6. Jahrsang

FREITAG,«. OKTOBER 1950

Nummer 155

Die prallen Kugeln fliegen wieder

Regenschirme sind keine GewehreGlück ab! für deutsche Freiballons

Am 14. Oktober 1950 werden in Wupper­tal Westdeutschlands Ballonfahrer Zusam­mentreffen. Dr. Scholl-Latour, Vorsitzen­der der Düsseldorfer Freiballonführer-Ver­einigung und einer der ersten deutschen Ballonfahrer nach Weltkrieg Nr. 1, rechnet damit, daß von den fünfhundert bis sechs­hundert noch in Deutschland lebenden Ballonführern mehr als hundert zu diesem Treffen erscheinen werden, das der Wie­derbelebung des deutschen Freiballonspor­tes dienen soll.

DÜSSELDORF. Das erste Luftpermit nach dem zweiten Weltkrieg, und zwar zur Füh­rung von Freiballons, wurde Deutschland von alliierter Seite endlich erteilt. Nun wird es nicht mehr lange dauern, bis Deutsche wieder ein Luftfahrzeug führen.

Der Düsseldorfer Arzt Dr. Scholl-La­tour, bis zur Einstellung des Ballonsportes in Deutschland Führer so erfolgreicher Bal­lons wie Bochum 2 und Bochum 3, hat neben handgreiflichen Plänen zur Wiederbelebung des deutschen Freiballonsportes jetzt auch die Genehmigung zu ihrer Ausführung in seinem Schreibtisch liegen. Noch im Mai dieses Jahres hatte der Vorsitzende der Düsseldorfer Bal­lonfahrer, der sich dem Ballonsport mit Haut und Haar verschrieben und sich in die Idee seiner Wiedererstehung in Deutschland nahezu verbissen hat, auf eine im Februar an eine höhere englische Dienststelle gerichtete um­fangreiche Denkschrift eine hoffnungslose Ab­sage erhalten. Der 19. September 1950 brachte überraschend den ersehnten englischen Be­schluß: Den Deutschen, so wurde von briti­scher Seite mitgeteilt, sind künftig Erwerb, Konstruktion und Benutzung von meteorologi­schen Ballons und Ballons ohne militärische Bedeutung wieder erlaubt. Dr. Scholl-Latour hatte die sachlichen Argumente seiner Denk­schrift um ein treffendes Wortspiel bereichert: Man kann einen Freiballon ebenso wenig in einen Bomber verwandeln, wie man einen Regenschirm als Maschinengewehr verwenden kann. Und das sieht schließlich jeder Laie ein.

Und das alles wird jetzt mit einem Schlage anders werden. Zunächst werden ausländische Ballonfahrer kommen, um ihren deutschen Kameraden wieder in den Korb zu helfen. Nach den Bestimmungen des internationalen Ballonführerscheins dürfte es nämlich kaum einen Deutschen geben, der zur Führung eines Ballons berechtigt wäre. Nach zehnjähriger Flugunterbrechung und welcher deutsche Ballonsportler hätte sie nicht in Kauf nehmen müssen verliert der Ballonführerschein seine Gültigkeit, die jedoch durch eine einzige Mitfahrt im Ballon wiederherzustellen ist.

Aber auch die Monate bis zum Start des ersten deutschen Ballons kann man allem An­schein nach an den Fingern einer Hand ab- zählen. Dr. Scholl-Latour berichtet nämlich daß den Düsseldorfer Ballonfahrern von zwei Industrieunternehmen bereits je ein Ballon in Aussicht gestellt worden ist. Weitere Fir­men, so hoffen die Ballonfahrer, werden die­sem Beispiel folgen, zumal sie die Möglich­keit haben, durch Beschriftung der Ballon­hüllen für sich zu werben.

Hunderttausende, für die der Anblick der fliegenden Kugeln von jeher eine magnetische Wirkung hatte, werden bald wieder, wie vor dem Krieg, zu den Startplätzen strömen. Und zahllose neue Freunde wird der wiedererstan­dene deutsche Ballonsport für sich gewinnen.

