samt und sonders über die englische Gesandtschaft gehen. Ein guter Kenner der Verhältnisse schilderte unlängst die Lage, wie sie sich während des Krieges entwickelt hat, folgendernnchen:England beabsich­tigt heute. Rußlands finanzielle und militärische Lage völlig in seine Gewalt zu bekommen. Es hat bereits die Bezahlung der aus dem Auslande kom­mendeg Munition verbürgt. Die Munition wird tn Archangelsk und Wladiwostok von einer englischen Kommission abgenommen. Auch an leitenden Stel­len in den Departements und bei den größten Bahngesellschaften befinden sich Engländer. Alles unter englischer Aufsicht! Für die Amerika und Ja­pan gegenüber übernommene Bürgschaft der Bezah­lung der an Rußland gelieferten Munition hat Ruß­land den dritten Teil des in der Reichsbank liegen­den ruffischen Goldes nach England befördern, sowie ferner einen Teil der Güter des Staats und des Zaren verpfänden müssen, in erster Linie die großen Platingruben im Ural, sowie Gold- und Silber- gruben. Ferner wurden verpfändet die Einkünfte der größten Bahnen."

Frankreich und die neue Regierung.

(WTB.) Paris, 20. März. (Agence Havas.) Briaud antwortete auf die Botschaft Miljukows durch ein Tele­gramm, in dem er den Empfang dieser Mitteilung bestätigt und Wünsche für das Glück und die Grütze Nutzlands aus­spricht. Briand erklärt, er sei überzeugt, daß die Bande, die die alliierten Mächte verknüpfen, täglich inniger und enger würden und er sei sicher, daß diese Mächte, die seit beinahe drei Jahren kämpfen, damit die Grundsätze der Freiheit und des Rechts, auf denen die Unabhängigkeit der Völker beruhe, in der Welt triumphierten, ihren Kampf ohne Waffenstill­stand oder Schwäche bis zum Endsieg fortsetzen würden.

Die russische Revolution.

Jur Haltung Amerikas.

Dem Außenstehenden erscheinen angesichts der Unzahl neuer Meldungen von vollständig verschiede­nem Charakter die neuen Verhältnisse als ein Chaos, von dein man noch nicht weiß, wie es sich im Wirbel der Ereignisse entwirren wird. Es ist klar, daß die neue Regierung sich nach außen den Anschein gibt, als beherrsche sie heute schon völlig die Lage, und die Entente unterstützt diese Haltung natürlich in ihrem eigeiren Interesse, indem sie die Revolu-- tionsregierung als rechtmäßiges Regierungsorgan anerkennt. Hervö. das politische Chamälion. der sich vom radikalsten Antimilitaristen zum schärfsten Nationalisten verwandelt hat. gibt der Freude seiner französischen Landsleute Ausdruck, indem er ausruft' Man könnte verrückt werden vor Freude. Was sind Verdun, die dser. die Marne gegenüber dem un­ermeßlichen moralischen Sieg, den die Alliierten in Petersburg errungen haben!" Also auch in Frank­reich gesteht man wie in England offen, daß die Re­volution von der Entente angezettelt worden ist. Die neue russische Regierung hat sich ihrem Ver­tretern im Ausland durch ein Telegramm vorge­stellt. in denr sie den Fall des alte» politischen Re­gimes bekannt gibt, das klüglich vor der durch seine Sorglosigkeit, seine Mißbräche und seinen Mangel dn Voraussicht hervorgerufenenVolksentrüstung" zusammengebrochen sei. Der Kaiser habe für sich und seinen Sohn zugunsten des Großfürsten.Michael Alexandrowitsch auf den Thron verzichtet, und die­ser wiederum habe seinerseits auf die höchste Ge­walt verzichtet, und sie nur übernommen, bis zu dem Augenblick, wo eine konstituierende Versammlung, gebildet auf der Grundlage ins allgemeinen Wahl­rechts. die Form der Regierung und die neuen Grundgesetze Rußlands festgestellt haben wird. Mit andern Aborten, der neue Regent ist eine Puppe, die Regierung aber hat die vollziehende Gewalt. Die Regierung verspricht dann, im Augenblick der schwerste» inneren und äußeren Krisis in der Ge­schichte Rußlands sich zu bemühen, den niederdrücken­den Fehlern der Vergangenheit abzuhelsen, und die internationalen Verpflichtungen Rußlands zu ehren, also die eingegangenen Bündnisse aufrecht zu erhal­ten. Natürlich fehlt es auch nicht an schönen Worten für die Neutralen. Es wird gesagt, die neue Regie­rung werde sich leiten lassen von den demokratischen Grundsätzen der Achtung, die man kleinen und gro­ßen Völkern schuldet und der Freiheit ihrer Ent­wicklung. Das ist natürlich in erster Linie auf Schwe­den berechnet, das aber an den russischen Plänen auf Konstantinopel sehen wird, was es mit den Idealen dieser neuen Regierung auf sich hat. So fest, wie man sich den Anschein nach außen zu geben be­müht, scheint übrigens die neue Regierung doch nicht zu sitzen. Und zwar soll der neuen Macht von zwei Seiten Gefahr drohen. Einmal durch die radikalen Arbeiterorganisationen, die zwar zum Sturz der reaktionären Regierung bereit waren, aber anderer-

