6. Jahrgang

MITTWOCH, 25. OKTOBER 1950

Nummer 166

Schier 80 Jahre ist sie alt

Die Postkarte hat Geburtstag

Ein Stück Karton 15,7X10,7 cm groß, je­dem Menschen bekannt, feiert in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag. Im Herbst 1870 er­blickte die Postkarte in Berlin unter der Be­zeichnungKorrespondenzkarte das Licht der Welt. Sie wurde in jener Zeit des technischen Aufschwungs vom Publikum so begeistert be­grüßt, daß beispielsweise allein in Berlin am ersten Tage ihres Erscheinens etwa 50 000 Stück verkauft wurden. In den ersten Jahren ihres Bestehens zeichnet sich die Karte ledig­lich durch ihre Form, nicht aber durch verbil­ligte Gebühren aus. Sie kostete im Fern- und Ortsverkehr genau soviel wie ein Brief, näm­lich einen bzw. Vs Silbergroschen, denn so argumentierte die damalige Postbehördeder Vorteil der Postkarte ist weniger in der Billig­keit als in der Bequemlichkeit zu erblicken. Erst zwei Jahre später wurde die Gebühr in­nerhalb Deutschlands um die Hälfte gesenkt. Wiederum ein Jahr später, 1873, wurden dann Postkarten mit eingedrucktem Wertzeichen hergestellt und ohne weiteren Zuschlag ver­kauft. Bis dahin mußte der Absender beim Kauf einer Postkarte die Marke selbst auf- kleben und die Karte am Schalter wieder ab­geben.

Trotz der großen Beliebtheit der Postkarte

Karten den Vermerk drucken lassenDie Post­anstalt übernimmt keine Verantwortlichkeit für den Inhalt dieser Mitteilung. All das konnte aber die Entwicklung der Postkarte nicht aufhalten, sie ist vielmehr zu einem un­entbehrlichen Mittel des Nachrichtenwesens geworden.

Einen weiteren starken Aufschwung erfuhr die Postkarte mit der Einführung der An­sichtskarte vor rund 50 Jahren. In einer Be­kanntmachung der Post zur Popularisierung

der Ansichtskarten um die Jahrhundertwende heißt es:Derartige Ansichtskarten mit mehr oder weniger schönen Bildwerken üben in ih­rer Wirkung auf die Empfänger einen starken Anreiz zur Hebung der Reiselust aus. Als Erfinder der Postkarte gilt der 1. Staatssekre­tär des Reichspostamtes, Dr. Heinrich v. Ste­phan, der die Postkarte in einer Denkschrift im Jahre 1865 zum erstenmal in Vorschlag brachte. Die Erwartungen, die Stephan damals an die bequeme und zweckmäßige Postkarte knüpfte, haben sich in den 80 Jahren ihres Bestehens weitaus erfüllt. Viele Milliarden Post­karten sind während dieser Zeit durch die Post versandt worden und haben einen umfang­reichen Nachrichtenaustausch ermöglicht, h. b.

Qcz gute

Fröhliche Sparkassen-Statistik

Von Wendelin Überzwerch

Die Statistik ist die fidelste Wissenschaft. Mit ihrer Hilfe kann man alles beweisen. Die Statistiker sind die Macchiavellis der schönen Künste, die genialsten Rastellis der Mathe­matik. Gegen Statistiken ist man hilflos wie gegen schöne Frauen. Sage niemand, Statisti­ken seien eine langweilige Angelegenheit. Ich kann mir wohl vorstejlen, daß dem Gewohn­heits-Statistiker seine Zahlenreihen und Kur­ven und Diagramme zum märchenhaften Sa­genwald werden, daß er hinter ihnen die

und der ungeheuer raschen Entwicklung des Dinge und Tatsachen leibhaftig sieht, die seine

Postkartenverkehrs hat es nicht an Bedenken gegen die Einführung der offenen Postkarte gefehlt. Von verschiedenen Personen wurde bemängelt, daßder Inhalt von Kindern, Dienstboten und Personen niederen Standes gelesen werden könnte, was absolut nicht dien­lich ist. Man machte deshalb den eigenartigen Vorschlag, diePostkarte mit gummierten Klap­pen zu versehen, um die geschriebene Mittei­lung zu verdecken, oder sie überhaupt in Briefumschläge zu stecken, die an das Postamt des Bestimmungsortes zu richten seien. Das Amt sollte dann die Umschläge öffnen, den Emp­fänger der Karte benachrichtigen und auffor­dern, sich dieselbe persönlich abzuholen. Noch größer waren die Bedenken, daß die Karte zu unsittlichen und beleidigenden Mitteilungen mißbraucht werden könnte. Die österreichische Postverwaltung hat aus diesem Grunde auf die

Ziffern umschreiben, seine Linien symboli­sieren. Daß sich ihm alle arithmetischen und geometrischen Dinge auflösen in Bilder und Anschauung, daß halt, ich will keine Ehren­rettung der Statistiker schreiben. Im Gegen­teil!