Heinz Meyer-Wrekk

Die Höllenbrände von Straitsville

Unterirdische Flammenmeere verwüsten ein Land / Größte Brandstiftung der Welt

Im Staate Ohio, USA, hat mit den mo­dernsten Mitteln der Technik der Kampf gegen dieHölle von Straitsville begon­nen. Es ist der vierte und bisher größte Versuch, der ungeheuren unterirdischen Flammenmeere der seit dem Jahre 1884 brennenden Kohlenbgruben im Höcking- Valley Herr zu werden, die weite frucht­bare Gebiete in eine Kraterlandschaft ver­wandelten, eine ganze Stadt bedrohten und in den vergangenen Jahrzehnten Milli­ardenschäden verursacht haben.

Vor 66 Jahren raste ein Förderwagen mit brennenden Kohlen beladen in die Grube von New Straitsville. Revoltierende Bergar­beiter hatten ihn in die Tiefe geschickt. Durch ihn sollte die größte unterirdische Brandkata­strophe aller Zeiten ausgelöst werden. Die Kohlenflöze fingen Feuer und entfachten ein Flammenmeer, das binnen kurzer Zeit sich unter der Erde auf eine Fläche von über 20 Quadratkilometer ausdehnte. In jenen Tagen begann der Kampf gegen die unterirdische Hölle, der trotz Einsatzes von ungeheurem Material bis heute erfolglos blieb.

Straitsville versinkt

wurden ausgehoben und Brandmauern gebaut. In oft fast unerträglicher Hitze arbeiteten Bergleute. Bauarbeiter und Ingenieure. Alle Kohle wurde abgebaut, um den Flammen die Nahrung zu nehmen. Riesige Schutzdämme bis zu 250 m Dicke wurden errichtet. Erdspalten wurden mit Erdwerk und Beton geschlossen. Aber diese Riesenarbeit sollte umsonst sein. Die Glut in der Tiefe sprengte alle Schutzdämme und Mauern und die Hölle fraß sich weiter. Aber die Ingenieure gaben sich noch nicht geschlagen. Man begann einen ganzen Fluß nach dem Gefahrengebiet umzuleiten. Die Katastrophe sollte dadurch nur noch ver­größert werden. Die Flußwasser verdampften über der glühenden Erde. Die ganze Gegend von Straitsville war in Nebel- und Dampf­schwaden gehüllt. Durch den Wasserdampf wurden neue Erdbewegungen verursacht und der eindringende Sauerstoff entfachte die un­terirdischen Brände noch mehr. Zur Rettung der angrenden Flöze mit ihren Milliarden­werten schaltete sich im Jahre 1937 der ame­rikanische Staat ein. Mit Dynamit und me­chanischen Baggern ging man in einem neuen

Vielseitig

Der Sommergast in einem stillen Fischerdörf­chen hatte sich beim Dorfbarbier rasieren las­sen und war achtmal geschnitten worden. Jedes­mal wurde das Messer abgesetzt und erst ein' mal ein Stückchen Pflaster auf die Wunde ge­klebt. Als die langwierige Operation zu Ende war, erhob sich der Gast und gab dem Barbier 1 Mark.

Das ist zuviel, winkte der Meister ab,ich bekomme nur Pfg.!

Nehmen Sie nur, erwiderte der Gast,es ist das erstemal, daß ich einen Barbier kennen lernte, der zugleich auch Metzger und Tapezie­rer ist!

Das billige Heilmittel Ein englischer Schiffsarzt hatte die Gewohn­heit,' gegen jede Krankheit Meerwasser zu ver­ordnen. Eines Tages stürzte er unglücklicher­weise über Bord.Hallo, Jack, rief da ein Ma­trose einem anderen zu,der Doktor ist in sei­nen Arzneikasten gefallen!

Ausrahme

Wenn die Werke eines Dichters keinen An­klang Anden, dann dichtet er natürlich für die Zukunft. Zu der Schar der Unverstandenen ge­hörte auch der Dichter Gründel.

