acuten Hinweis auf die gewaltigen Machtmittel de: Entente. Am Abend vor dem Angriff erlich der Höchstkommandierende, General Nivelle, folgenden Befehl: „Allgemeiner Befehl Nr. 75. Gr. H.-Qu., 15. April 1917. An die Offiziere, Unteroffiziere, Mannschaften der französischen Armee! Die Stunde ist gekommen! Vertrauen und Mut! Es lebe Frankreich! General Nivelle!" — Die Truppen gingen auch mit grohem Schneid vor und die Stimmung war allgemein siegesgcwih. Um so gröher ist die Niedergeschlagenheit der Gefangenen, die vor allem durch die erlittenen, teilweise unsinnigen Verluste bedrückt sind. Allgemein wird über das Versagen der höheren Führung geklagt. Die Leitung hat zwar die Angriffspläne bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, hat aber in Paris versagt. Auf Grund der »msasiendru Vorbereitung der riesigen eingesetzten Massen an Menschen und Material war von den Truppen ein durchschlagender Erfolg erwartet worden. Gefangene Offiziere der 2., 9. und 10. Infanteriedivision sagten übereinstimmend aus, dah der große Angriff, auf den so grohe Hoffnungen gesetzt.waren, vollständig gescheitert sei. Trotz langer Vorbereitung und wochenlanger Einübung habe im letzten Moment der richtige Einsatz der Angriffsdivisionen gänzlich versagt. Von alle» Gefangenen wird der heroische Widerstand der Deutschen und der Schneid ihrer Gegenangriffe riickhaltslos zugegeben.
(WTB.) Berlin, 1. Mai. Die Verluste der Franzosen rn der Aisneschlacht sind, wie sich heute nach Truppenmel- dungcn und Gefangenenaussagen übersehen lägt, geradezu vernichtend. An der gesamten Angriffsfront muhten die Divisionen des ersten Angriffstages als abgekämpft herausgezogen und durch neue Truppen frisch ersetzt werden. Die Angriffsregimcnter haben zum mindesten die Hälfte ihres Bestandes verloren, ein grosser Teil — wie das 4. Infanterieregiment und das 24. Kolonialrcgiment — drei Viertel. Letzteres Regiment hatte bereits vor dem Angriff in seiner Ausgangsstellung westlich Laffaux 350 Mann Verluste durch Artillcriefcuer. Gefangene vom Regiment 153 erklärten, dah das deutsche Maschinengewehrfeuer aus dem Rücken ihre Angriffswellen so gut wie aufricb. Aehnlich erging es dein Regiment 355. Das 39. Senegalcsenbataillon wurde in den Kämpfen am 16. und 17. April fast aufgerieben. Das 25. Jägerbataillon verlor am 16. April gegen 400 Mann. Ein verwundeter Major sagte aus: dah die 2. Division als auher Gefecht gesetzt angesehen werden müsse. Die stark dezimierte 10. Kolonialdivision halte besonders schwere Verluste an höheren Führern.
Zur Kriegsla e.
* Die Engländer haben nach der überaus schweren 'Niederlage vom Samstag vorerst anscheinend nicht -mehr die Kraft zu einer großzügigen Kampfhandlung zu schreiten, die allein Aussicht auf ausschlaggebenden Erfolg bieten würde. Sie haben am Sonntag nur nordöstlich von Arras örtliche Teilstöße unternommen, die sämtliche abgewiesen wurden. Aber die Franzosen, die vor 14 Tagen blutig abgewiesen wurden, scheinen sich -wieder so weit erholt zu haben, daß sie nochmals einen Versuch machen wollten. Der deutsche Tagesbericht meldet Artillericfeuer von äußerster Heftigkeit im Raum zwschen Soissons und Ncims. Wir können auch diesem bevorstehenden Angriff der Franzosen mit Rühe entgegensetzen, umsomehr als die französischen Truppen infolge des schweren Mißerfolgs der mit höchstgespannten Erwartungen begonnenen Aisneschlacht nicht mehr in der für einen Erfolg unbedingt notwendigen zuversichtlichen Stimmung sein dürften. Unsere todesmutigen Feldgrauen aber werden dazu beitragen, daß diese fatalistische Stimmung der französischen Sturmtruppen noch weiter um sich greift, indem sie ihnen wieder einen entsprechenden Empfang bereiten werden.
