FREITAG, 29. SEPTEMBER 1950

Nummer 151

8. Jahrgang

Ist Multiple Sklerose heilbar?

Ein Arzt kämpft um die Anerkennung seiner Heilmethode

In Hachen bei Arnsberg/Westf. spielte die Dorfmusik, und man schrieb das Jahr 1943, als die junge Edith W. mit ihrem Verlobten zum Schützenfest-Tanz ging. Die Dörfler freu­ten sich über das junge Paar: Er war Schützen­könig und sie das hübscheste Mädel weit und breit, so daß es allen auffiel, als die junge Tänzerin mit einem Male, ohne daß sie ge­stürzt wäre, nicht mehr mit den gewohnten zügigen Schritten durch den Saal gehen'konnte. Ihre Rivalinnen lächelten schadenfroh: Sieh da, sie hinkt! Dabei blieb es nicht. Es wurde immer schlimmer und schlimmer. Nach einem Jahr konnte sie das Haus nicht mehr verlas­sen, die Arme nur noch mit Mühe bewegen, Lesen und Schreiben waren unmöglich gewor­den. Was ihr eigentlich fehlte, wußte niemand. Die Verlobung mußte gelöst werden; das junge Mädchen siechte dahin. Es handelte sich um Multiple Sklerose, eine gefährliche, als unheil­bar geltende Krankheit.

In diesem Zustand erreichte sie der Rat des Dr. E v e r s, der im gleichen Ort seit 20 Jah­ren als praktischer Arzt tätig war. Er empfahl ihr, sich nur von roher Kost zu ernähren und diese Lebensweise durchzuhalten, bis sie eine Besserung verspüre. Die Todkranke hielt sich an den Rat des Arztes mit dem überraschenden Erfolg, daß sie allein auf Grund dieser Kur .ohne jegliche andere Behandlung innerhalb eines Jahres wieder völlig gesund wurde. Sie heiratete wenig später ihren seinerzeit so un­glücklichen Schützenkönig und ist heute Mut­ter von zwei gesunden Kindern. Das war der erste Fall von Multipler Sklerose, den der Hachener Arzt heilen konnte.

Wer ist nun jener Dr. Evers, der hier wie ein Wunder sich in ein unabänderlich schei­nendes Schicksal einschaltete und einen jungen Menschen dem Leben zurückgab 7

Nach dem ersten Weltkrieg entschloß er sich, Medizin zu studieren. Dabei beobachtete er, wie seine Studien- und später Arztkollegen laufend unter Müdigkeit litten, die er selbst mit einer vernünftigen Ernährung zu bekämpr fen suchte. Seitdem hat er sich der Ernäh­rungsforschung gewidmet und bei Ausgrabun­gen festgestellt, daß die menschlichen Skelette noch vor 150 Jahren gesunde Zähne aufwiesen, die bei zunehmender künstlicher Ernährung mehr und mehr zerfielen, d. h. bei Skelettfor­schungen aus der Gegenwart sind nirgends mehr völlig schadlose Zahnbestände vorzu­finden. Dr. Evers hatte weiter beobachtet, daß

So bunt gehts zu

Santa Barbara in Kalifornien sandte Michael Wilkie nach Ostafrika auf die Großwildjagd. Er schoß am ersten Tage eine Wildkatze und sechs Zebras. Der erfolgreiche Schütze machte die Reise in den schwarzen Erdfeil mit seinen Eltern, er ist erst neun Jahre alt.

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Wir feiern unsere Silberhochzeit ganz groß! beschlossen Henry und Joan Fizgerald und versandten Einladungen, daß sich halb Chikago im voraus freute. Es feierte das Jubelfest ohne das Jubelpaar. Die Silberbraut lag mit zehn Revolverkugeln im Krankenhaus, der Silber­bräutigam dafür im Gefängnis. Sie hatten ernstliche Unstimmigkeiten wegen der Fest­ordnung gehabt.

