MITTWOCH, 4. OKTOBER 1950 ÜBERPARTEILICHE HEIMATZE.ITUNG 6. JAHRGANG /Nr. 154
d)tü awualö ÖM) o
HEIMATBOTE FÜR DEN BEZIRK NAGOLD
ggjlSsflJ
Dr. Müller für sofortige Verhandlungen
Erklärung im siidwürttembergischen Landtag über Südweststaat-Abstimmung
BEBENHAUSEN. (Eig. Bericht.) Staatspräsident Dr. Gebhard Müller trat am Dienstag in der 91. Sitzung des Landtags für Württemberg-Hohenzollern in seiner Erklärung zum Ergebnis der Volksbefragung dafür ein, daß die Regierungschefs der drei südwestdeutschen Länder unverzüglich eine Einigung über die Frage der Neugestaltung des süd westdeutschen Raumes herbeizuführen versuchten. Die Staatsregierung von Württemberg-Hohenzollern werde daher an die beiden anderen Länder die Aufforderung richten, so rasch als möglich zu einer Konferenz zusammenzutreten, um Klarheit zu schaffen. Der Staatspräsident ermahnte dazu, die Geduld nicht zu verlieren. Er vertraue darauf, daß das, was gut sei, im gesamtdeutschen Interesse sich schließlich doch durchsetzen werde.
Dank zu sagen, so führte der Staatspräsident aus, sei vor allem denen, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung sich zur Verfügung gestellt hätten. Diejenigen, die der Abstimmung fernblieben, hätten damit ein mangelndes demokratisches Verantwortungsgefühl an den Tag gelegt. Es sei zwar eine gewisse Ermüdung nach den jahrelangen Verhandlungen verständlich, andererseits müsse man sich aber gegen die vom südbadischen Staatspräsidenten Wohieb verbreitete Mißdeutung, alle Württemberger, die nicht abgestimmt hätten, seien gegen den Südweststaat, wenden. Er. der Staatspräsident, habe entgegen den Behauptungen Wohiebs nur gesagt, daß diejenigen, die nicht abstimmten, falsche Auslegungen möglich machten.
Wohieb suche nunmehr Hilfstruppen. Seine Rechenkunststücke machten aber weder einem Mathematiker noch einem Philologen Ehre. Die Auswertung des Ergebnisses sei natürlich auf verschiedene Art möglich. Gehe man vom südwestdeutschen Raum aus, so hätten sich 70 Prozent der Bevölkerung für den Südweststaat entschieden. Festgehalten werden müsse, daß über die Auswertungsmöglichkeiten dfes Abstimmungsergebnisses keine verbindliche Festlegung erfolgt sei.
Für die Staatsregierung 1 von Württemberg- Hohenzollern sei der eindeutige Auftrag der Bevölkerung, sich für den Südweststaat einzusetzen, auch weiterhin maßgebend. Die Staatsregierung werde diesen Gedanken daher erneut und noch stärker als bisher vertreten, nachdem 90 Proz. der Landesbevölkerung sich in diesem Sinne entschieden haben. Die Staatsregierung sehe im Südweststaat eine gesamtdeutsche Aufgabe und handle hier nicht nur im eigenen Interesse.
Der südbadische Staatspräsident Wohieb könne heute nicht mehr behaupten, er spräche auch für Nordbaden, da sich dort eine beacht
liche Mehrheit für den Südweststaat ergeben habe. Beachtenswert sei auch vor allem das Abstimmungsergebnis in den Grenzkreisen, also überall dort, wo ein enger Kontakt zwischen Württembergern und Badenern bestanden habe.
Die Mehrheit im Gesamtbaden für die Wiederherstellung des alten Landes sei so gering (0,7 Prozent), daß diese Mehrheit nicht die Garantie für eine Befriedung in dieser Frage bilden könne. Für eine endgültige Abstimmung seien daher noch alle Chancen vorhanden.
Die Beantwortung einer kleinen Anfrage, eingebracht durch die Abgeordnete Dr. Bosch (FDP), die Errichtung einer Forschungsstelle
zur Gewinnung von Unterlagen über die Zuverlässigkeit des Tuberkulinisierungsverfah- rens (Impfung von Rindern) betreffend, erfolgte vom Innenministerium in dem Sinne, daß die Errichtung einer besonderen Forschungsstelle nicht erforderlich sei, dagegen eine Forschungsstelle zur zuchthygienischen und züchterischen Auswertung der Tuberkuli- nisierungsergebnisse und der Schlachtbefunde bei tuberkulösen Rindern befürwortet werde. Man sei bereit, in dieser Angelegenheit mit der Regierung von Württemberg-Baden und mit der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim Fühlung zu nehmen.
