von den Württembergischen Auswanderungs­agenten beförderten Personen ist aber nicht gleich der Gesammtzahl der Auswanderer. Es kommen hiezu jene, welche aus einem oder dem anderen Grunde außerhalb Württembergs ins­besondere im Seehafen Beförderungsverträge geschloffen haben, sowie jene, welche auf Grund von Verträgen befördert wurden, die für sie seitens ihrer Angehörigen in Amerika mit den dortigen Vertretern von Schifffahrts-Gesellschaf­ten geschloffen wurden. lieber die Zahl der auf solche Weise Ausgewanderten sind Erhe­bungen für das letzte Jahr nicht veranstaltet worden. Wenn man aber das bei einer frühe­ren statistischen Erhebung beobachtete Verhält- niß der durch die Württembergischen Auswan­derungsagenten beförderten Personen zu der Gesammtzahl zu Grunde legt, was jedenfalls nicht zu einer zu hohen Schätzung führt, so darf angenommen werden, daß mindestens 15 000 Personen im Jahre 1881 aus Würt­temberg ausgewandert sind. Rechnet man als Aufwand auf die Auswanderung ohne Anschlag dessen, was an Baarvermögen mitgenommen wurde, pro Person 150 M., so würde sich der Gesammtaufwand für das Jahr 1881 auf 2250 000 M. stellen.

Stuttg art, 9. März. (Corresp.) Gestern Abend haben verschiedene Versammlungen rc. stattgefunden, von denen immer eine interessan­ter als die andere. In der Liederhalle ver­sammelte sich der Verwaltungsrath, die Ge­nossenschafter und Interessenten der Volks­bank. Diese Angelegenheit der Volksbank bil­det überhaupt in der letzten Zeit einen Haupt­gegenstand des Tagesgesprächs und hat in ge­wissen Kreisen sogar eine Art Aufregung hervor­gerufen. Es knüpfen sich zu viele materielle Interessen an diese Sache. Die Herren Vor­stände, sowie die des Verwaltungsraths hatten einen sehr schweren Stand und es wurden ihnen ernste Vorwürfe nicht erspart, da ihnen in ihrer Geschäftsgebahrung Mangel an der nöthigen Um- und Vorsicht vorgehalten wurden. So sollen sie sich mit mehreren Etablissements so tief ins Creditgeben eingelaffen haben, daß schwere Verluste unausbleiblich sein dürften; da dieses noch fortgesetzt wurde, als dieselben schon schwer in Verlegenheiten sich befanden. Bei dem einen wird eine Summe von 600,000 M. als Guthaben bezeichnet, von deren kaum die Hälfte sich retten lasse. Wie es bei zwei an­deren steht, ist noch sehr zweifelhaft. Jndeß scheint sich aus der gestrigen Verhandlung so viel als sicher und als einziges Rettungsmittel herausgestellt zu haben, daß nicht eine plötzliche sondern eine allmählige langsame den Verhält­nissen angemessene, rationelle Liquidation ange­bracht wäre, die besonders dann möglich wer­den wird, wenn Hauptinteressenten, die Geld haben, noch so viel zur sofortigen Deckung des Dringendsten herschießen, und das vorhandene Vermögen nach und nach mit keinem oder dem geringsten Verlust flüssig gemacht wird. Eine

sofortige plötzliche Liquidirung müßte große, zu vermeidende Verluste im Gefolge haben. An eine Fortführung des Geschäfts wie sie im An­fang in Aussicht genommen wurde, sei ebenso wenig zu denken, da der zu sehr erschütterte Credit ein entsprechendes Zuschüßen neuer Ka­pitalien zu weiteren Geschäften nicht erwarten lasse.