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Für das beste Schülergedicht des Jahres 1949 gewann William Shakespeare, 11 Jahre alt, in Cape Town den ersten Preis. Der erste Preis bestand aus den Gesammelten Werken von Wil­liam Shakespeare.

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Oben durch das Wasser zu kommen, ver­suchen viele. Unten gibt es weniger Konkur­renz. Der 38jährige amerikanische Taucher Roy Butler wird ganz alleine sein, wenn er ver­sucht, den 22,4 km breiten Hampton-See in Virginia auf dem Seeboden zu durchqueren. Er denkt, daß er es in 20 Stunden schaffen und 10 Pfund dabei verlieren wird.

die gesundesten Völker bis heute die Eskimos und Ostasiaten sind, zu deren Ernährung wenig Zucker und weißes Mehl gehören. Daraus schloß er, daß es dem Menschen von heute an Rohnahrung, an gesunden vitaminreichen Stof­fen fehlt. Daraus entstand seine Diät, mit der er noch einen Schritt weiter geht als alle bis­her tätigen Ernährungsforscher, und die er ins­besondere für die Multiple-Sklerose-Kranken anwendet: Er diagnostiziert die Multiple Skle­rose nach allen bisherigen Erfahrungen als Stoffwechselkrankheit auf Grund unnatürlicher Ernährungsweise.

In seiner Kartei stehen über 100 Fälle aus dem In- und Ausland; 60 davon, die vorwie­gend der näheren Umgebung entstammen, unterliegen einer dauernden Beobachtung und werden als sogenannte Standardfälle alljähr­lich zur Beobachtung bei einer Aerztekonferenz herangezogen, die im April oder Mai in seinem Hachener Hause mit bekannten deutschen Neu­rologen stattfindet. Bisher ist kein einziger Rückfall der in seiner Behandlung Befindlichen zu verzeichnen.

Die Kollegen sind skeptisch

Die Gegner des Dr. Evers gegen sich hat er im Grunde genommen die gesamte ärztliche Wissenschaft, der die verblüffende Einfachheit seiner Heilmethode bei einem derartig diffi­zilen Leiden nicht in den Kopf will behaup­ten, die Erfolge des Dr. Evers seien nur Inter­

valle einer Besserung, fachlich gesprochen, eine durch die Diät bewirkte Remission.

Noch im Jahre 1944 sprach Dr. Evers auf einem Aerztekongreß in Wien über seine Heil­methode. Er wurde ausgelacht. 1948 ergriff er auf einem Nachkriegs-Kongreß deutscher Mediziner in Göttingen erneut das Wort zum gleichen Thema, mit demselben Erfolg eines spöttischen Lächelns seitens seiner Kollegen. Einzig ein ehemaliger deutscher Arzt aus Frei­burg, der seit 1923 Amerikaner und an der California University in San Franzisko tätig ist, sprach sich für die Gedanken des Dr. Evers aus und nahm die von ihm bereit­willig zur Verfügung gestellten Arbeitserfah­rungen und Unterlagen mit nach Amerika, mit dem Versprechen, sobald er etwas erreicht habe, von sich hören zu lassen.

Dankesbriefe aus aller Welt

Tausende von Briefen aus aller Welt spre­chen voller Dankbarkeit von dem praktischen Arzt aus Westfalen. Sie kommen aus England, Amerika, Luxemburg, Belgien und anderen Ländern.