Der Teufel weiß, wie das kam aber ich bin plötzlich Inhaber eines Sparkassenbuches geworden! Ich hatte bei Monatsende unvor­hergesehener-, unglaubhafter-, unschicklichor- weise noch fünf Mark übrig. Nun waren mir schon des öfteren Werbeplakate der Sparkasse aufgefallen, auf denen eine reizende Villa im Grünen neben einem Spartopf abgebildet war. Der Pfennig machts, stand daneben. Eine Villa im Grünen ist schon lange mein Ideal, und die Statistik der Sparkasse bewies ein­wandfrei, daß jeder sparsame Mensch die

Die Direktoren werden älter

Auch in den USA ist die Zeit der jungen Chefs vorüber

Es ist ein heute gerade in Europa noch viel verbreiteter Irrtum, daß jenseits des großen Wassers die Chancen, eine leitende Position in einem großen Wirtschaftsunternehmen zu erhalten, für junge Menschen größer seien als hierzulande.Europa ist zu alt. Hier muß man mindestens fünfzig, wahrscheinlicher sechzig Jahre alt sein, bevor man es zu etwas bringt. Drüben aber... Drüben wird man angeblich mit fünfundzwanzig Jahren Direktor, wenn man nur versteht, seine Ellbogen richtig zu gebrauchen. Stimmt das?

Wie so vieles falsch gesehen wird, was heute in den USA Gültigkeit hat, so auch dies. Nur zu oft werden Verhältnisse zum Vergleich her­angezogen, die vor 20, ja 30 Jahren Gültigkeit hatten, eine Zeit also, in der sich die USA in einem stürmischen Entwicklungsvorgang be­fanden. Inzwischen aber hat sich auch in den USA das Alter durchgesetzt. Man hat er­kannt, daß jugendlicher Elan und Enthusias­mus nicht immer das Richtige ist, wenn es gilt, eine Sache wirklich hieb- und stichfest aufzubauen und zu führen. Und so haben erst vor kurzem intensive Untersuchungen in allem amerikanischen Wirtschaftsunternehmen von Bedeutung die erstaunliche Tatsache erbracht, daß sich das Durchschnittsalter der leitenden Direktoren, der Manager und der Hauptver­antwortlichen in den Betrieben in den letzten 20 Jahren sprunghaft erhöhte. Vor 20 Jahren lag dieses Durchschnittsalter bei 45 Jahren. Als älterer Mensch einen führenden Posten zu er­halten es wäre denn, man sei an der be­treffenden Firma finanziell stark engagiert

war fast ausgeschlossen. Jugend war Trumpf. Und heute?

Heute ist das Durchschnittsalter der ame­rikanischen Wirtschaftsführer 59 Jahre. Dabei sind es keineswegs die gleichen Leute von da­mals, die eben auf ihren Posten geblieben und mit ihnen älter geworden sind. Es ist vielmehr das Bestreben, Leute an führende Posten zu setzen, die ich in langjähriger Arbeit die notwendige Erfahrung, den notwendigen Weit­blick angeeignet haben. Wie amerikanische Wirtschaftsstatistiker Voraussagen, wird sich in den nächsten 10 Jahren das Durchschnitts­alter der Direktoren sogar noch weiter erhö­hen. Freilich beobachtet man mit Sorge die Entwicklung, daß durch die übermäßige beruf­liche Inanspruchnahme ein ungewöhnlich star­ker, physischer Verbrauch auftritt, daß Wirt­schaftsleute verhältnismäßig früh sterben- ihre Rate liegt 5 bis 8 Jahre früher als bei Menschen in weniger aufreibenden Berufen.

