6. Jahrgang
MITTWOCH, 25. OKTOBER 1950
Nummer 166
Schier 80 Jahre ist sie alt
Die Postkarte hat Geburtstag
Ein Stück Karton 15,7X10,7 cm groß, jedem Menschen bekannt, feiert in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag. Im Herbst 1870 erblickte die Postkarte in Berlin unter der Bezeichnung „Korrespondenzkarte“ das Licht der Welt. Sie wurde in jener Zeit des technischen Aufschwungs vom Publikum so begeistert begrüßt, daß beispielsweise allein in Berlin am ersten Tage ihres Erscheinens etwa 50 000 Stück verkauft wurden. In den ersten Jahren ihres Bestehens zeichnet sich die Karte lediglich durch ihre Form, nicht aber durch verbilligte Gebühren aus. Sie kostete im Fern- und Ortsverkehr genau soviel wie ein Brief, nämlich einen bzw. Vs Silbergroschen, denn — so argumentierte die damalige Postbehörde—„der Vorteil der Postkarte ist weniger in der Billigkeit als in der Bequemlichkeit zu erblicken“. Erst zwei Jahre später wurde die Gebühr innerhalb Deutschlands um die Hälfte gesenkt. Wiederum ein Jahr später, 1873, wurden dann Postkarten mit eingedrucktem Wertzeichen hergestellt und ohne weiteren Zuschlag verkauft. Bis dahin mußte der Absender beim Kauf einer Postkarte die Marke selbst auf- kleben und die Karte am Schalter wieder abgeben.
Trotz der großen Beliebtheit der Postkarte
Karten den Vermerk drucken lassen „Die Postanstalt übernimmt keine Verantwortlichkeit für den Inhalt dieser Mitteilung.“ All das konnte aber die Entwicklung der Postkarte nicht aufhalten, sie ist vielmehr zu einem unentbehrlichen Mittel des Nachrichtenwesens geworden.
Einen weiteren starken Aufschwung erfuhr die Postkarte mit der Einführung der Ansichtskarte vor rund 50 Jahren. In einer Bekanntmachung der Post zur Popularisierung
der Ansichtskarten um die Jahrhundertwende heißt es: „Derartige Ansichtskarten mit mehr oder weniger schönen Bildwerken üben in ihrer Wirkung auf die Empfänger einen starken Anreiz zur Hebung der Reiselust aus.“ Als Erfinder der Postkarte gilt der 1. Staatssekretär des Reichspostamtes, Dr. Heinrich v. Stephan, der die Postkarte in einer Denkschrift im Jahre 1865 zum erstenmal in Vorschlag brachte. Die Erwartungen, die Stephan damals an die bequeme und zweckmäßige Postkarte knüpfte, haben sich in den 80 Jahren ihres Bestehens weitaus erfüllt. Viele Milliarden Postkarten sind während dieser Zeit durch die Post versandt worden und haben einen umfangreichen Nachrichtenaustausch ermöglicht, h. b.
Qcz gute
Fröhliche Sparkassen-Statistik
Von Wendelin Überzwerch
Die Statistik ist die fidelste Wissenschaft. Mit ihrer Hilfe kann man alles beweisen. Die Statistiker sind die Macchiavellis der schönen Künste, die genialsten Rastellis der Mathematik. Gegen Statistiken ist man hilflos wie gegen schöne Frauen. Sage niemand, Statistiken seien eine langweilige Angelegenheit. Ich kann mir wohl vorstejlen, daß dem Gewohnheits-Statistiker seine Zahlenreihen und Kurven und Diagramme zum märchenhaften Sagenwald werden, daß er hinter ihnen die
und der ungeheuer raschen Entwicklung des Dinge und Tatsachen leibhaftig sieht, die seine
Postkartenverkehrs hat es nicht an Bedenken gegen die Einführung der offenen Postkarte gefehlt. Von verschiedenen Personen wurde bemängelt, daß „der Inhalt von Kindern, Dienstboten und Personen niederen Standes gelesen werden könnte, was absolut nicht dienlich ist“. Man machte deshalb den eigenartigen Vorschlag, diePostkarte mit gummierten Klappen zu versehen, um die geschriebene Mitteilung zu verdecken, oder sie überhaupt in Briefumschläge zu stecken, die an das Postamt des Bestimmungsortes zu richten seien. Das Amt sollte dann die Umschläge öffnen, den Empfänger der Karte benachrichtigen und auffordern, sich dieselbe persönlich abzuholen. Noch größer waren die Bedenken, daß die Karte zu „unsittlichen und beleidigenden Mitteilungen“ mißbraucht werden könnte. Die österreichische Postverwaltung hat aus diesem Grunde auf die
Ziffern umschreiben, seine Linien symbolisieren. Daß sich ihm alle arithmetischen und geometrischen Dinge auflösen in Bilder und Anschauung, daß — halt, ich will keine Ehrenrettung der Statistiker schreiben. Im Gegenteil!
