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ILLUSTRIERTES WOCHENBLATT
Nr. 42/ 2. JAHR / 15. OKI OBER 1950
Langsam legen che Wälder ihren leuchtenden Schmuck ab . Aufnahme.- mm:?
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IM HERBSTWALD
HERBSTBANKETT DER SPINNEN
Von Wilhelm Schüssen
Kunstgeübte Spinnerinnen In den Triften, Weberinnen,
Halten nachts im Sternenglanz An tausend Tafeln Absdtiedskranz.
Und es sind alsdann die Wiesen Am frühen Morgen, taubededit,
Mit Silbertellern, Silbervliesen Und Flittertüchern rings belegt.
Und im Strahl der Sonne beben Perlen, Perlen, Schnur bei Schnur An abertausend Spinngeweben.
Ein wahres Blendwerk der Natur!
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Die Kirbe
Von Hans Hey lung
Kirbe! In den Bubenträumen türmen sich ganze Berge von Kuchen der verschiedensten Art, Aeplelkuchen, Zwetschgenkuchen, Knollenkuchen, Zwiebelkuchen und wie sie alle heißen, und acht Tage lang duftet’s aus dem Backhaus wie im Himmel, und es ist mehr als sonst der Mittelpunkt des Dorfes. •
Tagtäglich wurde das Backen verlost; aber vor der Kirbe war es eine besondere Sache, da hätte jedes am Samstag oder frühestens am Freitag backen mögen, um die neugebackenen Kuchen vom Ofen heraus gleich auf den Tisch legen zu können, und so wäre der Andrang an diesen Tagen zu groß gewesen. Deshalb wurde das Kirbebacken auf dem Rathaus feierlich verlost. Der Rathaussaal war voll Menschen. Wer backen wollte, gab seinen Namen an. Der alte Schulteß, dem wie immer der rote Schnupftuchzipfel aus dem Hosensack blitzte, setzte umständlich seine Brille auf, tunkte die Feder tief ins Faß und schrieb die Namen auf lange Papierbogen, die er und einige Gemeinderäte zu Losen zerschnitten, welche dann von ein paar Buben zusammengelegt wurden. Da lagen sie, ein ganzer Berg. Nun winkte der Schulteß einem anderen Buben, der die Lose ziehen durfte. Das war ein ehrenvolles Amt, im Angesicht des halben Fleckens nun das Kirbeschicksal für jedes Haus bestimmen zu dürfen.
Der Bub zog das erste Los. Atemlos lauschte die Menge, wer nun wohl mit dem Kirbebacken beginnen müsse. Am Montag, • nachts 12 Uhr schon, es mußte nämlich Tag und Nacht durchgebacken werden! Das Los war gezogen, der Name wurde von einem Gemeinderat verlesen. Ein Lächeln lief durch die Gesellschaft; das gab altbackene Kuchen! Und das Lächeln begleitete alle Lose, die auf den Montag fielen; denn des Menschen Schadenfreude, wenn sie auch hier nicht bös gemeint war, geht gerne auf die Weide. Auch der Dienstag galt nicht viel, der Mittwoch auch nicht. Der Donnerstag schien erträglich, der Freitag und Samstag ein rechtes Kirbeglück. Der Schultes schrieb die Backordnung auf, und sie wurde großartig im Backhaus aufgehängt.
Nun ging es aber los. Tag und Nacht rauchte der Backhauskamin, Tag und Nacht wurden die Mulden auf Schubkarren herangefahren, Tag und Nacht wurde eingeschossen, herausgenommen, fortgeführt, bis das ganze Dorf mit köstlichem Weißbrot und schmackhaften Kuchen versorgt war...
•
Es ist eine alte Gewohnheit, auf Kirbe da- und dorthin zu Besuch zu gehen. Lehrbuben und Gesellen, die im nahen Städtlein sind, kommen an diesem Tag nach Hause, Vettern und Basen rücken an; die Kuchenberge aber sind allen Anforderungen gewachsen und man gibt gern an so einem Tag und mit vollen Händen.
Es kann aber auch verkommen, daß die Gäste auf , d’Aowearte“ kommen nach dem alten Spruch:
O, ihr liebe Kirbegäst dahoimbleibe, des war ’s Aellerbest!
So ähnlich muß es jenem Pfarrer zumut gewesen sein, bei dem die zärtlichen Verwandten aus der Stadt, ehe es einwinterte, noch einmal so recht an den Quellen des Lebens schöpfen wollten. Sie gingen ihm gar niriit. mehr aus dem Haus, und er soll seinem Schmerz also Ausdruck gegeben haben;
Kirbegäst sind werte Gäst ein oder zwei Tage.
Aber fünf oder sechs Tage, wie ich sie in meinem Hause habe,
da« ist eine Plage.
