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(22. Fortsetzung)
„Die Sekretärin hat er sich aber sicher nicht selbst ausgesucht“, denkt der Agent, denn die von ihr ausgehenden Reflexe betonter Unnahbarkeit schaffen ein überdienstliches, kaltes Fluidum.
In diesem Augenblick öffnet sich die Polstertür zum zweiten Male und die unbewegte Maske nickt auffordernd:
„Du darfst kommen, Genosse!“
Sein erster Blick fällt auf das überlebensgroße Bild des Woschd an der Wand über dem Arbeitsplatz des Kommissars. Erst dann gewahrt er die darunter sitzende Gestalt.
„Mächtig fein, das Arbeitszimmer.“ Der Agent wirft einen kurzen Seitenblick auf die modern gearbeiteten Edelholzmöbel, nachdem er vorschriftsmäßig gegrüßt hat und auf die Anr.ede wartet.
Da richtet der Kommissar sich auf und verschränkt seine Arme:
„Hast du deine Aufgabe ordentlich erfüllt, Genosse?“
Der Agent bejaht.
„Berichte!“
„Ich erwartete ihn gestern morgen um fünf Uhr auf dem Flugplatz von Sankt Miguel. Die Maschine landete planmäßig, und nach dem Bild, das mir die Nachrichtenzentrale mitgab, konnte ich ihn leicht erkennen. Ich sprach ihn an. Er war sehr erstaunt, doch dann folgte er mir, ohne viel zu fragen. In meinem Quartier übergab ich ihm die neuen Papiere. Schon zwei Stunden später starteten wir mit dem planmäßigen Verkehrsflugzeug nach Paris. Er spricht fließend französisch und spielte seine Rolle als Monsieur Durant sehr gut. Dann brachte uns ein Dienstwagen des Corps Diplomatique nach Dijon. Dort verhörte ihn im französischen Zentralbüro in der Rue de la Republique ein Kommissar des Köminform zwei Stunden lang. Dann startete ich mit Monsieur Foucault, ich meine Durant, über Basel nach Prag und von hier mit einer Maschine der Sowjetischen Luftfahrtgesellschaft weiter nach hier. Es verlief alles laut Plan, wie deine Anweisungen es vorsahen. Im Hotel Metropol bezog er sein vorbereitetes Zimmer und wird im Augenblick vom Genossen Wlasko- new mit einem Offizier des MWD-Außendien- stes ver..., ich meine, sie sprechen mit ihm.“
Der Kommissar hat mit unbewegter Miene zugehört. Nun stützt er seine noch immer verschränkten Arme auf die Tischplatte und überlegt eine Weile, während die protokollierende Sekretärin abwartend lauscht.
„In Sankt Miguel, als du ihn übernahmst, Genosse, müßte er sich doch gewundert haben wegen der Aenderung des Namens“, sagte er dann nachdenklich.
„In Sankt Miguel? Ja, natürlich“, beeilt sich der Agent zu versichern, „doch als ich ihn darauf hinwies, daß die Union eine zweite .Affäre Eichberg“ nicht heraufzubeschwören wünsche, sah er die Notwendigkeit dieser Maßnahme ohne weiteres ein. Er unterschrieb den Paß bedenkenlos mit Durant.“
.Also sind alle Spuren verwischt“, denkt der Kommissar zufrieden.
„Es ist gut, Genosse, Du hast den Auftrag tadellos ausgeführt. Den Sonnabend hast du frei und meldest dich am Montag wieder bei deinem Vorgesetzten.“
Der Agent dankt geschmeichelt, grüßt und geht ab, nicht ohne vorher noch einen triumphierenden Seitenblick auf die Sekretärin geworfen zu haben.
Ihr üppiges, nach hinten gerafftes Haar zeugt von realer Sachlichkeit. Hübsch ist sie nicht und kaum gepflegt. Aber ihre Augen
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A TOM FORSCHUNG AM SCHEIDEWEG
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Roman von wolf l/nkb
verraten Energie und Tatkraft. Sie beachtet ihn nicht, denn eben ist sie damit beschäftigt, ihrem Chef das Protokoll zur Unterschrift vorzulegen.
Der Kommissar überfliegt das Geschriebene kurz und unterzeichnet. Dann greift er zum Telefonhörer.
