NUMMER 180 r

SAMSTAG, 18. NOVEMBER 1950

Heftige Tumulte bei Niemöller-Rede

Fortgesetzte Zwischenrufe erzwangen Abbruch des Vortrags

die Parteien nicht durch die äußeren Um­stande zu Handlungen gezwungen werden, die mit ihren vor -den Wahlen gegebenen Ver­sprechungen nifcht übereinstimmen. Und das merkt schließlich auch der dümmste Wähler.

Für uns in Südwürttemberg hat über all diese Moment» hinaus das Votum der Wähler in Württemberg-Baden noch eine besondere Bedeutung. Wird der bisherige Ministerpräsi­dent Dr. Maier wieder in der Lage sein, ein Ministerium zu bilden, oder wird es eine neue Persönlichkeit 9ein, mit der sich unser Staats­präsident in der Zukunft über das Südwest­staatproblem wird unterhalten müssen? Auch in Freiburg will der Landtag offenbar zuerst das Ergebnis der württembergisch-badischen Landtagswahlen abwarten, bevor er sich mit dem Antrag befaßt, Staatspräsident Wohieb zu beauftragen, erneute Verhandlungen mit seineri beiden Kontrahenten aufzunehmen. Vielleicht verspricht man sich in Freiburg von einep Regierungsumbildung in Stuttgart eine entgegenkommendere Haltung.

Die Italiener haben in diesen Wochen be­wiesen, daß sie auf die harte Faust verzichten und die Demokratie vorziehen. Innenminister Scelba fand, daß die 60 000 Polizisten zu wenig seien, um zwei Millionen Kommunisten in Schach zu halten. Er (so sagt man in Rom) gab darauf einem Journalisten die Idee einerzivi­len demokratischen Miliz" weiter, die dieser in einen Leserbrief eines großen Blattes um­arbeitete. Die Staate-Miliz sollte Armbinde und Gewehr haben und sonntäglich zu Uebun- gen ausrücken. Damit aber hatte der Innen­minister über den Zeitungsmann hinweg in ein wahnes Wespennest gestochen.

Es ist nicht verwunderlich, daß die Sozial­kommunisten von einer Rückkehr zum Fa­schismus sprechen; auch die Reaktion der Li­beralen, der Republikaner und der Sozialde­mokraten lag auf der gleichen Linie.Es han­delt sich um ein ganz ungeheuerliches Projekt, auf keinen Fall dürfen wir auf dem Umweg über eine Miliz zum Faschismus zurückmar­schieren erklären die bürgerlichen Blätter und der Mann auf der Straße. Nur einige nationalistische Organe stießen freudig ins Horn.

BERLIN. Zu heftigen Tumulten kam es am Donnerstagabend bei einer Rede des hessi­schen Kirchenpräsidenten Martin Niemöl­ler gm Evangelischen Gemeindehaus in Ber­lin-Dahlem, wo Niemöller bekanntlich früher Pfarrer war. Seine Aeußerungen zur Frage der Wiederbewaffnung Deutschlands wurde von einem Teil der Anwesenden ständig durch ab­lehnende Zwischenrufe kommentiert.

Der hessische Kirchenpräsident führte im Verlauf seiner Rede aus, die 18 Millionen Deut­schen in der Sowjetzone hätten nur in den deutschen Menschen des Westens ihre Näch­sten. Die Engländer und Amerikaner seien den Deutschen in der Sowjetzone noch lange keine Nächsten, dennsie kennen überhaupt keine Nächsten, und die Franzosen wären froh und dankbar, wenn diese 18 Millionen Deutschen tot wären.

Saboteure (sprich: Kommunisten) erheblich zu verschärfen. Für militärische Sabotage gibt es 8 Jahre bis lebenslänglich Zuchthaus, für die wirtschaftlichenur 6 Monate bis 4 Jahre und wer Industriewerke oder Aecker besetzt, kann bis zu 5 Jahren hinter Gittern landen.