Eine weitere kleine Anfrage befaßte sich mit der Entziehung der ärztlichen Bestallung zur Bekämpfung der Abtreibungen. Begründet wurde die Anfrage vom Abg. Schneider (CDU), der besonders auf den Fall des Arztes Sch. (Reutlingen) hinwies. Das Innenministerium stellte hierzu fest, daß in der Regel einem Arzt, der wiederholt Abtreibungen vorgenommen oder bei ihnen mitgewirkt habe, gemäß der Reichsärzteordnung die Bestallung Fortsetzung auf Seite 2
Landtag gegen Preissteigerungen
Eine Entschließung mit großer Mehrheit angenommen
BEBENHAUSEN. (Eig. Bericht.) Die CDU, die SPD und die FDP haben im Landtag von Württemberg-Hohenzollern folgende Entschließung eingebracht:
Die Preisentwicklung der letzten Monate hat in der ganzen Bevölkerung Unruhe hervorgerufen. Weite Kreise kommen in große Not, da das reale Einkommen immer weiter absinkt. Lohn- und Gehaltsforderungen, Streik und soziale Unruhen gefährden die Aufbauarbeiten unserer jungen Demokratie.
Der Landtag bittet die Regierung des Landes, bei der Bundesregierung mit Nachdruck dafür einzutreten, daß dieser Entwicklung, die unabsehbare Folgen hat, rechtzeitig i"-.j mit allen staatlichen Mitteln gesteuert ivl.J.
Der Landtag richtet an die gesamte Wirtschaft — Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft — die Aufforderung, alles zu unterlassen, was zu unnötigen Preissteigerungen und Absatzstockungen führt. Der Land
tag bittet aber auch die Bevölkerung, Disziplin zu halten im Vertrauen zur Regierung und ihren Maßnahmen.
Die Entschließung wurde in der Dienstagssitzung einstimmig angenommen bei Stimmenthaltung der Kommunisten, die zwar grundsätzlich für die Entschließung waren, aber gegen den Satz, daß die Bevölkerung Disziplin halten solle, Bedenken hatten.
Koreasieg kam zu rasch
Keine Vorbereitungen auf politischem Gebiete / Südkoreaner im Vormarsch
LONDON. In London ist man der Ansicht, daß Sieger und Besiegte in Korea von dem schnellen Ablauf der militärischen Ereignisse und dem vollständigen Zusammenbruch der nordkoreanischen Truppen gleichermaßen überrascht worden sind. Deshalb sind auf politischem Gebiete auch keine Vorbereitungen getroffen worden, um der neuentstandenen Lage begegnen zu können.
Die nichtkommunistischen Staaten in den Vereinten Nationen hatten damit gerechnet, daß die militärischen Operationen noch mehrere Monate dauern und sie deshalb Zeit haben würden, sich auf eine gemeinsame Poli-
glaubt man in London, daß die nordkoreanische Regierung noch keine Entscheidung getroffen hat.
Präsident Truman hatte damit gerechnet, daß er Entschlüsse in der Koreafrage erst nach den Novemberwahlen in den USA fassen müsse. Seine Haltung wird nun durch die Rücksichtnahme auf die bevorstehenden Wahlen erschwert.
Die südkoreanischen Truppen stoßen in Nordkorea in schnellem Tempo vor und haben bereits Kosan erreicht, das etwa 80 Kilometer nördlich des 38. Breitengrades an der Ostküste liegt. Damit haben sie bereits den hal
tik für die Lösung der koreanischen Frage zu ben Weg nach Wonsan, dem wichtigsten Ha
_ ... _ _ .. . . » «t _Tt__ _J_,-1- —. 1 TTäUa.. r<nt
einigen. Auch auf kommunistischer Seite ist man nicht vorbereitet gewesen, und Moskau und Peking suchen sich deshalb noch schnell auf eine gemeinsame Koreapolitik festzulegen. Darauf sei es auch zurückzuführen,
fen Nordkoreas, zurückgelegt. Ueber Wonsan laufen die Hauptverbindungen von der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang nach der ■Sowjetunion.
In Südkorea steht 'die Säuberung von versprengten Resten der kommunistischen Armee vor dem Abschluß. Die UN-Streitkräfte haben bisher etwa 30 000 Nordkoreaner gefangen genommen.
Kriegsgefangenen-Proteste
Sowjets verweisen auf Tass-Kommunique
MOSKAU. Die Sowjetunion hat am Montag die Protestnoten der drei Westmächte vom 14. Juli dieses Jahres, die Repatriierung der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion betreffend, zurückgewiesen. Die Beantwortung der Dreimächte-Noten erfolgte mündlich bei der britischen, der amerikanischen und der französischen Botschaft in Moskau.
