NUMMER 197
MONTAG, 18. DEZEMBER 1950
Scheidung
Wenn sich auf der westindischen Insel Barbados ein Eingeborenen-Ehepaar scheiden läßt, wird der gesamte Besitz in zwei genau gleiche Teile geteilt — sogar das Haus der Familie. Mit Beil und Säge zertrennt man die Hütte vom Dach bis zum Fußboden, und die geschiedene Frau nimmt ihre Hälfte mit, um sie an einem anderem Platz aufzuetellen. Die einzelnen Häuserhälften werden auf der offenen Seite mit Brettern zugenagelt, und man nennt diese seltsamen Baulichkeiten dann allgemein „geschiedene" Häuser. Erst bei einer neuen Verheiratung dürfen der Mann oder die Frau ihr Haus wieder ergänzen.
Auch die Augen dürfen bei der Probe mitsehen. ob der Göttertrank „fertig“ ist oder noch lagern muß. Grün schimmert der Moselwein, golden der Wein vom Rhein. Ueber den Geschmack läßt sich nicht streiten, und doch gibt es viele Experten, die von einer Nachkriegsverwilderung .sprechen, in der „deutsche Männer“ einen tiefen Pfälzerwein zugunsten des angeblich nur Frauen eingehenden Haut- Sauternes verschmähen. Das sind die Patrioten des Gaumens, die in Fehde liegen mit den durstigen Kosmopoliten, die gen Burgund und Bordeaux ein verheißungsvolles Rot im
nichts mehr zu sehen. Er besaß dieses nun untadelig und in allen Schattierungen, nebst Oberhemden aller Farben mit dazu passenden Krawatten, und diverse blütenweiße Anzüge. Die Dona glänzte neben ihm in den herrlichsten Gardroben, um die sie manch' Filmdiva hätte beneiden können.
Während sich im Verlauf des Bürgerkrieges an den Fronten von Terruel, Segovia, Oviedo, Madrid usw. die spanischen Brüder, mit und ohne fremde Hilfe, gegenseitig massakrierten und die Schädel einschlugen, spanische Städte und Dörfer in Rauch und Asche aufgingen, machten Carranza & Bernhardt glänzende Etappengeschäfte. Sie machten in sogenannter nationaler Solidarität und dachten selbst natürlich nicht im Traum daran, sich die Front einmal aus allernächster Nähe anzusehen. Wozu auch? Dort war es gefährlich und dort konnte man lediglich arme Teufel oder jene Sorten von Idealisten kennenlernen. die alles einer Sache wegen tun ohne auf einen persönlichen Vorteil bedacht zu sein. Waren das nicht hoffnungslose Narren? Wenn man nicht auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen wäre, säße man dann nicht heute noch als armer Schlucker drüben in Tetuan?
Nach allen Seiten gesichert
Seit dem auch für sie gewonnenen Bürgerkrieg residieren Senor und Senora Bernhardt natürlich vorwiegend und am liebsten in Madrid. Der Stadt ihrer Sehnsuchtsträume aus der ärmlichen Tetuaner Zeit, an die sie nur ungern erinnert werden möchten. Während des letzten Weltkrieges blühte der Weizen für Bernhardt natürlich wiederum üppig und der bereits reiche Mann wurde noch reicher. Er besaß die besten Verbindungen im In- und Ausland, die jeden Eventualfall einkalkulierten und die es ihm nicht zuletzt gestatteten, sich rechtzeitig „abzusetzen“. Daß er dabei wiederum aufs richtige Pferd gesetzt hatte, sollte sich bald wiederum erweisen. Kurz vor Beginn des Krieges wurde so mancher brave Deutsche, der sich um Spanien zweifellos verdienter gemacht' hatte als Senor Bernhardt, auf Verlangen der Alliierten von den Spaniern auf eine schwarze Liste
Mäht nach vor.