Der Teufel weiß, wie das kam — aber ich bin plötzlich Inhaber eines Sparkassenbuches geworden! Ich hatte bei Monatsende unvorhergesehener-, unglaubhafter-, unschicklichor- weise noch fünf Mark übrig. Nun waren mir schon des öfteren Werbeplakate der Sparkasse aufgefallen, auf denen eine reizende Villa im Grünen neben einem Spartopf abgebildet war. „Der Pfennig macht’s“, stand daneben. Eine Villa im Grünen ist schon lange mein Ideal, und die Statistik der Sparkasse bewies einwandfrei, daß jeder sparsame Mensch die
Die Direktoren werden älter
Auch in den USA ist die Zeit der jungen Chefs vorüber
Es ist ein heute gerade in Europa noch viel verbreiteter Irrtum, daß jenseits des großen Wassers die Chancen, eine leitende Position in einem großen Wirtschaftsunternehmen zu erhalten, für junge Menschen größer seien als hierzulande. „Europa ist zu alt. Hier muß man mindestens fünfzig, wahrscheinlicher sechzig Jahre alt sein, bevor man es zu etwas bringt. Drüben aber...“ Drüben wird man angeblich mit fünfundzwanzig Jahren Direktor, wenn man nur versteht, seine Ellbogen richtig zu gebrauchen. Stimmt das?
Wie so vieles falsch gesehen wird, was heute in den USA Gültigkeit hat, so auch dies. Nur zu oft werden Verhältnisse zum Vergleich herangezogen, die vor 20, ja 30 Jahren Gültigkeit hatten, eine Zeit also, in der sich die USA in einem stürmischen Entwicklungsvorgang befanden. Inzwischen aber hat sich auch in den USA das Alter durchgesetzt. Man hat erkannt, daß jugendlicher Elan und Enthusiasmus nicht immer das Richtige ist, wenn es gilt, eine Sache wirklich hieb- und stichfest aufzubauen und zu führen. Und so haben erst vor kurzem intensive Untersuchungen in allem amerikanischen Wirtschaftsunternehmen von Bedeutung die erstaunliche Tatsache erbracht, daß sich das Durchschnittsalter der leitenden Direktoren, der Manager und der Hauptverantwortlichen in den Betrieben in den letzten 20 Jahren sprunghaft erhöhte. Vor 20 Jahren lag dieses Durchschnittsalter bei 45 Jahren. Als älterer Mensch einen führenden Posten zu erhalten — es wäre denn, man sei an der betreffenden Firma finanziell stark engagiert —
war fast ausgeschlossen. Jugend war Trumpf. Und heute?
Heute ist das Durchschnittsalter der amerikanischen Wirtschaftsführer 59 Jahre. Dabei sind es keineswegs die gleichen Leute von damals, die eben auf ihren Posten geblieben und mit ihnen älter geworden sind. Es ist vielmehr das Bestreben, Leute an führende Posten zu setzen, die ich in langjähriger Arbeit die notwendige Erfahrung, den notwendigen Weitblick angeeignet haben. Wie amerikanische Wirtschaftsstatistiker Voraussagen, wird sich in den nächsten 10 Jahren das Durchschnittsalter der Direktoren sogar noch weiter erhöhen. Freilich beobachtet man mit Sorge die Entwicklung, daß durch die übermäßige berufliche Inanspruchnahme ein ungewöhnlich starker, physischer Verbrauch auftritt, daß Wirtschaftsleute verhältnismäßig früh sterben —- ihre Rate liegt 5 bis 8 Jahre früher als bei Menschen in weniger aufreibenden Berufen.