Heute ist es des bescheidenen Arztes großer Wunsch, bessere materielle Möglichkeiten zu finden, um einer noch größeren Zahl Heilungs­suchender zu helfen. Nicht für sich selbst, son­dern für die Kranken, von denen sich nach seiner Auffassung noch viele in falscher Be­handlung befinden, erhofft er eines Tages auch eine Anerkennung seiner Methode durch die Wissenschaft, damit einer unheimlichen Krank­heit der Schrecken des Unheilbarseins genom­men werden möge. Rosemarie Winter

Mit 100 km auf Gummirädern

Neues aus der Verkehrstechnik der Schweiz Von unserem W. M.-Mitarbeiler in Bern

Auf der Schnellzugstrecke in Richtung Bern- Intcrlaken sind kürzlich die ersten D - Z u g s - wagen auf Gummirädern in Fahrt ge­setzt worden; es handelt sich um eine Weiter­entwicklung des französischen Michelin-Pneu- wagens durch die Waggonsfabrik Schlieren-- rich. Der Stahlkasten der Neukonstruktion wiegt nur 4900 kg; im übrigen sind die Wagen, da sie Vorerst in gewöhnlichen Zügen laufen, bedeutend stärker gebaut als die französischen. Es wurden wesentlich höhere Belastungswerte erzielt, als unter normaler Betriebsbelastung notwendig ist. Der Wagen rollt auf zwei Dreh­gestellen von je fünf Achsen, also auf zwanzig mit einem gerippten Spurkranz versehenen Gummirädern. Er rollt auch bei Geschwindig­keiten von hundert und mehr Stdkm. vollkom­men erschütterungsfrei und absolut geräusch­los.

Die Maschinenfabrik Oerlikon-Zürich ent­wickelte den Gyrobus, ein Verkehrsvehikel, dem die Bedeutung eines sehr wirtschaftlichen Straßenbahnersatzes für ländliche Strecken zu- gemessen-j wird. Der. Gyrobus läuft wie ein Trolleybus auf Gummireifen, bedarf jedoch keiner Oberleitung und keiner Akkumu­latorenbatterie. Die Räder werden von einem Drehstrom-Kurzschlußankermotor angetrieben, für den die elektrische Energie einem mitge­führten, horizontal umlaufenden Schwungrad entnommen wird. Auf dem Schwungrad ist ein Elektromotor aufgebaut, der an der Endstation das Schwungrad auf 3000 Umdrehungen pro Minute beschleunigt, wodurch eine gewisse Energie mechanisch aufgespeichert wird. Schal­tet man den Motor ab und erregt man ihn mit Kondensatoren, so wird er zum Generator und vermag die im Schwungrad gespeicherte Energie wieder in Elektrizität zu verwandeln. Es ist also das Schwungrad, das während der Fahrt die Transportarbeit leistet; da es dabei immer langsamer läuft, muß es nach einiger Zeit wieder auf 3000 Umdrehungen gebracht werden: dies geschieht an den großen Halte­stellen und erfordert eine Zeit von 13 Minu­ten. Hierzu werden vom Führer, der seinen Platz nicht verlassen muß, drei Dach-Kontakt­bolzen an die Stromzuführung am Straßenrand ausgehoben. Zwischen zwei solchen Wieder­aufladungen kann der Gyrobus etwa sechs km zurücklegen. Die Maximalgeschwindigkeit be­

trägt 50 Stdkm; die Bremsleistung kann zum Teil dem Schwungrad wieder zugeführt wer­den.

Der Gyrobus wurde für beschränkten Ak­tionsradius geschaffen, also für den Personen­verkehr zwischen eng benachbarten Ortschaf­ten. Man hofft, den Aktionsradius wesentlich erweitern zu können. Der Hauptvorteil des neuen Verkehrsmittels besteht in seiner Unab­hängigkeit von Schiene und Oberleitung.

Zürich erhielt die ersten Funk-Tax- automobile Europas. Sie sind mit einer mobilen Sende-Empfangsstation ausgerüstet. Fahrgäste können vom fahrenden Wagen aus mit jedem Telefonabonnenten der Stgdt in mündliche Verbindung treten. Umgekehrt kann jeder Taxi auf der Fahrt angerufen werden.

Die gute Ausrede

Eine Bliitenlcse aus dem Gerichtssaal

Ein Taschendieb wird von einem Polizisten auf frischer Tat ertappt und vor den Richter gebracht.Bekennen Sie sich schuldig, den Diebstahl begangen zu haben? fragt die Stim­me des Gesetzes.