Die Wirtin brachte ihm seine Post ins Zimmer: Wieder alles zurück, Herr Gründel!

Der Dichter stand da wie eine Bildsäule: ,Ich bin meiner Zeit voraus, Frau Löffler!

Die Wirtin nickte:Aber mit der Miete nicht, mein Herr, mit der Miete nicht!

Großeinsatz der Hölle von Straitsville zu Leibe. Ganze Schlammströme wurden in die Tiefe gepumpt, Betonmauern errichtet und Sauerstoffzufuhren abgedichtet. Aber nur für kurze Zeit gelang es, das Riesenfeuer einzu­dämmen und die Hitze zu verringern.

Nach zehn Jahren hat nun ein neuer, um­fassender Großangriff auf die Kohlenbrände im Hocking-Tal begonnen. Wird er die seit dem Jahre 1884 wütenden unterirdischen Flammenmeere endlich zähmen können? Die Techniker hoffen mit Hilfe von Gas und flüs­sigen Chemikalien Herr dieses gewaltigsten Brandherdes unter der Erde werden zu können.

Aus Wissenschaft , Forschung und Technik

Magnet für Hunderttausende

Wie Deutschlands Segelflieger, die immer noch auf die Erteilung der Flugerlaubnis war­ten, haben die deutschen Ballonfahrer schwere Jahre brennender Sehnsucht und bitterer Ent­täuschung hinter sich, die nur der in ihrer ganzen Tragik begreifen kann, der das hohe Glück erfahren hat, in traumhafter Stille über die Lande zu schweben, auf nichts als auf das eigene Können und auf die Gunst der Elemente angewiesen. Nicht einmal Zaungäste dieses Glückes durften die deutschen Ballon­fahrer sein; denn ihren ausländischen Sport­kameraden, mit denen sie vor dem Kriege, als der deutsche Ballonsport Weltgeltung hatte, sportlich und menschlich in guter Freundschaft verbunden waren, war die Landung auf deut­schem Boden strikt untersagt.

Hering schwamm 660 km

Den Geheimnissen des Vogelflugs ist man auf die Spur gekommen, indem man Zugvögel ein­fing, ihnen kleine Ringe um die Füße schloß und nachforschte, wo in aller Welt die so beringten Vögel wieder auftauchen würden. Aehnlich ver­fuhr man, als man sich fragte, welche Wege, und Ziele die Wandervögel unter den Fischen haben. So fing man z. B. im Großen Belt und im Katte­gat Heringe und markierte sie entweder mit roten Farbflecken oder mit Plastik-Röhrchen, die mit Nylondraht befestigt wurden. Die Markie­rungen enthielten eine Mitteilung an die Fischer, die aufgefordert wurden, derart markierte He­ringe aus ihren Fängen auszusondern und an die Fischereibiologischen Institute einzuschicken. Die Arbeit auf diesem Gebiet ist noch zu neu, um schon umfassende Ergebnisse vorzulegen. Aber es ergaben sich doch interessante Einzel­heiten. So fing man z. B. einen kleinen Hering wieder, der nach seiner Markierung in zwei Monaten die beachtliche Strecke von 660 km durchschwommen hatte.

Man versuchte, den gewaltigen Brandherd zu ersticken. Alle Schächte des Bergwerkes wurden zugemauert, wo sich ein Riß zeigte, wurde er verstopft. Aber die glühenden Mas­sen in der Tiefe waren stärker. Die ungeheure Hitze brach sich gewaltsam Bahn. Meilenweit begann die Erde plötzlich zu bersten. Risse und Sprünge taten sich auf, ganze Schluchten entstanden. Gase und Rauch schwelten empor und frischer Sauerstoff drang in die Tiefe. Un­aufhaltbar fraß sich das Flammenmeer weiter. Die enorme Hitze von unten verwandelte weite Gebiete in eine verwüstete Krater­landschaft. Pflanzen und Bäume verdorrten, eiskalte Gebirgsbäche wurden zu kochenden Quellen und die Luft war von Schwefel- und Kohlegasen erfüllt. Menschen und Tiere ver­ließen die Gegend. Wenige Kilometer von dem unterirdischen Brandherd entfernt blühte das Land jedoch auf. Das Klima war auf wunder­bare Weise verändert. Im Winter fiel kein Schnee. Obstbäume trugen doppelte Ernte und subtropische Pflanzen gediehen plötzlich.

