das Fivanzgejctz, Budgelgesetz und das Gesetz über den Malzaufschlag vor, unter längerer das Defizit und die Steuererhöhung von 20 Prozent begründender Rede. Das Budget schließt mit über 231000000 M. ab. Das Malzauf- schlagsgesetz betrifft die bleibende Einführung des vor 2 Jahren erhöhten Ansatzes auf 6 M. per Hektoliter des zur Bierbereitung bestimmten ungebrochenen Malzes.
Vor der Strafkammer in Passau sind vor einigen Tagen drei kaum 16jährige Burschen wegen Vergehens in Bezug auf die Religion verurtheilt worden. Die Burschen glaubten ihren Uebermuth uns Mutbwillen auch auf die in der Kirche stattfiudende Christenlehre ausdehnen zu dürfen, stampften mit den Füßen, klatschten in die Hände und schrieen laut: „3 Uhr ist's," wenn sie der Meinung waren, der Cooperator halte sie zu lange in der Kirche. Der Staatsanwalt beantragte für jeden 6 Monate Gefängniß; das Unheil lautete auf eine dreimonatliche Gefängnißstrase.
Preußen.
KaiserWilhelm wird erst in der zweiten Hälfte des Oktobers in seine Residenz zurück- kehren. Am 16. und 17. Oktbr. wird sich derselbe in Metz bei Einweihung der dortigen Garnisonskirche aufhalten.
Berlin, 30. Sept. Aus Kiel wird gemeldet, daß der Bericht des großen Gencral- stabs über den Nordosiseckanal in Verbindung mit dem Befestigungsplan für Kiel nach Berlin abgegangen ist; der Bau des Nordostscekanals, der auf Reichskosten erfolgen soll, wird zur baldigsten Ausführung empfohlen.
Berlin. Vom Rcichsamt des Innern sind die Wahlkommissarien wegen rechtzeitiger Aufgabe der Telegramme mit Anweisung versehen worden. In den Telegrammen wird anzugeben sein: der Verwaltungsbezirk, der Wahlkreis, die Nummer des letzteren, die Gesammt- zahl der abgegebenen Stimmen, des gewählten Kandidaten und dessen Hauptgegners Parteistellung und Stimmenzahl.
— Die Regierung soll die Vermehrung der Berufskonsulate des deutschen Reiches planen und bereits dem nächsten Reichstag eine entsprechende Kreditforderung zngehen lassen. Unter anderem soll in Montenegro, sowie in einigen Hanpthandelsplätz.m des Orients die handelsamtliche Vertretung Deutschlands besser als bisher geordnet werden. Diese Maßnahmen find gewiß mit Gcnugthuung zu begrüßen.
— DieWahlb ewegung gewinnt immer mehr an Intensive. Sämmtliche Parteien haben jetzt ihre Wahlprogramme ausgegeben und wird die Wahl wohl eine der wichtigsten werden seit 1871, da es sich hauptsächlich darum handelt, inwieweit das deutsche Volk mit den wirthschaftlichen Reformen und den socialen Projekten des Reichskanzlers einverstanden ist. Wie man aus Norddentschland, namentlich aus Hamburg hört, scheinen die dortigen Socml- demokraten den Reichskanzler in seinen! Vor
haben, die Lage der arbeitenden Klaffen durch Unfall-Versicherung und Altersversorgung zu verbessern, unterstützen zu wollen.
— Bei der Berathung des Gesetzes über die Bestrafung der Trunksucht ist im Reichstage bereits darauf ihingewiesen worden, daß sich auch ans dem Verwaltungswege gegen die Uebelstände, welche das Gesetz beseitigen wollte, ankämpfen lasse. Aus mehreren Orten wird jetzt berichtet, daß mit Erfolg die Orts- behöroen durchgesetzt hätten, daß bekannten notorischen Trunkenbolden der Aufenthalt in Schanklokalen und der Verkauf von Spirituosen an solche Menschen verboten wurde.
Braunschweig. Ein eigenthümlicher Zug erregte Hierselbst in voriger Woche die allgemeine Aufmerksamkeit: Oelheim hatte Braunschweig, der ihm zunächst liegenden Residenz, das erste gereinigte Petroleum geliefert. Die Fässer lagen auf einem mit Laub- und Fahnenschmuck gezierten Wagen, der von vier kräftigen Werden gezogen wurde.
Barmen. Ein hiesiger verwittweter Rentner, welcher 1797 geboren ist, hat sich an seinem 85. Geburtstage mit einer Wittwe von 60 Jahren ausbieten lassen, um seine fünfte Ehe einzugehen. Der Bräutigam hat bis zum heutigen Tage, wie er behauptet, noch keine geistigen Getränke getrunken und keinen Tabak geraucht. Als Bewegegrund seiner fünften Verheiratung soll er angegeben haben, daß er es müde sei, sich selbst den Kaffee zu kochen.
