Die russische Revolution. Amerika.

Heber die Entwicklung der russischen Revolution liegen noch immer keine bestimmten Nachrichten vor, ans denen zu schließen wäre, ob die neue Regierung nun endgültig festen Fuß gefaßt hat. Die letzten Meldungen Uber den Beschluß des revolutionären sozialistischen Arbeiter- und Soldaten­ausschusses, die Arbeit wieder in allen Fabriken aufzuneh­men, würden darauf hindeuten, daß es schließlich zu einem Vergleich zwischen der neuen Regierung und den Radikalen gekommen ist, in welchem doch sicherlich der Anschauung der Arbeitervertreter Zugeständnisse, und zwar wohl haupt­sächlich in der Friedensfrage geinacht werden mußten. Ob die Versprechungen gehalten werden, ist natürlich eine an­dere Frage. Man wird eben einmal die Massen zur Ruhe bringen wollen, um sie dann umso besser in die Gewalt zu bekommen. Daß übrigens selbst die Alliierten die neue Re­gierung offiziell, d. h. durch eine entsprechende Erklärung ihrer in Rußland beglaubigten diplomatischen Vertretungen noch nicht anerkannt haben, das geht aus einer Mitteilung der »Times" hervor, daß anläßlich der offiziellen Erklärung der neuen Petersburger Regierung über die Abdankung des Zaren und die Uebernahme der Leitung der Staatsgeschnfte durch die provisorische Regierung der englische Gesandte Buchenau als Sprecher der Vertreter der alliierten Länder dem Minister des Auswärtigen, Miljukow geantwortet habe, er freue sich, persönlich« Beziehungen zu Miljukow an- tnüpfen zu können. Das bedeutet auch nach der Auffassung derTimes", daß die Alliierten wohl tatsächlich die neue Re­gierung anerkennen, aber vom formellen Standpunkt aus noch Bedenken tragen, ihre Anerkennung auszusprechcn. In Uebersetzung des diplomatischen Stils heißt das, die Alliier­ten wollen sich noch ein Hintertürchen auflassen für den Fall, daß die Revolution doch noch einen ander» Ausgang nehmen würde. Also so ganz sicher scheinen die Alliierten bezüglich des Sieges des neuen Regimes in Rußland doch nicht zu sein. Wie geflissentlich übrigens die feindliche Presse mit allen Mitteln versucht, die Ereignisse in Rußland zu ihren Gunsten auszunützen, das geht aus der groben Fälschung hervor, die die amtlichen Korrespondenzbüros von England, Frankreich und Italien an dem Text des Zirkulartele­gramms Miljukows an die Dertreter Rußlands vorgenom­men haben. In dar Telegramm wurde ein Satz «ingeslochten, in dem der Wille der neue« Regierung ausgedriickt wird, de« Kampf bis zum Ende durchzufuhren. Die Fälschung wurde sofort aufgedeckt, und von deutscher Seite natürlich entsprechend beurteilt. Diese peinliche Enthüllung führte nun die feindliche Presse naturgemäß zu einer zweiten Lüge, in­dem sie behauptete, die Schweizer Presse, die ebenso wie die deutsche Presse den Satz betreffs die Weiterführung des Krieges nicht gebracht hatte, habe eben vom Wollffbüreau das Telegramm übernommen und dieses habe absichtlich den betreffenden Satz gestrichen. Das Wolffbürcau war aber in der Lage, diese Unwahrheit sofort richtig zu stellen mit dem Hinweis darauf, daß nicht nur dieoffiziöse Schweizerische Depeschenagentur" sondern auch die schwedische Presse, von wo russische Meldungen nach Deutschland gelangen, die Er­klärung ohne den Kriegssatz gebracht hatten, und die Schweiz ebenso wie Schweden beziehen ihre Nachrichten direkt aus Petersburg. Die Sache ist nicht wegen der schon oft festge­stellten Lügen der Ententepresse wichtig, sondern aus dem Grunde, weil die feindlichen Westmächte zwecks Aufrechter­haltung der Kriegsstimmung ihren Völkern unter allen Um­ständen die andauernde Kriegsfreundlichkeit der neuen Machthaber in Rußland beweisen wollen. Daß dieser Satz tatsächlich nicht in der Erklärung gestanden ist, wäre dann bemerkenswert, wenn Miljukow nicht etwa zwei Ausfer­tigungen gemacht hat. die eine an die Alliierten, die andere an die Neutralen, was aber nicht anzunehmen ist.

