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Nr. 238.
Amltz- und Anzeigeblatt für den Oberamlsbezirk Calw.
91. Jahrgang.
Mittwoch, den 11. Oktober 1816.
Bezugspreis Irr oer Siadr mt LAgsru-hn Mt «-« ^
Boslb-,uaSvr-is für der. OrtS- und SiachbarortSverkchc Mk. 1.46. M- ^ " Kern-erkehr Mt. 1LÜ. Bestellgeld in Württ-mber? SL Prq.
Erhöhte ll-Boottätigkert.
Deutsche U-Boote überall.
Während gewisse Kreise und eine gewisse Presse sich nicht genug darin tun konnte, die Regierung und namentlich unserem Reichskanzler Vorwürfe um Vorwürfe zu machen, dass man die U-Vootwaffe nicht energisch genug führe, haben unsere massgebenden Stellen gehandelt, anstatt sich groß zu verteidigen, weil man das aus erklärlichen Gründen doch nicht im gewünschten Maße hätte tun können. Der erweiterte U-Vootkrieg musste erst organisiert werden, und jetzt, da wir auf dem besten Weg dazu sind, werden wohl auch die grössten Zweifler bald merken, daß Deutschland keineswegs gesonnen ist, sich eine seiner besten Waffen gegen den englischen AuZ- hungerungs- und Handelskrieg aus der Hand winden zu lassen. Auf den Konflikt mit Amerika hin hatte man wohl die rücksichtslose Torpedierung der feindlichen Dampfer aus Rücksicht auf etwaige „neutrale" Passagiere aufgegeben, aber der völkerrechtlich zulässige Handelskrieg, wonach Bann- warcnschiffe feindlicher oder neutraler Herkunft versenkt werden dürfen, falls keine Möglichkeit besteht, sie als Prise in eigene Häfen einzubringen, war' selbstverständlich nie aufgegeben worden. Ruhte auch eine Zeit lang die Il-Boottätig- keit in der Nordsee, so lebte sie doch besonders im Mittel- meer in sehr grossem Umfange auf, und die Alliierten hatten Gründe genug zu wehklagen, denn die U-Boote der Verbündeten schädigten den wichtigen feindlichen Mittelmeerverkehr aufs empfindlichste. Auch an der französischen und spanischen Westküste taten sie gute Arbeit. Im Sommer tauchten sie plötzlich wieder in grosser Anzahl im Kanal und namentlich in der Nordsee bis zur Nordostspitze Englands auf und in den letzten 3—4 Monaten haben sie dort eine Menge feindlicher und neutraler Dampfer versenkt, sodass unfern Feinden und den sie unterstützenden Neutralen Himmelangst wurde. Das am meisten Aergerliche für unsere Feinde an der Sache war aber, daß sie keinen Grund hatten, die Neutralen, und besonders Amerika durch irgend welche Anschuldigungen gegen uns aufzuhetzen. Die deutschen U-Bootkommandanten hielten sich peinlich an ihre Vorschriften, und trugen auch stets Sorge, dass die Besatzungen das Land erreichen konnten. Da die Engländer keine andere Waffe gegen die U-Boote hatten, so bewaffneten sie unzählige Fischerboote, die die U-Bootgefahr bannen sollten, aber auch diese wurden dutzendweise versenkt.