Amerika revolutioniert die Strumpfmode
Wenn eine so maßgebende Persönlichkeit wie Jacques Fath, der Pariser Modekönig, sich mit seinem Urteil vorsichtig zurückhält, darf die Nachricht von einer Revolution in der Strumpfmode in Amerika nicht leicht genommen werden. Dort ist vor kurzem der Strumpf mit der Naht nach vorn lanciert worden, und seit die Stars der Television ihn bei den Vorführungen im Fernsehsender so selbstverständlich zur Schau tragen, folgen Millionen amerikanischer Frauen gehorsam dem Beispiel nach. Die neue Mode ist weniger einem bizarren Einfall als vielmehr ernsthaften wirtschaftlichen Erwägungen zuzuschreiben. Nach einer beispiellosen Verkaufskonjunktur zu Beginn der Koreakrise leidet die amerikanische Strumpfindustrie jetzt unter schweren Absatzstockungen. Die Verkaufspsychologen hatten sofort ein Gegenmittel bei der Hand: das Aussehen der Ware verändern, heißt den Käuferinnen wieder Lust machen. Ein zweiter Grund wurde von den Frauen selbst geliefert: sie beklagten sich immer wieder, daß sich die Naht hinten jeder Kontrolle entziehe, sich manchmal nach rechts, manchmal nach links verschiebe und so unordentlich und unelegant wirke. Damit ergab sich als einzige Möglichkeit, die Naht nach vorn zu verlegen.
gesetzt, später ausgewiesen bzw. an die Alliierten ausgeliefert. Deutsches Vermögen und im deutschen Besitz befindliche Werke wurden beschlagnahmt oder kurz enteignet. Aber — von all dem passierte Senor Bernhardt natürlich nichts. Er stand weder auf der schwarzen Liste, noch wurde er enteignet. Die meisten Deutschen in Spanien sind arme Schlucker geworden, die sich schlecht und recht durchzuschlagen bemühen. Eine große Ausnahme bildet natürlich Senor Bernhardt, dem es heute eher noch besser • geht als je zuvor. Ist er doch längst gut Freund auch mit den an Spanien sehr interessierten amerikanischen Kreisen. Und wenn das nicht wieder die Aussicht auf weitere tofSichere Geschäfte mit sich bringen würde, müßte es doch mit dem Teufel zugehen, und der ist nun einmal auf dieser Welt auf der Seite der Großschieber und Kriegsgewinnler.
Nutznießer eines Bürgerkrieges
Ein Vorgang, der sich immer wieder wiederholt
F. Sch. In der kleinen Hafenstadt Tetuan, in Spanisch-Marokko, schlug sich noch bis kurz vor Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges der deutsche Kaufmann Bernhardt mehr schlecht als recht durchs Leben. Die Geschäfte gingen weiß Gott nicht gut, und es wollte einfach nicht gelingen, ohne allzu große Mühe die nötigen Peseten zu verdienen, um sich das Leben so gestalten zu können, wie es Senor und Senora Bernhardt schon seit Jahr und Tag vorschwebte. Besonders der ehrgeizigen Dona behagte das Leben in dem kleinen Kolonialstädtchen Tetuan ganz und gar nicht, und wie oft träumte sie in ihren reichlich bemessenen Mußestunden von einem Leben großen Stils drüben in Sevilla, Madrid oder Barcelona. Wie oft sah sie sich in ihren Wunschträumen in einem eleganten Wagen sitzen und die prächtige Paseo de la Castellana hinabfahren, jene imponierende Prachtstraße Madrids, auf der sich Spaniens elegante Welt zu treffen pflegte. Sie sah sich in den eleganten Geschäften und Modeateliers einkaufen, sah sich bei Konzerten, im Theater und auf großen Gesellschaften. Aber ach —»um solche Wunschträüme realisieren zu können, benötigte man ja in erster Linie Geld. Viel- Geld sogar. Viele Peseten, und die gerade fehlten leider Gottes allzu sehr.
Senor Bernhardt trank des öfteren am Tage, und natürlich vorwiegend und am liebsten bei abendlicher Kühle, seinen „cafe con leche“ im Cafe, und er ließ sich ebenso oft am Tage vom „limpia botta“ die zumeist ziemlich abgelaufenen Schuhe auf Hochglanz polieren. All das mag nach unserer Auffassung zwar ein Luxus sein, den man sich bei schlecht gehenden Geschäften nicht leisten sollte, aber — so etwas entsprach nun einmal genau der spanischen Auffassung, auch — oder besser gesagt — gerade bei schlechter Geschäftslage den Schein zu wahren, und im übrigen entsprach sein Tun auch der spanischen Gepflogenheit, laufende Geschäfte und die Anbahnung neuer Geschäftsverbindungen im und beim Kaffee vorzunehmen. Senor Bernhardt sah und hörte auf diese Weise jedenfalls mehr als in den kahlen vier Wänden seines Büros, und seine Anpassung an die spanische Mentalität sollte sich noch für ihn und seine Frau als recht lohnend erweisen.
