückte sie den Gästen fest die Hände, konnte dann aber nur noch die Worte aussprechen: „Haltet mich," sank um und war eine Leiche.
Dublin, 6. Mai. Der neuernannte Staatssekretär für Irland Lord Fred erik Charles Cavendish (geb. 1836), sowie
der Unterstaatssekretär Thomas Bourke sind am Sonnabend Abend, während eines Spazierganges im Phönixpark ermordet worden. (Diese Nachricht trifft England wie ein Donnerschlag. Das an Lord Cavendish verübte Verbrechen ist wohl kein argrarisches, allerdings besitzt der Herzog von Devonshire, das Haupt der Familie, Land in der Grafschaft Water- ford, und dabei ein Schloß Lismore Castle, allein offenbar hat dies keinen Bezug auf den Mord. Für das, was wir gestern gesagt haben, daß die politische Losreißung Irlands von England das Hauptziel der gegenwärtigen Bewegung sei, ist dieser abscheuliche politische Mord ein deutlicher Beweis. Der ermordete Lord war seit 1864 vermählt mit der Tochter des Lords Lyttleton. Der Vater William Cavendish, siebenter Duke of Devonshire, ist 1808 geboren, war seit 1834 Graf von Burlington und erbte 1858 das Herzogthum Devonshire.)
Dublin, 7. Mai. Als Staatssekretär Cavendish und Unterstaatssekretär Bourke gestern Abend im Phönix-Park promenirten, näherte sich ihnen ein Wagen, aus welchem zwei Männer ausstiegen. Cavendish u. Bourke wurden von denselben angegriffen und ihnen mehrere Stiche in Brust und Hals beigebracht. Es scheint, daß dieselben erst nach starker Gegenwehr unterlegen sind. Die Mörder flohen sofort und ist bisher keine Spur von denselben entdeckt. Die Motive des Verbrechens sind offenbar politische. Die Mörder raubten nichts, weder Geld, Schmucksachen noch Papiere. Die Leichen sind schwer verstümmelt und der ganze Platz mit Blut bedeckt. Es herrscht große Erregung. Sämmtliche Polizeistationen in Irland sind von der Ermordung benachrichtigt. Alle abgehenden Schiffe werden einige Zeit hindurch überwacht. Bis heute Morgen haben noch keine Verhaftungen stattgefunden. Die Zugänge zur Residenz des Vizekönigs und in den Phönix-Park find durch starke Polizei-Detachement bewacht. Gerüchtweise verlautet, daß der Vizekönig von Irland, Lord Spencer, auf die Nachricht von dem Mord die Absicht ausgesprochen habe, sofort zu demisstoniren. Heute Nachmittag findet in London ein Ministerrath > statt.
Dublin, 8. Mai. Ein von der Landliga erlassenes, von Parnell, Dillon und Dawitt unterzeichnetes, an das trifche Volk gerichtetes Manifest sagt in Betreff des Mordes: Am Vorabende einer glücklichen Zukunft habe das traurige Geschick, das Irland seit Jahrhunderten verfolgt habe, die Hoffnungen der Irländer wiederum getroffen. Die Landliga spreche im Namen des irischen Volkes allen, die sich in jüngster Zeit für die Politik der Versöhnung entschlossen haben, in dieser Calamität ihre aufrichtigsten Sympathien aus, und hoffe, das ge- sammte irische Volk werde durch die Art seiner Handlungen beweisen, daß es das Verbrechen des Mordes verabscheue. Die Landliga hoffe, daß das irische Volk auf jede Weise seinen Ab-
Im Hmniöus.
Skizze von A, Mürenberg.
(Nachdruck verboten.)
Es sind bereits mehrere Jahre vergangen, seit ich an einem regnerischen Tage in der —straße zu B. auf den Omnibus wartete, welcher mich meinem Bestimmungsorte zuführen sollte-
Ich zählte damals dreiündzwanzig Jahre und der Zweck meines Aufenthalts in der Residenz war das Studium der Chemie.
Sobald ich mich in den einzigen noch leeren Platz hineingequetscht hatte, betrachtete ich mir, wie üblich, meine Leidensgefährten — es waren ihrer zehn männliche und ein weiblicher.
Wir Männer waren aber mehr oder weniger durchnäßt und jeder führte einen von Feuchtigkeit triefenden Regenschirm bei sich. Der zwölfte Passagier war eine junge recht hübsche Dame.
Omnibusfahrten sind — glücklicher oder unglücklicher Weise, je nachdem — von kurzer Dauer, und so währte es denn gar nicht lange, bis sie sich erhob, um auszusteigen. Inzwischen hatten schon mehrere der Männer den Wagen verlassen und neuen Ankömmlingen Platz gemacht.
Ich war jetzt bis in die Nähe der Thür vorgerutscht und bemerkte, wie meine schöne Nachbarin plötzlich erbleichte, als sie, anscheinend vergeblich, in ihren Taschen nach der Börse suchte.
„Entweder habe ich mein Geld verloren oder ich bin soeben bestohlen worden," sagte sie endlich mit einem Seufzer.
Der Kondukteur ersuchte uns Herren, ein wenig beiseite zu rücken, und hielt Umschau, aber. die Börse — ein Portemonnaie — war nirgends zu finden.
„Wenn Sie es nicht dennoch in irgend welcher Tasche finden, Fräulein," sagte er schließlich, „dann werden Sie wohl bestohlen sein. Wieviel war denn darin?"
„Ein Zehnmarkstück, und über fünf Mark in Silber," versetzte die junge Dame mit Thränen in den Augen. „Aber das war noch nicht alles. Es befand sich auch ein sehr werthvoller Diamantring darin; er gehört der Dame, bei welcher ich wohne. Ich sollte ihn bei einem Juwelier hier in der Nähe reparieren lassen."
Der Kondukteur beaugenscheinigte die noch übrig gebliebenen Insassen der Reihe nach und schüttelte dann den Kopf.
„Da ist nichts zu machen, Fräulein," sagte er schließlich. „Ich kenne die meisten dieser Herren als anständige Leute. Gehen Sie zur > Polizei und melden Sie Ihren Verlust an. Am —Thore stieg so rin verdächtiger Kerl ein und an der —Straße wieder aus. Der saß die ganze Zeit über neben Ihnen, und wenn Ihnen das Geld hier im Omnibus gestohlen wurde, dann möchte ich wetten, daß er es hat."
„Aber ich habe ja nicht einmal das Geld, um die Fahrt zu bezahlen," sagte die Dame ängstlich.
Sofort war ein halbes Dutzend der Passagiere erbötig, das Geld „auszulegen" und der Kondukteur nahm es von dem ihm zunächst sitzenden Herrn in Empfang.
Die junge Dame stieg aus, nachdem sie noch mitgetheilt, daß das /
vermißte Portemonnaie von braunem Maroquin und der Ring gegen k
500 Mark Werth sei. Als sie rathlos auf dem Trottoir stand, sah ich wiederum ein paar große Thränen in ihrem Auge glänzen.
Ich hatte bis fünf Uhr im Geschäft zu thun und daun noch ver-