Es ist im Hinblick auf die offensichtlichen Fehlschläge der Pläne unserer Feinde im Westen begreiflich, wenn sic alle Mittel in Anwendung bringen, um Rußland trotz allem noch für den entscheidenden Endgang zu gewinnen. Es wird eine ungeheure Propaganda betrieben. natürlich mit Geld und Agenten aus allen Ententestaaten,. um die russische Armee doch noch zum Losschlagen zu gewinnen. Die Petersburger Garnison, von der ja immer diese theatralischen Kundgebungen gemeldet werden, hat man für die Kriegshetze gewonnen, wie es aber sonst mit der Stimmung im Heere aussisht, das ist bis heute noch nicht festzustellen, denn auf die Nachrichten der Petersburger Telegraphen-Agentur ist ebensowenig Verlaß wie auf die sonstigen Entcntemel- dungen oder solche aus neutraler Quelle. Aber das ist aus allen herauszulcsen. es wird das letzte daran gesetzt, um die Kriegwut des russischen Volkes wieder an- zlifachcn. Ob es gelingen wird, und ob die Fortführung des Krieges seitens des russischen Heeres auch noch irgend welche bemerkenswerten Veränderungen bezüglich der Kriegslage zur Folge haben wird, das wollen wir ruhig der Zukunft überlassen. Das russische Heer wird unsere militäische Lage auch nicht mehr ungünstig zn heelnfknßen vermögen und die täglichen Aeußerungen
Les friedlichen Lager über die Gefahr unserer U-Boote für die Entente zeigen uns. daß auch sie ein gewichtiges Wort Lei der Entscheidung mitzusprechcn haben.
Die Lage in Rußland.
Inszenierte Kundgebungen gegen den Frieden.
(WTB.) Petersburg, 1. Mai. (Peiersb. Tel.-Ag.) Die Kundgebung der Verwundeten und Verstümmelten war eine der eindrucksvollsten, die die Hauptstadt seit der Revolution gesehen hat. lieber 200 Fahnen wurden in dem Zuge mitgeführt, die Inschriften hatten wie: „Lieber sterben, als Sklaven Wilhelms sein!" Unverwundeie nehmt unsere Plätze in den Gräben ein!" „Nieder mit Lenin und seinen Anhängern!" und „Lenin und Gefolgschaft kehrt nach Deutschland zurück!" Gegen Mittag langte der mehr als 50 000 Menschen zählende Zug vor dem Taurischen Palais an, wo die Kundgebung den Charakter eines außerordentlich heftigen Einspruchs gegen Lenin und seine Friedensfreunde annahm. Die Verwundeten riefen: „Wir können es nicht zulasten, daß Leute wie Lenin das Geschick Rußlands bestimmen!" Der stellvertretende Vorsitzende des Arbeiterund Soldatenrats, Skobclew, suchte die Versammlung zu beruhigen und sagte: „Im freien Rußland darf jeder reden was er will." Darauf wurden zwei Versammlungen veranstaltet, eine vor der Duma, die andere in der Empore des Taurischen Palais. In beiden wurden gleichlautende Beschlüsse angenommen, in denen der Krieg bis aufs Messer erklärt und der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird. Gleichzeitig wurde die Verschickung aller Gesunden an die Front und ihre Ersetzung durch Verwundete und Verstümmelte gefordert. Lenin und seine Anhänger wurden als Verräter gebrandmarkt. Die Menge zog darauf vor die Botschaft der Vereinigte» Staaten. Der Botschafter trat auf den Söller heraus und hielt mehrere Ansprachen, in denen ^ er hervorhob, daß sein Volk, das seit 140 Jahren die Freiheit genieße, sich außerordenilich gefreut habe, als es von der Befreiung der russische» Völker Kunde erhalten habe. Er drückte dabei die felsenfeste Zuversicht aus, daß Rußland niemals einen mit seiner nationalen Ehre unvereinbaren Frieden schließen werde. Ein Sondersrirdcn würde die Wiederherstellung der unbeschränkten Monarchie und den Verlust der kostbaren Errungenschaften der Revolution zur Folge haben. Als der Botschafter in der Menge den Duma- vorsitzendcn Rodzianko erblickte, ließ er ihn auf den Söller kommen, von wo aus Rodzianko von der Menge begeistert ausgenommen,: Ansprachen hielt.
Die angebliche Stimmung i» der russischen Armee.
TdA:) Berlin, 30. April. Nach dem „Nußki Invalid" hatte der russische Militärattachee ein Gespräch mit König Albert von Belgien, in dem er erklärte, daß die dem Arbeiterlomitce angehörigen Soldaten ausschließlich Vertreter der Petersburger Garnison seien, in ihrer Mehrzahl aus Arbeiterrrcisen stammen und nicht als Vertreter der Ansichten der großen Armee angesehen werden können. Das Heer an der Front stehe der Politik fern und habe das neue Regime in aller Ruhe anerkannt. Das Heer bleibe der Losung treu: Alles für den Sieg!
