Wilsons Kriegspolltlk.

Die «»icrikaiiischc Frage.

Wilson hat zwei Botschaften an das Land erlasse». In der einen bedauert er, daß der Kongreß, also die Vertretung des Volkes, nicht in der Lage gewesen sei, das Land zu schützen, oder die grundlegendsten Rechte der Bürger zu wahren. Mehr als 500 Mitglieder von den NI Mitgliedern beider Häuser (Senat und Re­präsentantenhaus, die ungefähr dem französischen Senat und der Kammer entsprechen) seien bereit zum Han­deln gewesen, d. h. also, sie haben sich geneigt gezeigt, Wilson die Vollmachten für feine Kriegspolitik gegen Deutschland zu erteilen. Aber der Senat sei nicht in der Lage gewesen, zu handeln, weil eine kleine Gruppe von 11 Senatoren Obstruktion getrieben habe. Das sei möglich gwesen, weil der Senat keine Regeln habe, durch die die Debatte beschränkt oder beendigt werden könne, oder durch die irgend welche verschleppenden Manöver verhindert werden könnten. Die große Regierung der Vereinigten Staaten sei hilflos und verächtlich gewor­den. Die Geschäftsordnung müsse deshalb so geändert werden, daß der Senat handeln könne, um das Land vor einerKatastrophe" zu bewahren. Wilson hat nun den Senat, der infolge des Widerstands wahrscheinlich der Deutsch-Amerikaner bis zum Schluß seiner ordent­lichen Tagung zu keinem Beschluß bezüglich der Wilson- schen Wünsche auf Vollmachtserteilung und Bewaffnung von Handelsschiffen kommen konnte, zu einer außer­ordentlichen Tagung einberufen, in welcher die Ein­führung eines neuen Punktes in die Geschäftsordnung, durch den die Schließung von Debatten ermöglicht wer­den soll, beschlossen werden soll. In seiner Antrittsbot- schaft steuert Wilson nun direkt aufs Ziel los. Er weist darauf hin, daßman" den Vereinigten Staaten zur See großes Unrecht zugefügt habe. Wer dieserMan" ist, das sagt Wilson natürlich nicht, aber er verteidigt stillschweigend seinen Schützling England damit, daß er sagt, die Regierung habe nicht den Wunsch gehabt, mit Unrecht und Beleidigungen zu antworten, aber den An­spruch auf ein gewisses Mindestmaß von Recht und Frei­heit des Handelns mußte man doch erheben, und deshalb sei man zurbewaffneten Neutralität" übergegangen. Natürlich fehlt es nicht an den widerlichen angelsächsi­schen Redensarten, die wir von dem ehrenwerten Mister Wilson schon gewöhnt sind, daß nämlich Amerika für sich sebst nichts wünsche (als die ungefährdete Lieferung von Kriegsmaterial, damit die Alliierten den Krieg bis ins Endlose fortsetzen können), sondern nur das, was sie für die ganze Menschheit zu fordern bereit wären, nämlich rechtschaffenes Handeln. Gerechtigkeit, in Frei­heit zu leben und Schutz vor organisiertem Unrecht. Wenn Herr Wilson nicht in die englische Dipomaten- schule gegangen wäre, so müßte er auf Grund dieser Richtlinien Deutschland helfen, die Naubabsichten der Entente zu nichts zu machen, die Freiheit der Meere zu erringen, und er müßte seinen Industrie«« die Kriegs­geschäfte mit der Entente verbieten. Aber Herr Wilson hat dafür keinen Blick. Er sieht nur starr nach den deutschen U-Booten, die die vollen Ladungen seiner Kriegslieferanten bedrohen, und diese Befürchtung ist es. die ihn zu der Erklärung veranlaßt, es könne sogar sein, daß Amerika durch Umstände zu einer mehr ak­tiveren Verteidigung seiner Rechte und zu einer unmit­telbaren Teilnahme an dem großen Kamps selbst ge­zwungen werden könnte. Amerika könne nicht zurück. Den Schluß seiner Botschaft verziert Wilson mit Welt­friedensgedanken, deren zynischer Charakter im Hinblick auf seine bewußte Kriegspolitik nur einem politisch so unreifen Volk wie die Amerikaner es sind, verschleiert bleiben kann. Wilson spricht für die Zunkunst folgende Wünsche aus: Die Rüstungen der Völker sollten nur auf die innere Ordnung eines Volkes und die häusliche Sicherheit beschränkt bleiben, dann sagt er aber im sel­ben Atemzug, es solle Pflicht eines jeden Volkes sein, jeden Versuch einer Revolution in andern Ländern streng und wirksam zu unterdrücken. Dabei denkt dieser ehrenwerte Herr zweifellos an Mexiko, das Amerika auf "kiese Weise am besten einstecken könnte. Des Scheines halber tritt er natürlich auch dafür ein, daß die Meere für alle Völker frei sein sollen. Heute allerdings scheint er noch keinen Drang zu fühlen, sich dieses Recht zu er­kämpfen. denn er läßt es bekanntlich ruhig geschehen, daß Kohlen von Amerika nach Norwegen von England einfach nicht durchgelassen werden. Also alle die völker­rechtlichen Grundsätze sollen erst nach dem Krieg in Kraft treten, wenn Amerika es den Engländern ermöglicht hat, ihre Weltherrschaft zu befestigen, und so die beiden angelsächsischen Reiche ihre wirtschaftliche und politische Oberherrschaft durch die andern Mächte garantiert er­halten. Und zu diesem Zweck soll die ganze Welt aufge- boten werden, den» Amerika ist recht eifrig daran, nicht nur die südamerikanischen Staaten, sondern auch noch China in den Krieg mitzureißen, und wenn das gelungen ist, so wird man wahrscheinlich noch dazu über­gehen, die nicht willfährigen europäischen Neutralen durch Aushungerung ebenfalls gefügig zu machen. Man

