6. Jahrgang

Samstag, 18. November 1950

Nummer MO

Verdienter Lebensabend

Vor wenigen Tagen kehrte aus der Klinik in Tübingen, wo sie sich einer schweren Operation unterziehen mußte, Frau Luise Dürrschnabel zurück. Frau Dürrschnabel ist als Hebamme im weiten Umkreis unserer Stadt bekannt geworden, hat sie doch durch zwei Generationen den Neugeborenen in Altensteig geholfen das Licht der Welt zu er­blicken. Die glücklich überstandene Krankheit hat Frau Dürrschnabel gezwungen, ihren Be-

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ruf, in dem sie Freud und Leid erlebte, end­gültig aufzugeben. Bei ihrem Ausscheiden gehen fast aus allen Häusern unserer Stadt und der näheren Umgebung dankbare Ge­danken und gute Wünsche mit der immer hilfsbereiten und bei Tag und Nacht unermüd­lichen Wohltäterin.

Frau Dürrschnabel wurde im Jahre 1886 in Altensteig geboren und wuchs im Hause ihres Onkels auf. Nach ihrem Schulbesuch in der Zeit von 1892 bis 1900 ging sie in die Fremde nach Rottweil, Mainz und Frankfurt. Im Jahre

1911 verheiratete sie sich mit Johannes Dürr­schnabel, Silberarbeiter in der alten Firma Kaltenbach und später in der Firma OKA. Kurz nach ihrer Verehelichung ging Frau Dürrschnabel zur Ausbildung in die Landes­hebammenschule nach Stuttgart. Im Jahre

1912 ließ sie sich als Hebamme in Altensteig nieder und hatte in den Jahren des letzten Krieges auch noch die Orte Berneck und

Dr. Vefenmayer 50 Jahre Arzt in Wilöberg

Die Wildberger hängen mit Liebe und Dankbarkeit an ihrem Doktor

Als den Adlerwirts-Eheleuten in Treffel­hausen auf der schwäbischen Alb am 11. März 1872 ein Söhnchen geboren wurde, ha­ben sie den Werdegang desselben nicht ge­ahnt, wahrscheinlich seinen Manneswirkungs­kreis Wildberg nicht einmal dem Namen nach gekannt. Seinen unbändigen Lebenswillen bezeugte der kleine Hans schon mit 23 Jah­ren, als er die Milchflasche mit der Brannt­weinflasche verwechselte und die Alkohol­vergiftung siegreich überwand. Dieses Ereig­nis hatte die Wirkung, daß das ..gebrannte Kind 65 Jahre lang keinen Tropfen Brannt­wein zu sich nahm. Ob die fromme Mutter im tagelangen Hangen und Bangen um des Kindes Leben ein Gelübde getan hat, den Buben der Kirche zu weihen. man weiß es nicht. Auf jeden Fall bekam er die geistige Rüstung dazu, indem er dem Gymnasium Gmünd und einem tüchtigen Lehrer in Kost und geistige Pflege übergeben wurde. Gmünd war damals noch keine Vollanstalt und so kam der hoffnungsvolle Jüngling später ins Gymnasium nach Rottweil. Rottweil ist eine fromme Stadt aber auch die Lebenslust hat dort ihre Stätte. Das richtige Mittelmaß zu finden, ist für einen Jüngling nicht leicht. Der Lehrer des Gymnasiasten rügte seinBum­melingehen und Kegelinschieben und steckte ihn in den Karzer im Dachstock des alten Gymnasiums, wo er im Schatten des ehrwür­digen Kapellenkirchturms die Beine durch das Gitter auf das Dach streckte, was auf wenig Zerknirrschung des Sünders schließen läßt. Ohne Zweifel zu weit ging der Professor indem er zu dem Schüler sagte:Sie schrei­ben ein Latein wie die ungarischen Köche. Ein solcher Lateiner hätte damals die Reife­prüfung nicht bestanden. Nur für die Gottes­gelahrtheit hielt sich der Abiturient trotz seiner ihm attestierten Maturität in ehrlicher Selbsteinschätzung nicht für reif.