Amtliche Bekanntmachungen.

Unfallversicherung.

Mit Bezug auf die Bekanntmachung vom 22. Januar 1917 Calwer Tagblatt Nr. 19 werden

die Ortsbehördeu für die Arbeiterverficherung darauf aufmerksam gemacht, datz Vordrucke für die Anmel­dung von Gewerbetreibenden zur Detailhandelsberussgenos- senschast von hier bezogen werden können.

Calw, den 19. März 1917.

K. Bersicherungsamt.

Regierungsrat Binder.

seits init der Kriegspolitik der neuen Regierung nicht einverstanden sind, und in politischer Hinsicht noch größere Konzessionen verlangen, und dann stimmt es anscheinend nicht mit den Tatsachen über­ein. daß alle Heerführer zur Revolutionspartei übergegangeu sind. Der Oberbefehlhaber der Nord- acmee, General Rußki. stehe zwar auf Seiten der Revolution, aber General Brussilow, der Oberbe­fehlshaber der Südarmee, gehöre zu den dunkelsten Reaktionären. D>e englische Presse, die wohl immer noch am beste» über die Vorgänge in Rußland un­terrichtet sein dürste, schreibt, es gäbe immer noch Schwierigkeiten mit der Disziplin. Die Extremisten, d. h. die radikalen Sozialisten, hätten in den letzten Tagen viel Unheil gestiftet. Es dürfte sich hier wohl um die Propaganda der Sozialisten im Sinne einer Republik handeln. Es wurden Schriften von einer Kommission von Arbeiterabgeordneten und einer Deputation der Armee an die Soldaten verteilt, die Autorität ihrer Offiziere und der Duma nicht anzuerkennen. und selbst für die Disziplin zu sorgen. Die Wirkung dieser Herausforderung sei sehr ver­hängnisvoll gewesen. Natürlich hat die Regierung, tn der bekanntlich auch der Sozialistenführer Ke­renski sitzt, wenn auch mit der nach außen bescheide­nen Stellung des Justizministers. sogleich Schritte bei den Arbeiterführern getan, um die Folgen dieser Propaganda einzudämmen. Man glaubt, daß die alte Regierung, die mit den Arbeitern in dem Wunsche nach Frieden überetnstimmeu. hinter den Machenschaften stecke. Die radikalen Sozialisten hät­ten an die Zeitungen zügellose Aufrufe gegeben, und »venu diese sie nicht ausgenommen Hütten, hätte das Komitee den Setzern und Druckern verboten, weiter für die Zeitungen zu arbeiten. Man ist natürlich in Ententekreisen über die Absichten der russischen Ra- dikalsozialisteii auf ihre Weise eine Republik zu schaffen, entrüstet, denn dieBefreiung" des russi­schen Volkes ist doch nur dazu erfolgt, damit die rus­sischen Heere den Ententemächten die Kastanien aus dem Feuer holen. Die Gegensätze zwischen den re­gierenden Parteien und den Arbeiterorganisationen scheinen sehr stark zu sein. Meldet doch die englische Presse, daßdie Leidenschaften jetzt so hoch seien, daß man in einem gewissen Augenblick mit der Mög­lichkeit rechnen mußte, daß die wütenden Soldaten, die ganz außer Rand und Band geraten sind, die Mitglieder des Dumakomitees überfallen und er­morden würden." Zweifellos handelt es sich auch um unüberbrückbare Meinungensverschiedenheiten bezüglich der Fortführung des Krieges. Die Solda­ten der revolutionären Regierung sotten übrigens auch geplündert und Gewalttaten aller Art verübt haben. Also so gesäubert scheint die Lust doch nicht zu sein, wie namentlich die englische Presse es dar- zustellen beliebt. Wenn aber zudem auch noch die Gegensätze ins Feldheer getragen werden sollten, was von heute auf morgen passieren kann, so können vielleicht selbst die schärfsten Kriegshetzer der neuen Negierung in eigenem Interesse Bahnen einzu- schlagen genötigt sein, die nicht mit den Absichten derjenigen äußeren Kräfte übereinstimmen, die am Werke waren, zu ihrem Vorteil die russische Revo­lution herbeizuführen.