Stuttgart, 9. März. (Corresp.) Der konservative Verein hielt gestern Abend eine Versammlung im Paul Weiß'schen Saale in der Catharinenstraße. Hauptgegenstand der Besprechung war die Gründung von Pfennig- Sparkassen in Württemberg und nament­lich auch in Stuttgart. Pfarrer Hahn von Bösingen, O.A. Nagold, hielt über den Gegen­stand einen eingehenden lichtvollen Vortrag und zwar auf Grund eigener Erfahrungen, indem in seinem Orte eine solche Pfennig-Sparkaffe bereits mit Erfolg bestehe, bei deren Gründung er mitgewirkt habe, nachdem er im Großherzog­thum Hessen besonders in Darmstadt, wo solche Anstalten mit segensreicher Wirkung schon meh­rere ins Leben gerufen worden, von denselben Kenntniß genommen und namentlich GöhrS in Heinsheim, Großh. Hessen, darüber Rücksprache und Einsicht genommen. Von Pfarrer Göhrs ist eine BrochüreDie Pfennig-Sparkasse, ihr Werth und der Weg ihrer praktischen Durch­führung" erschienen und im Saal zu 30 Pfg. verkauft worden. DieWürtt. Sparkasse" und ihre vielen Filialen in Württemberg, die Oberamts- und Stadtsparkassen, so segensreich sie auch schon seit ihrem Bestehen, 1818, ge­wirkt haben, vermögen die Pfennigsparkaffen nicht zu ersetzen, da sie nur Einlagen von 2 M. und mehr annehmen, also das niedere, ärmere, arbeitende Volk wenig nützen, da dieses nicht so viel auf einmal zurückzulegen vermag. Von 5 Pfennig Einlage müsse angefangen werden und z. B. durch Sparmarken diese festge- ' halten und sowie 1 Mark vorhanden sei, diese in einer Centralkasse für den Einleger verzins­lich angelegt werden können. Diese Central­kasse zu sein, wäre die Württ. Sparkasse ins Auge gefaßt worden. Diese habe es aber ab- s gelehnt. Redner verbreitet sich weiter über die ^ Vortheile der Errichtung der Pfennig-Spar­kassen. Gemeinderath Stähle beklagt ein­dringlich diese Abweisung der Württ. Sparkasse in Uebernahme der Einlagen der Pfennigsparkasse und empfiehlt eine energische Agitation dagegen. Kommerzienrath Ost er tag als Mitglied der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins und der Leitung der Württ. Sparkasse nimmt diese insofern in Schutz, als bisher ihre Statuten entgegenstehen, doch werde sie entgegenkommend sein. Redakteur Alb. Treiber gibt ein aus­führliches und klares Bild von den in England bestehenden auf gleichem Princip wie die Pfennig- sparkassen beruhenden Postsparkassen und em­pfiehlt ähnliche Organisationen bet uns, beson- ! ders solle sie die Regierung in die Hand neh­men. E. Elben empfiehlt, sich deshalb an

das Geburtsfest Sr. Majestät des Königs Karl in herkömmlicher festlicher Weise gefeiert wor­den. Mögen die vielen Kundgebungen der Ver­ehrung und Treue dem Könige die Festesfreude erhöht haben!

Es dürfte die Notiz von Interesse sein, daß das »Lots! ckö lg, villa" in Florenz, in welchem unser König Karl mit seinem Gefolge gegenwärtig wohnt einem Württemberger gehört, nemlich Karl Autenrieth aus Blaubeuren.

(Sicherstellung des Vermögens der Ehefrau.) Es besteht im Publikum vielfach die irrige Ansicht, daß das eingebrachte Vermögen der Ehefrau, nach dem neuen Reichs­gesetze im Falle eines Konkurses des Eheherrn unbedingt zur Masse fällt und durch nichts da­vor beschützt werden kann. Dem entgegen kön­nen wir mittheilen, daß Eheverträge, welche der Frau das Recht zugestehen, ihr eingebrachtes Vermögen selbst zu verwalten, natürlich nach wie vor in gesetzlich gültiger Form geschloffen werden können. Ebenso gestattet das Gesetz hypothekarische Sicherstellung des etngebrachten Vermögens auf den Besitzungen des Ehemannes. Diese beiden Wege bieten absolute Sicherstell­ung für den möglichen Fall der Ganteröffnung über das Vermögen des Mannes, da im elfte­ren Falle die Frau selbst über ihr Vermögen verfügt, im zweiten dem Manne als Hypotheken­gläubigerin gegenübersteht.

Stuttgart, 6. März. Von dem Justiz­minister ist an Se. Maj. den König ein inte­ressanter Bericht über die Verwaltung und den Zustand der gerichtlichen Strafanstalten während des Jahres 188081 gemacht worden. Aus diesem Bericht geht hervor, daß während des genannten Zeitraums die tägliche Durchschnitts­zahl der Gefangenen 2099 betrug. Der Gesammt­aufwand auf die Strafanstalten betrug 1 Mill. 493,358 M. 35 Pf. Hiervon wurden durch eigene Einnahmen der Strafanstalten 897,869 M. 61 Pf. gedeckt, so daß eine Mehrausgabe von 595,488 M. 74 Pf. blieb, welche die Staats­kasse auf sich nehmen mußte. Der jährliche Durchschnittsaufwand des Staats auf einen Ge­fangenen beträgt ziemlich genau 300 M., wo­von auf die Verpflegung 198 M. 87 Pf. kom­men. Was die Beschäftigung der Gefangenen anbelangt, so hat ungefähr der fünfte Theil mit der Leinwandbereitung zu thun, und 'der reine Ertrag der Arbeiten in den Strafanstalten machte 247,830 M. aus, d. h. der durchschnitt­liche Arbeitsverdienst eines Gefangenen belief sich auf 103 M. 84 Pf., der Nebenverdienst auf 28 M. 45 Pf. pro Kopf. Wenn man bedenkt, daß der reine Ertrag der Arbeiten der Gefangenen 247 830 Mark ergeben hat, so dürfte erhellen, welch gefährliche Concurrenz dem Ge­werbebetrieb durch die Gefangenenarbeit ge­macht wird.