Elberfeld. Der Theaterblitz kann zuweilen ebenso verhängnißvoll wirken, wie der natürliche, das beweist ein Vorfall bei der Eröffnungsvorstellung des hiesigen Theaters. Man gab Mozarts Don Juan und cs gerieth das Haar der Darstellerin Donna Elvira durch den Blitzstrahl, welcher in der letzten Scene dem Erscheinen des Komturs vorauszugehen pflegt, in Brand. Im Nu waren auch Schleier und Robe der Künstlerin erfaßt, und nur durch das schnelle Eingreifen des hinter der Scene anwesenden Personals wurde größeres Unheil verhütet.
Wie sehr die Industrie Alles zu verwerten versteht, zeigte sich dieser Tage im Städtchen St. Goarshausen. Es wurden nämlich dort etwa 1800 Zentner abgefallene unreife Aepfel verladen, welche für eine chemische Fabrik in der Nähe von Nymwegen bestimmt sind. Es wurde für den Zentner 1.20 M. und 1.30 M. gezahlt, so daß für ein sonst fast wertloses Objekt die nicht unbedeutende Summe von etwa 2300 M. gelöst wurde.
Oesterreich-Ungarn.
Wien. Bekanntlich besitzt kein Staat der ganzen Welt ein so vielgliedriges System des Parlamentarismus als der österreichischungarische. Nicht genug, daß derselbe für jede von beiden Reichshälften über einen vollständigen parlamentarischen Apparat mit Zweikammersystem verfügt, treten als Ergänzung zu demselben die „Delegationen" hinzu, die sich später
noch in selbständig auftretende „Ausschüsse* «ch „Unterausschüsse" theilen. und endlich besitzt die deutsche Reichshälfte (das eigentliche Oesterreich) noch 17 Sonderparlamente, welche ihre Verwaltungsangclegenheiten mit Selbstständigkeit ordnen. Von den letzteren sind gegenwärtig 1-1 beisammen, während die übrigen drei ihre Aufgabe bereits erfüllt habenund daher geschlofferr wurden.
Wien. Der Infanterist Franz Nußbamn, welcher am 28. Juli d. I. seinen Korpora! meuchlings und mit Vorbedacht erschossen hatten ist vom Kriegsgericht zum Tode durch den Strang verurtheilt worden.
— Die Trauung Hietlers, des Mörders des Baron Solhen, mit seiner Wirthschafterstr Juliane Paschinger fand am 28. v. M. um 6 Uhr morgens in der Kapelle des Gefangeuen- hauses statt. Die Zeremonie wurde vom Seelsorger der Pfarre Alsergrund, Herrn Kapfen-- berger, vorgcnommen. Als Beistände fungirtm der Kerkermeister Kopecny und dessen Stellvertreter Fidelsberger. Außerdem wurde niemandem der Zutritt zn dieser Hochzeit gestattet. Ed. Hietler trug Sträflingskleider; die Braut war sehr einfach gekleidet. Pfarrer Kapfenberger hielt eine kurze Ansprache, welche die Brautleute tief erschütterte. Unmittelbar nachdem die Trauung vollzogen war, wurde Hietler in seine Zelle zurückgesührt. Die Paschinger nahm rührenden Abschied von ihrem Gatten und ent- sernte sich sodann schluchzend aus der Gefangea- hauskapelle. (Bekanntlich hat der Kaiser den zum Tode Verurtheilten zu 15jähriger Kerkerstrafe begnadigt und wurden in Wien gegen 30 Tausend Gulden für die Familie Hietlers gesammelt. Der Mörder hat also noch Hoffnung, einmal als wohlhabender Mann in Freiheit sich des Lebens zu freuen.)
Schweiz.
Bern. Die Sozialisten suchen die öffentliche Meinung über den Versammlungsort dS allgemeinen Sozialisten-Kongresses z« täuschen; im geheimen soll Genf als Zusammenkunftsort bestimmt worden sein.
Frankreich.
Paris, 29. Sept. Aufsehen macht es, daß General Saussier plötzlich Tunis verlassen und sich nach Algerien zurückbegeben hat. Die Behauptung der Agentur Havas, daß er nur zurückgereist sei, um sich mit dem General Forgemol wegen seines Vormarsches gegen Tunesien zu verständigen, findet wenig Glauben.