Muß also sagen, an Großzügigkeit läßt die Politik der angelsächsischen Staate» zur Festigung der Alleinherr­schaft in der Welt nichts zu wünschen übrig. Auch Japan hat man anscheinend durch das bisher beste Mittel der Versprechungen in Bezug auf den Besitz anderer zur Heeresfolge gebracht. Vielleicht ist das freund­schaftliche Verhalten Japans gegenüber Amerika darauf zurückzuführen, daß man sich dahin geeinigt hat, daß Japan in China freie Hand erhält, und Amerika in Mexiko. Dann wäre ja der große Interessenring ge­schlossen, wenigstens vorläufig. Später werden die Ge­gensätze ja wieder in Erscheinung treten, wohl spätestens schon bei den Friedensverhandlungen. Wir aber haben das Vertrauen in unsere militärische und wirtschaftliche Kriegführung und in unsere U-Boote, daß wir bald unsere Feinde zwingen werden, die Grenzen ihrer Macht einzusehen. O. 8.

Mexiko.

Um die Entrüstung in den Bereinigten Staaten über die deutjch-mexikaiiiichc Beschwörung zu verstehen, muß mau sich die Triebkräfte der amerikailischen Politik gegen Land und Volk klarmachen. Solange der geniale Porfirio Diaz Präsident war, wollte es den Amerikaner» nicht gelingen, das Land in wirtschaftliche und politische Abhängigkeit zu bringen. Selbst Mestize, hatte Diaz mit fester Hand das Staatosieuer ein Vierteljahrhuudect geführt, völlig neue und feste Verhältnisse geschaffen. Amerikanischen Agenten ge­lang es dennoch, politische Umtriebe auzuzetteln, die 19l1 zum Sturze Diaz führten. Mit dürren Worten sagte Diaz in einer Botschaft am 22. April 1911, daß die Amerikaner allein die Revolution verursacht hatte», um das Land seiner staatlichen Selbständigkeit zu berauben.