Im Jahre 1935 hatten die Grubenbrände die Stadt Straitsville unter der Erde erreicht. Dutzende von Häusern stürzten ein, ganze Straßenzüge begannen meterweis in die Tiefe zu sinken. Selbst scheinbar auf Felsgrund ge­baute Häuser fingen an zu schwanken. Die leergebrannten Hohlräume in der Erde sackten zusammen. Der größte Teil der Stadt mußte zwangsweise geräumt werden.

Ein Fluß verdampft

Mehr als eine halbe Million bester Stein­kohle war inzwischen ein Raub der Flammen geworden. Jetzt drohte die Gefahr, daß die rasenden Brände auf noch größere Kohlen­lager übergreifen würden. Da alle Erstik- kungsversuche erfolglos geblieben waren, un­ternahm man den Versuch, sie wenigstens einzudämmen. Mehrere hundert tiefe Schächte

Künstliche Herzklappen

Wissenschaftlern der Universität in Albany, USA, gelangen erstmalig Versuche mit künst­lichen Herzklappen bei Hunden. Die aus einer plastischen Masse angefertigtenErsatzklappen wurden bei den Tieren im Innern des Herzens an Stelle der natürlichen Klappe eingesetzt. Sie werden wie diese durch die Bewegung des Herz­muskels geöffnet und geschlossen. Man hofft auf Grund dieser erfolgreichen Experimente m zwei Jahren soweit zu sein, um diese neuen pla­stischen Klappen erstmalig auch bei menschlichen Patienten mit schweren Herzklappenfehlern an­wenden zu können.

Erstes Atom-Spielzeug

Das erste Atom-Spielzeug der Welt steht als neuester Schlager der amerikanischen Jugend zur Verfügung. Es wurde kürzlich auf der Spiel­zeugmesse in New York vorgeführt' und besteht aus einem winzigen Atom-Energie-Labor mit radioaktiven Stoffen. Die Zersetzung der Atome wird auf e.inem Fluoreszenzschirm sichtbar ge­macht. Ein Geigerzähler und ein Elektroskop dienen der Messung der radioaktiven Strahlung. Bei dem Spielzeug stand die Atom-Energie- Kommission der USA Pate.

Luftmassen verschwinden

Die Luftmassen der nördlichen Erdhälfte neh­men ständig ab. Der Totalverlust beträgt nach Berechnungen des Amerikanischen Meteorologi­schen Amtes nicht weniger als zweieinhalb Billionen Tonnen! Wie man annimmt, haben sich diese Luftmassen nach dem Süden verlagert. Bisher war die Wissenschaft der Ansicht, daß die Luftmassen, deren Gesamtgewicht man auf 5 100 000 Milliarden Tonnen schätzt, oberhalb beider Hemisphären gleichmäßig verteilt seien.

Höhen-Schwips

In 6000 Meter Höhe bekommt man sehr leicht einen Schwips, selbst bei geringem Alkoholgenuß. Dies liegt, wie Untersuchungen der Stanford-

Universität in USA ergaben, an der geringen Widerstandsfähigkeit auf Grund des Sauerstoff­mangels. Passagiere von modernen Verkehrs­flugzeugen haben allerdings nichts zu befürch­ten, da die Kabinen unter Druck stehen.