Nein, antwortet der Angeklagte,ich hatte einen Anfall von Unwohlsein.

Und was hat das mit der Tatsache' zu. tun, daß Sie Ihre Hand in eine fremde Tasche steckten?

Sehen Sie, Herr Richter, mir wurde einen Augenblick ganz schwindelig und da tastete ich herum, um mich irgendwo festzuhalten. Na und?

Ja, da griff ich daneben und meine Hand landete in der Tasche von dem Manne da. Aber als Sie die Hand wieder herauszogen, meinte, der Richter,da hatten Sie die Geld­börse drin. Waren Sie wirklich so furchtbar krank?

Ganz furchtbar, hoher Gerichtshof. Als ich mit der Hand in die Tasche kam, da hatte ich einen Schmerzanfall und meine Hand krampfte sich unwillkürlich um die Geldbörse. Ich wollte' sie wieder loslassen, doch waren meine Finger ganz starr geworden.

Drei Monate, abführen, der nächste Ange­klagte.

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Angeklagter, geben Sie zu, die zwanzig Zinkbarren gestohlen zu haben?

Nein, Herr Richter, ich habe sie nicht ge­stohlen.

Waren Sie vielleicht auch krank?

Ja, das war ich. Ich habe die Barren bloß genommen, um sie zu stemmen. Ich wollte da­mit feststellen, ob ich wieder so stark war wie vor meiner Krankheit.

£wei Monate, abführen, der nächste Ange­klagte.

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Sie sind angeklagt, anstatt mit den vorge­schriebenen 40 Stundenkilometern 75 in der Stunde gefahren zu ' sein.

Unmöglich, Herr Richter, ich bin ja nur die zwanzig Minuten vom Theater bis zu meiner Wohnung gefahren.

Hundert Mark Geldstrafe. Keinen mehr vorlassen, ich habe für heute genug.

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Der Dieb stand vor dem Richter.

Ich habe die.Uhr gegen meinen Willen ge­stohlen.

Der Richter nickte:Dann werden Sie auch acht Tage gegen Ihren Willen sitzen!

Riesengeschäft mit der Schönheit

Rivalinnen seit Jahrzehnten, beide in der Fifth Avenue von New York residierend, nur durch ein dazwischenliegendes Haus vonein­ander getrennt, herrschen zwei inzwischen alt gewordene Frauen im Weltreich der weib­lichen Kosmetik: Elizabeth Arden und Helena Rubinstein. Trotz der Nachbarschaft haben sie sich bisher noch nicht persönlich kennen­gelernt, das Geschäft, ein Millionengeschäft, liegt zwischen ihnen.

Beide sind durch Heiraten richtiggehende Prinzessinnen. Elizabeth Arden war, wenn auch nur für ein Jahr, mit dem russischen Prinzen Michael Eflanoff verheiratet, Helena Rubinstein lebt noch heute in Ehe mit dem Prinzen Artsehil Gurielle-Tschkunia, einem Georgier. Die Rubinstein hatte in Australien angefangen, war dann nach London und Paris gegangen, um von dort aus den Sprung nach New York zu wagen, wo sie sich trotz der Arden-Firma festsetzen konnte. Das war 1915, und seitdem geht ein ununterbrochenes Rin­gen zwischen den Frauen, vielmehr zwischen ihren bedeutenden Unternehmen vor sich. Es führte zum Beispiel dazu, daß Helena Rubin­stein den ersten Mahn Elizabeth Ardens, einen Herrn Lewis, der sich scheiden ließ, mit offe­nen Armen in ihr Geschäft aufnahm. Dieser Herr Lewis, Geschäftsmann durch und durch, hatte vor dem ersten Weltkrieg Elizabeth Ar­

den auf einem Ozeandampfer kennengelemt und nach der Heirat ihre damals noch kleine Kosmetik-Firma hochgebracht.

