SAMSTAG, 18. NOVEMBER 1950
r^j y-»^ ■
Die £efeftunbe
Die 6d}ul}e bcadjien’s an ben Sag -i™ /*„« s«,^«
Zuweilen, nicht immer, steht unsere Haustür offen, und also kommt es vor, daß sich allerlei Passanten unmittelbar ins Schlafzimmer verirren, auch wenn man gerade im Hemde steht. Der eine bietet Garnrollen feil, der andere selbstgemalte Postkarten, der dritte möchte einen in die Gemeinschaft der ernsten Bibelforscher aufnehmen. Und so fort. — Wer im Hemde steht, der hat keinen unmittelbaren Bedarf an Zwirn oder Postkarten, und aufnehmen lassen möchte er sich abends nur vom Bett und morgens von den Hosenbeinen. Denn die Sonne lockt, sofern der Regen nicht rauscht. Und die Arbeit ruft, sofern der Feierabend nicht da ist. — Aber das Unbekümmerte, das Selbstverständliche, mit dem die Leute eintreten ohne anzuklopfen, das gab mir, dem Evakuierten, schon lange zu denken. Gott ja, ich wohne in einem größerem Dorf, die Leute haben sonst viel Taktgefühl, warum aber nicht auch beim Eindringen in mein Gemach?
Ganz im Vertrauen: Es kommt auch vor (zumal am Markttagen), daß die Haustür verschlossen ist, und dann klingelt es plötzlich, man öffnet und fragt nach dem diesbezüglichen Begehr; aber statt einer Antwort erhält man einen Stoß vor den Unterleib und der
. .... um um Ultimi
LÄCHELNDER ZUSPRUCH
Von Wilhelm Raube
Und wenn man auch allen Sonnenschein wegstreicht, so gibt es doch noch den Mond und die hübschen Sterne; — es ist so viel schönes Licht
in der Welt-du liebster Gott, und nachher
geben sie dir die Schuld, wenn sie sich selber hinters Licht geführt haben.
*
Der Mensch verträgt mit Pläsier, daß man über ihn weint; aber daß man über ihn lacht, verträgt er nicht.
*
Jeder macht Wind auf seine eigene Art; je größer der Blasebalg, desto stärker der Wind, desto ohrenbetäubender das Schnarren und Schnauben.
Halte den Hut fest, es wird mehr als einer seine Kraft daran setzen, ihn dir vom Kopfe zu pusten. Wenn der Deckel aber einmal in die Luft fliegt, so mache dich nicht zum Gespött der Gassen und renne nicht toll und blind hinter ihm her, sondern gehe ihm fein langsam nach und lache selbst; oft wird ein anderer ihn auffangen und dir entgegentragen.
..
offenbar sehr eilige Gast geht forsch vorbei und hintendurch nach der Toilette.
Habe ich einen volkseigenen Betrieb? Jahrelang dachte ich nach über das wiederholte Kuriosum solcher Gäste und Besucher. Ich kam nicht hinter die Lösung des Orakels. Erst heute, also heute gingen mir hundert La- tüchten auf, und davon muß ich erzählen, weil die Sache gleichsam zur Chronik unseres von hundert Gehöften umgebenen Ortes gehört.
Also; Es klopfte. Ich rief herein, obwohl ich mich soeben studierenderweise mit Hausens Sternbilderkunde beschäftigte. Und wer kam? Eine biedere Landfrau von auswärts. Sie nahm Platz im Sessel, fragte nach meinem Wohlbefinden, auch meinte sie, ich hätte mich sehr verändert und mein Laden sähe heute wesentlich gemütlicher aus als damals. Dann aber kramte sie ein Paar alter, rindlederner Schuhe aus ihrer Basttasche und stellte die Gebilde auf den Tisch, mitten zwischen meine Sternbilder. Und Madame fragte munter:
„Nu sagense, Meister, ob Sie die wohl noch einmal hinkriegen können? Lohnt es sich noch? Sie wissen, ich bin alter Kunde!“
Das, was man gemeinhin die „Spucke“ nennt, blieb mir weg. Dennoch nahm ich als
„Kling!“ sprang der fertige Nagel vom Amboß des Meisters Braun.