Mit dieser Entwicklung aber haben sich die USA durchaus den europäischen Verhältnissen angeglichen, ja sie sogar teilweise übertroffen. Liegt das Durchschnittsalter der führenden deutschen Wirtschaftler doch gegenwärtig bei 57 Jahren, das der französischen bei 62, der englischen bei 58 und der italienischen bei 60. Im wesentlichen ist es also in fast allen Län­dern eine bestimmte Altersgruppe eben jene, die es für sich in Anspruch nehmen darf, so ziemlich alle Höhen und Tiefen des Lebens kennengelernt und gemeistert zu haben. Men­schen mit einem Wort, die ihre Persönlichkeit voll zur Reife gebracht haben. W. A.

Möglichkeit hatte, in den Besitz besagten Landhauses zu kommen. Na also ich brachte meine fünf Märker schleunigst auf die Spar­kasse meiner Stadt und tauschte dagegen ein reizendes grünes Büchlein ein. Bibliophiles Format, bitte! Oh, wie ich mich fühlte, wie stolz ich war! Ich rechnete mich jetzt unter die Kapitalisten und sah die Welt plötzlich mit anderen Augen an. Ich war nun ebengut­situiertes Bürgertum! Und am Horizont mei­nes Erdenwallens stand leuchtend die weiße Villa mit den schmucken hellen Fensterläden, umspielt, umraunt vom Wipfelwehen der Parkbäume.

In diesen Tagen war es eben, daß ich in der Zeitung eine Statistik der Sparkasse, meiner Sparkasse las. Da wurde dargetan, die Ein­lage des einzelnen Sparers betrage im Durch­schnitt 653 D-Mark und 19,34 D-Pfennige. Oh, dachte ich,wie herrlich! Nun bin ich selbst doch auch endlich ein positiver Faktor der Volkswirtschaft! Unermeßlicher Stolz drohte meine Brust zu sprengen-

Kein Wunder, denn diese Brust war schlecht gepanzert gegen heftigen Druck mit ande­ren Worten: ich brauchte dringend einen neuen Anzug! Nun ist das Bedürfnis eines neuen Anzugs heutzutage eine Familienkata­strophe; ein Dutzend Frauen kann man lecker herausputzen um das Geld, das so ein Herren­anzug kostet. Aber wie? war ich nicht In­haber eines Sparkassenbuches?! Besaß ich nicht, laut Statistik, im Durchschnitt 653 Mark und 19,34 Pfennige?! He, wie?

Ich betrat den feinsten Laden für Herren­artikel. Sieben bildhübsche Verkäuferinnen und der Geschäftsführer bemühten sich um mich. Ich verpaßte mir den elegantesten Modellanzug. Er saß wundervoll der frü­here Prinz von Wales, hätte er mich gesehen, wäre vor Neid erblaßt. Der Herr Besitzer sagte es selbst.

Als es ans Zahlen ging, reichte ich mein Sparkassenbuch über fünf Mark. Der Mann sah mich groß an. Da zückte ich aus meiner Brieftasche jenen Zeitungsausschnitt, auf dem schwarz auf weiß vermerkt war, die Einlage jedes Sparers betrage

Nun, genügt das nicht? sagte ich stolz. Sehen Sie: die amtliche Statistik besagt, daß ich im Durchschnitt 653

Herr, antwortete da dieser Mensch,Herr, die Statistik meiner Firma besagt klipp und klar, daß täglich im Durchschnitt drei zahlungs­unfähige Hochstapler aus meinem Lokal hin­ausgeschmissen werden. Heute warens erst zwei...!!

Genug ist die Statistik nicht wirklich eine fidele Wissenschaft?!

Im Schlaf demontiert

Mit Frau und acht Kindern bewohnt Giovanni B e n z o n i, ein italienischer Bauer, ein Häus­chen in Bergamo. Es ist, wie viele Häuser dort, mit einem Blechdach gedeckt. Eines Morgens wurde die Familie durch Regentropfen geweckt, die den Schläfern ins Gesicht fielen. Als sie sich den Schlaf aus den Augen rieben, sahen sie in den hohen Himmel. Geschickte Diebe hatten über Nacht das Blechdach des Hauses demontiert.

Bewegung

Irene ist vollschlank. Sie möchte ganzschlank werden. Der Arzt empfiehlt ihr Bewegung.

Aber die habe ich doch! Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen. Außerdem treibe ich Gym­nastik.

Das alles genügt nicht, sagt der Arzt.Sie müssen lernen, systematisch mit dem Kopf zu schütteln.

Mit dem Kopf? Glauben Sie, daß das hilft?

Sicher. Schütteln Sie nur, wenn Ihnen Kuchen und Schlagsahne angeboten werden!

Glühwürmchen ...