Geschäftliches

Hocbleistungsgeiät für SdiwerhÖTige

Für Schwerhörige kommt jetzt ein modernes Hochleistungs-Schwerhörigengerät Phonocord auf den Markt. Dieses Gerät mit seinem We­stentaschenformat berücksichtigt die neuesten wissenschaftlich-technischen Ergebnisse auf die­sem Spezialgebiet in geradezu vollendeter Weise. Phonocord wird den Schwerhörigen bald zum unentbehrlichen Helfer werden, da es ihnen die volle Leistungsfähigkeit wieder schenkt. Die vor­dringlich durch die Verringerung der mittleren Empfindlichkeit und durch die Aenderung der Frequenzkurven des Ohres verursachte Schwer­hörigkeit kann mit Phonocord vollkommen auf­gehoben werden. Das Gerät beruht auf einer sorgfältig durchdachten und ausgewogenen Kon­struktion. Auf kleinstem Raum (93X60X25 mm) bei einem äußerst geringen Gewicht (komplett mit Röhren und Batterien nur 150 g) ist die Ge­samteinrichtung so zweckmäßig angeordnet, daß alle Störungsmöglichkeiten ausgeschaltet werden. Bei richtiger Einstellung des Phonocords, mit einem Kleinsthörer, dessen Olive in den äußeren Gehörgang eingesteckt wird, kann.,c'er Schwer­hörige mitunter sogar besser hören als der Nor­malhörige. Außer den genannten Vorteilen be­sitzt dieser Apparat noch viele Vorzüge. So kön­nen u. a. alle Teile, auch Röhren, ausgewechselt werden, Ersatz der Batterien ist ohne wei­teres auch im Ausland möglich, Klanggüte und Lautstärkenreserve genügen höchsten Ansprü­chen. Das Gerät ist überall sofort betriebsbereit, es braucht weder Batterie noch Netzanschluß, eine Anheizzeit ist nicht erforderlich usw. (Her- steiler: Recordspritzen- und Kanülenfabrik Georg A. Henke, Tuttlingen.)

Ständchen für Kasimir Edschmid

Von Gerhart Pohl

Ob er überhaupt ahnt, welche Revolte der Her- ,en und Hirne s«in frühes Schaffen ausgelöst hat, der Darmstädter Bürgersohn Eduard Schmid mit dem barocken einprägsamen Pseudo­nym Kasimir Edscnmid?

Nun da er sechzig wird, können wir Jüngeren der männlichen Schweigsamkeit um die tiefen Erregungen einmal entsagen und ihm beichten, daß seine ProsadichtungenDie sechs Mündun­gen,Timur,Die achatenen Kugeln, seine Essays über den Expressionismus und endlich die von ihm in 36 Heftchen herausgegebeneTri­büne der Kunst und Zeit das Erlebnis unserer Jugend wt».

Und was 1 war so atemraubend und so berük- kend an den kühnen, kecken, ja zuweilen un­verschämten und immer glänzenden Aussagen und Gestaltungen des weiland blutjungen Ex­pressionisten? Eben das Glänzende, doch nicht dieses allein: Weltatem war es, der die barok- ken Satzfügungen und Satzfetzen durchwehte; das Barocke war das Zeitgemäße, und das Zeit­gemäße war genau noch im Schwünge der Hyperbel, in der Keßheit des Kraftausdrucks, in der anmaßenden und doch herzensehrlichen Kri­tik des Alten, Engen, Muffigender prächti­gen Intelligenzbärte, derBürokraten der Kunst, derarmen Fanatiker,dieser blutlo­sen Kindischkeit ihrer Geist-Atmosphäre. Auch Bedauernswerte, denendas Leben unbe­kannt sei. nannte sie der Fant.

Ihnen gegenüber bekannte er sich zumra­senden Leben:Diese Erde ist eine riesige Landschaft, die Gott uns gab. Es muß nach ihr so gesehen werden, daß sie unverbildet zu uns kommt Und wie ist das von der Kunst zu er­reichen? ..Sie muß einfach sein, eigentlich und darum schön. Die Welt ist. .. im eigentlichsten Kern aüfzusuchen und nur zu schaffen. Das ist die größte Aufgabe der Kunst.