Interessant ist, daß Elizabeth Arden in Wirklichkeit nie Elizabeth noch Arden ge­heißen hat. Sie wurde als Florence Nightin- gale JGraham in einem kanadischen Dorf ge­boren und war die Tochter eines armen Hau­sierers. In den ersten Jahren unseres Jahr­hunderts kam sie als Verkäuferin in ein Schönheitsgeschäft von New York. Wenig später eröffnele sie mit einer Freundin einen eigenen Betrieb dieser Art. Die Freundin, von der sie sich bald trennte, hieß mit Vornamen Elizabeth. Ihn übernahm Fräulein Graham aus irgendeiner Laune, und eine andere Laune ließ ihr den Helden aus Tennysons Gedicht Enoch Arden als Firmen-Familiennamen ge­eignet erscheinen. So mischte sich krasser Realismus mit Romantik.

Heute besitzt Elizabeth Arden eine Riesen­produktion von allen möglichen Schönheits­mitteln und 35 große Salons in Nordamerika, Europa und Australien. Sie ist die Frau der betonten Eleganz, ihre Salons und ihre Fabri­kate fraben eine noble, schöne Aufmachung, während Helena Rubinstein das äußere Bild ihres Geschäfts bewußt vernachlässigt und damit operiert, daß die Fabrikate selbst ent­sprechend besser und wertvoller seien.

Deutsches Universitätsleben in aus­ländischem Licht

Der Lausanner Jurist Dr. Ernst Brand, der im Vorjahr als Gast des Kaiser-Wilhelm-Insti­tuts und der Juristischen Fakultät der Universi­tät Tübingen vor der hiesigen' Studentenschaft einen stark beachteten Vortrag überDie schwei­zerische Neutralität gehalten hat, faßt seine Eindrücke vom deutschen Studentenleben in ei­nem Aufsatz in einer Lausanner Zeitung zusam­men, dem wir folgendes entnehmen:

Dem Schweizer fällt auf, daß das Durchschnitts­alter der Studenten verhältnismäßig hoch ist, das der Professoren dagegen niedrig. Beide Tat­sachen sind Kriegsfolgen. Die Studenten, dar­unter zahlreiche Werkstudenten und Verheira-, tete beiderlei Geschlechts, zeigen regen Eifer. Sie stehen mit den Professoren in engerem Kon­takt als es früher üblich war. Die Professoren wissen die wiederhergestellte Lehrfreiheit zu würdigen und zu handhaben. Sie verkünden, ohne durch obrigkeitliche Gebote oder Verbote gehemmt zu sein, das was sie für wahr und echt erachten. Ohne daß sie auf ihre Hörer einen gei­stigen Druck ausüben, sei doch zu wünschen schreibt Dr. Brand, daß es ihnen gelinge, die heranwachsende akademische Generation sowohl vor chauvinistischer Ueberheblichkeit als auch vor Minderwertigkeitskomplexen und nihilisti­scher Verzweiflung zu bewahren. Ein geistig ge­sundes und wirtschaftlich selbständiges Deutsch­land müsse, entgegen der von etlichenWelt­erneuerern verfochtenen These, als eine Not­wendigkeit für den europäischen Kontinent an­erkannt werden. Die ebenso ernste wie würdige Entschließung des Großen Senats der Univer­sität Tübingen vom 10. Oktober 1949, die sich die Westdeutsche Rektorenkonferenz zu eigen ge­macht hat, wird lebhaft begrüßt. Der junge Aka­demiker muß die Blicke nach vorwärts, nicht nach rückwärts richten. Er soll verantwortungs­bewußt aufbauen, eine wahre Volksgemeinschaft schaffen helfen, nicht darauf ausgehen, überlebte studentische Gepflogenheiten (Mensuren, Aus­schließlichkeit, ,,Comment-Zwang, Trinkunsit­ten) zu restaurieren.