Nach einer kurzen Zwischenzeit wurde im November 191 l der Reöellengeneral Madero als Präsident gewählt, der aber noch weniger als sein energischer Vorgänger Ruhe und Ordnung schaffen konnte. So kam es wieder zu Unruhen im Norden, bei denen der nordamecitanische Einfluß besonders deutlich festgestellt werden konnte, weil unter den gefangenen Aufrührern sich wiederholt Bürger der Union befanden. Prä­sident Madera wurde im Februar 191.1 erschossen: ihm folgte der Rebellengeneral Huerta, der wohl das Zeug zum Dik­tator hatte. Nun setzte die Tragikomödie des amerikanisch- nordamerikanijchen Konfliktes ein. Dis diplomatischen Be­ziehungen wurden nicht nur abgebrochen, die Vereinigten Staaten weigerten sich anch, Huerta als Präsidenten anzu- erkennen, was zuvor z. B. schon von England geschehen war. Ein amerikanisches Geschwader setzte sich in den Gewässern um Mexiko fest, trotzdem Huerta wiederholt die Entfernung verlangte. Wilson sandte im Sommer 1913 einen Ver­trauensmann in der Person des Agenten John Lind, der dem Präsidenten Huerta Helsen sollte, die Ordnung wieder herzustellen, vor allein aber die nordamerikantschen Inter­essen zu sichern. Lind mußte bereits im Oktober unverrich­teter Dinge wieder abziehen. Wenn es auch den Bereinigten Staate» immer wieder gelang, durch die Macht des rollen­den Dollars aufrührerische Bewegungen hervorzurufen, so ist Mexiko selbst für die Union mehr als ein stachliger Kaktus. Die mexikanische Bevölkerung haßt die nordamerikanische Republik, weil sie davon mit Recht überzeugt ist, daß die Eroberung Mexikos den Eingeborenen ein Sklavenschicksal bereiten würde. Das hängt mit der ethnographischen Ent­wicklung zusammen. Die indianische Urbevölkerung wurde zunächst von den Spaniern ausgebeutet und beherrscht. Aber im Ablauf der Jahrhunderte schliffen die schärfsten Gegen­sätze sich ab, zumal sich eine Mischbevölkerung einschob, die Nachkommen der Weißen und Eingeborenen. Allein die Nordamerikaner sehen auf das mexikanische Volk verächtlich herab, stellen sie mit den Schwarzen der Südstaaten auf eine Stufe, ein Gefühl, das von der anderen Seite mit ebensoviel Haß und Verachtung beantwortet wird. Wenn Mexiko von den Umtrieben der »nionistischen Agenten und Dollarjäger frei würde, die die Petrolcumfelder und Silberminen an sich reißen wollen, so stünd ihm eine reiche und glänzende Zu­kunft bevor. Die Vereinigten Staaten von Mexiko umfassen ein Gebiet von fast 2 Millionen Geviertkilometern, in dem eine ziemlich dünne Bevölkerung von 16 Millionen lebt. Da­von sind zwanzig vom Hundert Weiße, dreiundvierzig vom Hundert Mischlinge, der Rest Indianer. Di« Mischlinge bil­den die wertvolle Arbeiterschicht, die da, wo Fremde mit gutem Beispiel vorangehen, Vorzügliches leisten. Der Haupt­reichtum des großen Landes besteht in seinen Mineral­schätzen. Vor allem im Silberbergbau, der mit einem Er­trag von 2,5 Millionen Kilogramm der bedeutendste der Welt ist. Aber auch die Petroleumgewinnung hat in den letz­ten Jahren beträchtlich zugenommen, da sie von 399 000 Ton­nen in 1908 auf 2,2 Millionen in 1912 stieg. Sie könnte eine noch größere Entwicklung erfahren, wenn die mexikanischen Oelfelder von der Kontrolle des Petroleumtrustes frei wür­den. Der Außenhandel Mexikos hatte 1913 trotz der inne­ren Unruhen einen Wert von einer Milliarde Mark. Da­von entfielen bei einer Eesamtausfuhr von 600 Millionen Mark allein 460 Millionen Mark auf die Vereinigten Staa­te^ weil diese eben die Petroleum- und Silbexausbeute

fast ganz an sich ziehen. Der Handel mit Deutschland betrug nur 73 Millionen Mark, darunter 25 Millionen Einfuhr, mit rohem Kaffee ini Werte von 6 Millionen Mark und Agavefaser» für 6 Millionen Mark an erster Stelle.

Mexiko teilt mit Deutschland de» Vorteil, keine diplo­matischen Beziehungen zur Union zu besitzen. Es ist deshalb die Aufregung der Amerikaner darüber nicht recht zu ver­stehen, daß beide Staaten eine Verbindung suchte», um ge­gen Wechselfülle der amerikanischen Politik gesichert zu sein. Aber die Erregung rührt ja auch nur daher, daß man Mexiko schon als reife Frucht ansieht, die in de» Garten der Union fällt. Und diese Aussicht könnte die Selbständigkeit der mexi­kanischen Politik wohl vereiteln.

Das amerikanische Mißtraue» gegen Mexiko.