Daß dieses Unterfangen ein Zwanziger nur fordern, nicht aber als Gestalter vollkommen lösen konnte, ist selbstverständlich. Doch die Forderung allein beweist die Triebsicherheit nach dem dama 1 -; noch vollkommen nebulösen Neuen. Der Durchbruch zu der neuen deutschen Prosa, die bis in das Zeitungsblatt hinein heute

weiteigentlicher, nämlich geraffter und ge­nauer ist als vor 30 Jahren, ist ohne des jungen Edschmids Novellen und Manifeste nicht mehr zu denken. Darum allein schon ist er in die Li­teraturgeschichte unseres Volkes eingeschrieben, selbst wenn es einigenIntelligenz-Bärten im­mer noch nich* gefaller sollte.

Docn Kasimir Edschmid ist dabei nicht stehen­geblieben. Er wollte in das Große hineinwirken, das die Welt ausmacht. So stieß er im zweiten Abschnitt seines Schaffens auf das verdichtende deutende Reisen. Der deutsche Westen, Italien, Spanien, Afrika, Südamerika wurden die Ziele seiner wirklichen Reisen und seiner einzigarti­gen Berichte darüber.Glanz und Elend eines Erdteils: Südamerika darf als eines der besten deutschen Reisebücher seit Alexander von Hum­boldts kühnen Deutungen angesehen werden.

Und dann kam 1933. Und das unseligeDritte Reich. Und die Bücherverbrennungen, die auch Edschmids Werke trafen. Doch er selber blieb. Er ließ sich von den Nazis nicht das Gesetz des Handelns diktieren. Er fühlte sich als ein Deut­scher in Deutschland in einem bedauernswer­ten, geistig verarmenden und von der Welt rech­tens gehaßten Vaterland.

Tatsächlich ist es ihm gelungen, die braune Dämonie ohne Zugeständnisse zu überstehen, in­dem er instinktsicher auch darin Italien als die Daseinsbasis und der Germanen Frühzeit als Schaffensthema wählte. Doch die (im noch un- eroberten Wien erschienenen) ErzählungenDer Liebesengel undErika bestätigen seine The­se,daß ein geistiges Leben möglich sei inmit­ten der Tyrannei

Kasimir Edschmid ist wie der mythische Vo­gel der Aegypter verjüngt der deutschen Kata­strophe entstiegen. Neue Reisebücher, der pro­blematische RomanDas gute Recht und die bezaubernde Erzählung um Sonne und Seide Der Zauberfaden, die zugleich ein sachgerech­ter Industrieroman ist, bestätigen den neuen Flug des Phönix. Schade, daß sein nunmehr schon ge­schichtlicher des ersten griffsicheren Beginns zu diesem Jubelfest nicht in Neuauflage vorliegt damit die Jugend heute aus ihrer eigenen Sicht begreifen könnte, warum Edschmids frühe For­derung:Das Leben fruchtbar packen wie ein. unendliche Geliebte keinesfalls veraltet, viel­mehr trotz der zur Schau getragenen Geckigkeit,

diesen spätenEpatez le bourgeois, einer der glückhaften Würfe der modernen deutschen Dich­tung ist.

Kasimir Edschmid zum 60. ein Ständchen zu bringen ist kein Loblied auf den Dionysos, son­dern das Herausheben der in Deutschland so kostbaren Kraft der Weltoffenheit, der Welt- haltigkeit, der überlegenen Weltgestaitung. Der Jubilar besitzt sie in hohem Maße, weil er zu verwirklichen vermochte, was er einst erträum­te den Mann,der zu Fuß Moskau, Rom, Marseille, Hamburg und die Welt dazwischen durchwandert hat, gut sich kleidet, Thukydides liest, Algebra treibt und musiziert.

Hand aufs Herz: Wieviele haben wir von die­ser Sorte . . .?!

