6. Jahrgang

SAMSTAG, 14. OKTOBER 1950

Nummer 160

der Konferenz nicht den Eindruck gemacht, als habe er einen Sieg errungen. Zweifellos ist er sich der schweren Verantwortung be­wußt, die er auf sich genommen hat und die auch durch das scheinbar magere Ergebnis von Wildbad, nur unterstrichen worden ist. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, Südbaden vor der Alternative zu bewahren, vor der man heute in Freiburg steht. Besonders der südwürttem- bergjsche Staatspräsident Dr. Müller hat seinem Kollegen Wohieb bis zuletzt goldene Brücken zu bauen versucht, die den badischen Wünschen sowohl als auch einer vernünftigen auf die Zukunft gerichteten Lösung entspro­chen hätten. Mit unendlicher Geduld, .mit un­beirrbarer Zähigkeit und mit einem Gerech­tigkeitsempfinden, das ihm noch bei jeder Konferenz höchste Anerkennung von allen Sei­ten eingetragen hat, versucht Dr. Müller, das zu erreichen, was er nach reiflicher Ueberle- gung als richtig und für alle Teile zuträglich erkannt hat. Kommt der Südweststaat einmal zustande, dann müßte man ihm eigentlich fast ein Denkmal setzen. Denn hätte man Dr. Maier und Staatspräsident Wohieb allein auf­einander losgelassen, so wäre noch mehr Por­zellan zerschlagen worden, aber kein neuer Staat im Werden, in dem einmal Gott sei Dank höchstens noch in den Schullesebüchem etwas stehen wird von den Kämpfen der ba­dischen und württembergischen Recken in Wildbad.

1951 kritisches Jahr

Jahreskongreß der Konservativen

BLACKPOOL. Auf dem am Donnerstag er- öffneten Jahreskongreß der britischen Kon­servativen, an dem 4000 Delegierte teilneh­men, erklärte der ehemalige Außenminister und stellvertretende Oppositionsführer, An­thony Eden, 1951 werde ein sehr kritisches Jahr werden. Er glaube jedoch nicht, daß eine Nation zur offenen Aggression überge­hen würde, wenn sie von der Stärke und Entschlossenheit der Kräfte überzeugt sei, die sich einem Angriff entgegenstellen würden.

Der Kongreß nahm einstimmig eine Ent­schließung an, in der eine Beschleunigung der Aufrüstung und ein Aufschub der Verstaat­lichung der Stahlindustrie gefeldert werden. Die Verstaatlichungspolitik der Labour-Regie- rung spalte das Land in einem Augenblick, in dem Einigkeit oberstes Gebot sei. Zustimmung fanden auch Resolutionen, die für Internatio­nale Zusammenarbeit zur Bekämpfung de9 Kommunismus und für die Gewinnung der Gewerkschaften eintrat.

Gespräche auf dem Petersberg

Um die Sicherung Westdeutschlands

BONN. Die drei alliierten Hohen Kommis­sare und Bundeskanzler Adenauer hatten am Donnerstag auf dem Petersberg die erste Besprechung über die Ausführung der Be­schlüsse der New Yorker Außenministerkon­ferenz. Anwesend waren auch die zur Bera­tung der Hohen Kommissare in Sicherheits­fragen gestellten drei alliierten Generäle. Das deutet darauf hin, daß bei dem Gespräch auch die Sicherung Westdeutschlands besprochen worden ist. Bundeskanzler Adenauer hat sich bei den Hohen Kommissaren gegen eine Rede gewandt, die der französische Hohe Kommis­sar Frangois-Poncet vor einigen Tagen vor den amerikanischen Kreisbeauftragten gehal­ten hat. Frangois - Poncet hat erklärt, die Deutschen würden sich vom Westen abwen­den, sobald sie alles erreicht hätten, was sie erreichen wollten. Gegen eine solche Auffas­sung der deutschen Haltung hat sich der Bun­deskanzler ausdrücklich verwahrt.

Der Sicherheitsausschuß, der als gemischter Ausschuß aus den drei alliierten militärischen Beratern und den drei deutschen militiärischen Beratern Adenauers bestehen sollte, wird nicht in der ursprünglichen Form tagen. Die deutschen militärischen Experten sollen viel­mehr nur von Fall zu Fall in Fragen der Po­lizei und der Unterbringung der zu erwar­tenden alliierten Verstärkungen zu Rate ge­zogen werden.