Es ist ein offenes Geheimnis, daß in lebens­wichtigen Staatsstellungen auch im Vertei- digungs- und Innenministerium Elemente vorhanden sind, die insgeheim die KPL be­günstigen, Der Regierung ist es gelungen, fast lOOprozentig die Polizei von Sozialkommuni­sten zu säubern, die nach dem Kriege hier die Oberhand hatten. Der Hinauswurf der Kommunisten und ihrer Freunde aus den Stel­lungen erfolgt in Italien im Gegensatz zu der Schweiz, Westdeutschland, den USA, Bel­gien usw. auf die kalte Art.Wir werden uns nicht von den Kommunisten auf die Bahn der Antidemokratie schieben lassen, sagte Scelba kürzlich. Die Roten werden in jahre­langer Kleinarbeit auf die toten Gleise der Verwaltung und de facto in eine Isolierung geschoben. Zur Entlassung gibt es nämlich keine Handhabe.

An dieser Stelle wurde Niemöller durch Zwi­schenrufe zum Abtreten aufgefordert. Er mußte seine Rede unterbrechen und einen Choral singen lassen.

Zuvor hatte er die Stellung der Russen, Po­len und Tschechen gegenüber den Deutschen in der Ostzone dahingehend definiert, daß es die­sen völlig egal wäre, ob die Deutschen lebten oder stürben.

Gott habe bisher keine Möglichkeit gezeigt, wie die Menschen jenseits des eisernen Vor­hangs aus der Knechtschaft und Sklaverei, in der sie lebten, befreit werden könnten. Wer eine derartige Möglichkeit propagiere, sei ein Hochstapler.Wer in der augenblicklichen Situation die Waffe in die Hand nimmt, ist ein Narr.

Niemöller wies den Vorwurf zurück, er sei ein Pazifist, Probolschewist oder Schwärmer. Heute gelte jeder, der in der Bundesrepublik sich gegen die Remilitarisierung wende, als Anhänger des Bolschewismus und hoffnungs­loser Pazifist.

Auf den sowjetischen Einmarsch anspielend, führte Niemöller aus, es würde weniger Schändungen von Frauen geben, wenn nicht mit der Waffe gekämpft werde. Er werde dann ein Stuhlbein nehmen; aber auch Gebete hätten schon geholfen. Divisionen könnten auf jeden Fall Schändungen von Frauen nicht ver­hindern. Auch an dieser Stelle stieß Niemöller wieder auf heftigen Widerspruch der Anwe­senden. Schließlich mußte er seinen Vortrag abbrechen.

Die erste Sdiladit

STUTTGART. Der Vorsitzende der SPD, Dr. Schumacher, führte auf einer Wahl­versammlung in Göppingen am Donnerstag aus, die Westalliierten argumentieren heute, sie würden zwar vielleicht die erste Schlacht verlieren, die zweite aber gewinnen! Das deutsche Schicksal werde jedoch in der ersten Schlacht entschieden, wenn es einmal zum äußersten kommen sollte.

Ehe die Frage eines deutschen Beitrags dis­kutabel erscheine, müßten die Alliierten sich mit dem deutschen Schicksal solidarisch er­klären. Daß die Bundesregierung die deutsche Beteiligung an einer Verteidigung ohne Vor­aussetzungen. angeboten habe, sei eine Tod­sünde gegen das deutsche Volk.

Die Italiener wollen keine harte Faust

Staatliche Heimwehr abgelehnt / Säub erung von kommunistischen Beamten Von unterem Mailänder C. M. - Korrespondenten

Merkwürdigerweise erwärmten sich die Katholische Aktion und die christlich-demo­kratischen Expartisanen für diese Heimwehr. Von den letzteren weiß man, daß sie den ge­fährlichen undemokratischen Gedanken hegen, der kommunistischen Drohung mit Gewalt zu begegnen

Die große Masse der unpolitischen Italiener zeigte jedoch einen klaren Abscheu gegen jede Miliz. Der Sozialistenführer Saragat erklärte sarkastisch:In der Stunde der großen Gefahr liegt der Milizionär im Bett neben seiner Frau. Und sie wird ihren Mann beschwören bei ihr und den Kindern zu bleiben, anstatt sich der Gefahr auszusetzen, schon auf dem Weg zur Kaserne umgebracht zu werden. Ganz Italien lachte.