Zum Schlüsse weist Dr. Brand darauf hin, daß <Ke Universiäten Genf und Lausanne auch wäh­rend der beiden Weltkriege ihre seit Jahrzehn­

ten bestehenden Lehrstühle für deutsches Recht besetzt gehalten haben und daß an der Univer­sität Lausanne vor dem ersten Weltkrieg regel­mäßig 100 Deutsche immatrikuliert warenqui ont garde et laisse le meilleur souvenir (die die beste Erinnerung behalten und zurückgelassen haben). Unter den über Deutschland und die Schweiz hinaus bekannten Juristen, die ihre Stu­dien in Lausanne begonnen haben, erwähnt er den Obmann der rechtwissenschaftlichen Abtei­lung der juristischen Fakultät Tübingen und den Inhaber des Lehrstuhles für deutsches Recht in Lausanne, dem die Regierung kürzlich noch das Transportrecht (einschließlich Luftrecht) und das internationale Privatrecht übertragen, hat. Dr. Brand richtet an die zuständigen Behörden die Einladung, die Devisenschwierigkeiten zu über­winden, die zurzeit noch bestehen, und dadurch den deutschen Studenten, die einige Monate ln der romanischen Schweiz zuzubringen wünschen, die heute fehlende unerläßliche Voraussetzung für die Erweiterung ihrer Kenntnisse und Er­fahrungen zu eröffnen. Die ganz natürliche Folge wäre, daß Westschweizer Studenten die gute alte Tradition wieder aufnehmen, zu der ein Besuch deutscher Hochschulen mit ihren reichen Institu­ten und Bibliotheken gehört hat.

Utopia-Uraufführüng

Stefan Andres

dramatisierte Novelle in Düsseldorf

Die NovelleWir sind Utopia gilt in litera­rischen Kreisen als eine der wesentlichen Erfül­lungen dieser Form. Stefan Andres hat sie jetzt dramatisiert, indem er Personen und Handlung ziemlich genau in die fünf Akte der Tragödie G ottes Utopia übernahm, die soeben vom Düsseldorfer Schauspiel erfolgreich uraufgeführt wurde. Der ehemalige Karmelitermönch Paco und der Leutnant Don Pedro disputieren wäh­rend des spanischen Bürgerkrieges über den Irr­sinn des Brudermordes. Der Pater, selbst Ange­höriger der kämpfenden Truppe, erteilt, vom soldatischen Gegner gefangen, diesem Absolu­tion für die Schuld an bestialischen, auf Befehl begangenen Greueltaten und wird am Schluß mit seinen Kameraden, die er auf das Jenseits vor­bereitet hat, von dem Losgesprochenen und sei­nen Helfern durch eine Maschinengewehrgarbe

niedergemacht. Utopia, das ideale Nirgendsheim, die ersehnte Insel, auf der die Welt in Ordnung ist, liegt- also in weiter Ferne.

Der Dialog das Ganze bleibt eine tief lo­tende Erzählung mit verteilten Rollen tührt Fragen des Glaubens, des Menschenseins, des Lebenssinnes und der Gegenwartsproblema­tik auf und fesselt, obwohl er bisweilen bieit wird, durch den dichterischen Ernst des Vor­trags. Der schneidende Ausklang, die militäri­sche Hinrichtung aller besseren Einsicht zum Trotz, mitten' in das Amen der ahnungslos Be­tenden hinein, ist die pessimistische Fes f sta!lung irdischer Unvollkommenheit und ein Fragezei­chen.