Seit der spanische Diktator Primo de Ri- vera-von der politischen Bühne verschwand und das Zeitliche gesegnet hatte, ging es im- ler turbulenter zu in Spanien. Monarchisten standen gegen Carlisten und beide wieder gegen Sozialisten aller Schattierungen, einschließlich der Syndikalisten. Die schwerreichen Großgrundbesitzer und Granden dachten nicht einmal im Traum daran, den überaus schwer schuftenden, bienenfleißigen Kleinpächtern und Bauern Zins oder Pachterleichterung zu gewähren, geschweige denn, diesen armen Teufeln einen, wenn auch noch so kleinen Eigenbesitz zuzugestehen. Die Katalanen, die — nicht völlig zu Unrecht — behaupteten, die einzig wirklich Schaffenden in Industrie und Wirtschaft Spaniens zu sein, standen gegen das übrige Spanien, und hier ganz besonders gegen die Andalusier, die ihrer Meinung nach nur ständig Siesta hielten, während der Katalane im Schweiße seines Angesichts schuftete.
Diese gewissermaßen auseinanderstrebende Tendenz wirkte sich natürlich auch auf die militärischen Kreise aus, in denen bis in die höchsten Kreise hinein mit echt spanischer Leidenschaftlichkeit Politik vom unschuldvollsten Weiß bis zum finstersten und reaktionärsten Schwarz gemacht wurde. Eine einheitliche Ausrichtung dieser Kreise gegen Rot bestand zunächst nicht und konnte mit einiger Sicherheit nur von der Kolonialtruppe einschließlich der Morros und von der halbmilitärischen „Guardia Zivil“ erwartet werden, die etwa unserer Gendarmerie entsprach. Auf diese be'iden Stützen baute dann Franco späterhin tatsächlich auch mehr, als auf Carlisten und Falange.
Senor Bernhardt steigt ins Geschäft
Während in Barcelona, Madrid. Sevüia und den anderen größeren Städten der republikanische Gedanke vertreten und fest verankert schien, so daß man sogar bereits von einem „Roten Barcelona“ sprach, war flas in Spanisch-Marokko, und hier vor allem in Tetuan, keineswegs der Fall. Hier war bereits Ende 1935 der Ausruf: „Viva Espana, avajo los rojos!“ (Hoch Spanien, nieder mit den Roten) nicht eben selten. Und dieser Kampfruf sollte einige Monate später ganz allgemein werden, als von Marokko aus der Bürgerkrieg seinen Anfang nahm und von dort aus auf das Mutterland übertragen wurde.
Gonbezbaze Weli
Ehebruch
Bei den Mois, einem Nomadenvolk, das noch heute in den Bergländern Indochinas unter seinen alten Sitten und Stammesgesetzen lebt, wird der Ehebruch sehr streng bestraft — aber nur, wenn der Ehebruch von einer Frau begangen wurde! Beim ersten Vergehen der Frau bestraft man den Verführer, läßt sich die Frau ein zweites Mal auf einen Ehebruch ein, muß sie die Strafe erdulden. Beim dritten Male aber trifft die Strafe den Ehemann — weil er nicht besser auf seine Frau achtgab!
Jetzt war für den sehr ehrenwerten Senor Bernhardt die Gelegenheit seines Lebens gekommen. Die Chance, auf die er mit seiner Frau schon seit Jahren gewartet hatte. Sie auszunutzen war er sofort fest entschlossen. Bürgerkrieg bedeutete zwar, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen und das war selbstverständlich nichts für ihn. Das mochten andere und Dümmere tun. Bürgerkrieg bedeutete aber auch Bedarf an Waffen, Munition. Flugzeugen. Nachrichtenmaterial und tausend andere Sachen mehr, an deren Beschaffung oder Herbeischaffung sich fast mühelos eine Menge Geld verdienen ließ, ohne ein Risiko auf Leib und Leben einzugehen. Es hieß sich nur geschickt einschalten. Diese Einschaltung ins große Geschäft war überraschenderweise viel einfacher, als er selbst anfangs geglaubt hatte, ■weil Berlin und Rom gleich zu Beginn des Bürgerkrieges bereit waren, auf der iberischen Halbinsel die Karten kräftig mitzumischen. Da man in Berlin sowohl als auch in Rom zunächst sehr darauf bedacht war, wenigstens den Schein einer Nichteinmischung zu wahren, paßte es doch ausgezeichnet, wenn alle Lieferungen an Kriegsgerät und alle zugesicherten Gegenlieferungen an Kupfererzen, Quecksilber, Olivenöl usw. als normale Handelsware deklariert über eine spanische Export- oder Importfirma liefen.