De Gasperl, der persönlich kein Freund einer Miliz ist und war, ließ sich aber diese Gele­genheit nicht entgehen, um die Strafen für

27 Staatssekretäre

' BERLIN. Der neue Ministerrat der Sowjet­zone ernannte in seiner zweiten Sitzung am Donnerstag weitere 23 Staatssekretäre (insge­samt jetzt 27), die größtenteils der SED ange­hören. Die Besetzung der Schlüsselpositionen blieb unverändert. Der SED-Politbürokandidat Ackermann ist wiederum Staatssekretär ln dem von Dertinger (CDU) geleiteten Außenministerium. W a r n k e (SED) blieb Staatssekretär im Innenministerium und Mielke (SED) erhielt denselben Posten im Ministerium für Staatssicherheit.

Nachrichtena

OBERAMMERGAU. Wie uns der Bürgermei­ster von Oberammergau mitteilt, hat Oberam­mergau nicht wie es in einer Korrespondenz­meldung hieß 800 DM für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, sondern 30 000 DM für einen Flüchtlingsfonds gestiftet sowie 40 000 DM an 150 Flüchtlingskinder verteilt, die bei den Passions­spielen hatten mltwlrken dürfen.

NÜRNBERG. Vor der großen Strafkammer in Nürnberg hat am Donnerstag der Prozeß gegen den ehemaligen Lagerältesten im sowjetischen Kriegsgefangenenlager 280/13 bei Stalino, Wil­helm Dabs, begonnen, der in mindestens 162 Fäl­len Mitgefangene mitßhandelt haben soll.

KARLSRUHE. Vor dem Karlsruher Schwurge­richt hat am Donnerstag ein Prozeß gegen den 31jährigen ehemaligen Leutnant Friedrich Weide- lich aus Pforzheim-Sonnenberg begonnen. Der Angeklagte hat im Mai 1945 in einem amerika­nischen Kriegsgefangenenlager einen Mitgefan­genen mit einem Spaten erschlagen und ihn am Lagerrand verscharrt.

NEUSTADT (Weinstraße). Dag Vermögen des 1944 verstorbenen ehemaligen Gauleiters der Westmark, Josef Bürckel, in Höhe von 156 000 Mk. wurde durch Entscheid der Spruchkammer ein­gezogen. Die Witwe des Verstorbenen soll 50 Pro­zent der Rente erhalten, die Bürckel aus seiner Tätigkeit als Hauptlehrer vor 1933 zusteht.

FRANKFURT. Vom 1. Dezember ab sind im Luftpostverkehr mit dem gesamten Auslande Briefe, Drucksachen, Geschäftspapiere und Misch­sendungen bis zu einem Kilogramm, Warenpro­ben bis zu 500 g sowie sog. Luftpostleichtbriefe zugelassen.

LONDON. Der britische Außenminister Bevin

us aller Welt

wird seinen geplanten Deutschlandbesuch vom 9. bis 11. Dezember machen. Bevin wird bei dem britischen Hohen Kommissar Wohnung nehmen und Bundeskanzler Dr. Adenauer und andere prominente deutsche Persönlichkeiten treffen.

BIRMINGHAM. Bel einer Nachwahl in einem Birminghamer Stadtteil ist der konservative Kan­didat mit einer Mehrehit von über 8000 Stimmen ins britische Unterhaus gewählt worden. Bei den Unterhauswahlen im Februar betrug die Mehr­heit des konservativen Abgeordnetem nur 5000 Stimmen.

WIEN. In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Oktober 1950 haben die sowjetischen Besatzungs­behörden in Oesterreich 236 österreichische Staats­angehörige verhaftet, von denen 169 inzwischen wieder freigelassen worden sind.

BELGRAD. Beim Kentern einer Fähre auf der Save (ein Fluß an der kroatisch-bosnischen Gren­ze) sind 94 Personen um» Leben gekommen.

TUCSON (Arizona). Zwei Flugzeuge der ame­rikanischen Luftwaffe sind am Donnerstagabend südwestlich von Tueson zusammengestoßen und abgestürzt. Dabei sollen . 13 Luftgcaffenangehö- rige getötet und 10 weitere verletzt worden sein.

