Nr. 4. Amts- und Anzeigcblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 83. Jahrgang.

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A) und 8b Pfg. Schluß der Anzeigenannahme V Uhr vormittag-. Fernsprecher N.

Samstag, den S. Janoa, 1918.

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Tcr Zw schenfall.

Wir haben kürzlich schon auf die damals nur formell erscheinenden Meinungsverschiedenheiten hingewiesen, die sich bezüglich der beiderseitigen Vorschläge bei den Verhand­lungen ln Brest-Litowsk herausgestellt hatten. Die russischen Vorschläge gingen dahin, die besetzten Gebiete zu räumen und dann den russischen Fremdvölkern durch Volksabstim­mung Gelegenheit zu geben, entweder ihre Unabhängigkeit zu erklären, oder sich irgend einer der beiden Parteien als autonomer Staat anzuschließen. Die Vertreter der Viec- bundmächte hatten ebenfalls den Standpunkt des Selbst- bestimmungSrechtS der Völker angenommen, erachteten aber die Erklärungen der gewählten Körperschaften und Stänoe- dcrtretungen dieser Völker als ausreichend für eine Willens­kundgebung der betreffenden Völker. Auf Grund der Be­schlüsse der Ständevertretungen Polens, Litauens, Kurlands hatten sich diese Völker also von dem russischen Reich loS- xesagt. und nach Ansicht der Vierbundvertretrr hätten die Aussen aus dieser Tatsache die einzig mögliche Folaeruny zielen müssen, die betreffenden Völker ans ihrem StaatS- vcrbande auSscheiden zu lassen. Die Russen beharren aber nun auf der formellen Berücksichtigung ihres Vorschlags, wa- nach eine wirkliche Volkszählung in den in Betracht kom­menden Ländern erfolgen soll. Außerdem wollen die Russen auf einmal (gegen die Abmachung) die Verhandlungen nach Stockholm verlegt wissen. Welche Gründe sie zu letzterem Vorschlag bewogen haben, ist nicht erklärlich; außer man nimmt a" daß sich dahinter Machenschaften der Entente ver­stecken. tue auf diese Weise größeren Einfluß auf die Ver­handlungen zu gewinnen trachtet, und jedenfalls auch bessere Gelegenheit hätte, durch Intrigen den Gang der Ver­handlungen zu stören.

Es ist auch möglich, daß die Russen selbst die Neigung haben, an einem Orte zu verhandeln, wo sie immer die Meinung ihrer Alliierten hören können, wenn ihnen di« Haltung der Vierbundvertretrr nicht paßt. Für die Vier­bundmächte aber würde ein Wechsel de» DerhandlungSorte» zweifellos von einträglicher Wirkung sein, sowohl wegen der zu gewärtipenden ungünstigen Einflußnahme von Ententr- elementen als auch wegen der Schwierigkeiten und Unannehm­lichkeiten de» Verkehr» mit der Heimat vom neutralen Aus­land her. Der deutsche Reichskanzler hat in der gestrigen Sitzung de« HauptauSschusse» erklärt, daß die Vier- bundmächte von .ihrem Standpunkt nicht abgehen können. Es ist somit in den Verhandlungen ein Stillstand rin­getreten, bi» eine Form gefunden ist. unter der beide Par­teien weiterverhandeln können. Man sollte meinen, die Russen brauchen nachdem sie nun einmal grundsätzlich das Sclbstbestimmungsrecht ihrer Fremdvölker anerkannt haben die Verhandlungen an dem formalen Streitpunkt bezügl'ch der Willenskundgebung de» Volke» nicht scheitern lassen, und noch weniger wegen der Wahl des VerhandlungSorteS. Allerdings muß dabei ln Erwägung gezogen werden, ob die Russen auch tatsächlich den guten Willen zu einer Ver­ständigung haben, oder ob sie nicht DerschleppungSabsichtrn verfolgen. Daß die russische Regierung Brest-Litowsk nicht als den für sie geeigneten Verhandlungsort ansieht, geht schon daraus hervor, daß sie auch einen Vertreter nach Kopenhagen gesandt hat, um mit Dänemark Verhand­lungen wegen Verlegung der Friedensverhandlungen nach Kopenhagen zu pflegen. Es scheint uns, als sei der russi­schen Regiemng ein dahingehender Wink von der Entente gegeben worden, vielleicht unter der Zusage späterer Teil­nahme an diesen Verhandlungen. Daß die Entente im Sinne hat, ihre ablehnende Stellungnahme gegenüber der derzeitigen russischen Regiemng aufzugeben, ist au» der Meutemieldung ersichtlich, wonach der englische Botschafter in Petersburg. Buch an au. auf .Urlaub* sehen wird. u»0.

an seine Stelle eine Persönlichkeit treten soll, die den poli­tischen Anschauungen der Maximalistenregicrung besser ge­recht wird. Man kann sich ja denken, daß die Entente nach Wiederaufnahme der formellen Beziehungen mit Rußland mit Hochdruck arbeiten würde, dir Friedensverhandlungen zu stören.