Nun ist aber die deutsche A-Boottütigkeit noch viel weiter ausgedehnt worden. Schon seit einigen Wachen hörten wir von andauernden U-Booterfolgen im nördlichen Eismeer, an der Murmankiiste und im Weißen Meer, also an der schwedischen Nordküste und im Nordwesten des russischen Reichs. Das Erscheinen unserer U-Boote auf jenem Verkehrsweg, der noch allein den englischen und amerikanischen Handelsverkehr mit Russland ermöglicht, bedeutet für die Versorgung Rußlands einen schweren Schlag, was auch schon daraus hcrvorgeht, dass die Entente eine größere Kriegsflotte in jene Gegend entsandt hat, um die U-Boote zu vertreiben, was ihr jedoch wohl nicht gelingen wird. Es sind auch schon ein paar amerikanische Muntionsschiffe erwischt worden. Einen panischen Schrecken aber hat den Engländern das Erscheinen unserer U-Boote an der nordamerikanischen und kanadischen Küste eingejagt. Das hätten sie doch nicht für möglich gehalten, daß diese „Seepcst" sich auch noch dorthin ausbreiten könnte, nach der hauptsächlichen Verpflegungsbasis der Entente. Unsere U-Boote scheinen schon recht erheblich ins Zeug gegangen zu sein, und die ohnmächtigen Wutschreie der englischen Presse zeigen uns, dass man überm Kanal weiß, wessen man sich zu versehen hat, falls unsere U-Boote dauernden Aufenthalt in der Nähe der amerikanische Küste nehmen sollten. Wir haben deshalb damit zu rechnen, dass die Entente alle Hebel i-i Brrrczung setzen wird, zu verhindern, dass der Verkehrsweg über den atlantischen dzean für ihren ergiebigen Handel gefährdet wird. Auch der ententefreundlichen amerikanischen Presse paßt die droh
ende Gefährdung der bisherigen riesigen amerikanischen Kriegsgeschäfte nicht, und sie kündigt deswegen heute schon an, dass sich das amerikanische Volk diese Veauss.chtigung seines Handels und eine derartige „Blockade" seiner Küste nicht gefallen lassen könnte. Auch Herr Wilson scheint nach Reuter über die neuen Unannehmlichkeiten nicht sehr erbaut zu sein. Die Ententebotschafter werden ihn wahrscheinlich bestürmen, den deutschen U-Booten zu verbieten, sich an der amerikanischen Küste zu betätigen. Aber bis heute ist uns noch kein Völkerrcchtsparagraph bekannt, der es einer kriegführenden Macht verbietet, ausserhalb der H-Heits- gewässer eines neutralen Staates ihre Flotte kreuzen zu lassen. Herr Wilson müsste also wieder einmal eigene Völker- rcchtsgrundsätze aufstellen, worin er ja bekanntlich schon ganz außergewöhnliche Fähigkeiten entwickelt hat. Nur glauben wir, dass er heute damit weniger Glück haben dürfte. Immerhin wäre es nicht unmöglich, daß Wilson es in der Angelegenheit auf einen Konflikt ankommen ließe, seine Kandidatur ist infolge der Gegnerschaft der Deutsch-Amerikaner so ziemlich aussichtslos, im Lande des Bluffs und Eklats könnte er aber mit einem Gewaltitreich Glück haben, meint vielleicht Herr Wilson. Aber wir wollen doch abwar- ten. Borerst sind wir über die Stimmung in Amerika erst durch Reuter unterrichtet. Doch sei dem, wie ihm wolle, wir dürsten qzif alle Fälle gerüstet sein, das zeigt das Auftreten unserer U-Boote an allen Hauptverkehrsstraßen nach Westeuropa. Dir richtige Blockade unserer Feinde ist also auf dem Marsch! V. 5.
Die Amerikaner zur neuesten U-Boottätigkeit an ihrer Küste.
(WTB.) Köln, 10. Okt. Der „Kölnischen Zeitung" wird aus Washington gemeldet: In der heutigen Mitternachtsstunde sind schon 6 englische Schiffe als versenkt gemeldet worden, die aus kanadischen Häfen ausgelaufen waren. Drahtlose Hilferufe laufen den ganzen Tag über ein. 17 amerikanische Zerstörerboote sind zur Hilfeleistung abgegangen. Die Aufregung ist ungeheuer. In Schiffahrtskreisen herrscht eine Panik. Ausreisende Schiffe wurden zurückgehalten, Schiffe auf See gemahnt, ihren Weg zu ändern.
(WTV.) Washington, 10. Okt. Das Marinedepartement hat mit Vorbereitungen zur Einrichtung einer Patrouille von Kriegsschiffen längs der Küste begonnen, um falls es notwendig sein sollte, dafür zu sorgen, daß die Neutralität der Vereinigten Staaten nicht durch U-Boote verletzt werde.
(WTV.) London, 10. Okt. Das Neutersche Bureau meldet aus Newyork, daß eine Anzahl von Morgenblättern sich bereits gegen die Unterseebootsblockade der amerikanischen Küste durch Deutschland wandten. Darnach erklärt „Newyork Hcrald": Untersecboots- operationen an Straße«, die unmittelbar in amerikanische Häfen führen, können und dürfen nicht geduldet werden (!). Das Blatt sagt, es sei die ernsteste Pflicht der Regierung, die nötigen Schritte zu tun, dieser preußischen Kriegführung in amerikanischen Gewässern ein Ende zu machen und zwar ohne Verzug. — „Journal of Commerce" sagt: Ist unsere Küste eine Basis für deutsche Unterseeboote? und fährt fort: Wenn Deutschland sich den Zorn des Volkes der Bereinigten Staaten zuziehen und es dazu bringen will, alles zu tun, um Deutschlands Feinden zu helfen, so hätte es kein wirksameres Mittel anwenden können, als diese Art von Ceekriegführung längs unserer Küste zu betreiben. — „Newyork Times" äußern sich in ähnlicher Weise.