Die Westmächte wurden auf ein Kommunique der sowjetischen Tass-Agentur vom 5. Mai dieses Jahres verwiesen, in dem der Abschluß der Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen und die Zahl derjenigen Deutschen, die sich angeblich noch in sowjetischen Händen befinden, bekanntgegeben worden waren. Das Verharren der drei Mächte auf der Frage der deutschen Kriegsgefangenen könne, so stellten die Sowjets fest, nur als Ausdruck ihres Wunsches angesehen werden, diese Angelegenheit zu Propagandazwecken zu benutzen.
In dem Tass-Kommunique war mitgeteilt worden, die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen sei abgeschlossen, ausgenommen 9717 Gefangene, die „schwerer Kriegsverbrechen“ überführt und weiterer 3815 Gefangener, deren Kriegsverbrechensverfahren noch schwebten; 14 würden wegen Krankheit noch festgehalten.
Nach Meldungen aus Washington befürwortet das amerikanische Außenministerium erneut die Ernennung einer UN-Sonderkommis- sion, die die Zahl der noch in der Sowjetunion festgehaltenen Deutschen und Japaner feststellen soll. Derselbe Vorschlag war bereits in den Protestnoten der drei Westmächte enthalten.
Die schwedische Stadt Surte, die auf einem. Lehmabhang steht, kam plötzlich ins Rutschen. Zahlreiche Häuser stürzten um.
Sowjetischer Friedensplan
Wyschinski
wiederholt die alten Beschuldigungen
LAKE SUCCESS. Der sowjetische Außenminister Wyschinski legte in der Montagsitzung des politischen Ausschusses der UN einen sieben Punkte umfassenden Friedensplan für Korea vor, in dem die sofortige Feuereinstellung und die Zurückziehung der UN- Truppen aus Korea gefordert wird. Der von allen Ostblockstaaten Unterzeichnete sowjetische Vorschlag stellt ein Gegenvorschlag zu der von acht Staaten verfaßten Resolution dar, in der die UN aufgefordert werden, bei der Vereinigung und dem Wiederaufbau Koreas zu helfen.
Wyschinski forderte neben den bereits aufgeführten Punkten die Abhaltung einer Wahl nach Abzug der Truppen, Einsetzung einer aus Nord- und Südkoreanern bestehenden Kommission zur Organisierung und Durchführung der Wahl usw.
Der sowjetische Außenminister wiederholte die alten Behauptungen, das ..faschistische“ Südkorea haben den Krieg nach längerer Vorbereitung einer Aggression begonnen.
Im zweiten politischen Ausschuß der UN- Vollversammlung wurden am Montag die Regierungen Rumäniens, Ungarns und Bulgariens von den USA, Großbritannien und Australien der Verletzung der Menschenrechte beschuldigt. Im Mittelpunkt standen die politischen Prozesse in den von der Sowjetunion beeinflußten Ländern, f
Schwache Wahlbeteiligung
Stimmengewinne der finnischen Kommunisten
HELSINKI. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen der finnischen Gemeindewahlen, die am Sonntag und Montag durchgeführt worden waren, konnten die Kommunisten in den Städten kleinere Stimmgewinne verzeichnen. In Helsinki sind die Kommunisten von dem vierten auf den zweiten Platz gerückt. Auf dem Lande dagegen verstärkten die gemäßigten Parteien ihre Positionen.
Im Durchschnitt haben nur 30—35 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben.
Am Montag, dem zweiten Tag der Gemeindewahlen, war die Zahl der streikenden Arbeiter auf i!5 000 angestiegen ;
Der Befehl über die 30000
Von unserem Bonner Dr. A. R.-Vertreter
Die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern über die kommende Bereitschaftspolizei sind nicht leicht. Sie berühren zu sehr das grundsätzliche Verhältnis der Länder zum Bund, als daß die Einigung rasch hätte erfolgen können. Der Umstand schon, daß der Kanzler diese Besprechungen nicht mit dem Bundesrat, sondern mit der Gemeinschaft der Ministerpräsidenten führt, zeigt, daß beim Punkt Polizei sich der Bund und die Länder als zwei gleichberechtigte Partner gegenüberstehen.
Das Grundgesetz hat die Polizei zur Länderangelegenheit erklärt. Es hat nur in seinem in der letzten Zeit so viel erwähnten Artikel 91 der Bundesregierung das Recht gegeben, ausnahmsweise im Falle drohender Gefahr für die innere Ordnung die Polizei eines Landes ihren Weisungen zu unterstellen. Die Ueberschrift dieses Artikels im Grundgesetz lautet „Einsatz von Polizeikräften in Sonderfällen“ und es hat sich jetzt schon gezeigt, daß die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung schwierig werden könne.
