6. Jahrgang
MONTAG, 16. OKTOBER 1950
NnmoMr 161
Die vergessene Politik
Zn einem Buch von Dr. Peter Kleist „Zwischen Hitler und Stalin“
Es ist das aktuellste Buch im Vergleich zu dem heutigen Geschehen im Osten. Ein dokumentarisch belegter Tatsachenbericht über den Ostfeldzug mit teilweise Erstveröffentlichungen. Positiv und kritiklos in seiner klaren Erkenntnis der Stärken und Schwächen der beiden großen Gegner und der daraus zu ziehenden Konsequenzen.
Der Autor, Dr. Peter Kleist, war Leiter der Ostabteilung der Dienststelle Ribbentrop, Gründer und Präsident der Deutsch-polnischen Gesellschaft und der Zentralstelle Osteuropa, Ministerialdirigent in der politischen Hauptabteilung in Rosenbergs Ostministerium und 1943—1945 Sondergesandter in Ribbentrops persönlichem Stabe.
Es ist nicht etwa eine Aufzählung von Ereignissen. die der Geschichte angehören oder von persönlichen Ansichten, sondern es handelt sich hier um ein auffallend objektives wissenschaftliches Werk, das wie kaum ein anderes die heute die ganze Welt berührenden Probleme * des Ostens in klarer Schärfe an den alten Fehlem aufzeigt; das vor allein im Hinblick auf die heutigen Ereignisse die bange Frage aufwirft, ob die westliche Welt aus diesen Fehlern gelernt hat. oder ob der „Schrumpfungsprozeß des europäischen — d.h. westlichen — Selbstbewußtseins“ bis zur endgültigen Vernichtung Europas ungehindert seinen Lauf nehmen soll. „Man sitzt am Rande eines brennenden Kontinents und spielt mit den Füßen im Atlantischen Ozean.“
Mit Augenzeugenberichten und z. T. erstmalig veröffentlichten Dokumenten führt der Verfasser auch den politisch ungeschulten Leser in lebendiger und fesselnder Form in die Probleme ein.
Die vergeblichen Versuche Hitlers, Polen für die antibolschewistische Front zu gewinnen, der Ausbruch des Polenkrieges und schließlich Polens kritische Stellung zwischen den Großmächten, führen in besonders packender und aufschlußreicher Darstellung über die ersten vorsichtigen Fühler bis zum Abschluß des Sowjetpaktes. Kleist versteht es meisterhaft, das Zwangsläufige dieser Entwicklung herauszustellen. Da seine Aufgabe ihn mitten in das Geschehen hineinzwingt, vermag er wie wenige andere diese Entwicklung auf Grund der radikalen Gegensätze im Wesen der beiden Diktatoren überraschend klar zu veranschaulichen; Hitler mit der ewig mißtrauischen, aber offensiven' Natur, Stalin mit der schlauen asiatischen Verschlagenheit des intriganten Politikers.
Stalin weicht keinen Augenblick etwa von seinen Idealen ab, selbst wenn er hier und da scheinbar nachgibt, sondern sucht im Gegensatz zu Hitler nicht in offensiven Handlungen, sondern durch skrupellose innere Zersetzung sein Ziel zu erreichen.
Mit Bitterkeit muß man erkennen, wie die verantwortliche deutsche Führung die politischen Chancen, die sich ihr aus der Haltung der russischen Bevölkerung geradezu aufdrängen, in der unverantwortlichsten Weise mißachtet und den Kampf trotzdem nur mit rein militärischen Mitteln weiterführt, so daß die.Bevölkerung, die die deutschen Truppen zu Anfang mit Brot und Salz an den Eingängen ihrer Dörfer empfangen hat, schließlich erkennen muß. daß sie nicht dem erwarteten Befreier, sondern einem harten Eroberer gegenübersteht.
Kleist zeigt völlig unvoreingenommen die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten für die Gewinnung der Völker der Sowietunion. Dieser Gedanke war keine Utopie. Allein die Armee von IV; Millionen Freiwilliger aller Stämme, die sich im Anfang spontan in dje deutschen Reihen eingliederten, beweist die Richtigkeit dieser Befreiungsthese.
Koch mit seiner irrsinnigen Ukraine-Politik und Sauckel mit seinem völlig mißverstandenen Ostarbeiter-Einsatz sind mit ihrer starrköpfigen Blindheit diesen Möglichkeiten gegenüber allein verantwortlich für die immer
stärker werdende Opposition und die Entstehung der Partisanenbewegung.
