Ein Vorstoß gegen den Aoungplan

- Amsterdam» 14. Juli. Auf dem Internationalen Han- belskammerkongreß nahm Lord Melchett früher Sir Alfred Mond, Leiter des größten englischen Chemtetrusts, bas Wort, um scharfe Kritik an der bisherigen Reparations­politik zu üben und vor einer Fortsetzung dieser Politik mit Hilfe des Aoung-Planes zu warnen.

Seine Ansicht geht dahin: International« Schulden kan« man nur durch Waren bezahlen. Man muß sich über­zeugen, ob man Waren in sein Land hineinlassen und da­mit unter Umständen Arbeitslosigkeit auf sich nehmen will, oder ob man es nicht vorzieht, auf Schuldenzahlung zu verzichten. Lord Melchett gab seinem Erstaunen Aus­druck, daß die Männer, die den Aoung-Plan gemacht haben, bezüglich der Durchführung der Zahlungen so optimistisch waren, daß sie gar nicht erst überlegt haben, was geschehen soll, wenn die Zahlungen nicht ausgeführt werden sollten. Es ließe sich denken, daß di« Reparationszahlungen in Deutschland selbst angelegt werden, bis es wirtschaftlich wäre, sie herauszuziehen und zu übertragen. Weshalb man die­ses Verfahren nicht ins Auge gefaßt hat, ist nicht z« ver­stehen. Es braucht nicht obligatorisch zu sei«, aber «S ist eine Notwendigkeit, darauf einmal hinzuweisen.

Die bisherige Reparationspolitik, so führte Lord Mel­chett weiter aus, hat zu überaus großen Ausländs­anleihen geführt. Allerdings war die Kapitalbil-ung Deutschlands noch größer als die aufgenommenen Aus­ländsanleihen. Wenn man sich dagegen sträubt, Ware« an­zunehmen, wird es aber jedenfalls auch künftig unmöglich sein, ohne Ausländsanleihen auszukommen. Es hat keinen Zweck, die Erörterung dieser Dinge zu umgehen, und lei­der ist zu befürchten, daß die Vorbehalte, Li« die Regierun­gen zum Aoung-Plan machen werben, eine Klärung der gan-

Frankreich und Italien

Der französisch-italienische Frenndschastsvertrag «och in weiter Ferne.

TU Paris, 18. Juli. Letzte Woche ist der französische Botschafter in Rom, de Beaumarchais, zu längerem Aufent­halt in Paris eingetrosfen. Er hat bot seinem Besuch am Quai d'Orsay Außenminister Brianb anscheinend nicht nur über die Haltung Italiens zur Regierungskonferenz, son­dern auch über den Stand der schon nahezu seit einem Fahr schwebenden französisch-italienischen Verhandlungen berich­tet. Ein Fortschritt dieser Verhandlungen ist im Augen­blick um so weniger zu verzeichnen, als die bereits im Herbst 1928 unterbreiteten Vorschläge Frankreichs bis jetzt ohne Antwort geblieben sind. Italien hat unter der Hand durch, blicken lasten, daß diese Vorschläge durchaus ungenügend seien, was zunächst zur Folge hatte, daß der französische Bot- schafter zu Beginn dieses Jahres erneut an Ouirinal vor­stellig wurde und neue Vorschläge seiner Regierung überbrachte. Diese bezogen sich auf drei Punkt«, nämlich den Abschluß eines Freundschafts- und Nachbarschaftsver­trages, die Grenzberichtigung in Tripolis und das so­genannte Statut der Italiener in Tunis. Ueber die Ver­handlungen ist so viel dnrchgesickert, daß Italien nach wie vor die französischen Vorschläge ablehnt und wett er­gehende Forderungen erhebt, die Frankreich nicht aimehmen zu können glaubt.

Nach dem Oeuvre soll der französische Vorschlag bezüglich der Italiener in Tunis dahingehen, daß die in Tunis geborene erste Generation italienisch bleibt, die zweite für Frankreich oder Italien optieren und die dritte Generation zwangswe-i'se französisch werden soll. Hiergegen scheint Italien auf seinem Standpunkt zu beharren, der sich in der Praxis dahin auswirkt, baß die Italiener in Tunis einen Staat im Staate bilden. Auch die von Frankreich vorge­schlagene Grenzregelung in Tripolis, die die Ab­tretung zweier Oasen an Italien in sich schließt, fand nicht die Zustimmung Mussolinis. Italien soll sich als den Erben in dem früheren türkischen Gebiet betrachten und darauf Hinweisen, daß es beim Zustandekommen des englisch-fran­zösischen Abkommens, das Frankreich Borg« zuwies, nicht gefragt wurde. Italien verlangt infolgedessen Gebiets­abtretungen bis zum Tschabsee, wodurch es an französisch-äquatorial-Afrika angrenzen würde. Unter die­sen Umständen scheint auch das Zustandekommen des ge­planten Freundschaftsvertrages zwischen Frankreich und Italien noch in recht ferne Zukunft gerückt zu sein.