Das waren noch die seligen Zeiten des Alt­meisters Lincke. Ganz Berlin sang, pfiff, träl­lerte:Glühwürmchen schimmre, Glühwürmchen flimmre. . . Es mußte schon ein ganz großes künstlerisches Ereignis sein, um das Flimmern des kleinen Glühwürmchens zu überstrahlen.

Das Ereignis trat ein. Es war ein Gastspiel der Pawlowa in der Krolloper. Das Haus war ausverkauft, ausverkaufter als es je gewesen war. Schon wartete alles auf den Beginn der Vorstellung, als der Manager zum Direktor ge­stürzt kam.Ist sich Unglick ist sich schreck­liches Unglick sind nix da Madames Notten!

Der Direktor erbleichte. Fehlten die Noten, konnte die Pawlowa nicht tanzen und das ausverkaufte Haus wartete. Aber schon trom­petete der Unglücksrabe weiter.Fellen nix alle Notten, feilen nur Pas de deux. O horrible! Sel­ten Stick, ganz unbekannt.

Na, vielleicht ließe sich die Situation doch retten. Die Krolloper verfügte über einen ge­diegenen Fundus auch seltener Musikalien.Wie heißt das Musikstück? fragte der Direktor.

Nix heißen! rief der Manager entsetzt. Notten nur hier! Und er wies auf seine Stirn.

Vielleicht spielen Sie uns die Musik einmal vor, bat der Direktor. Der Manager stürzte an das Klavier und es erklang wie wenige Minuter nachher im Orchester:Glühwürmchen schimmre, Glühwürmchen flimmre . .. Und die Berliner jauchzten und sangen, und die Pawlowa tanzte und das Ganze war ein Riesenerfolg!

8 MeierBoubou um den Leib

Modenschau in Afrika Europäerinnen sagen:leicht verrückt

OPK DAKAR.Was meine Kollegen in Paris, Brüssel, Rom, Madrid und Frankfurt können, kann ich auch, sagte ein unter­nehmungslustiger französischer Stoffhändler in Dakar und zog eine große Modenschau auf, die ausschließlich von jungen hübschen Ne­gerinnen bestritten wurde. Das Interessante­ste daran war, daß die Mannequins ausnahms­los Eingeborene waren, die sich mit natürlicher Grazie mitten in den Verkehrsstraßen Dakars unter das Volk mischten. Man brauchte für diese Modenschau, die nun für Dakar und wahrscheinlich auch für andere afrikanische Städte ein fester Begriff werden wird, kein Lokal, keinenLaufsteg und keine Musik.

Der einfallsreiche Stoffhändler wollte gleich fest9tellen, wie seine Modelle gefielen und wie sie sich den von den Eingeborenen­frauen im allgemeinen getragenen Stoffen anpassen würden. Die Negerinnen in Afrika tragen keine fertigen Kleider im europäischen Sinne, sondern eine Art Hemden, denen sie zwei schürzenähnliche Tücher hinzufügen. Das Hauptbekleidungsstück bildet derBou­bou, der aus sieben bis acht Meter Stoff besteht und um den Körper gewunden wird.

Die Völker Afrikas lieben lebhafte, farben­freudige, schreiende Farben. Die Stoffe, die in Dakar gezeigt wurden, waren deshalb sehr bunt und mit leuchtenden Mustern bedruckt. Man sah unter anderem Blumen, Haushalt­artikel und Telefonapparate.Reichlich ver­rückt stellten die anwesenden Europäerinnen fest. Wahrscheinlich sagen die Negerinnen das gleiche, wenn sie Bilder von europäischen Moderevuen in die Hände bekommen.

Die erste rein afrikanische Modenschau hat ihren Zweck erfüllt, die gezeigten Stoffe fan­den guten Absatz, und die hübschen Negerin­nen, die sie getragen haben, freuen sich schon auf die nächste Kollektion, die sie vorführen dürfen.