Mit dieser Entwicklung aber haben sich die USA durchaus den europäischen Verhältnissen angeglichen, ja sie sogar teilweise übertroffen. Liegt das Durchschnittsalter der führenden deutschen Wirtschaftler doch gegenwärtig bei 57 Jahren, das der französischen bei 62, der englischen bei 58 und der italienischen bei 60. Im wesentlichen ist es also in fast allen Ländern eine bestimmte Altersgruppe — eben jene, die es für sich in Anspruch nehmen darf, so ziemlich alle Höhen und Tiefen des Lebens kennengelernt und gemeistert zu haben. Menschen mit einem Wort, die ihre Persönlichkeit voll zur Reife gebracht haben. W. A.
Möglichkeit hatte, in den Besitz besagten Landhauses zu kommen. Na also — ich brachte meine fünf Märker schleunigst auf die Sparkasse meiner Stadt und tauschte dagegen ein reizendes grünes Büchlein ein. Bibliophiles Format, bitte! Oh, wie ich mich fühlte, wie stolz ich war! Ich rechnete mich jetzt unter die Kapitalisten und sah die Welt plötzlich mit anderen Augen an. Ich war nun eben „gutsituiertes Bürgertum“! Und am Horizont meines Erdenwallens stand leuchtend die weiße Villa mit den schmucken hellen Fensterläden, umspielt, umraunt vom Wipfelwehen der Parkbäume.
In diesen Tagen war es eben, daß ich in der Zeitung eine Statistik der Sparkasse, meiner Sparkasse las. Da wurde dargetan, die Einlage des einzelnen Sparers betrage im Durchschnitt 653 D-Mark und 19,34 D-Pfennige. „Oh“, dachte ich, „wie herrlich! Nun bin ich selbst doch auch endlich ein positiver Faktor der Volkswirtschaft!“ Unermeßlicher Stolz drohte meine Brust zu sprengen-
Kein Wunder, denn diese Brust war schlecht gepanzert gegen heftigen Druck — mit anderen Worten: ich brauchte dringend einen neuen Anzug! Nun ist das Bedürfnis eines neuen Anzugs heutzutage eine Familienkatastrophe; ein Dutzend Frauen kann man lecker herausputzen um das Geld, das so ein Herrenanzug kostet. Aber wie? — war ich nicht Inhaber eines Sparkassenbuches?! Besaß ich nicht, laut Statistik, im Durchschnitt 653 Mark und 19,34 Pfennige?! He, wie—?
Ich betrat den feinsten Laden für Herrenartikel. Sieben bildhübsche Verkäuferinnen und der Geschäftsführer bemühten sich um mich. Ich verpaßte mir den elegantesten Modellanzug. Er saß wundervoll — der frühere Prinz von Wales, hätte er mich gesehen, wäre vor Neid erblaßt. Der Herr Besitzer sagte es selbst.
Als es ans Zahlen ging, reichte ich mein Sparkassenbuch über fünf Mark. Der Mann sah mich groß an. Da zückte ich aus meiner Brieftasche jenen Zeitungsausschnitt, auf dem schwarz auf weiß vermerkt war, die Einlage jedes Sparers betrage —
„Nun, genügt das nicht?“ sagte ich stolz. „Sehen Sie: die amtliche Statistik besagt, daß ich im Durchschnitt 653 —“
„Herr“, antwortete da dieser Mensch, „Herr, die Statistik meiner Firma besagt klipp und klar, daß täglich im Durchschnitt drei zahlungsunfähige Hochstapler aus meinem Lokal hinausgeschmissen werden. Heute waren’s erst zwei...!!“
Genug — ist die Statistik nicht wirklich eine fidele Wissenschaft?!
Im Schlaf demontiert
Mit Frau und acht Kindern bewohnt Giovanni B e n z o n i, ein italienischer Bauer, ein Häuschen in Bergamo. Es ist, wie viele Häuser dort, mit einem Blechdach gedeckt. Eines Morgens wurde die Familie durch Regentropfen geweckt, die den Schläfern ins Gesicht fielen. Als sie sich den Schlaf aus den Augen rieben, sahen sie — in den hohen Himmel. Geschickte Diebe hatten über Nacht das Blechdach des Hauses demontiert.