Vom Njet zum Nitsdiewo

Am Rande von Lake Success und Flushing Meadows

HS Das Waldorf-Astoria Hotel, Lake Success und Flushing Meadows sind seit September Brennpunkte der Weltpolitik geworden. Nach den Tagungen der Außenminister der Großen Drei und der Zwölf des Atlantikrats sind nun die 60 Nationen der UN daTsei, bis Anfang Dezember ihre Tagesordnung von 69 Punkten zu erledigen. Die Atmosphäre hat sich dabei wesentlich gewandelt. Während der Beginn der Konferenz durch die krisenhafte Lage in den USA, deren Klärung man nicht vor den Wahlen des 7. November erwartete, etwas ge­trübt war, ist das Vertrauen nach der Er­nennung Marshalls und der Wende in Korea jäh nach oben geschnellt.

General Marshall kehrt übrigens so arm wie er es verlassen in das Kabinett zurück er hat alle Anträge von Verlagen, die ein Buch von ihm wollten, von Reklamefirmen wie Ge­neraldirektorsposten standhaft von sich gewie­sen, da Geld ihm nur wenig bedeutet, und lebte von seiner Pension.

Die dominierende Figur bleibt Acheson, der ein Marshall-Mann ist, so wie man auch Mar­shall als Acheson-Mann bezeichnen könnte. Er lenkte nicht nur die von Detektiven behüteten Gespräche im 37. Stockwerk des Waldorf, son­dern wird auch durch seine Reformvorschläge die Tagung in Flushing Meadows stärkstens beeinflussen. Seine Stellung hat sich wesent­lich gefestigt.

Bevin, der nach der Operation wieder einen Teil der alten Robustheit zurückerlangte, wenn auch der Anzug viel zu locker sitzt, war auf dem New Yorker Parkett durch die in London­beschlossene Stahlsozialisierung stark gehan­dicapt. Aber er bemühte sich um so eifriger, sein Verhandlungstalent geltend zu machen. Am gelassensten war Schuman, dessen Stand­punkt zumindest in der Deutschlandfrage durchdrang der einzige, der ohne eigene Detektive auftrat und sogar die Zeit fand, das Hotel gelegentlich zu verlassen, um durch New Yorker Buchläden zu bummeln oder in französischen Restaurants zu speisen.

War Acheson der Star des Waldorf-Astoria, so konzentriert sich das Interesse von Flushing Meadows wieder auf die Russen. Die ganze Mannschaft, von Wyschinski und Malik ange­fangen, lächelt wie auf Kommando und gibt sich bis zur messerscharfen Bügelfalte und der

genau um die richtige Länge vorstehenden Manschette so westlich wie nur möglich. Statt des ständigenNjet im Sicherheitsrat, scheint die Sowjetabordnung jetzt zum urrussischen Nitschewo (na, wenn schon) übergegangen zu sein.

Korea? Nitschewo! Niemand verspricht sich natürlich viel von diesen verbindlicheren Allüren und vor dem Lächeln Wyschinskis wird ausgesprochen gewarnt.

Flushing Meadows, der Tagungsort der UN- Vollversammlung, war ehedem die Eisbahn der New Yorker Weltausstellung. Die Witze, die daher über Glätte, Frostigkeit usw. gemacht werden, liegen auf der Hand. Aber sie haben nicht mehr den bitteren Unterton, der in den Namen Lake Success gelegt wurde, weil der success, der Erfolg, diesem Ort so offensicht­lich fern blieb. Eine besondere Ironie war es auch noch, daß der größte Teil dieses provi­sorischen Heims der UN weiterhin von den Sperry Gyroscope-Werken belegt war, die Ziel­geräte für Bomber herstellen, so daß Friedens­bringer und Hersteller tödlicher Instrumente Wand an Wand arbeiten.

Der Hochschulstreit

Die seit mehreren Wochen von einer Reut- linger Zeitung gegen die württembergische Landesuniversität geführten Angriffe haben wir bislang, da uns die dort vorgebrachte Kritik des sachlichen Charakters weithin zu entbehren schien, nicht beachtet. Als aller­dings Prof. Dr. Georg Melchers, Direktor am Max-Planck-Institut für Biolgie, der sich per­sönlich beleidigt fühlte, seine Honorarprofes­sur dem Rektor his zur Herbeiführung einer öffentlichen Klärung zur Verfügung stellte, änderte sich die Situation insofern, als nun die Gefahr bestand, daß die Polemik dieser Reutlinger Zeitung ernsthaften Schaden an­stiftete.