Bezüglich Amerika lauten die Nachrichten von Tag zu Tag kriegerischer. Die heutige Meldung von der Torpedie­rung eines amerikanischen Petroleumdampfers von Phila­delphia nach Rotterdain, also einem neutralen Hafen, dürfte vielleicht den gewünschtenFall" für Wilson liefern. Wenn die Torpedierung im Sperrgebiet erfolgt ist. so war der Dampfer gewarnt, er hat also das Risiko selbst zu tragen gehabt. Aber bekanntlich erkennt die amerikanische Re­gierung das Recht der Seesperre feindlichen Gebiets nur den Engländern zu. Nach den deutschen Häfen wurden auf die Blockadeerklärungen Englands keine Versuchs­dampfer geschickt. Auch den in der Londoner Deklaration vorgesehenen deutschen Vorschlag der Begleitung amerikani­scher Passagier- und Handelsdampfer, die selbstverständ­lich aber keine Bannware führen dürfen, durch amerikani­sche Kriegsschiffe hat Wilson abgelehnt, während er jetzt sich anschickt, die amerikanischen Handelsdampfer nach den En­tentehäfen zu bewaffnen und von Kriegsschiffen begleiten zu lasse». Es hat natürlich keinen Zweck, auf solche vernunft­gemäße Art die Neutralität der Washingtoner Regierung zu kennzeichnen, die Haltung Wilsons ist eben noch nie neutral gewesen, und deswegen ist jetzt auch die deutsche Regierung unter Berücksichtigung aller möglichen Folgen entschlossen, das frivole Spiel Amerikas zu durchkreuzen. 0. S.

Amerika.

EinFall" für Amerika.

(WTB.) Terschelling, 2g. März. Der amerikanische DampferHealtdon" wurde am 21. März um 0.2V Uhr abends bei der Doggerbank torpediert. Es wurden drei

Boote zu Wasser gekästen, wovon eins mit 8 Man», da runter ein Schweroerwuudeter, von einem Torpedoboot ein­gebracht wurde. Ein Mitglied der Besatzung ist unterwegs gestorben. Von den andern Booten weiß man nichts. Es sind vermutlich 14 Mann bei einer Kessclexplosion umge­kommen.

(WTB.) Ymuide«, 23. März. (Niederlünd. Tel.-Ag.) Der DampftrawlerJava" aus Blaardingen hat 23 Schiff­brüchige von dem amerikanischen DampferHealdton" ge­landet, der von Philiadelphia nach Rotterdam mit KlM Tonne« Petroleum unterwegs war. Der Dampfer ist durch et» deutscher Unterseeboot in Brand geschossen worden. Von der 41 Mann zählenden Besatzung sich 21 wahrscheinlich er­trunken, 1!» weil dar Boot, in dem sie das Schiff verließen, kenterte, und 2, well sie über Bord sprangen.

(WTB.) Haag, 23. März. Das Korrespondenzbureau erfährt, daß in Terschelling ein Boot mit 7 Schiffbrüchigen des in Grund gebohrten amerikanischen DampfersHeald­ton" angekonimen ist.

Amerikas Unterstützung der Alliierte».

Berlin, 23. März. DemBerliner Tageblatt" zu folge berichtet dasAllgemeen Handelsblad" aus London, Amerika wollte nicht nur durch Schiffsbau, sonder» auch durch große Lebensmittel- nnd Muni­tionstrausporte nach Europa de» Alliierten Helsen. Man nehme auch an. daß Wilson den Alliierten finanziell helfen wolle. Der Kongreß solle den Alli­ierten einen Kredit unter einfacher Bürgschaft Eng­lands und Frankreichs gebet». Unterstützungen solcher Art erhaltet! die Alliierten doch schon seit Be­ginn des Krieges.

Verdächtigung von Deutsch-Amerikanern.

(WTB.) Hartford (Connecticut). 22. März. (Reuter.) Die meisten atlantischen Ilferstaaten be­willigten bereits Gelder für die Verteidigung gegen jeden möglichen Angriff. Der Gouvernur Holcoint erklärte, die darauf bezügliche Gesetzgebung würde beschleunigt, da man die Nachricht erhalten habe, das; sich in Connecticut Leute aufhielten, deren Feindschaft sich im Falte eines Krieges bemerkbar machen würde. Es werde nachts exerziert, aber nicht im Interesse der Vereinigten Staaten. A»uh mit den in den Munitionswerken beschäftigten Leuten würde man im Kriegsfälle Schwierigkeiten haben.

Die amerikanische» Vorbereitungen.