Er wurde Mediziner. Und er wurde Fuchs und Bursche der Turnerschaft Staufen in Tü­bingen. Das damalige ungebundene Studen-

Altensteig Dorf zu versorgen. Alle Wege zu den Hilfe suchenden Häusern mußte sie im Sommer und Winter, bei Tag und bei Nacht zu Fuß zurücklegen. Die beschwerlichen Wege und die zusätzliche Pflege ihres Mannes, der schwer erkrankte und im September 1949 starb, haben die jetzt 64-jährige gezwungen, nach ihrem eigenen Krankenbett ihr wohl- versorgtes Amt in andere Hände zu über­geben. Unsere besten Wünsche gelten ihr und ihrem Lebensabend.

tenleben. von welchem der Jubilar heute noch mit Behagen erzählt, hielt ihn von ernst­haftem Studium und Praktikum nicht ab. Seiner Verehrung für die Lehrer und Klini­ker der Hochschule gibt er heute noch Aus­druck. Und es wird keiner ein Studentenlied anstimmen, in welches er nicht mit rollendem Baß einfallen wird.

Nach beendetem Studium und Absolvierung des Militärdienstes gings in die Praxis, sei es als Klinikassistent, sei es als Vertreter von Landärzten; so vertrat er 1897 einige Zeit den damaligen Stadtarzt Dr. Zipperlen in Wild­berg.

Vor nunmehr 50 Jahren, im November 1900 trat Dr. Vesenmayer als Nachfolger des 1940 in Tübingen verstorbenen Dr. Zipperlen sei­nen hiesigen Dienst als Stadt- und Bezirks­arzt an mit dem festen Vorsatz, der Stadt Wildberg einruhiger Bürger zu sein. Das hinderte ihn nach seiner eigenen Aussage nicht, am vergnügtesten in einer Gesellschaft zu sein, wo es recht laut herging. Und wer in einer singenden Gesellschaft nicht mitsang, riskierte einen Rippenstoß:Der Kerl sengt net!.

Die Verkehrsmöglichkeiten waren vor 50

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Der Jubilar

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Jahren noch sehr primitiv. Zu Fuß mit Ruck­sack undGehstock, dann auf dem Tretrad wurden die anliegenden Ortschaften besucht. Bei Nacht trug den Arzt wohl auch mal ein von einem Bauern geführtes Pferd durch den steilen Hohlweg nach Hodzbronn. Ein Ereignis war es schon, als der Doktor auf dem ersten Motorrad und dann auf dem ersten Chaisen­auto, einem hochbeinigen Opel, durch die Stra­ßen ratterte, auf die Lausbuben schimpend, die ihm in den Weg liefen. Dieses Auto kam vor einigen Jahren ins Museum der Fabrik. Im eigenen Museum des Doktorhauses steht noch manches der im Lauf der Jahrzehnte er­standenen Vehikel.

Was einem so in ständiger leiblicher und geistiger Bewegung lebenden Landarzt in 50 Jahren durch Hand und Kopf geht, ist so viel, daß Worte es nicht ausdrücken können. Wie vielen Kindern hat der Geburtshelfer nicht zum Leben verholfen? Wie viele Leute, teilweise schon mit grauen Haaren, mögen herumlau­fen, deren Geburt noch nicht bezahlt ist? Ei­nen Gerichtsvollzieher hat Dr. Vesenmayer nicht ins Brot gesetzt. Stadtarzt sein, hieß zum guten Teil Armenarzt sein. Erstaunlich war und ist heute noch die Gesundheit des Jubilars, dem die Arbeitsbereitschaft bei Tag und Nacht bisher wenig anhaben konnte, was neben einer angeborenen guten körperlichen Verfassung seine Erklärung nur in der Tat­sache findet, daß in diesem Manne beispiel­haftes Pflichtbewußtsein mit wahrhafter Liebe zum Beruf und trotz etwas rauher Schale zum Menschen vereinigt ist.

Urlaub kannte Dr. Vesenmayer kaum. Seine Erholung bildete die Jagd (nicht ohne Wilde­rer-Erlebnis), eine sangesfrohe Gesellschaft (dem Liederkranz gehört seine ganze Sym- pathie), und der Kegelsport. Für die früh ver­lorene Familie bildete ihm diese Geselligkeit einen kleinen Ersatz. Zur besonderen Ehre gereichte es den Keglern, einmal in die Hei­mat des Jubilars mitgenommen zu werden, wo sie sich von der Herzlichkeit in der gro­ßen Familie Vesenmayer, in welcher noch der 83jährige Bruder des Doktors den Altersvor­sitz führt, überzeugen konnten.

Als vor 10 Jahren anläßlich des 40jährigen Jubiläums von Dr. Vesenmayer und seiner Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Wild­berg eine Feier veranstaltet wurde, war dies ein richtiges Volksfest. Mit froher Erwartung sieht jetzt die Bevölkerung der Fünfziger­feier entgegen.

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