Bürgerkrieg in Abessinien?
Lugano, 23. Okt. Abessinische Nachrichten lassen kaum einen Zweifel darüber, daß dort nunmehr der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Ras Michael, der mächtige Vater des abgesehen Lidj Iassu. eilt zur Verteidigung der Rechte seines Sohnes auf dem Weg nach Addis Abeba und hat nach der neuesten Stefani-Meldung bereits Ancober besetzt. Die italienische Presse zögert, dieser Stefanie-Meldung Glauben zu schenken, da Ancober ein wichtiger Straßen-Knotenpunkt zwischen Schaaland und dem Eallalande bildet. Doch läßt eine römische Meldung des „Corriere della Sec"" durchblicken, paß Ras Michael über 120 000 Mann verfügt und sich lurch Besetzung großer Landstriche der dort ausgestapelten Munition- und Waffenvorräte bemächtigt. Natürlich schiebt die italienische Presse diesen Bürgerkrieg den üblichen „deutschen Machenschaften" zu. Aber selbst aus italienischen Meldungen ist ersichtlich, daß er ausschließlich auf den von der Entente angezettelten Staatsstreich zurückgeht, gegen den Ras Michael in Verteidigung der Rechte seines Sohnes aufgestanden ist. (Franks. Zeitg.s
Amerika sucht den russischen Markt zu erobern.
(WTB.) Berln, 24. Okt. Die russisch-amerikanische Handelskammer beriet, wie dem „Berliner Tageblatt" aus Königsberg i. Pr. mitgeteilt wird, dik Veranstaltung einer Ausstellung amerikanischer Artikel in Rußland. Als Ausstellungsort sei Moskau in Aussicht genommen.
Von unsern Feinden.
Peinliche Anfragen im englischen Unterhaus.
(WTB.) London, 19. Okt. In der Debatte über die fünfte Konsolidated Funds Vill kritisiert C. Henry die übermäßige Ausgabe von Schatzwechseln die jetzt etwa 1100 Millionen Pfund Sterling betrugen. Deren Nachteil liege in dem übertrieben hohen Zinsfuß, wodurch das finanzielle Prestige Englands geschädigt werde. England habe jetzt an 1800 Millionen kurzfristige Wertpapiere. Es sei ein schrecklicher Gedanke, daß noch am Ende des Krieges ein so hoher Betrag vorhanden sein könnte. Mac Kenna antwortete, er lege Wert darauf, daß diese Schatzwechsel nach Amerika gingen. Man solle ihm nicht fortwährend die Höhe des Zinsfußes vorwerfen. Wenn man das Geld nicht in Amerika aufbringen könnte, so könnte England nicht seinen notwendigen Bedarf an Weizen, Kupfer usw. für sich und die Verbündeten decken. Die Ausgaben Englands seien leider durch Munitionserzeugung und durch Vorschüße an die Verbündeten vermehrt worden. Mason betonte, daß Mac Kenna die Hauptkritik unbeantwortet gelassen habe, daß nämlich der Zinsfuß von 6 Prozent andere Wertpapiere herabdriicke, was eine große Schädigung des Handels bedeute. Ebenso werde der britische Kredit schwer geschädigt,,da alle Welt wisse, daß England zu 6 Prozent borgen müsse. Samuel sagte, die Regierung müsse eine große langfristige Anleihe aufnehmen. Rüssel sagte auf eine Anfrage, die Kartoffelernte in Irland gebe Anlaß zu Besorgnissen. Die Lage werde genau verfolgt. Auf eine weitere Anfrage erwiderte Rüssel, das Ministerium könne die Ausfuhr ni-^t verbieten, bis voll
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48. Fortsetzung. (Nachdruck verboten^
„Ja, es ist ganz angenehm," antwortete sie kurz) „aber nun sagen Sie mir, was Sie mir Mitteilen wollten."
„Eine ganze Masse," sagte Brodersen; „sehen Sie nur, was für eine Unmenge Kinder hier in der Straße spielen."