Aber wie der deutsche Reichskanzler mit Recht sagte: Wir stützen uns in allen Fällen auf unsere Machtstellung, auf unsere loyale Gesinnung und auf unser gute« Recht. Inzwischen werden unsere Vertreter mit den Vertretern der Ukraine, die ebenfalls den festen Willen kundgegeben hat. zu einem gerechten Frieden zu gelangen, weiter verhandeln, die Polen wollen ebenfalls teilweise an den Verhandlungen tellnehmen, und Finnland bat klipp und klar seine Un­abhängigkeit erklärt. Ein bemerkenswerter Akt in bezug auf die UnabhängigkeitSerklärung Finnlands ist die Anerkennung dieses Schrittes durch Schweden, ehe doS Einverständnis Rußlands formell vorliegt. Es sind auf die schwedische Er­klärung bin sofort unkontrolllerbare Gerüchte entstanden, wonach Schweden eventuell die Unabhängigkeit der Sch we­st ernation mit Waffengewalt erzwingen werde, und schwedische Truppen für diesen Fall schon an der finnischen Grenz» zusammengezogen seien. Man wird die Bestätigung dieser Gerüchte abwarten müssen: das scheint aber festzustehen: die Lösung der Fremdvölkerfraae wird von Rußland nicht mehr hinanSgeschoben werden können, und diese Erkenntnis dürfte vielleicht auch die derzeitige Regiemng dazu beweaen, einzulenken, wenn nicht andere Umstände ihr dm Rücken steifen. WaS diele letztere Möglichstst anbelannt. die natür­lich nur von der Ententekeite aus zu erwarten ist, so werden wir vielleicht schon in nächster Zeit darüber greifbare An­haltspunkte erfahren, wenn die zu erwartende Krieasfiel- erklärung der Alliierten erfolgt ist. O. 8.

G

Schwierigkeiten in dm Verhandlungen mit Rußland.

(WTB) Berlin, 4. Jan. Wie der Reichskanzler in der heutigen Sitzung deS Hauvtai, SschuskeS de» Reichstag» mitteilte, hat die russische Regierung eine Ver­legung der Verhandlungen van Vrrst-LitowSk nach Stock- ''olm vargeschlagm. Staatssekretär v. Kühlmann ist beanftragt warben, diesm Vorschlag abzn lehnen. Mei­er ist anS Petersburg erklärt worden, das, Punkt l und 2 unserer Vorschläge, die sich auf dir. Modalitäten der Rän- mnng der Gebiete nnd der Vornahme der Volksabstim­mungen beziehen, nicht angenommen werden könne. Dozn bemerkte der Neichskan-sser, wir können davon nicht ad- gehm, wir können getrost abwortrn. wie dieser Zwischenfall weiter verlaufen wird. Mir stützen uns auf unsere Macht­stellung, auf unsere loyale Gestnnnng und auf unser gntrS Recht. (Lebhaftes Vravo.) Außerdem erklärte der Reichs­kanzler, daß wir mit den in Brest-Litowsk eingetroffcncn Bevollmächtigten der Ukraine weiter verhandeln würden.

Die ausführliche Erklärung des Reichskanzlers.

(WTB) Berlin. 4. Jan. Der HauptauSschutz deS Reichstags trat heute vormittag lv Uhr zu einer neuen Beratung zusammen. Als erster Redner sprach der Mg. Graf Westarp über die Friedensverhandlungen in Brest- LitowSk. Im Anschluß an seine Ausführungen ergriff der Reichskanzler das Wort zu folgenden Erklärungen: Ter Herr Vorredner hat die Güte gehabt, an das zu erinnern, was ich gestern am Schlüsse meiner kurzen einleitenden Worte gesagt habe, daß das, was gestern galt, vielleicht heute nicht mehr gelten würde, und daß wir immer mit der Möglich­keit von Zwischenfällen zu rechnen hätten. Ein sol­cher Zwischenfall scheint jetzt eingetreten zu sein. Schon früher hatte wiederholt während der Verhandlungen di« russische Regiemng den Wunsch anssprechen lassen, daß die Verüaicklunaea tum Brest-Litowsk verlegt und a» einem