WASHINGTON. Die drei Westmächte werden augenblicklich noch keine Botschafter nach Ma­drid entsenden. Dies geht aus Verlautbarungen des Präsidenten Truman sowie der Außenmini­ster Schuman und Bevin hervor.

LA PAZ. Die bolivianische Regierung hat am Donnerstagabend den Belagerungszustand über ganz Bolivien verhängt. Die Polizei hat 25 Per­sonen verhaftet, die im Verdacht stehen, an einer Verschwörung beteiligt zu sein, die den Umsturz der Regierung plante.

Bierkeller-Rede

MÜNCHEN.Dr. Schumacher ist das Un­glück Deutschlands, erklärte Bundesjustiz- minister Dehler am Donnerstag auf einer Wahlkundgebung in einem Münchener Bier­keller. Dagegen sei der Bundeskanzler ein Mann, vor dem die Hohen Kommissare sich fürchteten undfür den Deutschland dem lie­ben Gott danken sollte.

Das Mitbestimmungsrecht nannte Dehler ein Phantom, mit dem Gewerkschaften und So­zialisten das Volk verdummen wollten.

In München ist die Politik immer ver­krampft, um nicht zu sagen ein Krampf, fuhr der Bundesjustizminister fort. Bayern habe die schlechtesten Abgeordneten in derr Bun­destag gesandt. Bei der Bayempartei müsse man sich wundern,daß überhaupt noch ein Hund ein Stückchen Brot von einer solchen Partei nimmt.

si­ez. Unter uns: halten Sie dieseGeistreichig- keiten eines Bundesjustizministers würdig? W. C., was da heißt: Wohl kaum! Sicher ist jeder Politiker ein Unglück: Warum aber der eine das Unglück und der andere eine Gabe Gottes darstellen soll, bleibt unkontrollierbar, und weshalb die Hohen Kommissare sich so sehr vor Adenauer fürchten, weiß sicher auch nur Dehler selbst.

Die Aeußerung über das Mitbestimmungs­recht dürfte allen Beteiligten pro oder con­tra über das Erlaubte hinausgehen. Im Münchener Bierkeller ging es jedenfalls nicht um dieAufklärung desdummen Volkes.

Was über Bayerns Politik gesagt wird, klingt aus bayerischem Munde besonders witzig, vor allem dann, wenn die bayerischen Hunde mit einbezogen werden.

Eigentlich erwartet man speziell von einem Bundesjustizminister, daß er in seinen For­mulierungen vorsichtig ist. Die Dehlerschen Kakaphonien haben aber davon nicht einen Hauch an sich. Ob sich dieses Mal der Durst, der in Münchens Bierkellem besonders mas­siv über den Maßkrügen schwebt, hier schädi­gend ausgewirkt hat? Belassen wir es bei die­ser Entschuldigung.

Lebenslänglich Zuchthaus

Für Pleil, Hoffmann und Schüßler

BRAUNSCHWEIG. Das Schwurgericht Braunschweig hat am Freitag den Massen­mörder Rudolf Pleil und seine Mitange­klagten Karl Hoffmann und Konrad Schüßler zu lebenslänglichem Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt.

Das Gericht erkannte denTotmacher a. D. Pleil für schuldig, in neun Fällen voll­endeten Mord in Tateinheit mit schwerem und besonders schwerem Raub sowie einen Mordversuch begangen zu haben. Der 37jäh- rige Karl Hoffmann wurde in sechs Fällen des vollendeten Mordes und in einem Fall der Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit be­sonders schwerem Raub für schuldig befun­den. Beim dritten Angeklagten, dem 22jäh- rigen Schüßler, sah das Gericht zwei gemein­schaftlich mit Pleil ausgeführte Morde und einen Mordversuch als erwiesen an.

Die drei Verurteilten nahmen die Entschei­dung des Gerichts mit unbewegten Gesichtem entgegen.

In der Urteilsbegründung betonte der Ge­richtspräsident, Pleils Taten seien erwiesen. Zweifelhaft sei nur die Zurechnungsfähig­keit Pleils gewesen. Das Gericht habe sich aber dem Gutachten von Professor Jung­michel angeschlossen, das Pleil für voll zurechnungsfähig erklärt.