Das amerikan sehe Konzert

Eine Strauß-Anekdote anläßlich seines heutigen 125. Geburtstages Das Leben Johann Strauß war gewiß reich an Ehrungen und an seltenen Ereignissen. Aber die wunderlichste Ehrung, die ihm je zuteil geworden ist, war die Leitung des Fest­konzerts zur Feier des hundertsten Gedenk­tages der Unabhängigkeitserklärung in Boston. Schon damals drängte in Amerika alles zum Gigantischen, und gigantisch war auch das Honorar, das er erhielt: bare 100 000 Dollar, zuzüglich freier Fahrt für sich und seine Be­gleitung. Das war die angenehme Seite der Sache, unangenehmer für ihn als Musiker war der Auftrag, das wohl größte Orchester zu leiten, das bis heute je zusammen konzertiert hat. Der Konzertsaal faßte 100 000 Hörer und für diese Menschenmenge hatte man nicht weniger als 20 000 Musiker aufgetrieben. Es war schlechterdings unmöglich, diese Masse Mensch auch nur zu überblicken. Man hatte daher je tausend unter denSubdirigenten zusammengefaßt, die denOriginaltakt an ihre Heerscharen weiterzugeben hatten. Ein Gong wäre in dieser Riesenhalle wirkungslos verhallt, also gab ein Kanonenschuß das Zei­chen zum Einsatz. Strauß selbst schildert, wie er unter diesen UmständenDie schöne blaue Donau dirigierte (es wäre wohl richtiger, von einem ..blauen Ozean zu sprechen):Ich gebe das Zeichen, meine zwanzig Subdirigenten folgen mir, so rasch und gut sie können, und nun geht ein Heidenspektakel los, den ich mein Lebtag nicht vergessen werde. Da wir so ziemlich zu gleicher Zeit angefangen hatten, war meine ganze Aufmerksamkeit darauf ge­richtet, daß wir auch zu gleicher Zeit auf­hörten. Gott sei Dank, ich brachte auch da« zuwege. Es war das Menschenmöglichste.

Von denLeistungen dieses Konzertes war Johann Strauß aber so erschöpf!, daß er sich späterhin, trotz der enormen Gagen, die ihm

geboten wurden, standhaft weigerte, noch eine Konzertreise nach Amerika anzutreten.

Der Tiermaler Heinrich von Zügel

Mit einer kleinen Gedächtnisausstellung weist das pfälzische Weinbauerndorf Wörth am Altrhein, das durch ihn alsMalerdorf berühmt wurde, auf den 100. Geburtstag des Tiermalers Heinrich von - Zügel hin. Am 22. Oktober 1850 wurde Zügel als Sohn eines Schafhalters im schwäbischen Murrhardt ge­boren. Die Eindrücke der Jugendjahre, die Freude an den Tieren blieben bestimmend für sein ganzes Leben und Schaffen. Immer wie­der hat er Schafe und Kühe vor allem gemalt, im Freien, auf der Weide im Spiel des Lich­tes, bei der Schur oder auf dem Markt. Be­gonnen hatte Zügel, der über Stuttgart als Neunzehnjähriger an die Münchner Akademie gekommen war, in der damals dort "geübten dunkeltonigen Ateliermalerei. Doch bald stieß er durch zur Freilichtmalerei des Impressio­nismus. Der Pinselstrich selbst wurde -licht- haltig, die Farben hellten sich auf, der Bild­raum wurde von lebendig wogenden Farb­tönen erfüllt. In breiter, bisweilen virtuos kraftvoller Malerei setzte Zügel in einem sicheren kompositionellen Gefüge seine Tiere hin. Doch konnte er auch die Weite der Land­schaft in ihren atmosphärischen Schwingun­gen, in ihren malerischen Stimmungen geben. Zügels Schaffensgebiet war begrenzt, in sei­nen Grenzen aber erfüllt von echter male­rischer Kraft. Als über Neunzigjähriger erst ist er, der 1894 Professor an der Karlsruher und im Jahre darauf für Jahrzehnte an der Münchner Akademie geworden war. gestor­ben. H. D.

Ausstellung Seufferheld

Die Stadt Weinsberg ehrt in einer gro­ßen Kollektiv-Ausstellung gegenwärtig einen ihrer größten Söhne, den dort ,1876 geborenen Maler und Graphiker Heinrich Seuffer­