Die Ereignisse in Rußland haben uns mehr oder weniger von der Betrachtung unserer Beziehungen zu den Bereinig­ten Staaten von Amerika abgebracht. Die amerikanische Re­gierung hat seit dem Abbruch der Beziehungen zu Deutsch­land nach außen hin ihre Stellungnahme dadurch gekenn­zeichnet, daß sie unter Zustimmung der Volksvertretung die Erlaubnis zur Bewaffnung amerikanischer Handelsdampfer gegeben hat, gewissermaßen also die Handelsdampfer zu an- griffsweisem Vorgehen gegen die deutschen Kriegsschiffe her­ausfordert. Weiterhin hat sie gestattet, daß amerikanische Handelsdampfer das von Deutschland bezeichnet- Sperrgebiet befahren, also die Gefahr laufen, torpediert zu werden, was den Konflikt zwischen beiden Ländern zu verschärfen geeignet ist. Dieser Fall ist nun eingetrete», und nach den bisherigen kriegerische» Maßnahmen in Amerika ist anzunehmen, daß wir jetzt auch verschärfte Maßregeln der amerikanischen Regierung zu erwarten haben. Nun, politisch hat sie uns ja schon genügend geschädigt, (siehe China und Südamerika!), und dem etwaigen militärischen Eingreifen werden wir mit Ruhe entgegensehen O. 8.

Vermischte Nachrichten.

Aushebung deutsche«: Rechte in China.

Peking. 18. März. Das Reutersche Bureau mel­det: Unter Zustimmung des Konsularkorps hat die chinesische bewaffnete Polizei die deutscke Konzession in Tientsin besetzt.

Shanohai. 18. März. Das Reutersche Bureau meldet: Chinesische Truppen besebten am Donner--- tag ohne Störung und in Ruhe die deutsche Konzes­sion von Hankau. (Die Konzeffionen bestehen «roch aus der Zeit des Boxeraufstands. Es sind Gebiete, die den Großmächten als direktes eigenes Besitztum pachtweise" überlassen wurde. Die Schriftl. ) Abreise des deutschen Gesandten an« China.

(WTB.) Berlin, 20. März. Aus Haag wird demBer­liner Lokalanzeiger" mitgeteilt: Nach einer Meldung des Daily Telegraph" wurde der deutsche Gesandte in China am Sonnabend in Shanghai erwartet. Er wird jedoch wahr­scheinlich von dort an Bord eines holländischen Dampfers sich nach Java begeben. Um Peking zu verlasse», wurden ihm 18 Stunden Zeit gegeben.

Aus Stadt und Land.

Calw, den 20. März 1917.

Das Eiserne Kreuz.

Leutnant d. L. Beck von llnterreichenbach. bei einer preußischen Pionierabteilung hat das Eiserne' Kreuz erhalten.

Landsturmmann Christian Strienz von Stamm­heim hat das Eiserne Kreuz erhalten.