•War dafür die Firma „HISMA LTDA Carranza & Bernhardt Tetuan/Sevilla“ nicht geradezu wie geschaffen? Jawohl, sie war wie geschaffen für das Geschäft und florierte mit der Zeit immer besser, je günstiger sich der Verlauf des Bürgerkrieges für Franco gestaltete. Ganze Dampferladungen an Kriegsmaterial aller Art und den dazu gehörigen deutschen und italienischen Truppen wurden in Sevilla und Huelva an Land gebracht und durch Carranza & Bernhardt gemanagt. Auf die Heimreise nahmen die Schiffe gleich den Gegenwert an Kupfererzen mit, das die Kumpels der Kupfergruben um Huelva im Schweiße ihres Angesichts aus der Erde holen mußten. Manager auch hier natürlich und vorwiegend Carranza & Bernhardt, die so mühelos Gewinn auf Gewinn häufen konnten.
Auch die Dona in ihrem Element
Die Hauptgeschäftsleitung der Firma war inzwischen längst nach Sevilla verlegt worden, und für Senor und Senora Bernhardt brachen herrliche Zeiten an. Als äußerer Rahmen war dem Ehepaar das feudale Sevillaner Hotel „Christiana“ gerade recht, in dessen ^pompöser großer Halle sie stunden- und nächtelang in bequemen und schweren Klubsesseln saßen, um mit maßgeblichen spanischen, deutschen und italienischen oder überhaupt mit den Leuten zu verhandeln, die mit ins Geschäft einsteigen wollten, und die etwas zu bieten hatten. Die schwierigen Fälle hierbei wurden nicht selten, und dann mit wahrer Eleganz, von Senora Bernhardt bearbeitet, die von bestrickender Liebenswürdigkeit und einem unbestreitbaren Charme gegenüber Männern sein konnte, die für das Geschäft wichtig, aber vom Senor selbst dafür nicht gewonnen werden konnten. Man war sich damals mitunter nicht klar, ob eigentlich Bernhardt oder dessen Frau die Seele vom Geschäft war. Vom Kompagnon Carranza ganz zu schweigen.
Wer die beiden von Tetuan her kannte, erkannte sie in Sevilla kaum noch wieder. Von Bernhardts abgelaufenem Schuhzeug war
Der „verratene Verräter
„Goldfibel Nr. 2“ blutdürstiger als Giuliano Von unserem Mailänder C. G. M.-Korrespondenten
ROM, Mitte Dezember. Der am 5. Juli 1950 zu Castelvetrano erschossene Bandit oder Brigant Giuliano Salvatore ist eine zu bekannte Person gewesen, als daß mit seinem Tod der „Fall Giuliano“ ein Ende gefunden hätte. Ueber die Art des „Halali“ dieser großen Verbrecherjagd, bei der zeitweise 2000 Karabi- nieri eingesetzt waren, debattiert Italien seit fünf Monaten. Mit der Gefangennahme der „Goldfibel Nr. 2“, Gaspare Pisciotta, ist die Möglichkeit gegeben, endgültig die Wahrheit über das Ende seines Chefs zu erfahren. Vorausgesetzt, daß der lange, elegante und blutdürstige Pisciotta reden will, bis jetzt schweigt er sich „verachtungsvoll“ aus.
Es gibt Menschen, die Pisciotta sicherlich in Deutschland kennengelernt haben, als er in einem KZ saß. Lungenkrank kam er nach Italien zurück und schloß sich Giuliano an. Er war der zweite Kommandant der Bande, nicht hübsch wie sein Chef, dafür aber um so blutdürstiger. Als ühfehlbarem Schützen ist ihm sicherlich auch der Mord an dem Polizeibeamten Cannae zuzuschreiben, den er vor
Bester Wein aus Edelfäule
Weshalb ist „Trockenbeeren-Auslese“ so teuer?