Fräulein Möller gab die unleugbare Tatsache kühl zu, trat dann vom Bürgersteig herunter, um nicht mit einem kleinen Mädchen zu kollidieren, das dort Diabolo spielte, und mußte demnächst einer ausführlichen Erläuterung über dieses Spiel zuhören.
„Aber was wollten Sie mir eigentlich sagen?" fragte sie ihn schließlich aufs neue.
„Zunächst wollte ich Ihnen sagen," erwiderte Brodersen, „daß noch keine Kunde von Kapitän Blohm gekommen ist, und dann, daß ich überzeugt bin, daß er nicht ertrunken ist."
Statt aller Antwort schüttelte Fräulein Möller den Kopf.
„Und dann wollte ich Ihnen sagen, daß ich nicht mehr auf der „Möwe" bin." fuhr er fort; „einige Leute glauben, daß ich Blohm über Bord warf, um seine Stelle zu bekommen."
Das junge Mädchen drehte sich um. „Wie lächerlich," sagte sie erregt und sah ihn zum ersten Mal mit einem etwas liebenswürdigeren Ausdruck an.
„Ich danke Ihnen," sagte Brodersen; „wenn nur Sie nicht daran glauben, dann ist es mir gleich, was die anderen Leute denken."
ständige Informationen folgen. Sir Edward Carson fragte- Wann dürfen wir Informationen und Erklärungen der Regierung über Rumänien erwarten angesichts der allgemein herrschenden Besorgnis? Baron Law antwortete, es sei nicht wünschenswert,' eine Erklärung über das, was militärisch geschehen sei, abzugeben, aber die Regierung werde sie sobald wie möglich geben. Hunt fragte: Kann der Minister uns die Versicherung geben, daß wir nicht wieder zu spät kommen werden, wie gewöhnlich? Bonar Law gab keine Antwort.
Italien und der englische Kohlenlieferant.
(WTB.) Bern, 23. Okt. Nach Ausführungen des „Corriere della Sera" über die jetzt abgeschlossenen Verhandlungen mit der englischen Negierung wegen Kohlenliefe- rnngen für Italien wurde nur erreicht, daß die für die italienische Marine, die Staatsrisenbahnen und Munitionsfabriken bestimmten Kohlen zum Preise von ungefähr 170 Lire geliefert werden sollen, und zwar lediglich in den hierfür nötigen Mengen. Die Festsetzung der Preise der für die übrigen Industrien- und den Privatoerbrauch bestimmten Kohlen soll dagegen dem Handel überlassen bleiben.
Vermischte Nachrichten.
Die Ernährungsfragen im Reichstagsausschuß.
(WTB.) Berlin, 23. Oktober. Der Hauptnusschuß des Reichstages beendete heute de Besprechung über die Spirit:7frage und wandte sich sodann der Erörterung über die Futtcrfrage, Schweineabschlachtung usw. zu. Ein Vertreter des Zentrums beantragte die Berufung eines Vertreters des Kleinhandels in das Kriegsernährungsamt. Von sozialdemokratischer Seite wurde die Abschlachtung von Schweinen befürwortet. Das Angebot von Ferkeln sei groß. Die Kartoffeln seien zur menschlichen Ernährung notwendiger. Die Redner der bürgerlichen Parteien traten dieser Anregung entgegen und warnten vor zu weitgehender Schematisierung der landwirtschaftlichen Verhältnisse. Präsident v. Batocki erklärte die Berufung eines Vertreters des Kleinhandels in den Vorstand des Kriegsernährungsamtes nicht für möglich, sonst müßten auch die sonstigen Anträge berücksichtigt und der Vorstand auf 30 Personen erhöht werden. Die Bewirtschaftung von Gütern durch die Generalkommandos habe Bedenken. Eine schematische Verteilung von Kunstdünger sei nicht beabsichtigt. Die Butter- und Fettversorgung könne in der jetzt ungünsti- geü Zeit kaum einwandfrei geregelt werden .Es soll aber dafür gesorgt werden, daß die Schwerarbeiter überall 125 Gramm pro Kopf und Worbe erhalten. Darauf vertagte sich der Ausschuß auf Dienstag (Brotfrage). Für Mittwoch ist ein Vortrag des Staatssekretärs des Reichsschatzamtes über die Lage der Reichsfinanzen in Aussi^t genommen.