Da ging die Tür auf und der Meister wandte sich um. „Du ...?“ keuchte er. „Du ...?“ Seine Stirn wurde faltig. „Wer hat dich gerufen?“ Der eingetretene Glasermeister stellte die Scheibe, die er vorsichtig getragen, auf den Boden und lehnte sie an die Ziegelwand. Lachend antwortete er: „Ich! Die Versteigerung ist in der nächsten Woche. Ich mache das Loch oben zu. Es muß ein gutes Gebot herauskommen.“
Meister Braun legte die Zange, die er in der Linken gehalten hatte, auf den Amboß und umkrampfte mit der Rechten den Hammer. „Hier hast du noch gar nichts zu suchen!“ schrie er den Glasermeister an. „Bis zur Versteigerung bin ich noch der Herr!“
„Darf ich die Scheibe einsetzen ...?“ „Machs, wie du willst.“ Meister Braun warf den Hammer auf den Boden und ging hinaus. „Klirr...!“
Meister Braun zuckte leicht zusammen, wandte sich um und ging in die Schmiede. Da lag die zerbrochene Scheibe am Boden. Der Glasermeister hielt sich den rechten Unterarm fest, aus dem das hellrote Blut spritzte. „Die Schlagader durch.“
„Was, Peter...?“
„Ich wollte die Scheibe einsetzen. Bin ausgerutscht, auf die Scheibe gefallen..!“
Mit festem Griff packte Meister Braun den verletzten Arm seines Feindes und drückte die Schlagader über der Schnittwunde ab. „Da, festhalten, Peter! So! Fester noch, Peter, sonst trägt man dich hier als einen Toten heraus.“ Er schnallte einen Riemen um den Arm mit der Wunde, so daß das Blut stand. „So. leg deinen linken Arm auf meine Schulter. Hier ist kein Fernsprecher in der Nähe, und einen Wagen können wir auch nicht auftreiben. Das Krankenhaus liegt etwa zehn Minuten von hier im Tale. Hältst du den Weg dahin aus?“
..Ja. Walter. Aber du willst. . .?“
Trotz der Abschnürung tropfte das Blut bei
Menschenfreund die Stiefel in die Hand, sie waren verflixt ramponiert: „Tja, gute Frau, ich möchte sie Ihnen ja gern wieder auf-, möbeln, aber ich habe kein Werkzeug, kein Material, außerdem fehlen mir die nötigen Kenntnisse; und endlich würde ich mich, wie ich glaube, gegen die Gesetze vergehen. Denn ich darf doch keinem berufsmäßiden Schuhmacher als Laie ins Handwerk pfuschen ...“
Ihr wißt: Hans Sachs war Schuhmacher und Poet dazn, eine gesunde Mischung, deren Er- zeugnise uns heute noch beglücken. Aber meine Besucherin raffte plötzlich die alten Stiefel wieder vom Tisch, ohne Gruß verschwand sie, das heißt: Madameken murmelte noch eine Entschuldigung: „Wenn man lange nicht mehr im Ort war, kann man sich doch mal irren!“
Natürlich kann man sich irren. Und ich war auch nicht böse, woher denn. Ich habe Sinn
Diese Skizze wurde, ohne Titel, unter Maxk Twains Schriften gefunden. Wahrscheinlich wurde sie 1887 verfaßt, möglicherweise im Anschluß an eine Eintragung in ein Merkbuch, die Mark Twains Erstaunen über die kurz zuvor- von der Kohlenfirma Langdon erzielten Gewinne ausdrückt. Der Inhaber dieser Firma war ein Onkel von Mark Twains Frau.
Himmlisches Buchhalteramt, 20. Januar
An Herrn Andrew Langdon
Kohlenhändler
Buffalo, Staat New York.
Hiermit beehre ich mich. Sie auftragsgemäß davon in Kenntnis zu setzen, daß der kürzlich durch Sie erbrachte Beweis von Mild
tätigkeit und Selbstverleugung auf einer Sonderseite im „Goldenen Buch menschlicher Taten“ eingetragen wurde, eine Auszeichnung, die, wie ich mir zu bemerken erlaube, nicht nur außergewöhnlich ist, sondern in ihrer Art einzig dasteht.
Wenn Leute eines bestimmten Schlages eine bemerkenswerte gute Tat vollbringen, so schreiben wir ihrem Konto das Tausendfache des Betrages gut, den wir bei einem Menschen besseren Kalibers eintragen würden — es fällt ihnen ja so schwer. Hier stehen Sie
jedem Schritt, den sie gingen, auf den Weg. Auf der letzten Strecke des Weges ging der Glasermeister erschlafft an des Schmiedes Schulter.
Er. drohte zusammenzubrechen. Da hob Meister Braun ihn auf und lief mit ihm in das rettende Haus.
Man nahm ihm die Last ab. Er setzte sich keuchend auf die Bank vor dem Operationssaale.