„Dienstgespräch, Hotel Metropol!“ sagt er, als die Vermittlung sich meldet. „Professor Wlaskonew!“ —
Scheinbar gleichgültig, mit unbewegtem Gesicht blickt Andre Foucault dem untersetzten Russen in dem dunklen Zivilanzug nach, der das kleine Klubzimmer verläßt. Langsam weicht der Druck von seiner Seele, den die äußerlich harmlosen und doch nadelspitz formulierten Fragen des Abgehenden ihm bereitet hatten.
,Den bist du los!“ stellt er zufrieden fest und möchte auf den Tisch steigen vor Freude. .Jetzt glaubst du bald selbst, daß deine Vorgesetzten und die Polizei der Clinton-Werke dir, das
„Da richtet der Kommissar sich auf. ..“
Zeichnungen: Springer
Land durch einen gemeinen Anschlag gegen deine Existenz verleideten!“
„Bedienen Sie sich doch“, sagt Professor Wlaskonew freundlich und weist auf die angebrochene Wodkaflasche. „Diese Marke kommt Ihrem amerikanischen Whisky geschmacksmäßig nahe. Sie werden sich bald an sie gewöhnt haben.“
Der Professor spricht ein leidliches Englisch und Andre Foucault schenkt sich dankend ein. Doch während sie sich nun zutrinken, nimmt er wieder nur einen Schluck, und als der Russe aufmunternd nickt, sagt er wie beiläufig: „Ich mache mir aus Spirituosen nicht allzuviel. In unserem Beruf muß man einen klaren Kopf behalten.“
Der Russe lächelt und setzt sein Glas ebenfalls ab:
„In unserem Beruf? Hm, Sie werden bemerken, daß Sie hier in Rußland nebenher • auch noch Mensch sind. Im Dienst Ihren Grundsatz in allen Ehren. Doch während der Mußestunden oder beim Feiern — und in Rußland versteht man sehr wohl zu feiern — gibt ein guter Tropfen erst die rechte...“ Kurzes Klopfen unterbricht seine Rede, und er wendet sich zur Tür.
„Ja!?“
Ein Boy schiebt sich herein und verkündet in strammer Haltung:
„Der Genosse Professor Wlaskonew bitte zum Telefon!“
Der Russe erhebt sich. Nach höflicher Entschuldigung folgt er dem Jungen, der sich auf dem Gang mit gewichtiger Miene an ihn wendet:
„Dienstzelle, Genosse Professor, dort hinten, am Ende des Ganges.“
„Hier Wlaskonew“, meldet sich der Professor und zieht die' Tür sorgsam hinter sich zu. Während er lauscht; geht ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht.
„Ich glaube ja“, sagt er dann, „Pamflonews bester Mann unterhielt sich zwei Stunden mit ihm. Vor zehn Minuten ging er — recht zufrieden.“
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„Aber selbstverständlich. Uebermorgen ist ,Tag der russischen Autarkie“. Im Anschluß an die offiziellen Veranstaltungen ist im Hause Kapizewsky ein Treffen führender Kollegen des Nord- und Südbereichs geplant. Da
kann er Kontakt nehmen.“
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„Pamflonew? Gut, mag er tun.“
„Ja, er wird auch da sein. Ich bin selbst auf die erste Gegenüberstellung der beiden gespannt.“
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„Ich denke, ab Montag. Kapizewsky riet mir zur gleichen Methode, die bei Eichberg Erfolg hatte. Ich bin auch dafür. Denn wenn wir ihn gleich nach Tscheliabinsk schickten, sähe es aus, als brauchten wir ihn.“
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„Gewiß, unwesentliche, belanglose Laborarbeit hier am Lenininstitut.“
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„Nun, vieleicht genügen zwei bis drei Wochen. Das hängt von ihm selber ab, wie lange
er das geistige ,Stillgestanden!“ erträgt.“
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„Das bleibt dir jederzeit Vorbehalten, Genosse. Wenn er unecht ist, bin ich der letzte, der ihn schützt. Auch Pamflonew wird ihn sicherlich noch nicht gänzlich aus den Augen lassen, bis er durch irgendeine klare, einwandfreie Handlung seine Einstellung demonstriert.“
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Andre Foucault betrachtet inzwischen aus dem Fenster des Klubzimmerchens das abwechslungsreiche Bild in der lebhaften Verkehrsstraße. Beobachter von der gegenüberliegenden Fensterseite könnten den nachlässig Lehnenden für einen ausgesprochen selbstzufriedenen Zecher halten. Denn sie sehen nicht, wie er jetzt sein frischgefülltes Becherglas zur Hälfte über der schwarzen Humuserde der breiten Geranienbank leert, die den glasklaren Wodka gierig aufsaugt.' Als Professor Wlaskonew das Zimmer betritt, sitzt er wieder geruhsam in seinem Sessel, als hätte er den Platz nie verlassen.