Berlin. 23. Mürz. LautBerliner Lokalan­zeiger" meldet derMatin" aus Washington, die Zahl der bestellten Unterfeebootsjäger werde auf 200 erhöht. Die Kriegsmatrosen sollen um 30 000 Mann vermehrt werden. Die Patrouillenfahrten im At­lantischen Ozean sollen ehestens beginnen.

Zurückhaltung amerikanischen Getreides wegen des U-Bootkriegs.

(WTB.) Berlin. 22. März. Nach dem Korn­marktbericht der ZeitungSole" wurde in der zwei­ten Finanzwoche aus den atlantischen Häfen Nord­amerikas 788 000 Bushels Getreide weniger ausge­führt, als in der ersten Märzwoche. DerSole" er­klärt dieseil Rückgang damit, das; sich die Bewaff­nung der vielen Schiffe, die als Eegenmatzregeln er­griffen worden ist. nicht improvisieren lasse.

Wilson noch nicht scharf genug.

Berlin, 23. März. Wie demBerliner Tage­blatt" aus Rotterdam mitgeteilt wird, lässt sich der Temps" aus Washington melden, daß Präsident Wilson jetzt in der amerikanischen Presse heftiger angegriffen werde als jemals seit Beginn seiner Regierung. Demokratische Blätter fragten, wie lange die Union sich noch erniedrigen werde, indem sie der Politik der hohlen Phrasen und des Zögerns folge._

Vermischte Nachrichten.

England und die Folgen des U-Bootkrieges.

(WTB.) Amsterdam. 22. März. In der Sitzung des englischen Unterhauses vom 14. März erinnerte der Schatzkanzler Vonar Law an die Beantwortung einer Anfrage des Wgeordneten Faber nach dem wirklichen Stand der Lobensmittelfragen an die Er­klärungen des Premierministers vom 23. Februar, in denen dieser das Haus und das Land aufgefordert hatte, sich zu vergegenwärtigen, daß es im Interesse der Sicherheit der Nation unbedingt notwendig sei, die Lebensmittelerzeugung zu erhöhen und den Ver­brauch der wichtigsten Nahrungsmittel aufs äußerste zu beschränken. Faber fragte, ob die Bevölkerung sich nur beim Genuß von Brot, Fleisch und Zucker Ent­haltsamkeit auferlegen »misse, oder ob sie für sämt­liche Nahrungsmittel notwendig sei. Darauf ant­wortete der Schatz kanzl er: Ich gebe zu, daß die Lage so ist, daß in jeder Hinsicht gespart werden sollte. In einer Versammlung der Lebensmittelkleinhänd­ler in London wurde festgesteltt. daß für die nächsten 18 Wochen nur mehr ein halbes Pfund Kartoffeln pro Person und Woche im Lande vorhanden ist. Das Handelsamt veröffentlicht Zahlen, aus denen her­

vorgeht, daß die Leöensmittelpreise durchschnittlich seit Juli 1914 um 92 Prozent gestiegen sind. Der Preis für Kartoffeln hat sich im letzten Jahre mehr als verdoppelt und Käse und Eier waren am 1. März 1917 um 48 Prozent teurer als am 1. Mürz 1916.

Die englisch« Erpressungspolitik gegenüber b«n Neutralen.

(WTB.) Lhristiania. 2» März. LautMorgenbiaoet" erwägt die norwegische Kriegsversicherung mit Rücksicht auf die zahlreichen Schiffsversenkungen der letzten Zelt eine be­deutende Prämienerhöhung.Verdensgang" bringt einen scharfen Artikel über die englischen Versuch«, sich Tonnage zu verschaffen. Die norwegische» Reeder, welcht Schiffe in den gefahrlosen Berkehr nach Amerika oder Ostasie« einstellen wollten, sollten als Entgelt einen andere« Teil ihrer Ton­nage in den europäische« Verkehr sehe» unter Androhung, daß sie im Falle der Weigerung auf die schwarze Liste ge­setzt würden.

Zeitungsjtreit in Berlin.