Wir unterbreiten daher im folgenden den Wortlaut einer offiziellen Erklärung der Uni­versität Tübingen, und lassen dieser Erklä­rung im Auszug eine Stellungnahme der Tü­binger. Studentenschaft, vertreten durch den Allgemeinen Studentenausschuß (Asta), folgen, wobei wir betonen, daß die in den beiden Schriftsätzen zurfi Ausdruck gebrachten Ge­danken unserer Meinung im Grundsätzlichen entsprechen: Der Ruf der Landesundversität begründet sich in der Vergangenheit wie in der Zukunft auf die Namen ihrer akademi­schen Lehrer, und es kann dabei, sofern nur die richtige Persönlichkeit am richtigen Platz arbeitet, außer Betracht bleiben, ob die Wiege dieser Persönlichkeit in Württemberg stand oder nicht. Die Red.

Erklärunq der Universität Tübinoen

Die Universität hat nicht die Absicht, weiter­hin auf die durch denReutlinger Generalan­zeiger verbreiteten Angriffe einzugehen, welche seine Artikelschreiber und ihre Hintermänner gegen die Universität gerichtet haben und etwa noch gegen sie richten werden. Denn die ganze

Nadirichten aus aller Welt

ERLANGEN. Das evangelische Hilfswerk für Internierte und Kriegsgefangene hat alle Welt aufgerufen, nach Möglichkeiten zu suchen, um den in der Sowjetunion festgehaltenen Frauen und Müttern endlich die Heimkehr zu ermög­lichen, da sich die Hoffnung, daß die deutschen Zivilinternierten, darunter 1950 Frauen, endlich heimgeschickt würden, nicht erfüllt hat.

BONN. Der bisherige Leiter des Bundesrestau­rants, Paul Laroche, ist als Sieger aus der gro­ßen Schar der Bewerber um die Pacht der Gast­stätte hervorgegangen und hat nun offiziell mit Wirkung vom 1. Oktober die Leitung für fünf Jahre übernommen.

BONN. Der Bundestagsausschuß für Gesund­heitswesen beschloß am Donnerstag eine Analyse des Coca-Cola-Getränkes vornehmen zu lassen, um festzustellen, ob das Getränk gesundheits­schädigend sei oder süchtig machen könne.

RHÖNDORF. Aus dem Gleisunterbau der Sie­bengebirgsbahn Bonn Königswinter Honnef holten Arbeiter in Rhöndorf eine Tellermine hervor, die aus den letzten Kriegstagen stammte. Seit 1945 sind täglich 30 Züge über diese Strecke gefahren.

DÜSSELDORF. Die Arbeitgeberverbände von Nordrhein-Westfalen haben am Donnerstag auf einer Pressekonferenz scharfe Maßnahmen gegen Unternehmer angekündigt, die versuchen sollten, durch Bestechung Einfluß auf Abgeordnete zu gewinnen.

HAMBURG. Der Jahrestag der Entdeckung Amerikas (1492), der .Kolumbustag, wurde am Donnerstag in vielen Ländern feierlich began­

gen. In fast allen Ländern Ibero-Amerikas ist der 12. Oktober ein Nationalfeiertag.

BERLIN. Auf allen Flugstrecken zwischen Ber­lin und dem Bundesgebiet wird ab 22. Oktober der Flugpreis für einen Hin- und Rückflug vor­läufig um 25/« ermäßigt. Der Rückflug muß aller­dings innerhalb von 8 Tagen angetreten sein.

BERN. Im Zuge ihrer verstärkten Verteidi­gungsanstrengungen will die Schweiz eine um­fassende Reorganisation des Bundesheeres vor­nehmen.

BOZEN. Schwere Brände haben am Donners­tag einen großen Teil der Kleinstadt Sluderno im Alpengebiet in der Nähe von Bozen vernich­tet. Der angerichtete Schaden beläuft sich nach ersten Schätzungen auf über 20 Millionen Lire.

PARIS. Nach den Angaben einer amerikani­schen Hilfsorganisation für notleidende Juden sollen in den nächsten drei Jahren 600 000 Juden aus Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten nach Israel einwandern.