Um die wirtschaftliche Entwicklung

des britischen Weltreichs

TU. London, 14. Juli. Im Unterhaus wurden letzt» Woche die Finanzpläne der Regierung zur Entwick­lung der Landwirtschaft und der Industrie in den Solo- nie» erörtert. Das Schatzamt soll ermächtigt werden, durch eine Anleihe oder auf anderem Wege bis zu einer Million Pfund Sterling für die wirtschaftliche Entwicklung der Kolo­nien sowie der Protektorats- und Mandatsgebiete aufzuwen- den. Arbeitsminister Thomas begründete den Plan damit, - es kaum ein Erzeugnis gebe, das nicht aus britischen Gebieten bezogen werden könne. Den Gesamtwert -er eng­lischen Ausfuhr nach den Kolonien, Protektorats- und Man­datsgebieten im Jahre 1927 beziffert« Thomas auf 1^ Mil­liarden Mark. Daneben seien von diesen Gebiete« in den letzten 6 Jahren in Großbritannien Warenlager im Wert von 660 Millionen Mark angelegt worden. Viel« der Kolo­nien seien bereit, die Hälfte des Risikos der Arbeiten zu übernehmen, di« auf Grund der Radikalisierung -eS An- lciheplans durchgeführt werben könnten. Der früher« Solo- nialminister Nmery begrüßt« den Plan und versicherte, daß die Opposition di« Regierung bet dieser Aufgabe in jeder Weise unterstützen werde. Von liberaler Seite wurde der Plan im einzelnen kritisiert, der Regierung «cher gleichfalls Unterstützung versprochen.

zen Frage eher erschweren als erleichtern. Deshalb ist es die Aufgabe der Wirtschaft, zu handeln und Klärung her­beizuführen, bevor eine Lähmung des ganzen wirtschaft­lichen Lebens eintritt.

Vom Kongreß wurde eine Resolution zum Aoung-Plan angenommen, in der es heißt:Aus einer Betrachtung des Aoung-Plans als einer Einheit hat die IHK. mit großer Befriedigung die Absicht der Sachverstän­dige« ersehen, das Reparattonsproblem aus dem Gebiet des politischen Meinungsstreits herauszunehmeu und Wirtschaft- ltche Formeln zu finden, um zu einer Lösung zu kommen. Die Kammer drückt die Hoffnung aus, daß über den Aoung- Plan bald wohlwollende Erwägungen stattfinden möge» und daß Lurch das Ergebnis eine endgültig« und vollständige Regelung des Problems erreicht werden möge."

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Der Transferschutz im Aoungplan

TU. Berlin, 14. Juli. Generaldirektor Klönne hat in einer Rede in BreSlau die TransferanSschußklausel im Aoungplan als illusorisch bezeichnet, da der Transfer, schütz lediglich ein- oder zweimal angewandt werden könne. Demgegenüber wird von zuständiger Stelle darauf hingewie- seu, daß im Aoungplan die Unterlage für «in« derartige Mutmaßung fehle. Di« Frage der Anwendung der Transferschutzklausel sei in keiner Weise beschränkt. Sie könne so oft in Tätigkeit gesetzt werden, wie Deutschland es für nötig halte. Es sei jedoch in allen Fällen Voraussetzung, daß im Fall« einer wiederholten An- Wendung -er Transferschutzklausel die inzwischen aufgelau- fenen Zahlungen in einer Frist von S Jahren nachgeleistet werden.

Die Frage der Vereinigten Staaten von Europa

TU. Paris, 14. Juli. Zu dem Plan Briands, «in« Kon­ferenz zur Vorbereitung der Vereinigten Staaten von Europa einzuberufen, schreibt derMatin": Wenn die Nachkriegsfragen glücklich im Lause dieses Sommers ge- regelt seien, so könnte die Gründung einer europäische« Fö­deration in den letzten Monaten dieses Jahres unternom­men werden. Sie würde unter drei Gesichtspunkte«, dem wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Ge­sichtspunkte erfolgen. Aus wirtschaftlichem Gebiete werde es sich darum handeln, sowohl für die Erzeugung wie für den Verbrauch di« europäischen Märkte zu vereinheitlichen. Auf finanziellem Gebiet werde man die Mittel des europäischen Festlandes gemeinsam für nützlich erachtete Kredite verwen. den. Politisch werde es sich darum handeln, durch Schaffung einer internationalen Macht di« Sicherheit zu gewährleisten.