Auch Wlassow wurde zuschanden an der Unüberbrückbarkeit der sich gerade in diesem Punkte oft schamlos befehdenden deutschen politischen Führung. Er kannte den Bolschewismus, in dem er großgeworden war, wie er seine Russen kannte. Er kämpfte nicht für Deutschland, sondern gegen einen gemeinsamen Feind. Er hatte die Möglichkeiten ebenso erkannt, wie Kleist sie hier beweist. Es ist unbegreiflich, daß dieser Mann den Westmächten ausgeliefert wurde. Was damals billige Geste war. muß heute als ein schwer gutzumachender Fehler angesehen werde». Hier liegt eine Parallele zu den Geschehnissen der heutigen Tage, wie wir sie uns nicht deutlicher wünschen können. Die Warnung vor einer Wiederholung dieser Fehler kann und darf nicht übersehen werden.
Bezeichnend für die damalige Einstellung der deutschen politischen Führung sind auch die im dritten Teil erstmalig veröffentlichten Enthüllungen über die Friedensfühler Stalins via Stockholm. Kleist widerlegt hier in allen
Einzelheiten die Behauptung von Dr. Robert Kempner, dem früheren Hauptankläger des Nürnberger Kriegsverbrecher-Gerichts in seinem Buch „Hitler and his Diplomats“, daß die Friedensfühler von Deutschland ausgegangen seien. Kleist bringt die Beweise für das Gegenteil.
Ein Mittelsmann der Sowjet-Botschafterin Kollontai bietet Kleist in einem interessanten Hin und Her Verhandlungen mit bekannten russischen Diplomaten an, die von Hitler aber konsequent abgelehnt werden.
Stalins Gründe aber 9ind — besonders heute — absolut verständlich; Ostasien ist ihm zunächst wichtiger als Europa. Die scheinbar offensichtliche Verkennung seiner Taktik auch heute noch, ist Wasser auf seine Mühle.
Das Buch zerreißt den Schleier um die russische „Sphinx“. Stalins Linie ist ganz klar! Der Bolschewismus kann nur besiegt werden, wenn die politischen Kampfmittel in mindestens dem ' gleichen Maße angewandt werden, wie die militärischen. Einen Sieg mit dem einem Mittel allein gibt es nicht.
Korea beweist die Richtigkeit der Kleist- schen Ausführungen um so mehr, als sein Buch bereits vorher im Drude war.
Im Osten fällt die politische Entscheidung des Jahrhunderts! Kl. Ritter
Schauspielerin — ein aussichtsloser Beruf
Die Möglichkeiten der Bühnenlaufbahn sind gering
Der sechzigjährige Professor einer Schauspielklasse des Konservatoriums, mit dessen Interview wir unsere Umfrage begannen, sagte uns, indem er melancholisch sein schönes Dante-Haupt schüttelte: „Wenn eine reiche bürgerliche Dame mir ihr Töchterchen vorführt — und wenn dieses Töchterchen auch kein himmelstürmendes Talent hat —, dann rate ich ihr zum Studium. Was schadet’s schließlich, wenn der hochvermögende Herr Papa mit den Dukaten rausrückt, damit seine Tochter die „Phädra“-Rolle lernt? Kommt aber eine vom Schicksal nicht so begünstigte Mutter auf mein Büro und bringt mir da ein Mädchen, das wirklich hübsch ihr Klärchen (Goethes Egmont) hersagt, dann setz’ ich eine Miene auf wie der Geist aus Hamlet und sage dumpf: Die Zeiten sind schwer, beste Dame, lassen Sie Ihre Tochter lieber auf ein? Handelsschule gehen...“
Lady Macbeth wird Mannequin
Die 23jährige Odette steht vor der Abschlußprüfung in dramatischer Kunst. Sie hat vier Jahre studiert, eine Zeit, in deten Verlauf sie sich allen Rollenfächern, von Shakespeares Lady Macbeth bis zur Girodoux skuriler alter „Närrin von Challot“ versuchte.