BELGRAD. Eine amerikanische Quäker-Dele­gation hatte am Donnerstag Gelegenheit, den ju­goslawischen Erzbischof Stepinac, der in einem Gefängnis bei Agram eine 16jährige Freiheits­strafe wegenVerbrechen gegen den Staat ver­büßt, aufzusuchen.

CANBERRA. Der australische Finanzminister Fadden hat dem Repräsentantenhaus für das Rechnungsjahr 1950/51 einen Rekordhäushalts- voranschlag in Höhe von 738 Millionen austra­lischen Pfund (6,937 Milliarden DM) vorgelegt. Für die Verteidigung sind 83 Millionen Pfund ge­genüber 54 Millionen im laufenden Jahr vorge­sehen.

Art der Aufstellung immer neuer unwahrer Be­hauptungen, vermischt mit unsachlichen, z. T. schwer beleidigenden Angriffen auf verdienst­volle Mitglieder der Universität und des Kult­ministeriums, beweist, daß es den Verfassern in Wirklichkeit um andere Dinge als um das Wohl des Landes und seiner Universität geht. Dagegen möchte die Universität zu drei Punkten öffentlich Stellung nehmen:

1. Die Universität wird wie bisher so auch weiterhin sich darum bemühen, das hohe An­sehen, das sie heute im In- und Ausland ge­nießt, zu erhalten, und daher gerade auch im Interesse des Landes bei Berufungsvorschlägen sich allein durch wissenschaftliche Leistungen und persönliche Werte bestimmen lassen.

2. Die Universität hält es für eine Ehren­pflicht, mit Dankbarkeit der Hochschulreferen­ten zu gedenken, die ein wesentliches Verdienst daran haben, daß die Universität Tübingen nach dem Kriege sich zu ihrer jetzigen Bedeutung entwickelt hat.

3. Die Universität hat in der Frage der nach 1945 vom Amt suspendierten Kollegen die Hal­tung eingenommen, daß diejenigen, deren Be­lastung nur in formeller Zugehörigkeit zur Par­tei bestand und die ihren Irrtum eingesehen haben, wieder in ihr Amt zurückgeführt werden oder jedenfalls die Möglichkeit zu weiterer wis­senschaftlicher Arbeit haben sollten. Die Uni­versität ist hierbei nicht kleinlich gewesen. Doch muß und wird sie sich gegen jeden Versuch wehren, ihr solche Personen aufzudrängen, die sich weitgehend mit dem Nationalsozialismus eingelassen oder erhebliche charakterliche Män­gel an den Tag gelegt haben.

Die Universität hat ein Interesse daran, daß die Oeffentlichkeit Einblick in ihre Organisa­tion und Arbeit erhält. Es werden daher hier­über in der nächsten Zeit aus sachkundiger Fe­der verschiedene Aufsätze erscheinen, die auch auf die Rolle des Schwabentums in der Landes­universität und den übrigen Hochschulen ein- gehen werden.

Steltunqnahme der Studentenschaft

Die Studentenschaft lehnt eine autoritative Re­gelung der Stellenbesetzung an der Universität Tübingen, etwa durch den Landtag, im Interesse der Freiheit der Wissenschaft und im Interesse des weit über die Grenzen unseres Landes hin­ausgehenden Rufes unserer Universität entschie­den ab. Wenn hier der Gedanke der Festlegung einer bestimmtenSchwabenquote im Lehr­körper der Universität auftaucht, so erinnert das lebhaft an die Festlegung von Quoten für die Arbeiter- und Bauernfakultäten der ostzonalen Universitäten; bei solchen Forderungen, wie bei Ausdrücken wiebewußte Ausschaltung der Württemberger fühlt man sich auch nicht weni­ger an den Ton südbadischer oder auch bayern­parteilicher Argumentationen erinnert. Wo kom­men wir denn hin, wenn diese Kirchturms­politik schließlich auch noch in die (gottlob noch einigermaßen) freie Wissenschaft Eingang findet?!

Wir möchten als schwäbische Studenten beto­nen, daß wir uns durchaus konkurrenzfähig füh­len und überzeugt sind, daß wir uns als tüchtige Menschen genau so durchsetzen werden wie un­sere Vorfahren. Wir haben keine Schonbezirke nötig. Wir haben einem norddeutschen Professor einen Fackelzug gebracht, weil er auf einen. Ruf ins Ausland verzichtete und in Tübingen geblie­ben ist. Sollen wir ihm die Fenster einwerfen, weil er einembiederen Schwaben, einem Lan­deskind, die Stelle wegnimmt?