Bewegung
Irene ist vollschlank. Sie möchte ganzschlank werden. Der Arzt empfiehlt ihr Bewegung.
„Aber die habe ich doch! Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen. Außerdem treibe ich Gymnastik.“
„Das alles genügt nicht“, sagt der Arzt. „Sie müssen lernen, systematisch mit dem Kopf zu schütteln.“
„Mit dem Kopf? Glauben Sie, daß das hilft?“
„Sicher. Schütteln Sie nur, wenn Ihnen Kuchen und Schlagsahne angeboten werden!“
Glühwürmchen ...
Das waren noch die seligen Zeiten des Altmeisters Lincke. Ganz Berlin sang, pfiff, trällerte: „Glühwürmchen schimmre, Glühwürmchen flimmre. . .“ Es mußte schon ein ganz großes künstlerisches Ereignis sein, um das Flimmern des kleinen Glühwürmchens zu überstrahlen.
Das Ereignis trat ein. Es war ein Gastspiel der Pawlowa in der Krolloper. Das Haus war ausverkauft, ausverkaufter als es je gewesen war. Schon wartete alles auf den Beginn der Vorstellung, als der Manager zum Direktor gestürzt kam. „Ist sich Unglick — ist sich schreckliches Unglick — sind nix da Madames Notten!“
Der Direktor erbleichte. Fehlten die Noten, konnte die Pawlowa nicht tanzen — und das ausverkaufte Haus wartete. Aber schon trompetete der Unglücksrabe weiter. „Fellen nix alle Notten, feilen nur Pas de deux. O horrible! Selten Stick, ganz unbekannt.“
Na, vielleicht ließe sich die Situation doch retten. Die Krolloper verfügte über einen gediegenen Fundus auch seltener Musikalien. „Wie heißt das Musikstück?“ fragte der Direktor.
„Nix heißen!“ rief der Manager entsetzt. „Notten nur hier!“ Und er wies auf seine Stirn.
„Vielleicht spielen Sie uns die Musik einmal vor“, bat der Direktor. Der Manager stürzte an das Klavier und es erklang — wie wenige Minuter nachher im Orchester: „Glühwürmchen schimmre, Glühwürmchen flimmre . ..“ Und die Berliner jauchzten und sangen, und die Pawlowa tanzte — und das Ganze war ein Riesenerfolg!
8 Meier „Boubou“ um den Leib
Modenschau in Afrika Europäerinnen sagen: „leicht verrückt “
OPK DAKAR. „Was meine Kollegen in Paris, Brüssel, Rom, Madrid und Frankfurt können, kann ich auch —“, sagte ein unternehmungslustiger französischer Stoffhändler in Dakar und zog eine große Modenschau auf, die ausschließlich von jungen hübschen Negerinnen bestritten wurde. Das Interessanteste daran war, daß die Mannequins ausnahmslos Eingeborene waren, die sich mit natürlicher Grazie mitten in den Verkehrsstraßen Dakars unter das Volk mischten. Man brauchte für diese Modenschau, die nun für Dakar und wahrscheinlich auch für andere afrikanische Städte ein fester Begriff werden wird, kein Lokal, keinen „Laufsteg“ und keine Musik.
Der einfallsreiche Stoffhändler wollte gleich fest9tellen, wie seine Modelle gefielen und wie sie sich den von den Eingeborenenfrauen im allgemeinen getragenen Stoffen anpassen würden. Die Negerinnen in Afrika tragen keine fertigen Kleider im europäischen Sinne, sondern eine Art Hemden, denen sie zwei schürzenähnliche Tücher hinzufügen. Das Hauptbekleidungsstück bildet der „Boubou“, der aus sieben bis acht Meter Stoff besteht und um den Körper gewunden wird.