Die Eröffnung der Center Universität.
(WTB.) Brüssel, 21. Okt. Heute mittag fand in der Aula der Universität in Gent durch den General- gouverneur, Generaloberst Frhrn. v. Bissing, die Ueber- gabe der in eine vlämische Hochschule umgewandelten
Fräulein Möller, die stets vor sich hin gesehen hatte, warf dem so leicht befriedigten jungen Mann an ihrer Seite einen flüchtigen Blick zu und sagte dann: „Ich würde es nie für möglich halten, daß Sie etwas derartiges täten oder auf das. Unglück eines anderen spekulierten, da glaube ich Sie doch besser zu kennen."
Sie setzten ihren Weg schweigend fort, bis Käthe freundlich fragte: „Nun sind Sie außer Stellung?"
Brod'ersen schüttelte den Kopf und setzte ihr alles auseinander. „Ich habe meinem Vater auch von Ihnen erzählt, er war sehr gut mit Blohm bekannt, und ich soll Ihnen von ihm bestellen, daß er glücklich und stolz sein würde, wenn Sie eine Weile zu ihm nach Euxhaven kämen."
„Nein, ich danke Ihnen schön," sagte Fräulein Möller.
„Die Lust dort würde Ihnen gut tun," beharrte Brodersen. „Sie könnten mit der Bahn hinfahren oder nächste.Woche mit mir auf der „Schwalbe".
Fräulein Möller lehnte aufs neue ab. „Ich muß hier in Hamburg bleiben und etwas anderes für mich zu finden suchen," sagte sie einfach.
„Und was beabsichtigen Sie zu ergreifen?" fragte Brodersen.
„Irgend was, was sich mir bietet."
„Und in. der Zwischenzeit?"
„In der Zwischenzeit lebe ich bei Krügers auf deren Kosten," sagte das junge Mädchen und preßte die Lippen aufeinander. „War es das, worüber Sie mir etwas -sagen wollten?"
„Nein, darüber wollte ich nicht mit Ihnen ^.sprechen," sagte Brodersen treuherzig; „ich habe nicht
Universität an den Lehrkörper, der unter Führung des, Rektors Hoffmann vollzählig erschienen war. statt. Der Generalgouverneur betonte in seiner Rede, die Tatsache, daß die Eenter Hochschule ihre Vorlesungen wieder aufnehme, werde im vlämischen Gebiet und weit darüber hinaus mit Freude begrüßt werden. Man sehe in der vlämischen Hochschule die Bürgschaft für die Zukunft der geistigen Entwicklung des Landes, das unerschütterliche Rückgrat eines kräftigen vlämischen Volkstums. Es soll keine deutsche Hochschule hier entstehen, aber erst recht keine französische, sondern eine im vlämischen Volke wurzelnde niederländische. Rektor Hosf- mann sagte in seiner Erwiderung, die Universität werde jetzt ihrer natürlichen Bestimmung wiedergegeben, da in ihr die vlämische Sprache als Unterrichtssprache eingeführt werde. Damit verwirkliche sich eines der höchsten Ideale des vlämischen Volkes, für das das Volk seit 35 Jahren gelitten und gestritten habe. Vor einer kühlen und sachlichen Uebcrlegung hätten die oft geäußerten Bedenken und Befürchtungen nicht stand halten können, da es keine sittlichen und rechtlichen Gründe gebe, die die Lehrer hätten abbaltcn können, ihrem Volk zu dienen, da auch kein verständiger Patriotismus ein Hindernis bilde. Außerdem sei die Frage ganz belanglos für die Unabhängigkeit des Landes und dessen inneren Zustand. Es handle sich hier nur um die Wünsche Flanderns und um die Rechte der Vlämen, denn die Hochschule soll eine vlämische, eine niederländische sein und daher nur der geistigen Entwickelung des vlämischen Volkes und der niederländischen Kultur dienen. Das vlämische Volk sei sich seiner Kraft bewußt und fasse immer mehr. Mut. Es werde daher, wie immer sich auch die Dinge entwickeln mögen, nicht dulden daß irgend eine Hand an sein Palladium rühre. — Dem schlichten Akt der llebergabe wohnten außer dein Eeneralgouverneur mit seinem militärischen und Zivilstab bei der Vertreter des Reichskanzlers, sowie um ter den Vertretern verschiedener Bundesstaaten der bayrische Kultusminister.