Das Stück wird bei dem Mangel an deutschen Beiträgen zum aktuellen Theater vermutlich nald weitere Resonanz finden. Die außerordentlich subtile Inszenierung Ulrich Erfurths (Bühnenbil­der: Herta Böhm)- mit Karl Worzel (Pafco) und Rudolf Therkatz (Pedro) war ihm ein sehr gu- .ter Vfegbereiter. -a-

Kulturelle Nnchrirhten

Die Märchenbücher des amerikanischen Gro­teskzeichners Walt Disney, die in Frankreich, Belgien, Holland und anderen Staaten mit gro­ßem Erfolg erschienen sind, kommen jetzt im Blüchert-Verlag, Stuttgart, heraus.Schneewitt­chen undBambi liegen bereits vor. Die Bü­cher sind bisher in einer Weltauflage von zu­sammen 5 Millionen verkauft.

Als dritter Gastregisseur des Landestheafers Württemberg-Hohenzollern wird Rudolf Hof­mann, Bielefeld, Georg BüchnersDanlons Tod inszenieren. Am 4. Oktober findet in Tübingen die Premiere des erfolgreichen Lust­spielsLiebesbriefe von Felix Lützkendorf statt. Das heitere Stück erzielte seinerzeit in Berlin am Staatstheater über 250 Aufführungen.

Am 1. Oktober 1950 werden es 30 Jahre, daß der Musikverlag C. L. Schultheiß in Ludwigsburg gegründet worden ist. Der Verlag befand sich seit 1925 in Stuttgart und ist seit 1945 in Tübingen. In den ersten Jahren seines Bestehens förderte er hauptsächlich die jünge­ren Komponisten (G. v. Albrecht, Hans Fleischer,

Hilda Kocher-Klein, Hans Schink, Franz Philipp, Hermann Unger, Siegfried Brächet). Seit dem Jahre 1936 befaßt er sich fast ausschließlich mit der Kirchenmusik beider Konfessionen, wobei Orgel- und Chorwerke aus dem 17. und 18. Jahr­hundert besonders gepflegt werden. Dem Ver-' lag ist auch eine Werkstätte für Notentypie an­gegliedert.

Am 24. und 25. Oktober veranstaltet das Frei­burger Kunsthaus Julius Pfisterer seine dritte diesjährige Kunstauktion. Der Katalog verzeichnet neben einer großen Auswahl anti­ker Möbel und schöner Orientteppiche einige sehr gute graphische Blätter von Rembrandt, Dürer, Ostade und Teniers. Unter den angebote­nen Gemälden befindet sich auch ein Porträt Friedrich des Weißen von Sachsen von Lukas Cranach dem Aelteren, signiert und datiert 1525 und ein Selbstbildnis von Reynolds.

Fürden Bücherfreund

Johann Wolfgang, von Goethe. Sankt Ro­chusfest zu Bingen; Vorwort von Ernst Beut­ler. Steften-Verlag, Limburg/Lahn 1930.

Die Perle goethischer Altersprosa mit ihrer bildergesättigten Sprache ist hicht nur den Ken­nern kostbar. Der Steffen-Verlag hat eine nette Ausgabe dieses Reiseberichts auf 50. Kunstdruck­seiten herausgebracht und den Text mit einfühl­samen Aquarellen von Rudolf Fuchs illustriert.

Gerhard Ulrich, Europäische Frauenbild­nisse aus fünf Jahrhunderten. 1.15. Tausend. (Das Kleine Buch 18) 70 S. 41 Bilder. C. Bertels­mann Verlag Gütersloh.

Wir sind erfreut, in der erfolgreichen Bertels­mann-ReiheDas kleine Buch zum ersten Male ein Bildbändchen zu finden, das mit seinen 41 ganzseitigen Frauenbildnissen großer. Meister aus fünf Jahrhunderten, schon vom Preis her ge­sehen, eine verlegerische Leistung ist! Für den Kunstfreund ist so eine Bildergalerie von Botti­celli bis Leibi, von Leonardo da Vinci und Rem­brandt bis zu Goya und Manet geschaffen, die in dieser Zusammenstellung reizvolle Vergleichs­möglichkeiten bietet. Dazu eine Einführung des Herausgebers, nebst knappen Anmerkungen über die Meister.