Rings ein Verstummen, ein Entfärben: Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; ich liebe dieses milde Sterken.
Von hinnen geht die stille Reise, die Zeit der Liebe ist verklungen, die Vögel haben ausgesungen, und dürre Blätter sinken leise.
Was ein Obst-, ein Kraut-, ein Rosengarten ist, weiß ein jeder. Auch Hühner-, Gänse- und Entengärten versteht man noch; einen Schnek- kengarten kann sich gewiß nur derjenige richtig vorstellen, welcher einen solchen schon gesehen hat — an Ort und Stelle also, wo die eßbare Schnecke zu Hause ist. In früheren Jahren gab es Schneckengärten in besonders großer Zahl auf der Münsinger Alb, hauptsächlich im Großen Lautertal.
Auch heute noch trifft man im Großen Lautertal Schneckengärten an, wenn auch in weit beschränkterer Anzahl wie früher. Die Erträge dienen heute weniger dem Export in fremde Länder als mehr dem eigenen Verbrauch des „Züchters“. Zwar sind die Schnek- ken anspruchslos, doch ist bei der Anlage eines Schneckengartens ein klein wenig Sorgsamkeit vonnöten, wenn es dem betreffenden Schneckenliebhabeer nicht so gehen soll, wie jenem Pfarrer eines kleinen Ortes im Großen Lautertal, von dem nachfolgendes Geschicht- dhen erzählt....
Besagter Pfarrer war ein besonderer Liebhaber von Schnecken. Es machte ihm Spaß, die Schnecken im weiten Umkreis zu suchen und in den im Pfarrgarten hinter dem Haus eigenhändig angelegten Schneckengarten zu bringen — was ihm bald den Beinamen „Schneckenbaste“, einbrachte. — Um nun die Ausbeute noch größer zu gestalten, gab er ein paar Buben des Dorfes den Auftrag. Schnecken für ihn zu sammeln. Die Buben kamen dieser Aufforderung um so williger nach, als der Herr Pfarrer einen Pfennig für das Stüde bezahlte. So sammelten halt die Buben an Wegrainen und Hängen Schnecken und wieder Schnecken, daß es im Gehege hinter dem Pfarrhaus von solchen Tierlein bald nur so wimmelte und der Herr Pfarrer ernsthaft eine Vergrößerung seiner Anlage erwog.
Die Vögel zogen nach dem Süden, aus dem Verfall des Laubes tauchen die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, die Blätter fallen stets, die müden.
ln dieses Waldes leisem Rauschen ist mir, als hör ich Kunde wehen, daß alles Sterben und Vergehen nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.
NIKOLAUS LENAU
Nun weiß man aber, daß ein jedes Ding einmal sein Ende hat. Auch die Schnecken wurden mit fortschreitender Jahreszeit weniger, und dementsprechend gingen die Lieferungen der Buben zurück. Bloß ein Bub war es, der auch jetzt noch einen beharrlichen Eifer zeigte und dessen Schneckensäcklein bei der täglichen Ablieferung im Pfarrhaus nicht kleiner wurde. Und es hätte sich der Herr Pfarrer noch länger über diesen Fleiß des kleinen Franzei vom Nachbarn drüben wundern müssen, wenn er nicht eines Tages zufällig die so ergiebige Fundstätte des Buben entdeckt haben würde. Diese Quelle befand sich nämlich gar nicht so weit vom Pfarrgarten weg, und als der Herr Pfarrer einmal hinter dem Haus spazierenging, sah er den Franzei jenseits des Gartenzauns eifrig mit Auflesen beschäftigt. Beim Näherkommen gewahrte er dann, wie von seinem Schneckengehege, das an einer Stelle auf der Rückseite nicht ganz dicht war, Dutzende solcher kriechender Tierchen zum nahen Gartenzaun und in die Freiheit zogen. Allerdings dauerte deren Freiheit nicht lange — denn dort stand des Nachbars kleiner Franzei. der die Ausreißer abfaßte, in sein Schneckensäcklein tat... und nachher selbstverständlich im Pfarrhaus ablieferte, um den akkordierten Stückpreis dafür zu beziehen.
Der Herr Pfarrer war zuerst recht verdutzt, aber er besaß angesichts solcher Geschäftstüchtigkeit Humor genug, um darüber zu lächeln. Schließlich fragte er den Buben, ob er diese Tätigkeit wohl schon lange ausübe.
Das Büblein war gar nicht erschrocken; treuherzig gab er ohne weiteres Antwort; „Scho’ lang? ... Da ganze Sommer...!“
Worauf sich der Herr Pfarrer ungefähr errechnen konnte, wie oft er dem so unentwegt tüchtigen Franzei seine eigenen Schnecken immer wieder abgekauft batte.-—
Pfundbirnen
Von Franz Schrönghamer-Heimdal
Schon lange hörte ich von den sagenhaft großen Birnen des Kraftbauern, den sogenannten Pfundbirnen. Meine Begier nach diesem Riesenobst wuchs ins Unermeßliche, und ich mußte mich nur wundern, daß ich diesen Birnbaum noch nicht entdeckt hatte.