Nach den Ausführungen desTemps" scheint Briand, der zweifellos einer -er besten Psychologen des Kabinetts ist, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu wollen. Ein­mal weiß er, daß Amerika wegen der Schuldenfrage im ge­genwärtigen Augenblick in Frankreich von -er öffentlichen Meinung nicht sonderlich geschätzt wird. Briand kommt also mit dem Plan einer politischen und wirtschaftlichen Orga­nisation Europas mit einer Spitze gegen die Bereinigte« Staaten, de« politische« Bedürfnisse« der Franzose« in wei, tem Maße entgegen, so - es einigermaßen erklärlich ist, daß selbst ernste Blätter plötzlich dem Plan -er Vereinig­ten Staaten von Europa Geschmack abgewinnen. Dann aber geht aus den Zeilen desTemps" hervor, daß der Plan auch für Europa einen politischen Zweck hat, nämlich eine nene französische Sicherheit gegen die Rheinlandränmnng zu schaffen. Man wird, ehe Las Rheinland geräumt wird, an Deutschland den feierlichen Appell richten, sich an Len Vereinigten Staaten von Europa zu beteiligen und dazu bebzutragen, daß die europäischen Staaten in ein Bruder- schasts-verhältnis zueinander treten, damit das Gefühl -er Sicherheit vergrößert wird.

Die Todesopfer des mexikan. Bürgerkriegs

TU London, 14. Juli. Nach Nenyorker Meldungen find innerhalb der letzten 24 Stunden etwa 1900 Aufständische im Staat Jaltsco zu den Regierungstruppen übergegangen. Un­ter ihnen find hervorragende Führer -er AufstanLsbeweguwg. Kleinere abgetrennte Gruppen in verschiedene» Teilen b«S Landes setzen ihren Kampf gegen di« Regierung noch fort. Der ehemalig« Außenminister unter Calles veröffentlicht einen Aufruf an das Land zur Wiederherstellung LeS tnne- ren Friedens und Einstellung der Feindseligkeiten. Er schätzt, daß seit Beginn der AufstaudSbeweguug gegen den Präsidenten Diaz im Jahre 1S10 mehr als 1200 000 Mexi­kaner ihr Leben in den Bürgerkriegen verloren. Dt« Rück­kehr der katholischen Geistlichkeit wird in allen Teilen LeS Landes zu Feiern und öffentlichen Kundgebungen benutzt.

Falscher Alarm aus dem fernen Osten

TU Kowno, 14. Juli. Nach einer Meldung aus Moskau werden Nachrichten über die Besetzung der chinesische» Ost­bahn durch rote Truppen und über den Abbruch der diplo­matischen Beziehungen zwischen Rußland und China von amtlicher russischer Seite als nicht de« Tatsache« entsprechend bezeichnet. Die Son^etregierung habe nicht dt« Absicht, Strettkräfte nach China zu entsenden. Sie steh« China freundlich gegenüber. Was dt« chinesisch« Ostbahu angehe, so sei Li« Sowjetregieruug gegen jede Änderung des Vertrages vom Jahr« 1924.

Dr. Wang über die chinesisch-russischen Bezie-ange».

TU Peking, 14. Juli. Der chinesische Außenminister Dr. Wang erklärt« der Presse, di« chinesische Regierung hege kets« Feindschaft gegen Li« Sowjetregte- rang. Di« letzten Maßnahmen der Polizei gegen die Sow­jetbürger in Chardin seien gegen die kommunistische Propa­ganda tu China gerichtet gewesen. Me Nankingregiernng

könne nicht dulden, daß aus chinesischem Boden kommunistische Propagandazentralen organisiert würben.

Dr. Wang hat sich zusammen mit Tschiangkaischek nach Nanking zurückbegeben, wo weitere Beratungen über die chinesisch-russischen Beziehungen stattfinöen sollen.

Kleine politische Nachrichten

Abnahme der Arbeitslosigkeit um 8 v. H. Nach den end» gültigen Berichten der Landesarbeitsämter betrug die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbettslosenver sicherung am 80. Juni rund 723 000, also etwa 23 000 oder 3 v. H. weniger als Mitte Juni. Die Hauptunterstützungs- empfänger in der Krisenunterstützung haben ihren Stand vom 18. Juni ungefähr gehalten.

Oberbanrat Ahrendt ans -er Haft entlassen. Wie von zuständiger Stelle Mitgeteilt wird, ist der in Kiele« verhaf. tete deutsche Oberbaurat Ahrendt nunmehr aus der Haft entlassen worben. Oberbaurat Ahrendt ist sofort nach Deutschland abgereist.