MÜNCHEN. Am Donnerstag rotteten sich etwa 200 Ausländer des Lagers Dachau zusammen und bedrohten die Lagerleitung, weil das Lager bis nächsten Dienstag von ihnen geräumt werden soll, um alsBundeslager für deutsche Auswan­derer eingerichtet zu werden. Die Ausländer ha­ben gedroht, daß sie einer Zwangsräumung mit Gewalt begegnen würden.

Jk. meim SAM

Roman «Ines Dämon« von Norbert Jacqua«

48] Copyright by Haffmann and Camp« Varlag, Hamburg

Kent sprach und sagte gleich etwas Ueber- raschendes:

Ich weiß, wer die Tänzerin geraubt hat!" Lohmann starrte ihn an. Nach einer Weile schob er ihm einen Stuhl hin, da Kent im­mer noch stand, Er selber setzte sich hinter «einen Tisch,

Wer? fragte er kurz.

Der Mann, der dies geschrieben hat!

Kent reichte ihm den Zettel hin, der ihn zum Erscheinen in dem Versammlungslokal aufgefordert hatte.

Lohmann nahm das Blatt, indem er Kent im Auge behielt, Dann las er es noch einmal, bevor er fragte:

Wann haben Sie da« bekommen?" Gestern.

Mabuse hat doch keine Möglichkeit, Ihnen diesen Zettel zukommen zu lassen...

Dann hat er eben einen Nachfolger! Wissen Sie, wer den Zettel geschrieben hat? Eine kribbelnde Erregung begann sich in Lohmann bemerkbar zu machen.

Kent sagte:Natürlich.

Lohmann, auf einmal unbezähmbar von der Erregung hingerissen, ein Jäger in dem Au­genblick, wo er das begehrte Wild erlegen will, schrie:Den Namen!

Leise erwiderte Kent:Ich kann ihn nicht so ohne weiteres nennen.

Lohmann warnte ihn:Sie wissen, daß Sie sich mit diesem Zettel in meine Hand bege­ben haben. Sie sind Mitglied einer unterirdi­schen Verbreeherbande.

Kent schaute ihn flehend an:Ich war es, Herr Kommissar", sagte er.Aber dag ist

nicht der Weg, wie wir zueinander kommen. Ich hätte nicht herzukommen brauchen, und wenn mich schon ein. besonderer Umstand her­geführt hat, so hätte ich ja nicht zu sagen brauchen, daß die Aufforderung an mich ge­richtet war.

Sie würden uns einen der größten Ver­brecher entziehen, die heute in Europa le­ben, rief Lohmann, der sich noch immer nicht beherrschte.

Ich weiß, antwortete Kent.

Weshalb tun Sie das?

Kent schwieg.

Kommen Sie mit einem Wissen zu mir, um es zu verbergen?

Ich will es Ihnen nicht verbergen. Ich möchte nur eine Vereinbarung mit Ihnen treffen", antwortete Kent scheu.

Lohmann rief, allerdings enttäuscht über die Vermutung, daß Kent aus diesem Grunde gehandelt haben sollte;Ach so, Geld?

Nein, kein Geld! Wenn Sie mir Schutz vor Verfolgung Zusagen können, wäre ich Ihnen bis an da« Ende meines Leben« dank­bar. Ich will dieses-Leben ändern.

Nun stutzte Lohmann, der in seinem Be­ruf ein Menschenkenner geworden war. Hier ging es um einen ernsten Willen. Das er­kannte er an den bittenden Augen und dem geschlossenen Zug um den Mund.

Gut, sagte er dann.Ich werde Sie schützen, wenn Sie etwas Brauchbares mit- teilen können. Wollen Sie mir jetzt die Be­dingung nennen oder die Vereinbarung, auf die hin Sie sprechen wollen?

..Sie müssen dem Mann Gelegenheit geben, sich selbst zu richten! antwortete Kent rasch.

Lohmann zuckte betroffen ein wenig zurück. Er überlegte und sagte erst nach einer Weile: Dies ist eine sehr schwere Bedingung für mich als Beamten. Können Sie mir wenigstens sagen, was der Grund dieser Forcierung ist?

Kent antwortete leise und ohne zu zögern:

Ich möchte jemand geschont wissen, der dem Mann nahe steht.

