der Freikonscrvativen, die «Post", kündigt die Hieherkunft des Reichskanzlers Fürsten Bis­marck behufs Einreichung seiner Demission an.

Berlin, 8. Novbr. Die Reichsregierung beantragt die Erbauung eines kaiserlichen Pa­lastes in Straßburg. Die Kosten sind auf etwa 2 660000 M. veranschlagt. In den Motiven heißt es, daß das Bedürsniß der Beschaffung eines zur Aufnahme des Kaisers und der Kai­serin geeigneten Gebäudes in Straßburg unab­weisbar sei. Durch Errichtung eines solchen Gebäudes würde die Bevölkerung des Rcichs- landes ein deutliches und dauerndes Zeichen der unwiederruflichen Zusammengehörigkeit El­saß-Lothringens mit Deutschland vor Augen gestellt werden. Der Bauplatz liegt an der westlichen Seite des Kaiserplatzes.

Berlin, 9. Nov. Die Kreuzz. sagt: Der Entschluß des Reichskanzlers, von seinem Amte zurückzutreten, würde um des Vaterlandes willen auf's Tiefste zu bedauern sein. Es sei zu hoffen, daß trotz der obwaltenden Verhält­nisse sich ein Weg finde, der es dem Fürsten Bismarck noch fernerhin ermögliche, dem Kaiser zur Seite zu stehen und die Geschicke des deut­schen Reiches segensreich zu lenken.

Berlin, 9. Novbr. Schon früher ist es im Reichstage zur Sprache gekommen, daß zur Sicherung der geheimen Abstimmung bei den Reichstagswahlen den Stimmzetteln eine Hülle gegeben werde, welche, durchweg gleichmäßig geformt, von der Behörde zu liefern wäre. Dieser Antrag dürfte an dem Kostenpunkte scheitern, doch wird derselbe jedenfalls bei den Wahlprüfungen zur Sprache kommen, weil dies­mal verschiedentlich Wahlzettel mit so fett ge­druckten Namen zur Verwendung kamen, daß von einer Geheimhaltung nicht füglich die Rede sein konnte. Es wird daher doch auf irgend ein Auskunfts- oder Abhilfemittel zu sinnen sein.

Die reichsstatistischen Veröffentlichungen über die Schulbildung der Rekruten geben folgende Zahlen für die letzten fünf Jahre:

Jahr

Zahl der geprüften

Davon ohne

d. i. pCt. der

Rekruten

Schulbildung

Gesammtzahl

1876

140,195

2975

2,12

1877

142,957

2476

1,73

1878

143,119

2574

1,80

1879

140,881

2217

1,57

1880

151,180

2406

1,50

Die Zahl der Rekruten, welche weder lesen

noch ihren Namen schreiben konnten, erreichte im Jahre 1880 einen erheblichen Prozentsatz nur in den Provinzen Ostpreußen (7,<>z), West­preußen (8,7z), Posen (9,gi), im Bezirk Oppeln (4,gz) und in Elsaß-Lothringen (2,zi pCt.); alle anderen Bezirke bleiben weil unter dem Durch­schnitt für das Reich. Die beste Verhältniß- zahl ergibt sich in Württemberg.

Berlin, 9. Nov. Der Et als des Retchs- amtes des Innern soll die Forderung von 85000 M. für den deutschen Volkswirth- schaftsrath neuerdings enthalten. Entspre­

chend den Wünschen des Reichstags, sei derselbe etwas näher motivirt.

Berlin, 9. Nov. Am Hofe ist man be­sorgt wegen der nicht unerheblichen Erkrankung des Grobherzogs von Baden. Die Kaiserin verschob ihre für heute projekttrte Abreise bis Ende der Woche.

Frankfurt a. M., 8. Nov. Stichwahl zwischen L. Sonnemann (Demokrat) und R. Döll (Sozialdemokrat). Ersterer 9149, letzterer 8600 Stimmen. Sonnemann ist gewählt.

Offenbach, 9. Nov. In 89 Ortschaften erhielt bisher Liebknecht 10,775, Hallwachs 6086 Stimmen. Die wenigen noch fehlenden Resultate können den Sieg Liebknecht's nicht mehr in Frage stellen.

Solingen. Vorläufig Rittinghausen (So­zialist) 9014, Frhr. v. Schorlemer-Alst 6043 St.

Königsberg. Ein Bäckermeister, der seinen widerspenstigen Lehrling züchtigen wollte, wurde von diesem mit einem Revolver bedroht und schickte daher zur Polizei. Einem herbei­eilenden Schutzmann erklärte der Lehrbursche, daß er ihn niederschießen würde, sobald er zur Verhaftung schritte. Der Beamte ließ sich in­dessen nicht einschüchtern, doch noch ehe er den Burschen fesseln konnte, hatte dieser die Waffe abgeschossen; die Kugel traf den Beamten ins Gesicht und blieb in der Wange stecken. Der Schutzmann wurde ins Krankenhaus, der Bursche ins Gefängniß gebracht.