Nach demSt. Anz." sind im Kalender­jahre 1881 von den Württembergischen Aus­wanderungsagenten im Ganzen 12876 Aus­wanderer befördert worden. Die Zahl der

Ein gefährlicher Weöenbuhker.

Humoreske aus dem Rekrutenleben.

Bon U. LnUsrs. (Nachdruck verboten.)

Bauch rein Brust raus! Mensch, nun habe ich ihm schon zehn, zwölf­mal dasselbe und immer dasselbe gezeigt. Wollen Sie nicht aufpassen oder können Sie's nicht s"

Mit diesen Worten war der Unteroffizier Koppel zorngeröthet auf einen Rekruten zugegangen, welcher in strammer militärischer Haltung im Wafsenanzug ohne Gepäck auf dem Exerzierplatz des kleinen Garnisonsstädtchens M. schon stundenlang sich ab­mühte, es seinem Vorgesetzten recht zu machen.

Knusemeyer war ein biederer Sachse, und das stramme, militärische Wesen paßte eigentlich nicht so recht zu seinen Begriffen von Gemächlichkeit, dennoch fügte er sich, in dem stolzen Bewußtsein, der deutschen Armee anzugehören, gern, obgleich das Exer­zitium ihm als etwas Unerreichbares erschien, und er der festen Ueberzeugung war, das­selbe vielleicht nach den üblichen drei Dienstjahren noch nicht ganz begriffen zu haben.

Er strengte sich an, dem Kommando seines Korporals gerecht zu werden, aber indem er den Bauch gewaltsam zurückzog und die Brust recht zur Geltung bringen wollte, bildete sein Körper fast ein Dreieck, so daß die übrigen Mannschaften der Korpo­ralschaft kaum ein Lachen unterdrücken konnten.

Nu seh' .mich eener den Menschen an," schrie der Unteroffizier vor Zorn bebend, wer ihn so stehen sieht, glaubt einen leibhaftigen Triangel vor sich zu haben. Es ist doch nichts einfacher, wie jerade steh'n. Ihre Mutter, Knusemeyer, mag ja eine janz wackere Frau sind, aber davor, daß sie Ihnen lassen und stehen lernte, verdient Sie noch heute vierzehn Tagen strengen Arrest. Ich habe es immer gesagt, daß es een Fehler in die Einrichtung von de Natur is, daß die Mütter die Kinder großzieh'n. Donner­wetter, wenn des von de Väter besorgt würde, dann würde man nich so viel Wasch­lappen bei't Regiment haben. Nun kommen Sie mal her," schloß er seine Predigt, indem

er dicht vor Knusemeyer trat,seh'n Sie, jibt es denn nu woll wat Einfacheres, als so zu steh'n

Er hatte mit diesen Worten die rechte Hand auf Knusemeyers Bauch gelegt, während er die linke, zur Faust geballt, in das Kreuz des Unglücklichen stemmte, so daß dieser allerdings, da der untere Körpertheil zurück, der obere vorgedrängt wurde, nothwendigerweise eine gerade Haltung annehmen mußte.

Na. seh'n Sie woll, nu jeht es jleich. Ich Hab« es Ihnen ja schon so oft je­sagt, die erste Instruktion vor einen Rekruten heeßt uffpassen, die zweite heeßt: sehr usf- passen und die dritte heeßt: unter alle Umstände ufpassen, det übrige det macht sich denn janz alleene." l

Knusemeyer hatte mit Bewunderung der Rede seines Vorgesetzten gelauscht. Ab- ! gesehen davon, daß sich gegen so treffende Argumente nichts einwenden ließ, hegte er I auch eine gewisse Hochachtung vor seinem Vorgesetzten. Darin that er eben nicht mehr. I als seine übrigen Kameraden.

Koppel war einer der ältesten Unteroffiziere des Regiments, ein alter, biederer Soldat, dem nichts über die militärische Disziplin gieng. Er war fast die verkörperte Instruktion, und wäre sicher schon längst zum Feldwebel avanciert, wenn nur die ver­flixte Schreiberei ihm nicht von Jugend auf so viel Kopfschmerzen gemacht hätte.

Außer Dienst war er die Leutseligkeit selbst. Er theilte mit seinen Untergebene« alles, selbst die Wurst und die Speckseiten, die ab und zu von besorgten Eltern de« Söhnen geschickt wurden.

Na, Kinder, vor heute laßt's jut sind," sagte er, nachdem er noch einen Augen­blick wohlgefällig die Wirkung seiner Prozedur an Knusemeyers Körper erprobt hatte, nu jeht uff Eure Stube. Aber macht mir nich wieder soone Jeschichten wie neilich, wo ihr dem Alten nachjemacht habt, so daß es beinah vierzehn Tage stramm gegeben hätte, wenn ich nich vor eich Schwerenöther een jut Wort einjelegt hätte. Und Sie da, Herr Kuntze," er wendete sich zu einem Rekruten, dessen ganze Erscheinung daraus schließen ließ, daß er Einjährig-Freiwilliger warführen Sie mir heite nich wieder