(WTV.) London, 10. Okt. Dem „Daily-Telegraph" wird aus Washington gemeldet, in das Verhältnis
Deutschlands zu den Bereinigten Staaten sei durch die Torpedierung in nächster Nähe der amerikanischen Küste ein neues „heikles Element" gekommen, da sich die britischen Kreuzer auf dringendes Ersuchen der Vereinigten Staaten von den Schisfahrtswegen in der Nähe der amerikanischen Gewässer zurückgezogen hätten. — Den „Times" wird aus Newyork gemeldet, daß das Unterseeboot 53 in Newport eine vollständige Liste der Ein- und ausfahrenden Dampfer erhalten habe und darauf sofort an die Arbeit gegangen sei.
(WTV.) Amsterdam, 10. Okt. Das Neutersche Bureau meldet aus Washington, daß die amerikanischen Behörden zwar das Recht jeder kriegsührc den Macht anerkennen mit Unterseebooten aufzutreten, solange die hierfür geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen cin- gehalten würden, daß sie aber der Ansicht seien, daß die Unterseebootanariffe bei Nanruckrt doch zu allerlei Schwierigkeiten führen würden.
(WTV.) Amsterdam, 11. Oktober. Die Blätter melden, daß nach telegraphischen Nachrichten, die die Direktion der Holland-Ainerikalinie aus New-Pork cr- hilt, die ganze Besatzung des Dampfers „Vlominers- dijk" gerettet und Newport gelairdet wurde. Der Dampfer ist am Sontag Abend um 5L8 Uhr drei Meilen von Nantucket torpediert worden. Der Wert des Dampfers „Blommersdijk" wird auf 2>L Millionen Gulden geschätzt
(WTB.) London, 11. Oktober. ,D>aily Telegraf" erfährt, daß beschlossen wurde, die Versicherungsprämie für die Fahrt von Europa und den Vereinigten Staaten zu verdoppeln und die Versicherung für die Fahrt von den Vereinigten Staaten nach dem Panamakanal, La Plata und dem Kap der guten Hoffnung um 28 zn erhöhen. Als die Nachricht eintraf, daß an der amerikanischen Küste drei deutsche Unterseeboote an der Arbeit seien, gingen die Versicheungsprämien noch mehr in die Höhe.
(WTB.) London, 10. Oktober. Die „Morning Post" meldet aus Washington: Der Kapitän des Dampfers „Strathdene", der an Bord eines Frachtdampfers in New-Pork angekommen ist, berichtet, daß er die Anwesenheit eines U-Bootes erst bemerkte, als morgens gegcnb Uhr die Geschosse in der Nähe seines Dampfers niederfielen. Es wurde der Besatzung genügend Zeit gelassen, um in die Boote z« gehe«. Der Kapitän erzählte weiter, daß er Zeuge der Versenkung des englischen Dampfers „Kingstonian" gewesen sei. Auch die Besatzung dieses Schiffes erhielt genügend Zeit, um in die Boote zu gehen. „Kingstonian" ist offenbar der Dampfer, der unter dem Namen „Kingston" gemeldet wurde. — Aus den Erzählungen der Geretteten geht hervor, daß mindestens zwei Unterseeboote an den Angriffen beteiligt waren .Einige schätzen die Zahl der an der amerikanischen Küste tätigen Unterseeboote sogar auf 5.
Ein Brief des Kaisers an Wilson.
Wilson zum U-Vootkrieg an der amerikanischen Küste.
(WTV.) Long Brauch, 9. Okt. Reuter meldet: Gras Vernstorsf sprach heute bei Wilson vor und überreichte ihm einen Brief vom Kaiser. Der Brief war eine Antwort auf Wilsons persönliches Schreiben über die Frage der amerikanischen Hilfe für die notleidende Bevölkerung in Polen. Ehe Wilson Graf Vernstorsf empfing, erklärte er mehreren Pressevertretern, daß von Deutschland eine vollständige Erfüllung seiner Amerika gegebenen Versprechungen gefordert werden würde. Er fügte hinzu, dass er kein Recht habe, Deutschlands Bereitwilligkeit in Frage zu stellen, seine Versprechungen zu erfüllen. Es verlautet, dass Wilson wegen der Operationen der Unterseeboote in der Rübe der amerikani»