Gefreiter Martin Seeger, Sohn des Andreas Seeger von Rotenbach, hat das Eiserne Kreuz und die silberne Verdienstmedaille erhalten.

Kriegsverluste des Obcramts Calw.

Aus den preußischen Verlustlisten Nr. 743 bis 744.

Sprenger, Rudolf. 27.5.80, Möttlingen, l. verw. b. d Tr.

Aufnahmeprüfung.

Die Aufnahmeprüfung ins Präparandenssminar Eßlingen hat bestanden Friedrich Luz, Sohn des Bauern Michael Luz in Würzbach.

Zum vaterländischen Hilfsdienst.

Als Stellvertreter für die ständigen Mitglieder ans Arbeitnehmerseite sind für den Schlichtungsaus- schutz des Bezirks Calw bestellt worden Robert Störr von Calw und Fr. Hartmann von Feldrennach, OA. Neuenbürg.

Spar- und Borschußbant.

Die Spar- und Vorschußbank hat am letzten Sonntag im Adler" ihre Generalversammlung abgehalten. Direktor Her»,. Wagner eröffnete die Versammlung und begrüßte die Anwesenden, erstattete sodann Bericht über das Geschäftsjahr 1916. wobei er erwähnte, daß die Bank trotz der schweren Kriegszeit gnt durch da» Jahr gekommen sei. Wenn Lei der Landwirtschaft auch die Menge des Ertrags kleiner gewesen sei wie 1915, so habe sie doch gute Preise erzielt. Da» Hand­werk sei teilweise auch gut beschäftigt gewesen, bei der In dustrie wurde der Betrieb durch gesetzliche Bestimmung- , teilweise eingeschränkt. Die dadurch erwerbslos geworden-, Arbeiter seien durch die Erwerbslosensürsorge entschädigt worden, durch das Hillfsdienstgcsetz werde es möglich sein, diese Kräfte in anderen Betrieben wieder beschäftigen zu kön­nen. In der Bank habe die Seldfliissigkeit in nie geahnte: Höhe angehalten, und doch sei es gelungen, die Gelder nutz, bringend anzulegen. Die Kapitalanlagen und Spargelder haben zugenommen, trotz der starken Beteiligung des Bezirks an den Kriegsanleihen. Die Bilanz sei vorsichtig ausgestellt worden, die Bankleitung habe an der Dividende von 5A fesl- gehalten, wie die meisten wiirtt. Genossenschaftsbanken ge­mäß dem Wunsche des Revisionsverbandes. Der Reingewinn beträgt für das abgelaufene Geschäftsjahr -« 28 876.. An Stelle des erkrankten Kassiers wurde durch den Direktor der Rechenschaftsbericht unter Benennung der Umsätze und Saldi der betr. Conti vorgetragen. Der im Druck erschienene und vorgelegte Bericht gibt nähere Auskunft. Zum ehrenden Ge­denken der verstorbenen und besonders der im Felde gefalle­nen Mitglieder erhoben sich die Versammelten von ihren Sitzen. Für den am Erscheinen verhinderten Vorsitzenden des Aufsichtsrats Herrn E. Staudenmeyer erstattete dessen Stellvertreter Herr Lostenbader Bericht über die vorgenom­menen Prüfungen von Kasse usw. und des Rechnungsab­schlusses, und stellte den Antrag auf Genehmigung der vorge­schlagenen Verwendung des Reingewinns, was debattelos genehmigt wurde. Ebenso wurde die Entlastung des Vor­stands für das Geschäftsjahr 1916 ausgesprochen. Die satz- ungsgeinäß ausscheidenden 3 Vorstandsmitglieder wurden wieder gewählt. Nach Auszahlung der Dividende schloß der Direktor die Versammlung unter Danksagung für die Mit­wirkung der erschienen Mitglieder, und der Bitte, zur Zeich­nung der 6. Kriegsanleihe nach Möglichkeit beizutragen.

Man zeichnet Kriegsanleihe b< i jed. Bank, Kreditgenossenschaft Sr arkaffe Lebensversicherungs- gesellschüft und der Postanstalt.