Die Völker Afrikas lieben lebhafte, farbenfreudige, schreiende Farben. Die Stoffe, die in Dakar gezeigt wurden, waren deshalb sehr bunt und mit leuchtenden Mustern bedruckt. Man sah unter anderem Blumen, Haushaltartikel und Telefonapparate. „Reichlich verrückt“ stellten die anwesenden Europäerinnen fest. Wahrscheinlich sagen die Negerinnen das gleiche, wenn sie Bilder von europäischen Moderevuen in die Hände bekommen.
Die erste rein afrikanische Modenschau hat ihren Zweck erfüllt, die gezeigten Stoffe fanden guten Absatz, und die hübschen Negerinnen, die sie getragen haben, freuen sich schon auf die nächste Kollektion, die sie vorführen dürfen.
Das amerikan sehe Konzert
Eine Strauß-Anekdote anläßlich seines heutigen 125. Geburtstages Das Leben Johann Strauß’ war gewiß reich an Ehrungen und an seltenen Ereignissen. Aber die wunderlichste Ehrung, die ihm je zuteil geworden ist, war die Leitung des Festkonzerts zur Feier des hundertsten Gedenktages der Unabhängigkeitserklärung in Boston. Schon damals drängte in Amerika alles zum Gigantischen, und gigantisch war auch das Honorar, das er erhielt: bare 100 000 Dollar, zuzüglich freier Fahrt für sich und seine Begleitung. Das war die angenehme Seite der Sache, unangenehmer für ihn als Musiker war der Auftrag, das wohl größte Orchester zu leiten, das bis heute je zusammen konzertiert hat. Der Konzertsaal faßte 100 000 Hörer — und für diese Menschenmenge hatte man nicht weniger als 20 000 Musiker aufgetrieben. Es war schlechterdings unmöglich, diese Masse Mensch auch nur zu überblicken. Man hatte daher je tausend unter den „Subdirigenten“ zusammengefaßt, die den „Originaltakt“ an ihre Heerscharen weiterzugeben hatten. Ein Gong wäre in dieser Riesenhalle wirkungslos verhallt, also gab ein Kanonenschuß das Zeichen zum Einsatz. Strauß selbst schildert, wie er unter diesen Umständen „Die schöne blaue Donau“ dirigierte (es wäre wohl richtiger, von einem ..blauen Ozean“ zu sprechen): „Ich gebe das Zeichen, meine zwanzig Subdirigenten folgen mir, so rasch und gut sie können, und nun geht ein Heidenspektakel los, den ich mein Lebtag nicht vergessen werde. Da wir so ziemlich zu gleicher Zeit angefangen hatten, war meine ganze Aufmerksamkeit darauf gerichtet, daß wir auch — zu gleicher Zeit aufhörten. Gott sei Dank, ich brachte auch da« zuwege. Es war das Menschenmöglichste.“
Von den „Leistungen“ dieses Konzertes war Johann Strauß aber so erschöpf!, daß er sich späterhin, trotz der enormen Gagen, die ihm
geboten wurden, standhaft weigerte, noch eine Konzertreise nach Amerika anzutreten.
Der Tiermaler Heinrich von Zügel
Mit einer kleinen Gedächtnisausstellung weist das pfälzische Weinbauerndorf Wörth am Altrhein, das durch ihn als „Malerdorf“ berühmt wurde, auf den 100. Geburtstag des Tiermalers Heinrich von - Zügel hin. Am 22. Oktober 1850 wurde Zügel als Sohn eines Schafhalters im schwäbischen Murrhardt geboren. Die Eindrücke der Jugendjahre, die Freude an den Tieren blieben bestimmend für sein ganzes Leben und Schaffen. Immer wieder hat er Schafe und Kühe vor allem gemalt, im Freien, auf der Weide im Spiel des Lichtes, bei der Schur oder auf dem Markt. Begonnen hatte Zügel, der über Stuttgart als Neunzehnjähriger an die Münchner Akademie gekommen war, in der damals dort "geübten dunkeltonigen Ateliermalerei. Doch bald stieß er durch zur Freilichtmalerei des Impressionismus. Der Pinselstrich selbst wurde -licht- haltig, die Farben hellten sich auf, der Bildraum wurde von lebendig wogenden Farbtönen erfüllt. In breiter, bisweilen virtuos kraftvoller Malerei setzte Zügel in einem sicheren kompositionellen Gefüge seine Tiere hin. Doch konnte er auch die Weite der Landschaft in ihren atmosphärischen Schwingungen, in ihren malerischen Stimmungen geben. Zügels Schaffensgebiet war begrenzt, in seinen Grenzen aber erfüllt von echter malerischer Kraft. Als über Neunzigjähriger erst ist er, der 1894 Professor an der Karlsruher und im Jahre darauf für Jahrzehnte an der Münchner Akademie geworden war. gestorben. H. D.