Und Odette sagte uns; „Ich habe keinerlei Illusionen. Im vergangenen Jahr gründete eine Anzahl mutiger Kollegen ein Experimentiertheater auf Gemeinschaftsbasis, da sie siebenundachtzig Jungens und Mädels waren, die gleichzeitig die Schule verließen und in den bestehenden Bühnen natürlich kaum für fünf ein Platz frei war. Das Theater brachte modern inszenierte Klassiker, einen Sartre, einen Brecht, einen De Hartog. Die Kritik war entzückt. Resultat: Nach acht Monaten angestrengter Arbeit mußten sie zusperren. Nein, ich habe keine Illusionen. Ich will gani einfach Mannequin werden. Natürlich lege ich die Prüfung noch ab, da ich nun schon vier Jahre Rollen gebüffelt habe. Dann aber wende ich mich an meine Tante: Ihr Schwager hat einen Haute-Couture-Salon.“
Eine, die noch glaubt
Nicole ist eine verträumte kleine Blondine. Ein recht anmutiges Morgensonnengespinst, das irgendwie nicht unserer Zeit anzugehören scheint. Auch Nicole wird in diesem Winter fertig, und oh Wunder! — Nicole hat ein Engagement. Sie erzählt uns voll Stolz: „Es ist
vierzehnjähriges nervenkrankes Mädchen spielen sollte. Unter den Mitgliedern seiner Truppe befand sich keine geeignete Künstlerin, also wohnte er, da er ein Freund unseres Professors ist, aufs Geratewohl einer Lektion unserer Klasse bei.
Ich hatte Glück mit der irren Ophelia, die ich eben studiert hatte. Kaum war ich mit einem Absatz zu Ende gekommen, als der Professor, nachdem ihm der Besucher etwas zugeflüstert hatte, mich unterbrach. Zwei Tage später hatte ich einen Einladungsbrief ins Büro des Direktors und nach weiteren drei Tagen mein Engagement. — Ich bin wütend, wenn meine Kolleginnen in aller Welt über die Aussichtslosigkeit unseres Berufs erzählen ...“ Wir gratulierten der hoffnungsvollen Kleinen. Nichtdestoweniger konnten wir uns nicht enthalten, mit einer Spur Ironie zu fragen: „Wieviele Ihrer Kollegen aus demselben Jahrgang haben bereits ein Engagement? Da es doch so einfach zuging, nehme ich an, daß es mehrere sein werden.“ „Nein. •Ich bin die einzige“,. war die mehr verlegene als stolze Antwort.
Seelenmagnet Film
Der junge angehende Filmdramaturg, den wir als letzten befragten, antwortete uns sehr vorsichtig und nachdenklich: „Das Schauspiel“, so sagte er, „hat meiner festen Ueberzeugung nach gelebt. Es gibt nichts Theatralisches, das der Film nicht besser könnte. Beweis: Die vollgelungenen Verfilmungen berühmter Tragödien wie Laurence Oliviers Hamlet und die Tatsache, daß die größten Schausnieler unserer Zeit, wie Jean-Louis Barrault in Frankreich und Rosalind Rüssel in Amerika, zum Film hintendieren — und nicht nur wegen der fetteren Honorare.
Für die Schauspielschüler ist die Tatsache des sterbenden Theaters freilich recht traurig, denn: Es gab viele kleine Bühnen, bei denen man früher Unterkommen konnte. Wieviel Filmgesellschaften aber gibt es? Das ist eine allzu einfache Rechnung. Nach meinen Erfahrungen unter Kollegen darf ich sagen, daß von zwanzig Schauspielschülern vielleicht einer beim Theater Unterschlupf findet und nur von siebzig einer beim Film.
Nichtdestoweniger ist der Film ein Seelenmagnet von unvorstellbarer Kraft. Elektrisch geladen wird dieser Attraktionskörper durch die unzähligen Magazine und Filmblätter, die
recht einfach zugegangen. Der bekannte Di- nicht nur in plumper Devotion so tun, als rektor M. suchte eine junge Schauspielerin, seien die diversen Stars Halbgötter und ihr die in dem Stück eines modernen Autors ein Leben eine einzige Festlichkeit sondern die-
Der Hosenträser
Von Walter Poitzick
Ich weiß, Sie tragen keine Hosenträger. Beruhigen Sie sich, ich trage auch keine Hosenträger. Wir wissen beide, was wir unserer Zeit schuldig sind. Ich weiß nicht, wie es mit Ihrer Figur bestellt ist, aber vielleicht hat Ihnen Ihr Schneider schon gesagt, daß mit Hilfe von Hosenträgern Ihre Hosen besser sitzen würden. Aber es darf nicht sein. Es steht fest, Ihre Frau ist für Gürtel, Margot ist für Gürtel, und Trude. Fragen Sie mal herum, alle werden es Ihnen bestätigen, außer Ihrer Großmama, die spricht von so unanständigen Kleidungsstücken wie Hosenträgern überhaupt nicht. Eigentlich sieht man’s ja nicht, was Sie da unterm Rock überm Herzen tragen, oder nur so wenige sehen es, aber man kommt doch manchmal in die Lage, seinen Rock abzulegen.