Die Experten des Bundes sehen einen solchen Sonderfall in der kommunistischen Agitation der letzten Zeit gegeben und leiten daraus das Recht der Bundesregierung ab, zumindest die neue Bereitschaftspolizei, diese Sonderpolizei von 30 000 Mann, den Weisungen des Bundes zu unterstellen, unbeschadet ihrer Zugehörigkeit zu den Ländern. Die Länder zweifeln, ob unter „Sonderfall nicht ein ganz bestimmtes, einzelnes Ereignis nur zu verstehen ist“, und berufen sich auch darauf, daß der Artikel 91 zur Voraussetzung seiner Anwendung die Unfähigkeit eines Landes erklärt, selbst der Gefahr Herr zu werden. Nach Ansicht der Länder aber können sie durchaus bis jetzt der kommunistischen Gefahren Herr werden, zumal wenn sie noch über die neuen Bereitschaftseinheiten verfügen können, so daß der Artikel 91, auch wenn seine bisherige Suspendierung durch die Besatzungsmächte aufgehoben wird, noch nicht in Kraft treten kann.
Andererseits wird von niemand geleugnet, daß diese neuen Polizeikräfte von vornherein einheitlich ausgebildet und ausgerüstet werden müssen und daß es seine großen Nachteile haben muß, wenn die Bundesstelle, die im ‘Notfall in Aktion treten kann, vorher keinerlei organische Fühlung schon mit den Einheiten haben würde, denen sie dann zu befehlen hat. Die Besatzungsmächte haben darum die Ernennung eines Generalinspekteurs vorgeschlagen; aber falls dieser Posten mehr als ein Schatten sein soll, wird er auch ohne Notfall schon eine Zentralinstanz werden, die dem Bund in der Form der Inspektion eine Obergewalt über die Bereitschafspolizei sichert. Auch die von den Alliierten empfohlene Ernennung der Kommandeure der neuen Polizeikräfte durch die Bundesregierung würde in diese Richtung gehen und im Grund zeigt sich in allen diesen Problemen, wie schwierig es ist, eine Organisation zu schaffen, die „alle Vorteile, aber nicht die Nachteile „einer Bundespolizei haben soll, die gleichzeitig keine Bundespolizei sein, aber wie eine solche wirken soll. So hat denn auch die Sozialdemokratie sich für die Klarheit einer offenen Bundespolizei ausgesprochen, auf der Basis einer Revision des Grundgesetzes.
Koalition und Opposition wissen, daß diese Revision die notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag finden wird, aber der Kanzler weiß, daß sie auch die Zustimmung von zwei Dritteln des Bundesrates und darüber hinaus noch der Genehmigung der Hochkommission bedarf, und er hat augenscheinlich den Weg direkter Verhandlungen mit den Ländern für kürzer und von Grundsatzfragen unbeschwerter gehalten.
Mit diesen für sich schon schweren Problemen jedoch verknüpft sich eine weitere Differenz zwischen Regierunug und Opposition. Die Sozialdemokratie hat von Anfang an eine völlige Scheidung von Polizei und Militär gefordert. Sie hat die Aufstellung jeder „AntiVolkspolizei“ abgelehnt, die eine Parallele zu dieser militärähnlichen Polizei der Sowjetzone hätte werden müssen, während der Kanzler öfters der neuen Polizei die Aufgabe der Abwehr der Volkspolizei gestellt hatte. Die Alliierten haben, nach einigem Zögern anscheinend, die neue Bereitschaftspolizei auch ausdrücklich auf die Wahrung der inneren Ordnung, auf reine Polizeiaufgaben beschränkt. Aber die Opposition hegt den Argwohn, daß Dr. Adenauer durch eine Zusammensetzung des Offizierskorps der Bereitschaftspolizei aus ehemaligen Wehrmachtsoffizieren den militärischen Charakter auf kaltem Weg wieder einführen möchte, auch wenn, wie die Regierung dargelegt hat, diese ehemaligen Offiziere auch ehemalige Polizeioffiziere der Weimarer Zeit waren. So wünscht die Opposition den Weg einer Revision des Grundgesetzes auch deswegen, weil auf diese Weise das Parlament befragt werden muß, und die Gelegenheit gegeben ist, ein Bundespolizeigesetz zu beschließen, in das die Opposition Kautelen in ihrem Sinn gegen jeden militärähnlichen Charakter der Bundespolizei einzuarbeiten können hofft.