Wir wünschen ausdrücklich festzustellen, daß wir dem Verfasser derartiger Artikel das Recht absprechen, das Interesse der schwäbischen Stu­dentenschaft vertreten zu wollen oder gar in ihrem Namen zu sprechen.

Dt. mi im Ufa Sftid

Roman «inas Dämons von Norbert Jacques

28] Copyright by Heffmann und Campe Verlag, Hamburg

Besonders die Gegend hinter der Anstalt ist ein fruchtbares Gebiet für diese meine Liebhaberei. Denn mehr ist es nicht. Ich gebe es zu. Ich bin ja keine Amtsperson und da, na gut, lassen wir das! Nun, und hier habe ich sehr bedeutsame Entdeckungen gemacht. Daß nämlich dieser aus dem Auto entsprungene Mann der Dr. Mabuse war, der jede zweite Nacht... mein System .. .

Lohmann las dies, von der Hand Borns auf das Blatt geschrieben, während Domer bis auf einige Worte genau dasselbe sagte.

Born unterbrach Domer:

Wann melden Sie sich wieder bei mir? Herr Dorner, ich glaube, es ist Zeit.

So? sagte Domer nicht übermäßig er­staunt.

Ja, ich glaube es wäre besser, Sie nehmen mal wieder einen kleinen Aufenthalt bei uns, statt .Unfug mit der Polizei zu treiben. Was meinen Sie?

Herr Professor, antwortete Domer,ich bin immer sehr gern bei Ihnen. Der Verkehr mit Ihnen ist anregend für einen Menschen wie mich, der es liebt, tieferen Zusammen­hängen nachzugehen. Aber man ist in seiner individuellen Freiheit zu stark gebunden bei Ihnen!

Wie Sie wollen! sagte Born und erhob sich.Ich darf mich verabschieden.

Lohmann entschuldigte sich, daß er den Professor umsonst bemüht und an die Ernst­haftigkeit einer Spur geglaubt habe, die aus dem Hirn eines Narren komme. Es sei ver­zeihlich durch die Nervosität, in die der Fall mit den Wahlen, der sich trotz aller An­

strengungen nicht klären ließe, die ganze Ab­teilung versetzt habe.

Lassen Sie Herrn Domer heimgehen, ant­wortete Born.Wir sind gute Freunde. Und verargen Sie ihm die geäußerte Hoffnung nicht allzusehr. Er kann nicht anders. Und jeder Mensch hat seine Eule oder seine Nach­tigall.

Obwohl der Besuch im Polizeipräsidium und die Begegnung mit Dorner, der schon öfters Gast in Borns Heil- und Pflegeanstalt ge­wesen, eigentlich sehr launig und heiter ver­laufen war, fühlte der Professor auf der ein­samen Heimfahrt in sich eine bohrende und steigende Erregung. Er hatte das Gelüst niederzukämpfen, zu der Mauer mit dem Tor zu gehen, das der Schauplatz des Märchens aus dem kranken Hirn Domers gewesen war.

Was hab ich dort zu suchen? fragte sich Born, sooft sich mit zwingender Unrast die Versuchung einstellte. Er fuhr auch nicht hin, sondern brachte seinen Wagen in die Garage, die am Eingang der Anstalt lag. Dann begab er sich in seinen Arbeitsraum im großen Haus.

Als er das Flur licht anknipste, sah er, daß der Nachtwächter in der Loge neben der Tür eingeschlafen^ war. Weshalb war ihm das recht? Er stieg leise und eilig zum ersten Stockwerk hinauf und schloß sich in sein Zimmer ein.

Er hatte ja das Blatt noch nicht gelesen, das er vom Bett Mabuses mitgenommen hatte! Die Anwesenheit der blonden Frau hatte ihn wohl daran gehindert. Aber es dauerte noch lange, bevor er sich entschloß, es hervorzusuchen.

Er wusch sich in dem in die Wand einge­lassenen Becken umständlich und hinauszö- gemd die Hände, bürstete sich energisch das Haar, band die etwas verrutschte Krawatte neu.