Der Schmied wartete, und der Glasermeister erschien, den Arm in der Binde. Er reichte Walter dankbar die Hand. „Das tatst du für mich?“
„Was tat ich denn, Peter? Hättest du anders gehandelt als ich?“
„Man hätte dir nichts nachsagen können, wenn ich verblutet wäre“, sagte der Glaser. „Du hättest dich um mich nicht zu kümmern brauchen und tatst es doch. Woher nahmst du die Kraft, midi, deinen Feind aus der Gefahr zu bringen?"
„Woher ich sie nahm?“ Der Schmied schüttelte den Kopf. „Wenn du das nicht fühlen kannst, kann ich’s dir nicht sagen.“
Eine Woche verging. Der Tag der Versteigerung kam. Der Auktionator legte die Forderung auf: „Zweitausenddreihundert.“
Der Glasermeister, den Arm in der Binde, der unter den Bietenden war, legte ein Bündel Banknoten auf den Tisch. „Die Versteigerung findet nicht statt. Es wird alles bezahlt.“
„Ist es von Braun?“
„Für Braun“, sagte der Glaser und ging.
Die Versteigerung fand nicht statt. Meister Braun blieb Besitzer seiner Schmiede und die Nägel sangen weiter: „Kling! Kling!“ Einige Tage später aber suchte er den Glaser auf. um ihm zu danken. „Aber wie soll ich es dir zurückzahlen können. Es wird Jahre dauern.“
Der Glaser legte ihm die gesunde Linke auf die Schulter. „Walter entgegnete er, „du schuldest mir nichts. Daß es mit dir abwärts ging, war meine Schuld, Also habe ich auch die Kosten zu tragen. Ich trage sie gern. Sind wir jetzt quitt?“
für die-Abwechslung und bin grundsätzlich gegen das Langweilige, ohne freundliche Intermezzi wäre das Leben eine Arktis. Und also will ich’s verraten: Schon lange vor mir hatte ein zünftiger Schuhmachermeister seine Tag und Nacht geöffnete Werkstatt in meinem Schlaf-, Küchen-, Bade-, Wohn-, Speisezimmer. Das muß aber so um 1938 gewesen sein, und seitdem hat mancher Volksgenosse aus dem Gebirge nicht mehr den Ort betreten.
Heilige Einfalt, rief Johannes Hus. Und glückliche Menschen, die nicht wissen, wie die Zeit von dannen läuft. Und die kaum ahnen, was sich alles ändern kann, wenn man, standhaft wie Bäume, auf dem Hofe bleibt, und sich einen Kehricht kümmert um Atom- geheimnise, Samba, Rita Hayworth und Koreakonflikte.
Ich bleibe auf dem Dorfe.
weit über Ihrer Wertgruppeneintragung, weil Sie sich eine Selbstaufopferung auferlegt haben, die das von Ihnen zu erwartende Maß bei weitem übersteigt. Vor Jahren, als Ihr Vermögen sich auf nur 100 000 Dollar belief und Sie Ihrer Cousine, der verarmten Witwe, 2 Dollar schickten, als sie sich an Sie um Hilfe wandte, da gab es gar manche im Himmel, die das einfach nicht glauben konnten, und es gab noch mehr, die glaubten, die Geldscheine müßten gefälscht sein. Als sich herausstellte, daß diese Verdächtigungen grundlos waren, hob sich die Einschätzung Ihres Charakters um viele Punkte. Ein paar Jahre später, als Sie der armen Frau auf einen neuerlichen Notruf hin 4 Dollar schickten, da
glaubte es ein jeder, und tagelang sprach man hier oben nur von Ihnen. Nach weiteren zwei Jahren, als das jüngere Kind der Witwe starb, überwiesen Sie ihr auf ihre inständige Bitte hin 6 Dollar, und durch diese Tat wurde Ihr guter Leumund hieb- und stichfest. Ein jeder im Himmel fragte: „Haben Sie schon das Neueste von Andrew gehört?“ — man nennt Sie hier jetzt aus persönlicher Zuneigung nur beim Vornamen. Dank Ihrer milden Gaben, deren Wert Sie alle paar Jahre erhöhen, ist Ihr Name in aller Munde, und ein jeder gedenkt Ihrer mit Wärme. An Sonntagen sieht Ihnen der ganze Himmel zu, wenn Sie mit Ihrem schönen Wagen zur Kirche fahren, und wenn der Klingelbeutel an Ihnen vorbeigetragen wird, dann ertönt ein Ruf der Freude, der bis zu den glühenden Mauern der fernen Gehenna hallt: „Andrew hat schon wieder einen Groschen gestiftet!“