neutralen Ort (etwa in Stockholm) fortgesetzt werden möchten. Jetzt ist dieser Vorschlag ausdrücklich gemacht worden. Tie russische Regierung schlägt eine Verlegung der Ver­handlungen von Brest-Litowsk nach Stockholm vor. Ganz abgesehen davon, daß wir nicht in der Lage sind, uns von den Russen vorschreiben zu lassen, wo wir die Verhandlungen führen sollen, darf ich darauf Hinweisen, daß eine Verlegung nach Stockholm zu außerordentlich großen Schwierigkeiten führen würde. Ich will nur die Schwierigkeiten anführen, daß die direkte Verbindung, die die verhandelnden Delegierten mit ihren Hauptstädten (Berlin, Wien, Sofia, Konstantinopel und Petersburg) haben müssen die direkten Verbindungen, die in Brest- Litowsk angelegt sind, funktionieren gut in Stockholm auf die größten Schwierigkeiten stoßen würden. Schon dieser eine Punkt führt dazu, daß wir nicht darauf eingehen können. Dazu kommt, daß die Machenschaften der Entente, Mißtrauen zu säen zwischen der russischen Regierung, ihren Vertretern und uns, dort neuen Boden gewinnen würden. Ich habe daher den Herrn Staatssekretär v Kühlmann be­auftragt, diesen Vorschlag abzulehncn. (Bravo!) In­zwischen sind in Drest-LitowSk Vertreter der Ukraine ein» getroffen, und zwar nicht nur als Sachverständige, sondern mit Vollmachten zu Verhandlungen auSgestattet. Mir werden ganz ruhig mit den Vertretern der Ukraine weiter ver­handeln. Ich füge noch hinzu, daß von Petersburg mltgeteilt worden Ist, die russische Regiemng könne auf Punkt I und 2 unserer Vorschläae nicht eingehen. Diese beiden Vnnkke beziehen sich auf Modalitäten der Räumung d r Gebiete und auf die Domahme der Volksabstimmun­gen. In der russischen Presse wird uns unterstellt, daß in diesen Punkten 1 und 2 aiiSgedrückt sei, daß wir uns in illoyaler Wette unserer Zusage betr. das Selbstbkstimmungs- -echt der Völker entziehen wollen. Ich muß diese Unter­stellung zurückweisen. (Bravo!) Punkt 1 und 2 sind lediglich durch praklttche Erwägungen bestimmt. Wir können davon nicht abgehen. Ich glaube, meine Herren, wir können getrost obwarten, wie dieser Zwischenfall weiter ver­laufen wird. W'r stützen uns auf unsere Mack'üellung, aus unsere loyale Gesinnung und auf unser gutes Recht. (Leb­haftes Bravo.) Der Ausschuß vertagte sich auf dies« Er­klärungen, um den Fraktionen Gelegenheit zu bieten, zu­nächst unter sich dir Lage zu beraten.

Schweden anerkennt die Unabhängigkeit Finnlands.

(WTB) Stockhokm, 4. Jan. Der König beschloß im heutigen Minifterrat, Finnland alS unabhängigen Staat «n- zurrkrnne«.

Deutschland und Persien.

(WTB.) Konstantkuo-cl, 4. Jan. Glgickgeitig mit Taket Pascha sind die drei persischen Parlamentsmit­glieder Solar Mnazem. Mirza Ahmed «nd Kb"" ^irza Kasin Khan .rach Berlin zur Besprechung abgcr ft

Die 2arre auf den KriMchrlnpiMn.

Dir deutsche amtliche Meldung.

(WTB) Großes Hauptquartier, 4. Jan. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Fast an der ganzen Front kam es zu lebhaften Kämpfe« der beiderseitige» Ar­tillerien. Klares Frostwetter begünstigte ihre Tätigkeit. Bei englische» Vorstößen, die östlich von Ypern und nördlich vom LaVasserkanal scheiterten, sowie bei eigene« erfolgreichen Unternehmungen südöstlich von Moeuvres und in der Cham­pagne wurden Gefangene und einige Maschinengewehre rin­gebracht. Seit dem 1. Januar verloren unsere Ergner im Luftkamps «nd durch Abschuß von der Erde 83 Flugzeuge und 2V Fesselballone. Oberleutnant Loerzer errang seine« LS. Lnflsieg.