Nr. 98.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

92. Jahrgang.

Samstag, den 28. April 1817

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Eine östreichische Erklärung an Rußland.

Die Zentralmächte und Rußland. Die Kriegsziele der Alliierten.

Wir haben gestern schon kurz die Erklärung des Wiener Fremdenblatt" besvrochen, des offiziösen Or­gans der österreich-ungarischen Regierung, in welcher festgestellt wird, daß die österreich-ungarische Monarchie durchaus keine agressiven Pläne gegen Nusjland habe und auch nicht beabsichtige, ihr Gebiet aus dessen Kosten zu erweitern. Die Erklärung ist die Antwort auf die internationale Korrespondenz" der österreichischen Sozialisten, die die Negierung aufgefordert hatte, offi­ziell zu erkläre», daß sie auf Annexionen verzichte. Diese Erklärung ist also jetzt erfolgt. Zugleich aber stellt das Organ der Negierung fest, daß in dieser Stellung­nahme der österreich-ungarischen Negierung kein Zeichen von Schwächegefühl erblickt werden dürfe. Oesterreich-Ungarn habe stets betont, daß es einen Ver­teidigungskrieg führe, und ihn solange fortsctze, bis seine zukünftige Existenz gesichert sei. Die offiziöse Kundgebung aus Wien scheint uns nur ein weiterer Schritt in der Richtung der Erklärungen der Vierbnnd- mächte zu sein, in welchen diese sich bereit erklären, mit Rußland einen Frieden zu schließen, der für leide Teile vom Standpunkt der nationalen Ehre und Würde an­nehmbar sei. Die rechts gerichtete Presse in Deutschland ist nun über die Wiener Kundgebung sehr ungehalten, lind macht sich in den dicksten Vorwürfen Lust, wobei sie den Standpunkt vertritt, daß man darin ein gegen den Geist des Bündnisses verstoßendes Vorgehen der österreichischen Regierung zu erblicken habe, daß die Er­klärung als Ausdruck der Schwäche aufgefaßt werden könne, und daß die Wiener Regierung damit auch die Stellring Deutschlands gegenüber Rußland in der Kriegszielsrage schwierig gestaltet habe. (Ein würt tembergisches Blatt spricht sogar von einer» Eingriff in die Befugnisse der deutschen Regierung.) Unserer Mei nung nach dürsten die Befürchtungen dieses Teils der Presse, deren Aeußcrungen im vaterländischen Inter­esse wohlaemerkt verständlich erscheinen, nicht gerecht fertigt sein. Derartige hochoffizielle Aenßerungen pflegen vorher unter Verbündeten besprochen zu werden. Wenn aber Oestereich-Ungarn erklärt, es beabsichtige keine Gebietsabtretungen gegenüber Rußland zu for­dern, so braucht daraus noch lange nicht geschlossen zu werden, daß es nun auf Entschädigungen jeglicher Art und Richtung Verzicbt leisten will. Wie die Lstereichischc Negierung sich die Sicherung der nationalen Existcrrz ihres Landes denkt, darüber können wir ihr doch wahr­haftig keine Vorschriften machen, so wenig wir von ihr vielleicht positive Ratschläge bezüglich der Notwendig­keit der Sicherung unserer Grenzen in Ost und West annehmen würden Die Erklärung besagt aber doch noch lange nicht, daß nun auch Dcutschlsnd auf alle berechtig­ten Forderungen gegenüber Rußland verzichten müsse, abgesehen von der Polenfrage, die unter den drei Staa­ten geregelt werden könnte. Also derartige Bedenken in nnserein nationalen Interesse erscheinen uns bis jetzt nicht gerechtfertigt.