Der Mörder des Grasen Stürglh.
Wien, 23. Ott. Die „Zeit" meldet: Der Täter hatte di? Ermordung des Ministerpräsidenten seit langer Zeit vorbereitet. Er wartete mit der Ausführung am Tage des Attentates noch einige Minuten, da zwischen dem Ministerpräsidenten eine Dame saß, die Adler nicht durch einen Schuß gefährden wollte.' Er ist mit einer russischen Studentin verheiratet, die augenblicklich mit drei Kindern in der Schweiz lebt. — Fürst Hohenlohe traf heute in Wien ein und wirc aller Wahrscheinlichkeit nach die provisorische Regierung für Stürgkh übernehmen. — Aus Zürich wird berichtet: Ei,' Schweizer sozialdemokratisches Blatt schreibt über Dr. Fried rich Adler: Er war seit zwei Jahren Redakteur des „Volksrechts" und sollte schon mehrmals aus der Schwerz ausgewiesen werden, weil er ein unruhiger, schürender Geist war. — Der Berichterstatter des „Pester Lloyd" wollte den Vater des Mörders, Dr. Viktor Adler, besuchen, aber er konnte ihn nicht sprechen. Die Tat des Sohnes hat den Vater furchtbar getroffen. Sein Zustand erregt große Bedenken.
einmal daran gedacht."
„Aber es stimmt," sagte Käthe.
„Nein, es stimmt nicht," erwiderte Brodersen; „denn ich weiß, Sie zahlen ihnen später alles wieder zurück."
„Wollen wir jetzt nicht umkehren?" fragte Käthe.
Sie traten nun den Rückweg an, auf dem Vro- dersen, wenn er verstohlen von der Seite ihr hübsches, stolzes Gesicht betrachtete, immer wieder überlegte, was er etwa für sie tun könnte.
„Ich wäre froh, wenn Sie sich doch noch entschließen könnten, nach Cuxhaven zu gehen; ich weiß ganz genau, wenn Blohm wieder zurückkommt, wird er auch sagen, daß dies das beste war, was Sie tun konnten."
„Ich danke Ihnen herzlich, aber ich bleibe doch lieber hier," erwiderte sie; „ich möchte wirklich nicht undankbar scheinen, aber ich wünschte doch, daß die Leute mir ihre Gutherzigkeit nicht aufdrängen möchten."
Sie schritten schweigend weiter, und sie vermied es, ihn anzusehen, bis sie wieder in der Wilhelmstraße angekommen waren.
Vor der Tür wünschte sie ihm Lebewohl; als sie ihm die Hand gab, milderte sich der strenge Ausdruck ihres Gesichts etwas, und als er ihrem Blick begegnete, glaubte er in der Tiefe ihrer dunklen Augen einen Schimmer von Freundlichkeit zu entdecken. Dann wurde die Tür von innen geöffnet, und ehe er seine Einladung noch einmal wiederholen konnte, mit einer Eilfertigkeit geschlossen, in der er alsbald das Werk des liebenswürdigen Robert Krüger erkannte. (Fortsetzung folgt.)