Die Zugeständnisse an die Armee.
(WTB.) Petersburg, 1. Mai. (Peiersb. Tel.-Ag.) Der Kriegsministcr hat einen Tagesbefehl an die Truppen erlassen, kraft dessen jedes Armeekorps, jedes Regiment und jede Kompanie künftig einen eigenen Sonderausschuß wählen darf, dem die Aufrechterhaltung der Disziplin, die lleberwachung der Verpflegung und gesetzmäßige Maßregeln gegen den Mißbrauch 'der Dicnstgewalt durch die Regimentskommandeure, sowie die Beilegung von Zusammenstößen zwischen Offizieren und Mannschaften und die Vorbereitung der Wahlen zur konstituierenden Versammlung obliegen soll. Daneben ermächtigt der Tagesbefehl die Truppen, Disziplinargerichte für die Beilegung von Mißverständnissen und Streitigkeiten zwischen Mannschaften zu wählen.
Die amerikanischen Bemühungen um Rußland.
Basel, .30. April. Der „Franks. Zig." wird gemeldet: Die „Neue Zürch. Ztq." berichtet ans Petersburg: Die provisorische Regierung wnrde von den Leitungen der amerikanischen Munitionsfabriken auf telegraphischem Wege benachrichtiget daß die Bestellungen Rußlands vor allen anderen öusgeführt würde». Die amerikanischen Eisenbahn- gescllschasten haben beschlossen, den für Rußland bestimmten Mnnitionslransporlen den Vorzug zu geben. — 2n der nächsten Zeit wird die Ankunft einer amerikanischen Eiscnbahn- delegation erwartet, die an der Reorganisation des russischen Transportwesens initwirken wird. (Das Entgegenkommen Amerikas gegen die Russen hat jedenfalls gute Gründe und liegt offensichtlich nicht in erster Linie in russischem Interesse.)
Die Bedingung Wilsons für eine russische Anleihe.
Rotterdam, 30. April. Nach Informationen aus Newyork hat England die amerikanische Regierung dahin beeinflußt, daß die beabsichtigte Anleihe der provisorischen Regierung in Rußland nur unter der Bedingung von Amerika gewährt werden soll, datz vo i russischer Seite eine jeden Zweifel ausschließendc Erklärung abgegeben wird, welche einen Sonderfrieden mit den Mittelmächten ein für allemal ausfchkicßt. Präsident Wilson hat dieses Verlangen ausdrücklich a^s sehr gerechtfertigt bezeichnet, und in amerkanischcn Finanz- kreiscn erwartet man jetzt eine diesbezügliche Erklärung Rußlands in den allernächsten Tage».
Amcn'ka.
Meinungsuilieeschiede im Kongreß bezüglich des Militärgesetzcs.
(WTB.) Washington, 30. April. Reuter meldet: Da bei dem Militürgesetz, wie es einerseits vom Senat und andererseits vom Repräsentantenhaus angenommen wurde, gewisse Unterschiede im Wortlaut bestehen, wird eine gemeinsame Sitzung beider Kammern nötig. Unterschiede bestehen darin, daß der Senat das militärpflichtige Alter vom 21. bis zum 27. Jahre und das Repräsentantenhaus dieses vom 21. bis zum 40. Lebensjahre festgesetzte und das Repräsentantenhaus den vom Senat angenommenen Zusatzantrag ablehnte, der Rooseoelt ermächtigt, vier Divisionen Infanterie für den europäischen Dienst aujzubringcn Amerika unter englischer Zensur.
(WTB.) Bern, 30. April. Die „Times" berichtet aus Washington, die Amerikaner seien ungehalten darüber, daß die britische Zensur nach wie vor keine deutschen Zeitungen nach Amerika durchlasse, obschsn solche in englischen Aeitungsredaktioneu gelesen würLen. Auch das Verbot der Verschickung der Wochenschrift „Nation" (die die englische Kriegshetze nicht mit inacht) nach dem Auslande befremde, da gerade diese Zeitung Wilsons Ideen immer sympathisch gegenüber- gestanden habe. Schließlich sei man verstimmt, daß trotz des Eintritts Amerikas in den Krieg die Kriegsnachrichten noch immer nicht so schnell und ausführlich nach Amerika gegeben würden, wie das Land es verlangen zu können glaube.
Neutralitätserklärung Brasiliens.