Wer Hosenträger an sich hat, empfindet sich in manchen Fällen schlimmer als nackt, es sei denn, er ist ein so starker und eigenwilliger Charakter wie mein Freund Julius, den noch niemand ohne Hosenträger gesehen hat und der mit beiden Daumen unter die Bänder greift und sie klatschend gegen die trotzig männliche Brust knallen läßt.
Ja, - so selbstsichere Leute gibt’s, und sie schreiten unbeirrt ihre Bahn in Hosenträgern, wie der Ritter trotz Tod und Teufel.
Am Gürtel kann man von Monat zu Monat feststellen, daß man dicker wird. Es kommt der Augenblick, da pfeifen Sie auf dem letzten Loch des Gürtels, und wie der Aequator sich um die Erdkugel windet, so schlingt sich der Gürtel um Ihren Leib, den die Mode streng geteilt, nunmehr in eine nördliche und eine südliche Halbkugel. Wenn Sie Gürtel tragen, müssen Sie sich daran gewöhnen, ihn mit allem, was unten dran hängt, immer wieder empor zu ziehen, auf daß der Gürtel nicht bis zum Wendekreis des Steinbocks gleite, denn dann gäbe es kein Halten mehr.
Sehr charakteristisch ist die Haltung des
Mannes bei dieser Betätigung, und ich wundere mich, warum sich ihrer die Bildhauer noch nicht zu Bewegungsstudien bedient haben. Immer nur Speerträger und Bogenschützen und Langläufer, warum nicht einmal „Hosenhochzieher“? Das wäre ein neuzeitiger Vorwurf, das Spiel der Muskeln ist bei ihm auch durchaus vorhanden: Erst hebt sich die eine Schulter, dann hebt sich die andere.
Können Sie sich noch erinnern an die Zeit, da Sie Hosenträger trugen? Niemals weilten unsere Gedanken beim Sitz der Beinkleider. Unmerklich und sicher lasteten sie auf unseren Schultern. Die Hände durften wir in Tasche stecken und alles andere, was wir bei uns haben wollten. Nichts verschob sich, die Hose war stabiliert wie ein rocher de bronce. O du selige, unbefangene Jugendzeit!
Natürlich flüstere ich solches nur ganz unter uns, denn Ihre Frau darf es nicht wissen und nicht Erna und nicht Trude, denn diese würden vermutlich ausrufen: „Dann könntest du ja gleich Röllchen tragen und gestärkte Vorhemden und eiserne Schlipschen.“
Gemach, meine Damen, wir sind ja nicht rückfällig, wir bleiben beim straffen Gurt, aber gelegentlich hat man doch eine schwache Stunde und darf an verlorenes Glück denken.
Hinweg ihr' weichlichen Gedanken — weiche von mir, du dehnbarer Gummistreif am Horizont! Mit beiden Händen greife ich in den Bund und ziehe die Hosen wieder herauf. Wozu hat uns die Natur zwei kräftige Arme gegeben! Nie will ich- wieder davon sprechen, ihr Freunde, wo uns der Gürtel drückt.
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Kulturelle Narhriehten
Fräulein J. P r ö h 1 e wird eine Lehrermächtigung für ungarische Sprache für das Winter-Semester 1950/51 an der Universität Tübingen übertragen.
Die mittelrheinische Chirurgenverein ; - gung hielt in Tübingen am 13. und 14. Ok'ober unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Theodor. Nägeli
(Tübingen) eine Arbeitstagung ab. Prof. Dr. Adolf Butenandt (Tübingen) und Prof. Dr. Heußer (Basel) hatten die Hauptreferate übernommen.
Die Bamberger Symphoniker wurden auf Grund ihres überragenden Erfolges unter Prof. Clemens Krauß in Zürich für weitere acht Konzerte in der Schweiz zu Beginn der neuen Spielzeit verpflichtet.
Nach einer längeren Erholungszeit, die eine Erkrankung notwendig machte, kehrt Herr Josef Keim in das Ensemble des Landestheaters zurück. Als erste Rolle in dieser Spielzeit wird Josef Keim die Titelrolle in „Dantons Tod“, der am Freitag, 20. Oktober in Tübingen zur Erstaufführung gelangt, verkörpern.