Wir wollen uns doch darüber klar sein, die Vier­bundmächte haben ihr Kriegsziel, die siegreiche Abwen­dung des Angriffs der Alliierten auf ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit erreicht, ihnen erscheint die Wetterführung dieses Krieges als nutzlos, warum sollen sie also nicht einem der Gegner, dessen Kriegsziel­kundgebungen eine Verständigungsmcglichkeit bieten, entgegenkommen, um die Alliierten, deren Kriegs­willen sehr viel von der Mitwirkung dieses Bundesge­nossen abhängt. Friedensoerhandlungen geneigter zu machen. Die Verfolgung eine» solchen Bestrebens läßt

13 Milliarden Kriegsanleihe

(WTB.) Berlin, 27. April. Im Hauptausschuß des Reichstags machte vor Eintritt in die Tagesordnung der Nachmittagssitzung der Staatssekretär des Neichs- schatzamtes. Graf von Rödern, folgende Angaben über die Ergebnisse der 6. Kriegsanleihe: Das Zeichnungs- ergebuis hat sich bis heute erhöht auf 12 878 819 7VÜ Da die Frist für Feldzeichnungen noch bis Mitte Mai läuft, unterliegt es für mich keinem Zweifel, daß bei der 6. Kriegsanleihe die gewaltige Summe von 13 Milliarden erreicht wird. Was diese Summe angesichts der Tatsache, daß bereits fünf Anleihen vorausgegan­gen sind, und daß die letzte Zehn-Milliardenanleihe nur 8 Monate hinter uns liegt, bedeutet, das wird den Finanzkreisen^des Inlandes, aber doch wobl auch des Auslandes klar sein. Für alle sechs Anleihen ergibt sich jetzt ein Gesamtzeichnungsergebnis von rnnd 8» 195 2V» 80V .ll. _

doch noch alle Sicherungsmöglichketeu im Interesse der Zukunft der Vierbundstaatcn, und insbesondere natür­lich auch Deutschlands, offen. Der springende Punkt in der ganzen Frage aber ist doch der, welches Ergebnis die Auseinandersetzungen der beiden sich bekämpfenden Richtungen in Rußland haben werde», ob die entente- freundlichen Kriegshetzer die Oberhand erhalten, oder die Vertreter der sozialistischen Anschauung, die einem ausgleichendcn Frieden geneigt sind. Miljukow, der Minister des Beußern, hat als Geschäftsführer Eng­lands neuerlich wieder recht hübsche Bemerkungen über die Kriegsziele der Entente im allgemeinen und die­jenigen Rußlarrds im Besondere» gemacht, ein Zeichen, daß die Liberalen ihre Erobcrungsgedanken noch nicht aufgegeben haben. Miljukow sagte, eine weitreichende Autonomie für die österreichischen Slavcn könne Ruß­land nicht bcfriedgen, nur ihre Unabhängigkeit könne das Problem lösen. Was die Meerengenfrage anbe- 'anqt, so meint er. die Internationalisierung könne Rußland wohl in Bezug auf den Handelsverkehr aner­kennen, es müsse aber auf feinemRecht" (was für einem?) bestehen, die Meerengen für fremde Kriegs­schiffe zu schließen und das sei nur möglich, wenn Ruß­land die Meerengen besitzt und sie befestigt. Bezüglich der daraus entstehenden Frage des durchgehenden Eisenbahnverkehrs über Konstantinopel nach dem Orient erklärte Miljukow, die Alliierten seien auf der Pariser Wirtschastskonfercnz übereingekommen, daß nach dem Kriege der Handelsverkehr der Zentralmäckfte erschwert werden muffe. Miljukow meinte auch, Ame­rika werde keinen Widerspruch gegen die Besetzung Kon­stantinopels erheben. Also Krieg nach dem Krieg! Zur vollständigen wirtschaftlichen Abschnürung der Mittel­mächte soll Konstantinopcl in russische Hände kommen, und zwecks Abschneidung des überseeischen Verkehrs nach dem Krieg mußte Wilson den Krieg erklären, um Nord-Amerika unter möglichster Mitwirkung Süd­amerikas in den künftigen Wirtschastskampf herein- ziehcn zu können.

So haben sich kürzlich auch die Vertreter der feindlichen Weltmächte in Savoyen über ihre Kriegsziele geeinigt, na mentlich bezüglich des türkischen Gebiets. England nahm Pa­lästina und Mesopotamien für sich in Anspruch, Italien >o'.l das klcinasiatische Gebiet im Raum von Smyrna erhalten, Frankreich Syrien. Das sind die Ansprüche derBefreier" der Völker. Mir sehen also, cs gilt alle Kraft zusammen zu nehmen, um der Entente ihre Raubinstiutle auszutreiben, und wenn wir also dazu beitragen können, datz in Rutzland die sriedensfteundlichc Strömung Oberwasser bekommt, wa­rum sollen wir das nicht im Interesse der Kriegsbccndigur.g tun! O. L.