(WTB.) Genf, 30. April. Einem Telegramm des Schweizerischen Depeschen-Bureaus aus Paris zufolge hat Brasilien in dem Streit zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten seine Neutralität erklärt. — Also wäre die Meldung vom Abbruch der Beziehungen auch wieder einmal eine Reutermache gewesen.
Vermischte Nachrichten.
Ein englischer Vorschlag zur Vernichtung der deutschen Getreideernte.
. (WTB.) Bern, 1. Mai. Lord Calthorpe empfi>Hlt in einer Zuschrift an die „Morning Post" die Der- nichiung der deutschen Getreideernte durch von Flugzeugen aus Kornfelder vor dem Abmähen herabzumcr- fende Brandkugeln. Er glaubt, daß sich auf diese Weise Tausende von Morgen verbrennen ließen ohne Gefahr für die Landbewohner, da deren Häuser selten in Kornfeldern gelegen seien.
Die Nahrungsmittelnot in England.
(WTB.) Bern, 30. April. Der Londoner Korrespondent des „Corpiere della Sera" drahtet, daß England in sechs Wochen Brotkarten einzuführen beabsichtige. Die Maßnahme werde mit der durch die vermehrten Schiffsversenkunaen entstandenen Frachtraumvermin- derung begründet.
Elsässische Stimmen.
Man schreib! uns: Unter dem Titel „Elsässische Volks- stiinmen" hat der Colmarer Garnisonspfarrer Bach ein Heftchen herausgegeben, in dem u. a. Bekenntnisse aus den Briefen von Elsäffern abgedruckt sind, die nun auch als Feldgraue an der Front stehen. Gegenüber manchem Unerfreulichen, das cs aus dem Elsaß zu berichten gab, lesen sich diese schlichten Aeußerungen von Männern aus dem Volk um so wohltuender lind verheißungsvoller. Der einfache, öfter ausgesprochene Wunsch ist zunächst der. die schöne Heimat von den Verwüstungen des Krieges verschont zu sehen. Das Bekenntnis „Wir sind deutsch und wolle» deutsch bleiben" kehrt mehrfach in de» verschiedensten Tonarten wieder, am begeistertsten bei einem Soldaten, der den Vormarsch in Rußland mitmachte: „ ... und soll mir ja keiner von denen, die hinter dem Ofen saßen, etwas gegen das unbesiegbare Deutschland sagen, denn dem wird der Mund gestopft, daß es ihm vergeht, Deutschlands Name zn verlästern. Denn so ein siegreiches Land gegen so viele Feinde sieht in der Welt keines mehr." Ein anderer schreibt: „Ein jeder tut seine Pflicht und opfert seinen letzten Blutstropfen für sein Vaterland. Und so werden wir Sieger sein und auch bleiben bis zum Ende des schrecklichen Krieges. Es ist bemerkenswert, wie lehrreich vielen Elsässern der Einblick in die schlechteren sozialen Verhältnisse des über Gebühr gepriesenen Nachbarlandes im Westen war. „Vielen," schreibt da einer, „die im Krieg in Frankreich herum kamen, sind schon die Angen aiifgegangen. Wie oft schon habe ich gute Elsässer hier sagen hören: „Nein, diese Echlawperei in Frankreich! Wir sind hier in einer Stadt von bam 20 000 Einwohnern, in der ersten Fndustriegegend Frankreichs. Aber welche Rückständigkeit überall, besonders was Sauberkeit, gesundheitliche Einrichtungen. Wasserleitung, Wohnungsverhältniffe, Schulen, Jugenderziehung angcht! Die Arbeiterivohnnligen sind die reinsten Löcher. Die Unbildung ist erschreckend. Dian ist es schon ganz gewöhnt, daß man nicht bloß von alten, sondern auch sehr oft von jungen Leuten zu hören bekommt: jene ?n>3 ni I e> ,ni öarne „Ja bi de Franzose!" Und nach einer ähnlichen Betrachtung auf Grund des kriegerischen Anschauungsunterrichtes schreibt ein Lohnarbeiter: „Mir würde cs offen gestanden herzlich leid tun, sran- zösisch zu werden." Ein alter elsässischcr Landstiirmler aber bekennt offen: „Wir waren sechseinhalb Monate in Belgien, zehn Tage im Norden von Frankreich, drei Monate in Goü zicn und seit diesem Monat hier in Rußland... Das können wir sagen, wir alten Landstiirmler, wir haben aus alien unie cn Märsche» n»d Fahrten gesehen, daß es nur ein Dculschtano gibt.'