„Ein Kollege rief an“, sagt der Russe leichthin. „Er bat, seinen Schwarzmeerurlaub vorverlegen zu dürfen Er will heiraten — baldmöglichst. Na“, er lacht gönnerhaft, „Sie verstehen schon, es soll alles hübsch der Reihe nach gehen, und das andere Ereignis läßt sich weder hinauszögem noch rückgängig machen.“ Andre Foucault fühlt sich verpflichtet, mitzulachen und der Professor fügt hinzu: „Und warum auch? Durch prüdes Naserümpfen schlägt man keine Liebe in Fesseln, und wenn es ein echter Sowjetjunge wird, hat er
(Nachdruck, verboten)
seinen Urlaub wohl verdient. Das Land braucht fähigen Nachwuchs.“
Dann wird er wieder ernst und hält über- legend-inne, als besinne er sich auf etwas.
„Hm, das trifft sich eigentlich gut. Ich meine, Sie müssen wissen, ich wollte Ihnen nicht gleich am Anfang die Hoffnung rauben, aber mit freien Arbeitsplätzen ist es hier bei uns recht knapp bestellt. Sie könnten in diese Lücke einspringen. Nicht direkt, denn der Genosse arbeitet an einem Verfahren der besseren Energieausnutzung beim Verbrennungsprozeß, und Kalorimetrie liegt Ihrem Interessengebiet recht fern. Doch ich habe jemanden am Lenin-Institut, der diese Arbeit weiterführen könnte. Dessen Platz stände dann für Sie zur Verfügung.“
Der Dotktor ist erstaunt über diese Eröffnung. Trotzdem kommt der Vorschlag ihm gelegen. ,Das ist mir lieber, als morgen schon einen Autoklaven in die Hand gedrückt zu bekommen“, denkt er und sagt:
„Ich erwarte nicht. Herr Professor, sofort da weiterschaffen zu können, wo ich in Amerika stehenblieb. Ich bin vorerst mit jeder Arbeit zufrieden. Zur Not würde ich mich auch in die Probleme der Wärmetechnik einar- beiten.“
„Es ist durchaus nicht so“, beeilt sich der Professor zu versichern, „daß wir Sie wahllos an irgendeinen Platz verweisen. Wenn ein Mann auf die Dauer Befriedigung in seiner Arbeit finden soll, muß sie ihn interessieren und ganz ausfüllen. Auch die Leistung, der Erfolg wird hiervon entscheidend beeinflußt. Sie können sich natürlich jederze.it um eine
„Hier, Wlaskonew", meldet sich der Professor und zieht die Tür sorgsam hinter sich zu. ..“
andere Aufgabe bewerben. Ich helfe Ihnen, soweit wie möglich.“
„Und um was für ein Gebiet handelt es sich beim Lenin-Institut?“
„Um Kristallochemie und elektrophysikalische Methoden der kurzfristigen Kondensation ungesättigter Dämpfe.“
.Damm“, durchzuckt es den Doktor, ,man weiß gut Bescheid! Ist das nun Zufall oder Absicht?“ Aber er hat sich in der Gewalt und läßt sich nichts anmerken. (Fortsetzung folgt)
„SONNTAGS-ZEITUNG" Herausgeber: Will Hanns Hebsacker, Dr. Ernst Müller und Karl Klm ln der Schwäbischen Verlags- gesellsChaft m. b. H. Redaktion und Verlag. Tübingen.
Uhlandstraße 2. Telefon 2141 Druck: Tübinger Chronik, Druckerei und Verlagsgenossenschaft eGmbH. Tübingen
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Ersparnis jedesmal l > V J. Pfennig
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