* In der gestrigen Sitzung des Reichstags wurde auge­fragt, warum 5 große Berliner Zeitungen die vorgestrige große Etatsrede des Staatssekretärs des Inner», Dr. Hels- frrich nicht gebracht hätten. Der Staatssekretär der Inner» erwiderte, daß die Knappheit an Zeitungspapier zu einer Kontingentierung desselben geführt habe, wobei nicht alle Wünsche hätten berücksichtigt werden können. Die Papicr- wirtschaftsstelle sei jedoch nicht engherzig verfahren. Von zwei der in Frage kommenden Blätter sei ein Mehrbedarf angemeldet worden, von den andern nicht. Von den Ver­tretern aller Parteien wurde das Verhalten der Zeitungen streng mißbilligt, und man muß jagen, die Zeitungen hätten zweifellos einen anderen Weg finden können, um ihrem Protest wegen nicht genügender Papierzuweisung Ausdruck zu geben. Die Angelegenheit ist umso bedauerlicher, als die angeführte Rede des Staatssekretärs bedeutsame Ausfüh­rungen über die Notwendigkeit der Zusammenfassung aller Kräfte im Innern inachte, aber auch über die Leistungen des deutschen Volkes in der Heimat.

Aus Stadt und Land.

Calw, den 23. März 1917.

Schultheiß Weber von Ernstmiihl f.

Heute früh ist nach kurzer Krankheit Schultheiß Webe« von Ernstmühl hochbetagt verstorben, nachdem er 37 Jahr« das Amt des Ortsvorstehers und vorher 12 Jahre lang das des Eemeindepflegers der hiesigen Gemeinde in Treue ver­sehen hat. Ehre seinem Andenken!

Vom Rathaus.

* Zn Vegiim seiner gestrigen Sitzung erledigte der Ee- mrindcrat verschiedene der Ortsarmenbehörde zufallende Geschäfte in Airwesenheit von Dekan Zeller. Den von der Stadt in der Rettungsanstalt Stammheim untergebrachten Kindenr wurde ein Konfirmandenbeitrag von je 75 Mark gewährt. Die Schuhfiirsorge Pforzheim, die sich im Hin­blick auf die steigenden Schuhpreise und den Leder- und son< stigen Rohmaterialmangel mit der Beschaffung von'billigen Zeugschuhen beschäftigt, hat dem hiesigen Hilfsausschuß die Zuweisung einer Lehrkraft «geboten, welche arbeitslos« Frauen in einem Kurs in der Herstellung solcher Schuhe aus Ansuchen (alte Ledertaschen, alte Hüte, Kleiderstoffe, Stroh usw.) unterrichten würde. Das Kollegium beschloß, der Sache näher zu treten. Der Hilfsausschuß hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, an den Gemeinderat den Antrag zu stel­len, den bedürftigen Familien Lebensmittel zu billigeren Preisen zu beschaffen. Zur Regelung dieser Frage sollen ein­mal probeweise dem Hiesigei, Frauenkranz, der durch eine Organisation in sämtliche» Stadtbezirken Einsicht in die Verhältnisse bedürftiger Familien hat, 566 ,» zur Verfügung gestellt werden zwecks Anschaffung von Lebensmitteln. Es kam dabei zu», Ausdruck, mau möchte auch speziell die ver­schämten Armen berücksichtigen. Auch soll über die Verwen­dung der Summe Rechnung abgelegt werden. Die nächste Hausjammlung soll am 3. Mai stattfindc». Wie bekannt, müssen die Eigentümer von größeren Kartoffelvorräten, als sie auf den Kopf der Familie nach de» neuen Bestimmungen haben dürfen, den Ueberschuß an die Stadt abliefern. Es handelt sich nach den Feststellungen vom 1. März um 467 Zentner, die abzuliefern wären. Das Kollegium beschloß, 6 für den Zentner zu bezahlen, da die Kartoffeln wahr­scheinlich zu diesem Preis erstanden worden sind, und auch überall ein entsprechender Abgang cinzurechnen ist. E.R. Bäuchle machte darauf aufmerksam, daß z. Z. wieder die Kohlenzufuhr ungenügend ist. Die Wintervorräte seien wohl meistens aufgebraucht, und cs erhebe sich die Frage, ob die Stadt nicht für größere Zufuhr sorge» könne. Der Vorsitzende antwortete, die hiesigen Händler hätten bisher immer ge­nügend Kohle» beschafft, die Kohlenknappheit dürfte wohl mit der Zeit anfhören, und somit den Einwohnern Gelegen­heit gegeben werden, ihre Vorräte wie sonst zu beschaffen. Der Koksanfall des Gaswerks sei sehr gering. Die Koks- anefuhr wurde dieses Jahr au Fuhrmann Schelling ver­geben, der diesmal 18 "4 statt 15 im Vorjahr für den Zent­ner verlangt. Das städtisch« Fuhrwesen (Kehrichtabfuhr, Latrine!,abfuhr usw.) wurde dieses Jahr dem Fuhrmann Weih. Lederstraße, übertragen, und zwar für 2 ,tt 26 '-L