Was kostet d er Kölner D om? Die Summen, welche theils aus Privatkreisen, theils aus öffentlichen Mitteln seit 1821 in die Dom­baukaffe geflossen find, betragen bis heute 18 Millionen Mark, die so ziemlich zu gleichen Theilen aus die Thürme und den Ausbau der Kirche selbst verwandt wurden. Diejenigen Summen, welche die früheren Jahrhunderte für das Gebäude aufbringen mußten, namentlich diejenigen Gelder, die in den kolossalen Funda­menten ruhen, sowie die zum Ankauf benach­barter Grundstücke erforderlichen Opfer ergeben mindestens einen Gesammtwerth, welcher circa 40 Millionen Mark darstellen wird.

Oesterreich-Ungarn.

Wien. Vor Kurzem vollführte Professor Mauthner die Entfernung des grauen Stars aus dem Innern des Auges bei einem im hun- dertundzweiten Jahre stehenden Greise. Die Operation verlief gutartig, die Heilung der Wunde erfolgte anstandslos und nach Ablauf von zehn Tagen konnte der Operierte in seine Heimath zurückreisen. Es läßt sich nicht Nach­weisen, daß eine gleichartige Operation im lau­fenden Jahrhundert schon vorgekommen wäre.

(Ein liebenswürdiges Geschöpf) muß die Wittwe Johanna Bittner ausBucha sein, welche dieser Tage vom Glatzer Schwur­gericht des wiederholten Gattenmorves für schul­dig befunden und vom Gerichtshöfe zur Todes­strafe verurtheilt wurde. Ihren ersten Mann vergiftete sie nach 15wöchiger, den zweiten nach 16wöchiger Ehe.

Italien.

Venedig. Wie von hier gemeldet wird, haben sämmtliche Gondoliere, deren Anzahl sich auf ungefähr 800 beläuft, Streik gemacht und ihre Fahrten gänzlich eingestellt. Anlaß zu diesem Streik gab die Einführung von kleinen Dampfschiffen, welche den Paffagierverkehr aus den Kanälen und zwischen den verschiedenen Vororten der Stadt besorgen. Die Regierung hat schleunigst der Stadt ihre^kleine Pontons­flotte zur Verfügung gestellt, damit wenigstens der Transport von Lebensmitteln und Kranken nicht unterbrochen werde.

Frankreich.

Paris, 8. Nov. In der Deputirtenkam- mer warf Clsmenceau dem Cabinette vor, er habe die Expedition nach Tunis unternommen, um Privat-Unternehmungen. wie die Eisenbahn von Bona nach Guelma-Ensida, zu unterstützen, nicht wegen der französischen Interessen. Das Cabinet führt den Krieg, indem es dem Parla­ment die Wahrheit vorenthielt, die Constitution und die Souveränetät des Volkes verletzte; des­halb sei eine Untersuchung nöthig.

Gambetta hat dem Prinzen von Wales gegenüber bestimmt in Abrede gestellt, daß er mit dem Fürsten Bismarck eine Zusam­menkunft gehabt habe.

Paris, 9. Nov. (Kammer.) Ferry wies die Angriffe von Clemenceau zurück. Bei der Enfide-Angelegenbeit wurde durchaus ehrenhast verfahren. Die Eisenbahn von Bona nach Guel- ma war den französischen Interessen sehr nütz­lich, ein wahrer Glückszug für Frankreich. Das Cabinet hätte Vorwürfe verdient, wenn es die nationalen Interessen nicht unterstützt hätte. Ferry erinnerte an die Aufhetzungen gegen fran­zösischen Einfluß. Es war Zeit, der geheimen Agitation ein Ende zu machen. Bei den Vor­gängen an der Grenze war es unmöglich, bei der Ohnmacht des Bey, sie auszugleichen. Das Cabinet befolgte deshalb die bestehende Tradi­tion der französischen Diplomatie; es schützte die französischen Interessen durch den Protecw- rat-Vertrag, der Frankreich erlaubte, zu nehmen, was Andere gern genommen hätten. Dies war das einzige Mittel, um die Thüre an der Grenze von Algerien für einen orientalischen Conflict am Mittelmecr zu schließen. Die Sitzung wurde danach aufgehoben.

Paris, 9. Nov. (Kammer.) Nachdem die Sitzung wieder begonnen, tritt Ferry den Beschuldigungen entgegen, die Kammer getäuscht zu haben. Er erinnert an die Tagesordnung der Kammer nach dem Antrag von Bert, welche die Regierung ermächtigte, so weit zu gehen wie nöthig. Das Ministerium beanspruche die Ver­antwortlichkeit dafür, die Initiative, zu dieser Expedition im nationalen Interesse ergriffen zu haben. Ferry hält den Antrag der Enquete für unnütz und gefährlich. Er möchte der Oppo­sition nicht rathen, Beweise beizubringen; diese würden nur den algerischen Krieg verewigen.