Ausstellung Seufferheld
Die Stadt Weinsberg ehrt in einer großen Kollektiv-Ausstellung gegenwärtig einen ihrer größten Söhne, den dort ,1876 geborenen Maler und Graphiker Heinrich Seuffer
held, der 1940 gestorben ist. Seufferhelds Familie ist eng mit dem öffentlichen Leben und der Kulturprovinz Schwabens verbunden: des Künstlers Großvater war mit Hölderlin zusammen auf dem Tübinger Stift, der Vater fast ein Menschenalter Stadtschultheiß von Weinsberg, wo der Knabe geboren wurde, der in Heilbronn und Stuttgart auf die Schule ging, die Akademien in Berlin, München und Stuttgart besuchte und mehrere Jahre als Leiter der Zeichenschule der Universität Tübingen gewirkt hat. — Seufferheld, der eigentlich durch einen kunstldebenden Onkel zur Malerei kam, trat in Berlin in die Zeit des reinen Naturimpressionismus und der Historienmalerei und zeigt auch in seinen Anfängen Einflüsse der Berliner wie der Münchener Schule (A. v. Keller, Loffz usw.). Im Grunde aber hat ihn wohl Trübner am meisten angesprochen und auch Thoma ist nicht ohne Wirkung auf ihn gewesen. Nur hat sich das alles sehr schnell in Eigenes und Starkes umgesetzt, auch in Eigenwilliges und Abwegiges. Denn ein Maler nach der Mode ist Seufferheld nie gewesen! Man kann das an den verschiedenen Auffassungen sehen, die er der stillen Weinsberger Landschaft, der Weibertreu usw. gegeben hat, oder in denen er sein Selbstbildnis wiederzugeben sich gezwungen sah. Seufferheld sah nicht an sich und den Dingen vorbei, sondern durch sie hindurch. — Stärker als in den Bildern kann man das in der Graphik des Künstlers feststellen. Hier ist nicht nur eine fast verschwenderisch gebrauchte Beherrschung der technischen Mittel auffallend, sondern ein Zug ins Hintergründige und Symbolhafte. Eines der frühesten Blätter Seufferhelds, ein Jugendwerk, zeigt einen Totenkopf, der Tod als Symbol hat all sein Schaffen begleitet und wahrscheinlich ist der Zyklus „Des Todes Lied“ (1925) sein graphisches Hauptwerk, ein in den verschiedensten Techniken durchgeführter moderner Totentanz, der den Tod als Herrscher des Lebens zeigt. Und zu dem Seufferheld auch ein Kompositionsschema für die Vertonung geschaffen hat.
Dieser Zyklus hat bei seinem Erscheinen in Schwaben seinerzeit berechtigtes Aufsehen erregt und er weist ähnlich wie das zyklische Werk Max Klingers alle Vorzüge einer derart gedichteten Bilderschrift auf, er ist vielgestaltig,
phantasievoll und wie gesagt in allen Möglichkeiten der Graphik geschaffen.
Weinsberg hat es sich nicht nehmen lassen, die Eröffnung dieser Schau festlich zu inszenieren, die Witwe des Malers und Teile seiner Familie waren anwesend, Museumsdirektor Dr. M u s p e r, Stuttgart, der Biograph Seufferhelds, hielt eine klare, tiefgreifende und sehr herzliche Ansprache, in der er diese schöpferische Kraft deutete und ihr Wesen bestimmte. Einige wenige Freunde waren nach der Feier noch am Grabe des Toten und schauten an einem hellen Herbsttage durch nackter werdendes Gezweig hinüber zur Kirche und Weibertreu, zu Bildern, die der Meister oft genug mit Pinsel und Stift eingefangen hatte. hf
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