held, der 1940 gestorben ist. Seufferhelds Fami­lie ist eng mit dem öffentlichen Leben und der Kulturprovinz Schwabens verbunden: des Künst­lers Großvater war mit Hölderlin zusammen auf dem Tübinger Stift, der Vater fast ein Men­schenalter Stadtschultheiß von Weinsberg, wo der Knabe geboren wurde, der in Heilbronn und Stuttgart auf die Schule ging, die Akademien in Berlin, München und Stuttgart besuchte und mehrere Jahre als Leiter der Zeichenschule der Universität Tübingen gewirkt hat. Seuffer­held, der eigentlich durch einen kunstldebenden Onkel zur Malerei kam, trat in Berlin in die Zeit des reinen Naturimpressionismus und der Historienmalerei und zeigt auch in seinen An­fängen Einflüsse der Berliner wie der Münche­ner Schule (A. v. Keller, Loffz usw.). Im Grunde aber hat ihn wohl Trübner am meisten ange­sprochen und auch Thoma ist nicht ohne Wir­kung auf ihn gewesen. Nur hat sich das alles sehr schnell in Eigenes und Starkes umgesetzt, auch in Eigenwilliges und Abwegiges. Denn ein Maler nach der Mode ist Seufferheld nie gewe­sen! Man kann das an den verschiedenen Auf­fassungen sehen, die er der stillen Weinsberger Landschaft, der Weibertreu usw. gegeben hat, oder in denen er sein Selbstbildnis wiederzuge­ben sich gezwungen sah. Seufferheld sah nicht an sich und den Dingen vorbei, sondern durch sie hindurch. Stärker als in den Bildern kann man das in der Graphik des Künstlers feststel­len. Hier ist nicht nur eine fast verschwende­risch gebrauchte Beherrschung der technischen Mittel auffallend, sondern ein Zug ins Hinter­gründige und Symbolhafte. Eines der frühesten Blätter Seufferhelds, ein Jugendwerk, zeigt ei­nen Totenkopf, der Tod als Symbol hat all sein Schaffen begleitet und wahrscheinlich ist der ZyklusDes Todes Lied (1925) sein graphisches Hauptwerk, ein in den verschiedensten Tech­niken durchgeführter moderner Totentanz, der den Tod als Herrscher des Lebens zeigt. Und zu dem Seufferheld auch ein Kompositionsschema für die Vertonung geschaffen hat.

Dieser Zyklus hat bei seinem Erscheinen in Schwaben seinerzeit berechtigtes Aufsehen er­regt und er weist ähnlich wie das zyklische Werk Max Klingers alle Vorzüge einer derart gedichteten Bilderschrift auf, er ist vielgestaltig,

phantasievoll und wie gesagt in allen Möglich­keiten der Graphik geschaffen.

Weinsberg hat es sich nicht nehmen lassen, die Eröffnung dieser Schau festlich zu inszenie­ren, die Witwe des Malers und Teile seiner Fa­milie waren anwesend, Museumsdirektor Dr. M u s p e r, Stuttgart, der Biograph Seufferhelds, hielt eine klare, tiefgreifende und sehr herz­liche Ansprache, in der er diese schöpferische Kraft deutete und ihr Wesen bestimmte. Einige wenige Freunde waren nach der Feier noch am Grabe des Toten und schauten an einem hellen Herbsttage durch nackter werdendes Gezweig hinüber zur Kirche und Weibertreu, zu Bildern, die der Meister oft genug mit Pinsel und Stift eingefangen hatte. hf

Für den Bücherfreund

Der Kleine Brockhaus in zwei Bänden

Insgesamt 2800 Spalten Text mit über 5700 Abbildungen und Karten im Text und auf 120 einfarbigen und bunten Tafel- und Kartensei­ten darunter 9 doppelseitigen Karten sowie 200 Uebersichten und Zeittafeln. Jeder Ganzleinen­band 33 DM bei Barzahlung, 35.10 DM bei Teil­zahlung.

Der 2. Band vom Kleinen Brockhaus ist erschie­nen. Damit liegt dieses moderne Nachschlage­werk, das langentbehrte erste Lexikon, das der bekannte Verlag nach dem Kriege herausge­bracht hat, jetzt abgeschlossen vor. Schlägt man die Bände auf, die zusammen 1400 Seiten oder 2800 Spalten umfassen, besticht das schöne holz­freie Papier, der saubere, gutlesbare Druck eben­so wie der Reichtum an einfarbigen und bunten Abbildungen, Tafeln und Karten. Vom Buchsta­ben ,,A bis zur Gruppe der neuentdecktenZy­tostatika spannt sich der Bogen der Stichwörter, Abbildungen, Tafelbilder, Karten, Zeittafeln und Uebersichten als das Ergebnis jahrelanger redak­tioneller Vorarbeit, kritischer Sichtung und zweckmäßiger Auswahl. So entstand ein verläß­liches Handbuch des Wissens für alle Zwecke und über das Wichtigste aus allen Gebieten des modernen Lebens. Natur und Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kultur, Kunst, Wissenschaft, Technik und die Erfordernisse des Tages sind gleicher­maßen darin berücksichtigt. Der Kleine Brock­haus wird damit zu einem Querschnitt durch den Stand des heutigen Lebens und Wissens