Aie Harfenspielerin.

Romantische Erzählung von N. I. Berger.

(Fortsetzung.)

«Lassen Sie mich zu Ihrem Vater!" sprach Ludwig, .wie böse Menschen ihm auch milgespielt haben mögen, vielleicht gelingt es mir, sein Vertrauen zu erringen; er wirs doch nicht allen Glauben an Redlichkeit verloren haben."

.Mein Vater ist schwer krank," entgegnete Franziska betrübt, .deshalb konnten wir seit dem Lage, wo wir im Kaffeegarten waren, unserem Erwerbe nicht nachgehen. Er schläst jetzt, zum ersten Male seit dem Beginn seiner Krankheit, schon einige Stunden ruhig. Möchte der Schlummer ihn stärken, daß er bald genese! Ich habe ja niemand aus der weiten Erde, als ihn!"

Ludwig sah mit stiller Rührung, wie sie bei den letzten Worten ein paar Thrä- nen trocknete.

Vergönnen Sie mir noch einige Worte," sagte er nach einer Pause. .Von Her­zen wünsche und hosse ich mit Ihnen die baldige Genesung des Vaters. Wenn aber der unglückliche Fall einträte, wenn der Himmel ihn abriefe, würden Sie vertrauensvoll sich auf einen Freund Pützen können, der Ihnen bei allem, was ihm heilig ist, bei dem Andenken an eine geliebte Mutter, die ihm der Tod entrissen, schwört, daß er sein Glück nur in dem Ihrigen finden könne?"

Franziska sah schweigend vor sich nieder.

Sie kennen mich nicht, wissen nicht, wer ich bin," fuhr Ludwig fort; .ich weiß, es ist viel, Sie um Ihr Vertrauen für einen Fremden zu bitten. Aber mir selbst be­wußt, daß nur ein reines Gefühl mich an Sie fesselt, wage ich, meine Bitte zu wieder­holen. Wie sonderbar ich auch hier vor Zhnen erschienen, wie ungeeignet dieser Ttt für meine Erklärungen sein mag: lernen Sie mich kennen und entscheiden Sie dann! Darf ich Sie Wiedersehen?'

»Heimlich? ohne Wissen des Vaters?" fragte Franziska errörhend.

»So lassen Sie mich zu ihm kommen," sagte Ludwig.

.Er ist sehr krank, jede Erregung kann ihm nachtheilig werden, und bei seiner Gemüthsstimmung wäre eine solche unvermeidlich bei Ihrem Erscheinen bei unS. Er hat zu sehr alles Vertrauen auf Menschen verloren," sagte Franziska traurig.

«Aber in Ihrer jugendlichen Brust wird doch gewiß der Glaube an gute Mensch« noch nicht untergegangen sein," nahm Ludwig wieder das Wort; nur dann und wann erlauben Sie mir, Sie zu sehen, ein paar Worte mit Ihnen zu wechseln, und ist der Vater genesen, dann lassen Sie mich versuchen, ihn von der Aufrichtigkeit meiner Ge­sinnungen zu überzeugen."

Franziska, wohl zagend, fühlte ihr Herz zu dem Jüngling« hingezogen, der off» und einfach zu ihr sprach, wie sie es nie gehört. Sie konnte seinen dringenden Bitten a» Ende nicht widerstehen, Ludwig nahm beim Scheiden das Versprechen mit, sie wolle ihm, sobald es sich werde thun lassen, wieder eine Unterredung gewähren.

Die Brust voll froher Hoffnungen, verließ Ludwig das Haus, während Franziska in nie empfundener Bewegung wieder in das Krankenzimmer zurückkehrte.

Der Alte lag noch in festem Schlummer. Mit gefalteten Händen trat Franziska vor sein Lager, wehmüthig sah sie in das bleiche, von harten Lebensstürmen tief ge­furchte Gesicht.

Habe auch ich heute an dir unrecht gehandelt, du armer Greis ?" sagte sie leise mit beklemmter Brust, .es ist nicht vielleicht strästich, daß ich mein Herz einem Andern öffne, dieses Herz, das bisher nur dir allein gehörte? Und doch, doch fühle ich, daß es eine Wohlthat für mich sein müßte, an einen mitfühlenden Busen fliehen zu können, wenn du auch mich, wie jeden andern, manchmal kalt und rauh zurückstoßest. O, mem Vater, ich liebe dich ja darum nicht weniger, trage nicht weniger geduldig deine Härte, wenn die Erinnerung an erlittene Unbill dein Gemüth umnachtet und du den Zorn gegen die Menschheit, die dich mit Füßen trat, über mein Haupt ausschüttest! Trat er doch wie ein Engel des Trostes vor mich hin, der Jüngling mit dem redlichen Auge, klangen doch seine Worte so mild und wohlthuend in meinem Herzen wieder! O Vater