Lohmann grübelte. Dann fragte er unver­mittelt:Sie lieben seine Tochter?

Kent nickte;Ja.

Herr Kent, Vertrauen gegen Vertrauen. Ich werde Ihnen jetzt einen Namen nennen. Und wenn dieser Name stimmt, werden Sie mir dann nach Prüfung der Sachlage die Ent­scheidung überlassen?

Ich sehe, daß mir keine andere Wahl bleibt."

Born! stieß Lohmann hervor.

Kent antwortete leise:Ja.

Der Kriminalrat machte eine erregte Be­wegung, bezwang sich aber sofort wieder.

Dann saßen alle drei lange Zeit stumm da und wie unter einer schweren Last. Lohmann starrte auf den Zettel, den er in der Hand hielt. Schließlich ging er zu einem Schrank und nahm ein Bündel Akten heraus. Er legte es auf den Tisch und blätterte darin.

Dann zeigte er Kent ein Blatt:

Können Sie sich nicht doch irren? Dies ist die Schrift Borns. Die des Zettels ist eine ganz andere.

In der Tat zeigte die Schrift der Akte, die ein psychiatrisches Gutachten Borns enthielt, Schriftzüge, die den steilen keilförmigen Buch­staben des Zettels völlig entgegengesetzt waren,

Leider irre ich mich nicht, erwiderte Kent.Ich weiß nicht, wessen Schrift auf dem Zettel steht. Aber ich weiß, daß er von Born kommt, und die Akte, die Sie mir da als von Born stammend zeigen, bestätigt mir dies nur. Ich bekam öfter Zettel, dieMabuse unterzeichnet waren, und die hatten Schrift­züge, die denen dieser Akte gleichen. Ich er­innere mich genau an sie.

Es ging wie ein befreiendes Aufatmen durch den Kommissar.So, Herr Kent, nun habe ich noch wichtige Fragen. Sie müssen sich mir schon eröffnen. Ich verspreche Ihnen, alles einzusetzen, wag in meiner Macht steht, um Ihnen später eine milde Behandlung durch das Gericht zu sichern. Die erste Frage:

Das Wahlattentat ist von Ihrer Bande insze­niert worden?

Ja.

Lohmanns Züge spannten sich immer mehr. Und der Börsenkrach?

Ebenfalls. Kents Stimme war hart und entschlossen.

Herr Kent, Sie sind von einem unserer Beamten damals in einer Spielbank beobach­tet worden, als man dort die Ausgabe fal­scher Fünfzigmarkscheine feststellen konnte.. Kent winkte kurz ab:Auch die Geldfäl­schungen gehören dazu."

Lohmann richtete sich auf, seine Züge ent­spannten sich.

Erzählen Sie, Kent. Ich möchte auch wis­sen, wer Ihnen damals aus der Untersuchungs­haft geholfen hat. Das heißt, ich weiß es be­reits. Nur die Bestätigung fehlt mir noch. Kent gab ohne weiteres zu, daß es ein Ge­fängniswärter gewesen sei. Und, um ganz korrekt zu sein, fügte er hinzu:Auch eine junge Dame, die zufällig am Gefängnis in Plötzensee vorüberging, hat indirekt mitge­wirkt. Aber sie wußte natürlich nicht, daß es sich um eine gewaltsame Befreiung handelte. Sie kennen die Dame? fragte Lohmann. Aber eg war schon keine Frage mehr, und er lächelte,

*

Nachdem Born das Phönix-Theater verlas­sen hatte, war er gleich zu seinem Wagen ge­gangen und davongefahren. Ein Teufel saß ihm in dem Fuß, der das Gaspedal bediente, und in den Armen am Steuer. In rasender Fahrt tobte der Wagen durch die Straßen, bog fliegend in den Kaiserdamm ein und sauste als Nachtgespenst die breite Straße da­hin, überholte alle anderen Kraftwagen, schwang sich um kreuzende Straßenbahnen, schlug mit dem Hinterrad auf die Steine, die in der Mitte die Fahrbahn der Straßenbahn abteilten, und wurde wieder davon weg und in die gerade Fahrt über den Asphalt gerissen.

(Fortsetzung folgt)