Gegner zu verwunden. Die innere Auflösung und Gährung in den Parteien und die heftigen Wandlungen in der politischen Leitung haben eine solche Verwirrung hervorgebracht, daß sehr viele, selbst viele redliche und verständige Män­ner sich mit sich selber nicht mehr zurechtstnden können und von dem Widerspruch ihrer Gefühle und Meinungen hin und hergeworfen werden. Dennoch, wenn wir die heutige Bedeutung des deutschen Reiches in der Welt mit der innerlich zwiespältigen, nach außen ohnmächtigen Stellung oes früheren deutschen Bundes vergleichen, so erscheint uns der Jammer über das Elend der Gegenwart höchst unverständig. Vergleichen wir ferner das Maß und den Inhalt der heu­tigen Volks- und der Privatfreiheit in Deutsch­land mit den Zuständen vor einem Menschen­alter, als die Polizei des deutschen Bundes und der Landesregierungen noch jede freie Regung der Kammern, der Vereine, der Presse wie Ver­brechen verfolgte, so werden uns die Weh­klagen über die freiheitsmörderische Reaktion der Gegenwart ebenso wenig schreckhaft er­scheinen. Halten wir endlich die Zustände des deutschen Reiches mit denen der anderen euro­päischen Großstaaten zusammen, so werden wir uns wiederum überzeugen, daß wir keinen Grund haben, irgend eine andere große Nation zu be­neiden, wohl aber in manchen sehr wesentlichen Dingen uns in einer glücklicheren und gesicher­teren Lage befinden, als die meisten.

Berlin, 3. Okt. Der hiesige französische Botschafter, Graf Saint-Vallier, hält den Plan fest, beim Eintritt eines Ministeriums Gam- betta von seinem Posten zurückzutreten; die Ge­sundheitsrücksichten, welche Pariser Blätter schon jetzt als Grund für den eventuellen Rücktritt des Botschafters angeben, sind nicht vorhanden.

Frankfurt, 3. Oktober. Schneller als der Telegraph war der 15jährige Kaafmanns- lehrling Abraham Oppenheimer, welcher vor einigen Tagen mit 1200 M., die ihm sein Prin­cipal zur Abgabe an ein hiesiges Bankgeschäft übergeben hatte, durchbrannte. Trotzdem am Tage nach der Flucht der Telegraph nach allen Richtungen in Bewegung gesetzt wurde, ist es dem Durchbrenner gelungen, sich nach Amerika einzuschiffen. Der betrogene Kaufmann hat jetzt das Nachsehen. ' Das durchgegangene Bürschlein hat es schon früh verstanden, recht raffinirt zu handeln, denn es hat den Bürgschein, worin sein Vater sich verpflichtete, dem Lehrherrn für alle Veruntreuungen zu haften, gefälscht und damit dem Letzteren ein werthloses Stück Pa­pier eingehändigt.

Altona, 2. Okt. (Tum ult na rische Versammlung.) Hier hat gestern das Patrimonium der Enterbten zu blutigen Auf­tritten geführt. Wie von dort gemeldet wird, fand Abends im Kaisersaal eine Versammlung zur Besprechung über das Tabaksmonopol in Verbindung mit der Altersversorgung für Arbeiter statt, welcher gegen tausend Personen, meist Arbeiter, beiwohnten. Ligarrenmacher Mohr

trat für die Regierun gspläne ein und fordert die Versammlung auf, die Regierung zu unter­stützen, wurde aber von allen Seiten durch Rufe:Wir danken!" und ähnliche Kundgebungen unterbrochen. Die sich an den Vortrag schlie­ßende Debatte nahm einen äußerst stürmischer Verlauf, und die Abstimmung über die bean­tragte Resolution erwies sich als unmöglich. Am Schluffe entstand ein fürchterliches Gedränge und ein kolossaler Tumult, so daß die Polizei mit blanker Waffe eindrang und die auf der Straße sich bildenden Gruppen anflöfte. Meh­rere Personen wurden verwundet und verhaftet. Heute war die Polizei in voller Thätigkeit, um die Schuldigen zu ermitteln. Weitere Arretir- ungen werden erwartet.

Wie derVoss. Ztg." aus Kiel gemeldet wird, ist jetzt aus die Beschweideschrift der Herrn Howaldt in Sachen der DampferSo- craies undDiogenes" die Antwort des Mini­sters des Innern erfolgt. Herr v. Puttkammer erklärt, daß die von Howald vorgebrachten Ge­sichtspunkte nicht veranlassen könnten, das Ver­bot wegen Auslaufens der Schiffe zurückzuneh­men, welches auf Grund einer Reklamation des chilenischen Gesandten in Paris erfolgt fei.