Für den Bücherfreund
Hans Brandenburg. Vom reichen Herbst, Bekenntnisse zu europäischer Kunst. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart. 94 S.
Zum 65. Geburtstag des in Barmen geborenen, später nach München übergesiedelten, heute im Kreis Schongau lebenden Dichters legt die Deutsche Verlagsanstalt ein broschürtes Bändchen mit seinen schönsten Essays vor: Ein Bekenntnis zur Fruchtbarkeit des europäischen Geistes. Kennzeichnend für Brandenburgs Schaffen ist die kühne Weite des Bekennens; seine Arbeit steht im Zeichen des Strebens nach Vollendung von Sprache und Form.
Maria von Kirchbach, Amor in Khaki. Roman. Südverlag, Konstanz. 1950. 503 S.
Die schöne und vornehme Baronin von Stolp will einen reichen Amerikaner heiraten, weil sie sich vor einem Leben in verarmten Verhältnissen scheut, kehrt aber schließlich, entsprechend geläutert, zu ihrem Ehemann zurück. Der noch von Courths-Mahler gespeiste Edelkitsch, der schon aus dieser Grundfabel spricht, wird in diesem Leihbibliotheksroman durch eine realistische und ungeschminkte Schilderung verschiedener Nachkriegstatsachen, wie Korruption und Prostitution, wieder lebensfähig gemacht. Das Buch ist, wenn man die Sentimentalität eines antiquierten „gesellschaftlichen“ Bildungsdünkels überhaupt noch erträgt, mit guter Detaiibeobach-
ttnnie Bmtboien
Als Josef Kainz (1858—1910) einmal am Dagmar-Theater in Kopenhagen ein Gastspiel gab, hatte er sich eines Tages verspätet und eilte hastig durch den Theatervorraum, wobei er versehentlich einem Herrn auf den Fuß trat. Dieser Herr nun war, was Kainz natürlich nicht wußte, der König von Dänemark. Am Schluß der Vorstellung ließ der König Kainz in seine Loge bitten, drückte ihm seine Bewunderung über sein Spiel aus und fügte dann lächelnd hinzu: „Den stärksten Eindruck auf mich hat freilich Ihr erster Auftritt gemacht."
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Auf einer seiner täglichen Reisen von Versailles nach Paris saß Horace Vemet (1789—1863), der berühmte Maler, mit zwei Damen im Eisenbahnabteil, die Vernet noch nie gesehen hatte, die ihn aber zu kennen schienen. Sie prüften ihn sehr genau und, tuschelten abfällig über seine Kleidung. Den Maler verdroß das, und er beschloß, ihnen eine Abfuhr zu erteilen. Als der Zug durch den Tunnel von St. Cloud fuhr, waren die drei Reisenden in völliges Dunkel gehüllt. Vernet küßte den Rücken seiner Hand zweimal laut und schmatzend. Beim Verlassen des Tunnels fand er, daß die beiden Damen ihm ihre Aufmerksamkeit entzogen hatten. Jede beschuldigte die andere, sie habe sich von dem Maler küssen lassen. Als Vernet dann in Paris ausstieg, sagte er lächelnd: „Meine Damen, ich werde mir noch lange den Kopf darüber zerbrechen, wer von Ihnen mich geküßt hat!“ b.
Mosaik der Woche
Achtstunden-Arbeitstag für Tiere
Die Tierschutzvereine in England setzen, sich jetzt dafür ein, daß Zug--und Lasttiere nicht länger als 8 Stunden am Tage arbeiten sollen. Außerdem sollen die Tiere 1 Stunde Mittagspause haben. Besonders auch die vielen Reitesel, die es in jedem englischen Seebad gibt, werden von dieser Neuerung profitieren. Bisher haben diese gutmütigen, langohrigen Reittiere 72 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Jetzt wird verlangt, daß sie höchstens 54 Stunden wöchentlich arbeiten dürfen. Außerdem darf die Arbeitszeit nicht vor neun Uhr früh beginnen. Sonntags sollen die Tiere einen Ruhetag haben.