Der Höhepunkt aber wurde vor einigen Tagen erreicht, als die Witwe Ihnen schrieb, um Ihnen mitzuteilen, sie könnte eine Lehrerinnenstelle in einem entfernten Dorfe an- treten, wenn sie 50 Dollar hätte, um mit ihren beiden überlebenden Kindern dorthin zu reisen. Da addierten Sie den Reingewinn von Ihren drei Kohlenbergwerken im letzten Monat — 22 320 Dollar — zu Ihrem Nettoverdienst im laufenden Monat — bestimmt 45 000 und möglicherweise sogar 50 000 Dollar —, griffen nach Federhalter und Scheckbuch und sandten ihr ganze 15 Dollar! O Herz in Deiner Großmut, möge der Himmel Dich segnen und erhalten für immerdar! In den Gefilden der Seligen blieb kein Auge trocken, und unter Händeschütteln. Umarmung und Lobeshymnen erscholl mit Donnerstimme vom Throne des Allmächtigen das Gebot, diese Tat solle höher angerechnet werden als jedes Opfer, das jemals von Menschen und Engeln gebracht worden war. Sie sollte auf einer besonderen Seite aufgezeichnet werden, denn die Selbstüberwindung für Sie war viel schwerer, als sie für zehntausend Märtyrer war, die ihr Leben auf dem flammenden Scheiterhaufen hingaben, und es sprach ein jeglicher: „Was ist ein Leben, das eine edle Seele opfert, ja was ist selbst das Leben, das zehntausend edle Seelen opfern, im Vergleich zu dem Opfer von 15 Dollar, dargebracht von dem habgierigsten. erbärmlichsten Manne, der jemals auf Erden wandelte?“
Und es war wahr gesprochen. Abraham weinte, schüttelte alle von sich, die in seinem Schoße ruhten, und hing sich statt dessen ein Plakat vor. auf dem geschrieben stand: „Reserviert!“ Und Petrus weinte und sprach: „Mit einem Fackelzug wollen wir ihn bei seinem Empfang begrüßen!“ Und dann erhallten die Himmel und frohlockten, weil Sie noch unten auf Erden waren. Und die Hölle frohlockte auch.
i. A. Der himmlische Buchhalter.
€in Brief an ben £ol)leni}änölec
Von Mark Twain
XBic finö nun quitt
Von Friedrich Franz Goldau
V
Die Mysterien ,
Von Wilhelm Raabe
Wie hinter dem Tode, so ist hinter der Geburt ein großes Geheimnis; der Sterbende tritt in das eine, das Kind, welches geboren wird, in das andere. Auch das Leben ist eine Kette von Mysterien, die hienieden nur zum geringsten Teile gelöst werden. Den Schoß der Mutter verläßt das Kind und weiß nichts von sich. Es hört ein unbestimmtes Geräusch und wird von einem unbekannten Licht geblendet, und wehrt sich gegen beides mit Weinen und Klagen.
Mit jeder Geburt hebt der uralte Sang von der Schöpfung wieder an: wüst war es und leer, und es war finster auf der Tiefe; aber der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Im Buche des Genesis freilich wird es mit einem Male Licht; in der dunklen Seele des Menschen kommt jedoch langsam das Licht.
Dunkel ist an und für sich das Universum, und das Licht darin geht nur von den glänzenden Kugeln aus, die wir Sterne nennen; dunkel ist auch von Grund aus die Menschenseele, ein ebenso großes Mysterium wie das Weltall; auch in ihr kommt das Licht von den Sternen, und deren gibt es sehr viele und sehr schöne. — Der sittliche Mensch, welchem Gott befahl, das erhobene Gesicht zu den Sternen zu richten, dieser Mensch gab den Gefühlen Namen und nannte sie; Liebe, Freundschaft, Glaube, Geduld, Barmherzigkeit, Mut, Demut — und Jahrtausende vergingen, ehe diese Namen gefunden waren. — Seht nach dem Stern der Liebe, meine Kinder.
(Am 15. November vor 40 Jahren starb der Dichter Wilhelm Raab?
NUMMER 180
Wer
SHELL X-100 fährt
nutzt den Vorsprung
und damit alle Vorteile, die sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren einer langjährigen Entwicklung ergaben.
SMELL-Bohrfeider in aller Welt machten eine freie Auswahl un« ter den geeigneten Grundölen der ersten Qualitätsklasse möglich. SHELL-Raffinerien gewannen hieraus erlesene Schmieröle.
Und SHELL-Forschungszentren