An einem Herbst Sonntagnachmittag trat ich meine Entdeckungsreise an. Ich schlich mich hinter den Stadeln und Scheunen herum und tat, als ob ich wirklich gar nichts im Schilde führte. Wie ich aber zum Baumfeld des Kraftbauern kam, stand da ein knorriger, wetter-
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ZUR ERDE
In Schönheit sank ein Ahornblatt Im Herbst, von goldner Reife satt Hinab zur mütterlichen Erde.
Des ganzen Lebens Sonnenschein Schloß es in seiner Färbung ein Als Scheidegruß zum Stirb und Werde.
Dies Köstliche neid’ ich ihm ehrlich;
Denn setz ich mich an seine Statt —
Wie ist ein Gleidies doch beschwerlich Am Baum der Menschheit für ein Blatt!
Mm.
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narbiger Baum, den ich bisher dem Stamme nach für eine Steineiche gehalten hatte. Gleichwohl tat ich einen Blick zur Krone empor, und gleich darauf stand mir das Herz still vor jauchzender Wonne. So groß wie Kinderköpfe leuchteten da riesige Birnen aus dem geheimnisvoll wispelnden Laub.
Wie ich aber droben im Wipfel saß und die wundersamen Riesenbirnen in ihrer nahen und wahren Größe sah, da tat mein Herz noch einmal einen heimlichen Freudensprung, und so beschloß ich, von der willkommenen Beute möglichst viel zu bergen.
Kaum hatte ich das gedacht, da tat sich das hintere Hoflürl auf und der Kraftbauer kam gemessenen Schrittes hinter dem Streuschober hervor. In der einen Hand trug er den sechsmäßigen Erntekrug voll Bier, in der andern einen mehrpfündigen Ranken Rauchfleisch und einen halben Laib Brot.
Ausgerechnet beim Pfundbirnbaum ließ er sich nieder, indem er seine Beine wohlig in den Schatten streckte, während er sein werktagmüdes Haupt an den Stamm lehnte.
In einer Astgabelung geborgen harrte ich der Dinge, die da noch kommen sollten. Es mochten Stunden vergangen sein, da sah ich, wie der sechsmäßige Erntekrug umgestülpt im Grase lag. Und den Stamm herauf kam ein Schnarchen, daß meine Astgabel zu schaukeln begann.
Nun, da mein Widersacher den Schlaf des Gerechten schlief, konnte ich es wagen, midi selbst und meine Beute in Sicherheit zu bringen. Schon hatte ich den rettenden Boden beinahe erreicht, da muß den sorglosen Schläfer eine Wespe belästigt haben, denn er begann mit beiden Armen um sich zu schlagen; dabei erwischte mich der Kraftbauer bei der Ferse und ließ mich nicht mehr los, so sehr ich audi riß und zerrte. Und indem er sich vollends aufmunterte und meine Wenigkeit erkannte, der die zwei Pfundbirnen aus den Hosensäcken standen, bat ich flehentlich: „Tu mir nix, Kraftbauer. Ich tu’s nimmer.“
Er aber packte mich nur fester bei den Fersen und sprach, indem er auf die zwei Pfund- bimen wies: „Die issest du jetzt. Eher kommst du mir nicht weg. Das andere sehen wir nachher schon...“
Ich zog also eine Pfundbime heraus und biß beherzt hinein. Ich meinte schon, welch köstlicher Saft sich meinem gierigen Gaumen darbiete. aber ich biß auf Stein und Bein. Schon wollte ich den harten Bissen spuckend von mir geben, als mir ein Machtwort des Kranbauern befahl: ..Geschluckt wird’s!“
So mußte ich die zwei Riesenbimen vor den Augen des Gewaltigen mit Butzen und Stengeln essen. Mir war wie dem Wolf im Märchen. als sein Bauch mit Steinen gefüllt wurde. Endlich lockerten sich die .Fäuste des Kraft- bauem und er sprach: „So, jetzt geh’ und merk dir’s!“
Die Pfundbimen schlumperten mir im Magen gewiß eine Woche lang und machten mir mancherlei Beschwerden, von denen ich lieber schweige.
Aber gemerkt hab’ ich mir’s: Wenn ich später wieder Köstlichkeiten rühmen hörte. d ; e ich nicht kannte, war stets mein erster Gedanke: , Aha. werden halt Pfundbirnen sein.
Lieber nichtl*
Schnecken aus Pfarrers Qarten
Von Martin 'Schieher