Gelehrter Sträfling
Wird der Sträfling 9306 D aus dem Gefängnis von Soliet (Illinois) nach 25jähriger Haft befreit werden? Sein Fall wird augenblicklich überprüft. Natan Leopold hat sich in diesen 25 Jahren nicht nur tadellos geführt, sondern außerdem 25 Fremdsprachen erlernt. Er hat ein sehr beachtliches Handbuch der Ornithologie geschrieben und ein Doktorat an der Universität von Chicago erworben. Leopold wurde 1924 zu Zuchthaus verurteilt. Er hat zusammen mit einem anderen ein Kind umgebracht. Sein Rechtsanwalt meinte seinerzeit, daß dies eine Tat sei, die man ähnlich beurteilen müsse wie die Ermordung eines Käfers durch einen Insektenforscher.
Raritäten
Der 76jährige Veteran der britischen Marine, William Gregory, wurde kürzlich für sein tapferes Verhallen beim Boxeraufstand in China mit der ..Meriterious Service Medal“ ausgezeichnet. Der Boxeraufstand war zwar schon im Jahre 1900, aber der tapfere Soldat mußte so lange auf die Verleihung des Ordens warten, da nur eine beschränkte Anzahl davon vorhanden ist und noch ältere Helden berücksichtigt werden mußten. Und schließlich ist es eine hervorragende Leistung der britischen Bürokratie, daß die Auszeichnung bereits nach 50 Jahren verliehen wurde.
Früchte mit Filmhaut
In Kalifornien werden neuerdings Früchte, um sie länger haltbar zu machen, in Kautschukmilchsaft getaucht. Der hauchdünne Gummifilm .hält Bakterien fern und sorgt dafür, daß Aroma und frisches Aussehen sehr lange erhalten bleiben. Er ist färb- und geschmacklos und kann vor dem Genuß der Frucht leicht abgezogen werden.
darüber hinaus die Meinung erwecken, daß es nur eines hübschen Gesichtes, einer Unze Talent und eines Minimums an Chance bedürfe, um in dieses Paradies Eingang zu finden. Die verantwortungsbewußten Jugendberater müssen gegen diesen Mythos den Kampf aufnehmen. Nicht oft und eindringlich genug können sie sagen: Die Wahrscheinlichkeit, ein Engagement beim Film zu erhalten, ist kaum so groß wie die eines Losgewinnes.
Hanna Merav
tung und der Sicherheit des geborenen Romanciers geschrieben. Unerträglich wird es aber durch einen kleinlichen, arroganten und bissigen Hochmut, der sich gegen die Amerikaner richtet, und sie durchweg als nasebohrende Wilde mit schm "t- zigen Fingernägeln darzustellen sucht, der sie in einen krassen Gegensatz zu den vornehmen, kultivierten und gebildeten Europäern stellen soll.
Walter Teich, Armand und Amida, Buchring der Jugend. Hamburg. 294 S.
Ein lesenswerter Roman, in dem die große französische Revolution und die mit ihr ausgebrochene Schreckensherrschaft der Jakobiner lebendig geschildert wird — als Hintergrund für die Lebensgeschichte zweier Menschen, die ihren Weg suchen und finden. Tod und Verfolgung sind die ständigen Gefährten von Armand und Amida und am Rande des spannenden Geschehens zeichnet der durch seine früheren Werke schon bekannte Autor den Lesern erschütternde Einzelschicksale.
Maria Müller-Gögler, Ritt in den Tag. Geschichten aus Oberschwaben. Verlagsanstalt Merk & Co. Konstanz 1950. 150 S.
Maria Müller-Gögler ist durch ihre Romane „Die Magd Juditha“ und „Beatrix von Schwaben" über die Grenzen Württembergs hinaus bekannt geworden. In ihrem neuerlichen Werk zeichnet die Dichterin in humorvollen und ernsten Erzählungen ein Stück des oberschwäbischen Volkscharakters. So recht ein Teil Heimat ist dieses Büchlein.
Richard H e c k e 1 Hie gut Württemberg, Einzelbilder von Land und Leuten. Verlag von Ernst Klett, Stuttgart. 232 S.
In 21 in sich geschlossenen Aufsätzen zeichnet Richard Heckei mit liebevoller Hand die großen Schönheiten und die intimen Reize seiner Heimat. Das ganze Buch ist durchzogen vom frischen Atem unmittelbaren Erlebens, es ist erwandert. Gerade die Systemlosigkeit der einzelnen Ausflüge bringt uns das Schwabenland — Geographie, Geschichte und Volkskunde — aber auch seinen Schildern- Heckei nahe. Die schlichte Sprache, der oft anekdotenhaft unterhaltende Stil machen das Buch zu einem Volksbuch, das sich besonders gut auch zu Geschenkzwecken an in der Fremde weilende Landeskinder eignet.