In Paris wurde soeben die 200jährige Vereinigung des Elsaß mit Frankreich gefeiert, wobei denn doch, schreibt die „K. Ztg.", nicht zu vergessen ist, daß seit Christi Geburt das Elsaß 1681 Jahre zu Deutschland gehörte, 18S Jahre allerdings zu Frankreich, aber seit 11 Jayren wieder deutsch geworden ist und bleiben wird, trotz aller Pariser Festlichkeiten.
— Der „Figaro" eröffnet eine Sammlung für eine Tante Gambettas, Wittwe eines
Z>er hängende Hast.
Aus dem Russischen von Baburin Pontjess.
(Fortsetzung.)
„Ein Frühstück!"
„Gleich!"
„Schnell, ich habe keine Zeit!"
„Nehmen Sie was Sie wollen, im Schrank steht Braten von gestern und abgezogener Branntwein."
„Führe mich in die Zimmer, stelle Alles, was da ist, auf den Tisch; rühre Dich!"
Duna, bleich und verstört, näherte sich mit zitternden Knieen dem Schranke im Vorzimmer. Der Räuber steckte das Messer in den Stiefel und folgte allen ihren Schritten- Brot, Branntwein, Salz, Butter, Käse und kalter Kalbsbraten wurden auf den nem- lichen Tisch gestellt, an welchem die Herrschaft vor der Abfahrt zur Stadt unlängst ge- frühstückt hatte. Er nahm Platz, ergriff Duna's Arm und setzte sie neben sich.
„Nun, nicht wahr?" sagte er, mit Heißhunger den fetten Kalbsbraten verschlingend und auf seine Nachbarin seitwärts hinschielend, „ich habe Sie ordentlich erschreckt?"
„Nun freilich, da würde wohl Jede erschrecken!"
„Es war ja auch nicht recht, daß Sie sich widersetzten; hätten Sie gleich meinen Wunsch erfüllt — Auf Ihre Gesundtheit! — Trinken Sie, mir zur Gesellschaft, auch ein Gläschen!"
„In meinem Leben trinke ich keinen Branntwein."
„Schade, der Branntwein ist vortrefflich! — Wie heißen Sie?"
„Paula Nikola —"
„Du lügst! Das ist nicht wahr!" rief der Räuber mit vollem Munde und blickte sie finster an. „Ich weiß, daß Du Awdotja Jeremejwna heißest!"
„Warum fragen Sie mich denn, wenn Sie es schon wissen?"
„Ich that es, um Deine Offenherzigkeit zu prüfen. — Der Branntwein ist herrlich ! Ist nicht noch mehr davon da?"
„Es steht noch eine Flasche im Schrank."
„Ah, sei so gut und bringe sie her."
Duna holte in ihrer Angst den verlangten Branntwein.
„Ich danke! Erlauben Sie, daß ich Ihnen dafür auch einen Kuß gebe."
Das arme Mädchen wagte es schon nicht mehr, sich zu widersetzen; sie ließ sich den rauhen Kuß gefallen und begnügte sich damit, die Stelle abzuwischen, wo der scharfe Bart ihre zarten Wangen beinahe blutig gekratzt hatte.
„Damit Du siehst, daß ich nicht wenig weiß," hob der Räuber wieder an, nachdem er das dritte Glas hinuntergeschluckt hatte, „so will ich Dir zum Beispiel sagen, daß ein Kanzlist Deinem Herrn gestern fünfzehnhundert Rubel von Iwan Jwanowisch brachte, dessen Prozeß in der vorigen Woche ans Kreisgericht gekommen ist. Ist es nicht so?"
„Es ist möglich!"
„Nun, wo verwahrt Dein Herr sein Geld?"
„Das weiß ich wahrhaftig nicht."
„Ich weiß es aber und wir wollen es schon finden. — Awdotja Jeremejwna! Herzchen!"
„Was ist Ihnen gefällig?"
„Ich möchte gern, daß Du freundlich wärest!"
Die arme Duna mußte sich freundlich stellen. Der Gast war in einer höchst glücklichen Stimmung, er lachte und scherzte mit ihr. Duna vergaß allmählig ihre Furcht, ward dreister, vertheidigte sich gehörig, lachte sogar laut auf und suchte ihre sinnere Angst durch Heiterkeit zu verstecken, indem sie heimlich heiße Gebete zum Himmel chickte, daß der rothnasige Gast sich bald satt essen, satt trinken, sich empfehlen, ui^ daß der unvergleichliche Iwan schneller kommen möchte, um sie mit seinem gefühlvollen Herzen für ihre fürchterliche Qual zu entschädigen.
Aher wo blieb dieser Iwan? — Er hatte sich vom. Gouverneur Urlaub erbeten.