Und als er dann das Blatt in den Fingern hielt, konnte er sich nicht dazu entschließen, es zu lesen. Er stopfte es erregt in die Tasche

und begann auf und ab zu gehen. Aber seine Knie zitterten. Die Unrast trieb ihn wieder hoch und auf die Wanderung über den Tep­pich des Raumes.

Da begann die Empfindung immer stärker in ihm zu werden, er gehe so im Hinschreiten von sich selber fort. Schon lag eine kaum abmeßbare Entfernung zwischen dem Dr. Born an seinem Ausgangspunkt und der Stelle, wo der andere inzwischen angekom­men war. Der andere, eine Hilfskonstruktion, von ihm selbst erfunden, aber nun doch merk­würdig lebendig.

Diese Stelle war das Tor in der Mauer hin­ter dem Gemüsegarten. Es hatte aufgehört, naß zu schneien, und die Straße, die er nun hinschritt, war grün und phosphoreszierte vom hellen Licht des Mondes. Der Mond aber stand nur in einer dünnen starren Sichelform als ein krummes Messer über Borns Kopf. Das Licht, das von dieser Klinge ausstrahlte, war nicht so scharf, daß es allein die Quelle dieser grünlichen Helle auf der Welt hätte sein können.

*

In derselben Zeit, wo sich die Dinge mit Professor Born begaben, wachte einer seiner Kranken in ringenden Gedanken und kam zu dem Entschluß, um den er seit Stunden mit sich stritt.

Es war Kriminalinspektor Hoffmeister.

Aus seiner Tätigkeit bei der Polizei kannte er die Macht eines Irrenarztes, und aus Borns Benehmen am Abend schloß er, daß für ihn, Hoffmeister, keine Aussicht auf Befreiung vorhanden sei. Er verstand, daß der Arzt an seine Heilung nicht glaubte. Durch Erfahrung aus seiner kriminalistischen Tätigkeit sah er auch ein, daß er selber die Schuld daran trug. Die Funktion seines Geistes war zweifellos, als er eingeliefert worden war, gestört ge­wesen. War das verwunderlich bei der ent­setzlichen Erregung in dem Hotelzimmer, nach all der Spannung und den Ereignissen im Hause' der Notenfälscher? Und war seine Ent­

deckung, daß kein anderer als Mabuse der Urheber und Leiter der Geldfälschungen war, wirklich glaubhaft zu machen?

Hoffmeister war wohl mit den Nerven zu­sammengebrochen, als er telephonierte und die beiden Männer so unerwartet ins Zim­mer kamen. Und nachdem er seinen Verstand in der Anstalt wiedergewonnen hatte, war es falsch gewesen, immer wieder die unglaub­würdigen Dinge zu versichern, die die Ursache zu seiner Einlieferung und seiner Erkrankung gewesen waren.

Es lag auf der Hand, daß kein Irrenarzt seine Erkrankung und die Erzählung dieser Begebnisse zu trennen vermochte.

Um freizukommen und seine Aufgabe bis zum Ende zu erfüllen, blieb ihm jetzt nur eines: er mußte fliehen!

Durch Zufall war ihm das schmale Besteck mit den vernickelten Dietrichen geblieben, das er zum Eindringen in die Falschmünzerei be­nutzt hatte. Er war sicher, mit einem von ihnen die Schemaschlösser zu öffnen, die an den Türen des Schlafraumes und des Flures waren. Im Erdgeschoß kam er vielleicht durch ein Fenster hinaus. Auf alle Fälle war wohl auch die Haustür nicht immer bewacht.

Er wachte und horchte in die Finsternis, bis der Schritt des Wärters, der die nächtliche Runde machte, ertönte und sich entfernte, bis Hoffmeister die hintere Tür des Flures sich schließen hörte. Dann stand er auf, kleidete sich schnell an und schlich zur Tür.

Es war für seine geübten Finger ein Spiel, sie zu öffnen. Der Flur war leer. Die Schnee- und Mondnacht schimmerte hell durch die Fenster und zeigte ihm den Weg. Auch die Flurtür war rasch geöffnet.

Jetzt stand er in der Fortsetzung dieses breiten Flures. Links von ihm zeigten sich zwei Fenster. Wo die Wand, in der sie waren, aufhörte, weitete sich der Flur in einen Vor­platz aus, und auf diesem Vorplatz sah er rechts in der Wand eine Tür.

(Fortsetzung folgt)