Poincare, Briand «nd Chero« nehme« an der Regie- rnnaskonferenz teil. Die französische Abordnung für die Re« gterungskonferenz wird außer dem Ministerpräsidenten Poincare Außenminister Briand, Finanzminister Cheron den Gouverneur der Bank von Frankreich, Moreau, «nd den Generalsekretär des Außenministeriums, Berthelot, um­fasse«.

Rnmänieus Forderungen für de« Beitritt zum Aoung» plan. Die rumänische Regierung hat in Paris, London und Rom eine Denkschrift überreichen lassen, di« die Fordern«, gen Rumäniens für den Beitritt zum Aoungplan enthüll. Rumänien verlangt, daß die Jahres-ahlungen, die ihm aus dem Aoungplan zukommen, die Summen decken, die es für seine Kriegsschulden zu zahlen hat. Die Rumänien zukom­menden Wiedergutmachungen müßten gesichert werden, weil Rumänien sonst gezwungen sei, die in Deutschland gemachten Tributgestellungen einzustellen. Die österreichischen, unga­rischen und bulgarischen Tributzahlungen müßten die Sum­men -ecken, die den Anteil Rumäniens an den österreichischen und ungarischen Vorkriegsschulben ansmachten.

Geheime Ankäufe von Kriegsmaterial in U.. Der Kriegssekretär hat dem Militärausschuß des Repräsentanten­hauses eine Vorlage zugehen lassen, durch dte -er Präsident ermächtigt wird, geheime Ankäufe von Kriegsmaterial für Heer und Marine zu tätigen. In der Begründung der Vor­lage heißt es, der geheime Ankauf von Kriegsmaterial sei notwendig, weil eine Schädigung «intrete, wenn derartige Ankäufe in der Öffentlichkeit breitgetreten würden.

Das Attentat in Niebüll

Auf die Wohnung des Landrats in Niebüll wurde ein folgenschwerer Bombenanschlag verübt, der großen Schade« anrichtete. In den benachbarten Häusern find in einem Umkreis von etwa 100 Metern alle Fensterscheiben zer­trümmert worden. Di« umliegenden Gärten wurden mit Mauertrümmern und abgerissenen Baumzweigen übersät. Das Innere der Küche der Landratswohnung wurde tu

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einen wüsten Trümmerhaufen verwandelt. Glücklicherweise kamen bet dem Anschlag keine Menschen »n Schaden. Le­diglich dte 12jcihrige Tochter -es Landrats wurde durch Glassplitter geringfügig verletzt. Der angerichtet« Sach­schaden dürste mit 10 000 Mark nicht zu hoch bemessen sei«.

Erwähnt werden muß, daß dies der schwerste der btsher verübten sieben Bombenanschläge ist. Unser Bild läßt dte Gewalt der Explosion deutlich erkennen.

Mit dem U-Boot zum Nordpol

Der englische Nordpolfahrer Sir Hubert WtlktnS, de» im vergangenen Jahr von Narrow Point nach Spitzbergen geflogen ist, geht jetzt ernstlich Lara«, Vorbereitungen zu einer U-Bootreise nach dem Nordpol vorzmbereiteu. Unter dem EiS will er mit einem Unterseeboot »um Pol vorstoßew. Dazu bedarf es natürlich einer besondere» Konstruktion eines Unterseebootes, das er jetzt in Amerika auf Helling legen läßt. Im großen und ganzen wird das Boot dt« be­kannten Formen haben. Aber es kommt hinzu eine beson­dere Einrichtung, die etwa stabförmtg an dem Oberteil deS Unterseebootes angebracht ist und das Eis abkratzen lv soll. Damit wird erreicht, -ie Eisroute festzustellen, so daß es möglich ist, awfznta-uchen und frische Lwft einzuführen. Al­lerdings ist dafür gesorgt, daß auch mit komprimierter Lust bis zum Pol Lurchgehalte« werden kann. Die Expedition bezweckt dte Feststellung der TiefenverhSltniffe im nördliche» Eismeer. Dte Wissenschaft nimmt an, daß gerade in der Polgegend -ie Tiefenverhältniff« -es Meeres ganz beson­der« sind. Messungen ließen sich bisher noch wicht durch- führen, so daß Wilkins fein« Aufgabe darin steht, nun ent» lich Klarheit zu bringe». Dte Fahrt soll im Juki ISN So- ginnen und bis zum Herbst durchgeführt sein. Noch tu die­sem Jahre wird Wilkins eine« Beobachtungsslug mit einem amerikanischen Luftschiff in dte Gegend deS Pols durch- führen.

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