Die Lage aus deu KrieMmPlätzcil.

Die deutsche amtliche Meldung

Ein englischer Borstoß südöstlich Arras abgewief-u.

Vorbereitender Artilleriekamps für neue fcindl che Angriffe an der Aisne.

(WTB.) Großes Hauptquartier, 27. April. (Amt­lich.) Front des Eeneralfeldmarschalls Kro. riuz Rupprecht von Bayern: Auf den Schlachtsc dcrir von Arras hat die Bekämpfung der Artillerien sich in breiter Front gestern abend wieder gesteigert, dabei wirkte die unsere westlich von Lens auch gegen erkannte Bereitstellungen feindlicher Infanterie. Südlich der Scarpe griffen die Engländer rittlings der Straße Ar­rasEambrai an. Sie wurde« Lurch Feuer und Nah­kampf verlustreich abgewiesen.

Front des Deutschen Kronprinzen: All­mählich nimmt längs der Aisne und in der Champagne der Artilleriekampf wieder größere Heftigkeit au. Jn- fanteriekiimpfe am Chemin des Dames brachte» uns Gewinne an Boden und Gefangenen.

Front des Generalfeldmarschalls Herzog Albrecht von Württemberg: Nichts Neues.

Oestlicher Kriegsschauplatz: Die Lage ist unverändert.

Mazedonische Front: Südwestlich des Doi- ransees setzten die Engländer ihre Angriffstätigkeit in Vorstößen gegen die bulgarischen Stellungen ohne Er­folg fort.

Im Westen verloren de Gegner 11 Flugzeuge, da­von 9 in Luftkc >fen und 2 Fesselballone. Leutnant Wolfs blieb zum 21. mal Sieger im Lufttampf. Am 25. April wurden zwischen Wardar und Doiranse« von einem unserer Geschwader 2 englische Flugzeuge zum Absturz gebracht

Der erste Generalouartier meister Lndendorsk.

Die gestrige Abendmelduug.

(WTB.) Berlin. 27. April. Abends. Amtlich wird mitgeteilt: An der Arrasfront hält in einzelnen Ab­schnitten das starke Feuer an. Ein erneuter englischer Angriss an der Straße ArrasTambrai ist verlustreich gescheitert. Längs der Aisne und in der Champagne starker Artilleriekompf.

Auch der 1. Schlachttag südöstlich Arras ohne Erfolg für die Engländer.

(LLTB.) Berlin, 27. April. Wie am dritten Tage der Schlacht bei Arras, so vermochte der durch seine blutige» Verluste erschöpfte Gegner auch am vierten Cchlachttage größere Anstrengungen nicht zu unternehmen. Die ihm von den deutschen Verteidigern aufgezwringene Kampfpause hielt auch am gestrigen Tage fast an allen Abschnitten der Kampf­front an. Der Artilleriekamps tobte indessen an manche» Stellen mit der alten Heftigkeit weiter. Besonders kräftig war das englische Feuer östlich Loos und auf dem Nord- flügcl der Kampffront zwischen Lens und Scarpe, wo es mit besonderer Heftigkeit auf unseren Stellungen westlich von Arlcux ciwa in der Mitte von Scarpe und Lens lag. An diesem Frontabschnitt steigerte sich gegen Abend das eng­lische Feuer zu gröhcrer Stärke, in der es auch nachts über anhiclt. Südlich der Scarpe war das feindliche Feuer zeit­weilig matt. Nur gegen Abend setzte es mit größte: Lebhaf­tigkeit ein und wuchs vom Vachtal bis Oitöant zu großer Heftigkeit an. Nach außerordentlich wütendem Trommel­feuer, auch schwerer Kaliber, versuchten die Engländer an deni gleichen Frontabschnitt, wo sich ihre Divisionen an den vorhergehenden Tagen ohne jedes Ergebnis verblutet hat­ten, beiderseits der Straße ArrasEambrai einen starken hartnäckig vorgetragenen Angriff, der indessen dasselb«