Von der Peiner Petroleum-In­dustrie. Aus Peine wird derWes. Ztg." gemeldet: Die Bohrlöcher 5, 6 und 8 der Petroleumindustrie-Gesellschaft, sowie die Bohr­löcher 17 und 21 der Deutschen Petroleumbohr- Gesellschafl sind fällig. Alle fünf versprechen sehr gut zu werden, namentlich erwartet mau mit Spannung die Inbetriebsetzung von 8 u. 21.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 3. Okt. DerPresse" wird auS Petersburgtelegraphirt, daß eineZusammen- kunft der Kais er von Rußlandu. Oester­reich in Warschau in nächster Woche voraus­sichtlich bevorstehe. Daß Jgnatiew nach War­schau mitreise, sei wahrscheinlich. Von anderer Seite wird dazu bemerkt, daß in Wiener Hof­kreisen nichts von Vorbereitungen zu einer Reise des Kaisers, der sich in Steiermark auf der Jagd befindet, bekannt ist.

Pest, 1. Okt. Heute Morgens ist Prinz Napoleon unter strengem Inkognito eines Gra­fen Moncalter mit Suite, darunter einer ele­ganten Dame, welche als Frau des Sekretärs figurirt, aus Konstantinopel eingetroffen, er wohnt im Hotel tzuogaria. Abends wurde dessen Anwesenheit bekannt. Der Prinz reist morgen Früh nach Wien.

Schweiz.

Bern, 3. Okt. Der internationale Sozia- listen-Kongreß wurde gestern in Chur durch den Graubündtener Buchdrucker Conzett eröffnet.

(Der Bergsturz von Elm.) Die neueste Zeitungsnachricht, daß ein großer Theil der noch zu befürchtenden Erdbewegung thal- abwärts gestürzt und der Rest des Dorfes Elm jetzt außer Gefahr sei, entspricht nicht ganz der Wirklichkeit. Der damals gemeldete Abrutsch bildete nur einen kleinen Bruchtheil der mit

servativen 2 Sitze. Die Liberalen verloren 6 Sitze an die Klerikalen und einen an die Conservativen.

Bayern.

München, 1. Oktbr. Aus den Motiven zum Gesetzentwurf über den Malz au fsch lag ist zu entnehmen, daß im Jahre 1880 der Bier­export in Bayern gegen das Jahr 1879 um 100898 Hektoliter gestiegen ist, ein Resultat, wie es günstiger die bayerische Bierindustrie in keinem der früheren Jahre zu verzeichnen hatte.

Ferner wird berichtet, daß seit dem Jahre 1879 vielfach technische Verbesserungen des Brauerei­betriebes unternommen wurden und wohl be­hauptet werden dürfe, daß die Malzaufschlag­erhöhung in mehrfacher Beziehung anregend auf das Brauereigewerbe gewirkt habe.

Preußen.

Man kann nicht oft und entschieden genug Einspruch erheben gegen die Schwarzseherei und Verstimmung, die augenblicklich unser öffentliches Leben beherrschen, den frischen Lebens- muth und die junge Lebenskraft untergraben und schwächen und einem unseligen Pessimis­mus die Wege ebnen, in dem der Staatsbürger endlich dahin kommt, die Hände in den Schooß zu legen und die Dinge in Staat und Ge­meinde gehen zu lassen, wie sie eben gehen; oder aber der auf der anderen Seite eine Ver­bitterung erzeugt, die nur in Gewaltakten sich Luft zu machen trachtet, und die in dem Nie­derreißen alles Bestehenden den einzigen Weg zum Heile erblickt. Wie die extremen Parteien allein nur Vortheil aus diesem beklagenswerthen Zustande ziehen, so sind sie es auch haupt­sächlich, welche diese unselige Stimmung in un- serm Volke schüren und mit allen Kräften und durch alle Mittel zu erhöhen bemüht sind. Weil aber diese Stimmung so überaus gefährlich für die politische Entwickelung und die ethische Ge­sundung unseres Volkes ist, so ist der fortge­setzte Kampf dagegen unabweisbare Pflicht, und mit Freuden ist jede Stimme zu begrüßen, welche in diesem Sinne gegen jene krankhafte Sucht, die Gegenwart dem mttlebenden Ge­schlechts zu verleiden, sich machtvoll erhebt.

Neuerdings nun hat sich in dieser beruhigenden Weise, gerecht abwägend das Gegenwärtige ge­gen das Vergangene, lautB. L.-Ztg." ein als Rechtslehrer, Historiker und Politiker in hohem Ansehen stehender Mann vernehmen lassen. Derselbe schreibt in einem längeren Auf­satz: Bei dem unerfreulichen und leidenschaft­lichen Parteihader, der sich gegenwärtig in Ver­sammlungen und in der Presse laut vernehmen läßt, ist es nicht leicht, den ungetrübten Blick in die wirklichen Zustände zu bewahren. Miß- muth, Aerger, Nervosität drücken in weiten Kreisen die Stimmung nieder und verdüstern die Aussichten. Eine unbefangene Meinungs­äußerung wird ungern und ungläubig gehört.

Nur das nehmen die Parteien freudig auf, was ihrem Eifer schmeichelt und ihrer Richtung hul­digt und was benutzt werden kann, um die

Der hängende Hast.