(MTB.) Bern, 6. Mürz. Der Washingtoner Korrespon­dent desPetit Parisien" kabelt unter dem 5. März, trotz der amtliche» Erklärung des mexikanischen Ministers des Aeußern, General Aquilar, daß die mexikanische Regierung kein Angebot von Deutschland erhalten habe, beharre die amerikanische Negierung dabei. Gewißheit zu besitzen über ei» deutsch-mexikanisches Komplott. Die höfliche amtliche Erklärung des amerikanischen Gesandten Fleischer über die liebenswürdigen Aufmerksamkeiten und Beweise der freund­schaftlichen Gesinnung mexikanischer Behörden, die bei der Ueberreichung des Beglaubigungsschreibens an Carranza wiederholt worden seien, dürsten nicht buchstäblich genom­men werden. Cs sei sicher, daß die amerikanische Regierung in der augenblicklichen Stunde keineswegs Komplikationen mit Mexiko wünsche. Es sei demnach klar, daß sie sich be­mühen werde, freundschaftliche Beziehungen mit der Regie­rung und dem Volke Mexikos so lauge als möglich aufrecht zu erhalten. Fleischer gebe sich jedoch keinen Täuschungen über den deutschen Einfluß hin, der in ganz Mexiko arbeite. Die Regierung der Union sei über die mexikanische Ange­legenheit zu gut unterrichtet, um an die Dauer der freund­schaftlichen Beziehungen zu glauben, falls die Union mit Deutschland in Kriegszustand käme. Die amerilanische Re­gierung bereite sich für alle Möglichkeiten vor.

Die Lage auf den KrieaWaupliitzell.

Die deutsche amtliche Meldung.

(WTB.) Großes Hauptquartier. 6. März. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Auf dem rechten Sommeufer nahm gegen Abend der Artilleriekampf große Heftigkeit an. Nach Trommelfeuer griff der Eng­länder östlich von Vouchavesnes erneut an. Sein An­griff wurde abgcwiesrn, ein weiterer durch unser Ver­nichtungsfeuer vereitelt. An den iibigen Frontabschnit­ten herrschte bei Schneegestöber meist geringe Feuer­tätigkeit. Erkunder, die den Verlauf der französischen Stellung im CourriHreswalde gegenüber den von uns dort gewonnenen Linien feststcllten, brachten noch 15 Gefangene ein

Oestlicher Kriegsschauplatz. Front des Generalfeldmar'challs Prinz Leopold von Bay­ern: Ein Nachtangriff der Rüsten gegen unsere Stel­lungen südlich von Brczeczany scheiterte.

Front des Generalobersten ErzherzogZoseph: An den Osthängen des Kelemengebirges. im SLdteile der Waldtarpathen. wurden mehrere russische Kom­pagnien, die nach lebhaftem Feuer unsere Stellungen «griffen, zuriickgewiese».

Front des Generalfeldmarschalls v. Mackensen: Die Lage ist unverändert.

Mazedonische Front: Zwischen Ochrida- und Prespasee wurde eine Feldwache überrumpelt unk gefangen.

Der erst« Generalquartiermeister: Ludendorfs Die gestrige Abeudmeldung.

(WTB.) Berlin, 6. März. Abends. Amtlich Wirt mitgetetlt. Außer Vorfeldgefechten im Ancregebiet kein, besonderen Ereignisse.

Zum letzten englischen Angriff nördlich der Somme.

(WTB.) Berlin. 6. März. Der englische Angriff bei Bouchavesnes war augenscheinlich in großem Maßstabe au! breiter Front geplant. Das starke Artilleriefeuer, das nach­mittags auf der ganzen Gegend vom Saint Pierre-Vaast- Wald und Bouchavesnes lag, verstärkte sich um 5.30 Uhr zum Trommelfeuer. Die englischen Sturintruppen, die sich in den vorderen Gräben sammelten, wurden jedoch deutscher seits rechtzeitig erkannt und unter Vernichtungsfeuer ge­nommen, so daß es den Engländern nicht gelang, die bereii gestellten Kolonnen zum Angriff herauszubrtngen. Nur oft lich Bouchavesnes verließen die Engländer die Gräben. Jh> Ansturm brach jedoch unter blutigen Verlusten im Feuer zu­sammen. Desgleichen kam ein zweiter Angriffsversuch um 9.40 Uhr abends in unserem Feuerwirbel nicht zur Durch­führung. Die französischen Versuche, das am 4. März im Gaurieres-Wald verlorene Gelände zurückzuerobern, schei­terten sämtlich. Die französische Fuiikspruchmeldung vom 6. März, 1 Uhr mittags, daß ein Teil der verlorenen Stel­lung zuriickerobert setz ist freie Erfindung- Die Gräben wur-