Die immer wieder aufgetischte Behauptung, der beste Weinkenner könne mit verbundenen Augen nicht mehr kalten Kaffee von Weißwein unterscheiden, darf wie die Anekdote vom „Seiltrick“ der indischen Fakire in das Reich der Fabel verwiesen werden. Sie wird den Feinschmeckern nicht gerecht, die — wenn sie nur wenige Tropfen des Rebensaftes über die Zunge rieseln lassen — einen Wein genau nach Herkunft, Lage und Jahrgang und mit der Angabe, ob es sich um Auslese oder Spätlese handelt, bestimmen können.
Zu Hause sind diese Wissenschaftler des Weines eigentlich nur dort, wo die Trauben reifen und der Rebstock grünt: an Rhein und Mosel, Saar und Ruwer, Neckar, Nahe und Donau. Denn nur sie ermessen die klingenden Geschmacksbezeichnungen „stahlig“, „mollig“, „glatt“, „elegant“ und „charaktervoll“ ganz. Sie unterscheiden mit der Nase die „Blume“, die alle wirksamen flüchtigen Stoffe umfaßt, den „Körper“ der gebundenen Stoffe, der durch die Kehle rinnt, und das „Bukett“, das nur durch Geruch und Geschmack zugleich gekostet wird.
Sie prüfen den Wein hinten und vorn im Munde, mit Zunge. Gaumen und Lippen. Das taten sie schon, bevor die Mediziner entdeckten. daß einzelne Nervenfibern, jede mit ihrer besonderen Aufgabe, sich arr den Nuancen zwischen süß, sauer, bitter und mild ergötzen. Für sie darf die Rotweinwärme nicht wesentlich unter Zimmertemperatur, bestimmt nicht unter 15 Grad liegen, der Weißwein bis höchstens 10 Grad abkühlen. Der Eiskühler richtet daher zumeist mehr Unheil als Segen an.
Pokal schimmern sehen. Sonst aber herrscht Eintracht zwischen den Stammgästen des Gottes Bacchus — von der lombardischen Osteria bis zur Pfälzer Schoppenstube.
Für ihre Zufriedenheit sorgt der Küfer, der beim „Verschnitt“ verschiedene Weine, etwa einen „körperlosen, flachen“ und einen „vollen, würzigen“, vermischt. Das ist keine „Pant- scherei“, ebensowenig wie das Verbessern eines sauren Rebensaftes von sonnenarmen Hügeln mit Zucker. Naturrein muß also ein guter Wein nicht unbedingt sein, um einer Tafelrunde zu gefallen. Erste Klasse dagegen verrät immer das Etikett „Trockenbeeren-Aus- lese“ aus edelfaulen und schon rosinenartig eingeschrumpften Beeren. Der hohe Preis ist. dann gerecht. Für ihn arbeiten hundert Win- zerinnen 2 Wochen von morgens bis abends, um Trauben für 300 Liter Most einzusammeln. Für Edelweine folgt dann eine Faßpflege von vier bis acht Jahren!
Im „Chambre separee“ denkt das selige Operettenpaar vor seinen schlanken Kelchen kaum an die schwere Arbeit der Weinbauern. Dazu gehört schön die Bedächtigkeit eines alten Kanzleirates. Dieser wird auch darauf achten, daß keine farbigen oder formlosen Gläser verwandt werden, daß Umgebung, Raum und Zechgenossen zu den Weinen passen. Findet er nicht das, was er sucht, so wird er lieber versonnen in einen der alten Keller hinabsteigen, in denen keine Temperaturschwankungen drohen. Flaschen sollen hier liegend gelagert werden, damit der feucht bleibende Pfropfen luftdicht abschließt.