Die Frankfurter Buchmesse

Von Gabriele v. Koenig, Warthausen

Ueberwältigend ist der Eindruck, den auch der Nichtsortimenter von einem Rundgang durch die diesjährige die erste internationale Frank­furter Buchmesse mit nach Hause nimmt. Rund 400 Verlage, deutsche, österreichische, amerika­nische, englische, französische, schwedische und schweizerische, wetteiferten in der Wandelhalle der Paulskirche und in vier Römerhallen da­mit, die Aufmerksamkeit des Publikums auf lie­benswürdige Weise zu fesseln. Prospekte wur­den angeboten, bereitwilligst Auskünfte erteilt, Bestellungen entgegengenommen. Geschmack­voll und originell in reichem Blumenschmuck drängte sich Stand an Stand. Man feierte Wie­dersehen mit alten Bekannten und gewann neue. Die nicht ganz streng durchgeführte Gruppie­runghatte in der Paulskirche überwiegend schön­geistige, daneben einige juristische, geistes- und naturwissenschaftliche Verlage untergebracht. In der Römerhalle Nr. I fanden sich schöne Litera­tur, Kunst, Musik und Geisteswissenschaften, in Nr. II Jugend- und Kinderbücher, in Nr. III pä­dagogische und religiöse Literatur, in Nr. IV alle Ausländer sowie einige deutsche Fachbuchver­lage. Stuttgart marschiert an der Spitze, bei flüchtigem Ueberblick zählte ich 57 Verlage. Be­sonders gut waren auch die Schweizer mit 33 und die Franzosen mit 26 vertreten. Bei diesen bei­den Ländern fehlte wohl kein wesentlicher Ver­lag. Dagegen waren Amerika und England nur

schwach vertreten. Interessant war es, mit den Herrn und Damen, zum Teil den Verlegern selbst, ins Gespräch zu kommen, sich über ihre Ziele zu orientieren, die vor allem eine Verbilligung der, ach so teuren, Bücher anstreben. Hervorzu­heben sind in dieser Hinsicht Ro-Ro-Ro mit den Taschenbüchern. Herder mit seinen kleinen Kunstuüchern, Bertelsmann mit denKeinen Gaben moderner und billigen Ausgaben älterer Meister. An wiedergekehrten alten Freunden konnte man den Societätsverlag (leider ohne den zu früh verstorbenen Dr. Hecht) begrüßen, Ull­stein, der in Berlin wieder aufbaut, S. Fischer, der neben seinenalten Autoren wie Faupt- mann. Hofmannsthal, Thomas Mann, auchneue wie Kafka. Goes, Rinser, Zuckmayer usw. her­ausbrachte. Bunt wie sein Programm ist der Pro­spekt von Kurt Desch, besonders lustig der von Heimeran, wo ein neugieriges Eselchen sich nach den Neuigkeiten erkundigt. Verlockend ist die Bunte Welt, die amüsanten Reisebücher des Saar-Verlags in Saarbrücken. Für die Walt-Dis- ney-Bücher,Bambi undSchneewittchen, wirbt Blüchert. Auch grellbunte Umschläge von Abenteurer- und Kriminalromanen der Frank­furter Buch-Union suchen zu bestechen. Durch gründliche Informierung des Lesers zeichnet sich ein Werbeblatt der Deutschen Verlagsanstalt aus, wo kurze Biographie des Autors, Inhalt, Gehalt und Käuferkreis des Buches aufgeführt sind. Auch der Südverlag in Konstanz fügt ausführ­liche Besprechungen der angebotenen Werke jei. Ein Origihal ist Herr G. K. Schauer aus Frank­furt, Verleger und Autor einer eigenartigen Kul­turgeschichte des Gartenbaus. Mit Fragen des neuen Europa befassen S'ch u. a. der Europa- Verlag, der Verlag Wilhelm Naumann mit der ZeitschriftNeues Abendland, die Frankfurter Hefte.

Von den Franzosen sei besonders der Kunst­verlag Braun erwähnt, dessen Zweignieder 1 as- sung in BiberactPRiß mit einem sehr geschmack­vollen Katalog wirbt, die Reproduktionen von Werken alter und neuer Meister enthaltend.

Fünfzehn schwäbische Maler, die eine Wander­ausstellung zusammengestellt haben, zeigen vom Sonntag, 8.. bis Sonntag. 15. Oktober, in der Vor­halle der Universitäts-Bibliothek Aquarelle, Oel- gemälde und andere Kunstwerke.