Aus dem Russischen von Baburin Pontjeff.

(Fortsetzung.)

Noch immer wollte Duna nicht glauben, daß es des Menschen Ernst sei.

.Run erkläre Dich schnell, ich habe keine Zeit. Setzen wir die Kompliment« bei Seite. Es thut mir sehr leid, aber Du mußt von meiner Hand sterben. Ich werde kein Narrr sein, Dich leben zu lassen, damit Du nachher erzählst, welchen Knebelbart ich habe, welche Nase, Augen und Kleider, was ich hier machte und wohin ich gieng. Nun, Awdotja, antworte rasch!"

Jedes Wort des kaltblütigen Peinigers war ein Dolchstich für die Acrmste; all ihr Blut, ihr ganzes Leben drängte sich dem Herzen zu, ihre Glieder wurden eiskalt und Ströme von Thränen ergossen sich über ihr lebloses Gesicht. Sie wankte und fiel zu Boden; im Fallen griff sie nach des Räubers Fuß und küßte ihn.

.Erbarme Dich meiner!" schrie sie weinend. .Schenke mir mein Leben, ich bitte Dich flehentlich! ich schwöre es Dir zu Gott, zu der heiligen Jungfrau, ich werde Nie­mandem eine Silbe sagen! Nicht selig will ich werden, wenn ich es thue! Um Christi, um des heiligen Wunderthäters Nikolai willen, habe Erbarmen mit mir! Ewig will ich für Dich beten, wie für meinen leiblichen Vater, meinen Retter, meinen Bruder!"

Der unerschütterliche Bösewicht machte seinen Fuß los und stieß die Bittende vor die Brust. Vergebens erhob sie die stehenden Arme zu ihm, vergebens suchte sie sein steinernes Herz mit Allem zu rühren, was die höchste Verzweiflung, was die Liebe für ein junges, rosenfarbenes Leben in Worten, Stimme und Thränen eines schwachen Geschöpfes aussprechen konnten. Der Bösewicht, härter wie Granit, wurde immer wil­der; wüthend vor Ungeduld ergriff er ihr Haar, riß sie rücklings nieder, nahm sein Messer aus dem Stiefel und war im Begriff, ihr die Kehle zu durchstechen.

.Ach, ach! um Christi willen I" wimmerte die Unglücklkche, entsetzt bei dem Anblick

des schrecklichen Messers,lieber hängen! lieber hängen! nur kein blutiger Mord! Erbarme Dich meiner, hänge mich lieber auf.

.Nun, siehst Du?" sagte er mit grinsendem Lächeln,jetzt kannst Du sprechen! Warum sagtest Du das nicht gleich? Obgleich ich schon viel Zeit verloren habe, so kann ich Dir diese Gnade nicht abschlagen. Du bist so liebenswürdig! Fürchte Dich nicht, Duna! Du stirbst auf die angenehmste Weise; der Tod durch das Messer ist schlecht, ich wünschte es mir selbst, daß man mich lieber hängen, als mir die Knute geben sollt«' falls man mich fängt. Wir wollen einen Strick suchen.

Das bedauernswerthe Mädchen, kraft- u. gedankenlos vor Schrecken, kalt wie Eis, zitternd und fast leblos, unterwarf sich allen seinen Befehlen. Der Strick war bald gesunden und der Peiniger kehrte mit seinem Opfer in dasselbe Zimmer zurück, wo noch d« Ueberreste des Frühstücks auf dem Tische standen. Er drohte ihr, sie gleich zu tobten, wenn sie es wagen sollte, sich von der Stelle zu rühren, stellte einen Stuhl auf den Tisch und sprang mit ausgezeichneter Behendigkeit hinauf.

Nachdem er den Strick zwischen Balken und Decke durchgezogen hatte, nahm er bas Messer aus dem Stiefel, schnitt das Ueberfiüssige vom Strick ab, steckte vorläufig das Messer in den Balken und machte sich daran, den Strick in einen doppelten Knoten zu binden.

Duna stand unbeweglich mitten im Zimmer; Hitze und Kälte wechselten rasch in ihrem Innern, vor ihren Augen tanzten leuchtende Feuerfunken; sie sah Nichts, sie that Nichts, als beten, ihre Sünden bereuen, sich allen Heiligen empfehlen und nahm von Allem Abschied, was ihr lieb und theuer war.

Gleich, gleich, meine Unschätzbare!" sprach der Mörder in seiner Arbeit fort­fahrend ;Du wirst sehen, wie schön ich Dich aufhängen werde! Mir ist die Sach« nichts Neues. Siehst Du, jetzt ist Alles in Ordnung, nur muß ich noch versuchen, ob der Strick stark genug ist. Es würde mir sehr leid thun, wenn Du zu Boden fielest und Dir die Rippen zerbrächst. Mein und Dein Bestes erfordern es, das Zieh' einmal den Stuhl unter meinen Füßen weg."