Wer nun das beste und sachkundigste Rezept für Weintrinker erwerben will, der greife zu dem prächtigen „Fremdenführer“ von Hermann Jung. „Wenn man beim sitzt“ (Carl Lange-Verlag, Duisburg-Oberhausen, 12 DM), der auch dem Kenner auf seinen 290 blütenweißen Seiten mit mehr als 300 Illustrationen eine 'Liebhaberei von der Poesie bis zur Etikettenkunde nahebringt. In den gleichen Rahmen gehören „Umgang mit Wein“ von Karl Ludwig Weirauch (Deutsche Verlagsanstalt. Stuttgart, 4-80 DM), ein köstliches Bändchen mit launigem Text und ansprechenden Zeichnungen. und die nett und bunt aufgemachte ..Weinfibel“ (herausgegeben von der Deutschen Weinwerbung, Oppenheim-Rhein, 2.80 DM).
kurzem — am 28. November — mit der MP. zusammenschoß, als er mit dem anderen „großen Ueberlebenden“ der Bande, Passatempo, gestellt worden war. Pisciotta trug wie Giuliano die aus der Schweiz importierte Gürtelfibel aus reinem Gold, auf der sich ein springender Löwe auf blauem Feld befindet. Von ihm geht die Sage, daß er sich stets für Härte da einsetzte, wo Giuliano einmal milde sein wollte. Die zahllosen Morde, die er sich hat zuschulden kommen lassen, können nicht aufgeführt werden, da Giuliano berühmt-berüchtigter war. Dem Chef also stets alle Morde zugeschrieben wurden. .
Polizeijagd
400 Polizeibeamte und Karabinieri traten zur Jagd im Bezirk von Montelepre an, als ihnen bekannt wurde, daß Pisciotta und Passatempo dort verborgen waren. Wie schwer eine Polizeiaktion in diesem Gebiet ist, geht aus der Feststellung hervor, daß die Postbeamtin von Montelepre die Verlobte des Pisciotta und somit Spionin der Bande war. Und doch ist Pisciotta verraten worden. Die Polizei muß sich auf V-Leute stützen, die diesmal aus der Bevölkerung Unterstützung erhielten. Im Hause der Familie Pisciotta fand ein Tauffest statt, eine Schar Agenten besetzte es blitzschnell, nahm Festnahmen vor und fand 30 Bekleidungsstücke der „zweiten Goldfibel“. Wo mag der Bandit sitzen, fragten sich die Agenten. 48 Stunden blieben alle „Festteilnehmer“ blok- kiert, aber kein Bandit war zu spüren. Bewacher und Bewachte fielen fast vor Müdigkeit tot um, da hörte einer der Beamten am Erdboden ein Geräusch. Es wurde alles noch einmal durchsucht, und schließlich entdeckte man unter Heu ein zwei Meter tiefes Erdloch, in dem der elegante „Gasparone“ saß, der in die Augen von vier Polizeibeamten und seiner Mutter sah. Angesichts der zahlreichen auf ihn gerichteten Waffen zog er es vor, seinen Colt — wie in einem Film — mit dem Lauf in der Hand zu übergeben ...
Die „Schande“ im Mittelpunkt
Ganz Sizilien erbebte bei der Nachricht der Festnahme, denn ganz Sizilien glaubt, daß Pisciotta seinen Chef im Schlaf erschossen und dafür einen polizeilichen Geleitschein plus 20 Millionen Lire ernalten hat. Die Festnahme des gefährlichen Banditen hat diese Version dementiert. Aber für die Sizilianer bleibt die „Schande“ bestehen. Sie bezieht sich auf die Tatsache, daß ein Mann — auch wenn er eil. Verbrecher — im Schlaf von Vertrauten erschossen werden kann.
In der großen Zeitschrift „Europeo“ hatte die Mutter Giulianos den Vetter ihres roten Sohnes angeklagt den „ehrlosen Akt“ vollbracht zu haben, und die öffentliche Meinung war hier auf seiten der Mutter. Pisciotta sah sich von zwei Seiten eingekesselt: von der Polizei und von seinen Landsleuten. Seine Verhaftung wird ihm wohl aus diesem Grunde nicht ganz unbequem sein. Das Endurteil über diese mysteriöse Angelegenheit wird aber bei dem Riesenprozeß gegen die Ueberlebenden der Bande im nächsten Jahr in Viterbo zu fällen sein. Die Polizei hat im Juli erklärt, daß Giuliano durch „amtliche Kugeln“ seinen Tod fand, in Sizilien glaubt dies auch heute keiner. Obwohl der Fang Pisciottas die amtliche Verlautbarung unterstreicht. Aber der Fall Giuliano ist bereits durch den Volksmund in den Bereich der sizilianischen Bänkelsänger übergegangen. Und diese singen so, wie das Volk denkt.