FREITAG, 29. SEPTEMBER 1950
Nummer 151
8. Jahrgang
Ist Multiple Sklerose heilbar?
Ein Arzt kämpft um die Anerkennung seiner Heilmethode
In Hachen bei Arnsberg/Westf. spielte die Dorfmusik, und man schrieb das Jahr 1943, als die junge Edith W. mit ihrem Verlobten zum Schützenfest-Tanz ging. Die Dörfler freuten sich über das junge Paar: Er war Schützenkönig und sie das hübscheste Mädel weit und breit, so daß es allen auffiel, als die junge Tänzerin mit einem Male, ohne daß sie gestürzt wäre, nicht mehr mit den gewohnten zügigen Schritten durch den Saal gehen'konnte. Ihre Rivalinnen lächelten schadenfroh: Sieh da, sie hinkt! — Dabei blieb es nicht. Es wurde immer schlimmer und schlimmer. Nach einem Jahr konnte sie das Haus nicht mehr verlassen, die Arme nur noch mit Mühe bewegen, Lesen und Schreiben waren unmöglich geworden. Was ihr eigentlich fehlte, wußte niemand. Die Verlobung mußte gelöst werden; das junge Mädchen siechte dahin. Es handelte sich um Multiple Sklerose, eine gefährliche, als unheilbar geltende Krankheit.
In diesem Zustand erreichte sie der Rat des Dr. E v e r s, der im gleichen Ort seit 20 Jahren als praktischer Arzt tätig war. Er empfahl ihr, sich nur von roher Kost zu ernähren und diese Lebensweise durchzuhalten, bis sie eine Besserung verspüre. Die Todkranke hielt sich an den Rat des Arztes mit dem überraschenden Erfolg, daß sie allein auf Grund dieser Kur .ohne jegliche andere Behandlung innerhalb eines Jahres wieder völlig gesund wurde. Sie heiratete wenig später ihren seinerzeit so unglücklichen Schützenkönig und ist heute Mutter von zwei gesunden Kindern. Das war der erste Fall von Multipler Sklerose, den der Hachener Arzt heilen konnte.
Wer ist nun jener Dr. Evers, der hier wie ein Wunder sich in ein unabänderlich scheinendes Schicksal einschaltete und einen jungen Menschen dem Leben zurückgab 7
Nach dem ersten Weltkrieg entschloß er sich, Medizin zu studieren. Dabei beobachtete er, wie seine Studien- und später Arztkollegen laufend unter Müdigkeit litten, die er selbst mit einer vernünftigen Ernährung zu bekämpr fen suchte. — Seitdem hat er sich der Ernährungsforschung gewidmet und bei Ausgrabungen festgestellt, daß die menschlichen Skelette noch vor 150 Jahren gesunde Zähne aufwiesen, die bei zunehmender künstlicher Ernährung mehr und mehr zerfielen, d. h. bei Skelettforschungen aus der Gegenwart sind nirgends mehr völlig schadlose Zahnbestände vorzufinden. Dr. Evers hatte weiter beobachtet, daß
So bunt geht’s zu
Santa Barbara in Kalifornien sandte Michael Wilkie nach Ostafrika auf die Großwildjagd. Er schoß am ersten Tage eine Wildkatze und sechs Zebras. Der erfolgreiche Schütze machte die Reise in den schwarzen Erdfeil mit seinen Eltern, er ist erst neun Jahre alt.
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„Wir feiern unsere Silberhochzeit ganz groß!“ beschlossen Henry und Joan Fizgerald und versandten Einladungen, daß sich halb Chikago im voraus freute. Es feierte das Jubelfest ohne das Jubelpaar. Die Silberbraut lag mit zehn Revolverkugeln im Krankenhaus, der Silberbräutigam dafür im Gefängnis. Sie hatten „ernstliche Unstimmigkeiten“ wegen der Festordnung gehabt.
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Für das beste Schülergedicht des Jahres 1949 gewann William Shakespeare, 11 Jahre alt, in Cape Town den ersten Preis. Der erste Preis bestand aus den Gesammelten Werken von William Shakespeare.
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Oben durch das Wasser zu kommen, versuchen viele. Unten gibt es weniger Konkurrenz. Der 38jährige amerikanische Taucher Roy Butler wird ganz alleine sein, wenn er versucht, den 22,4 km breiten Hampton-See in Virginia auf dem Seeboden zu durchqueren. Er denkt, daß er es in 20 Stunden schaffen und 10 Pfund dabei verlieren wird.
die gesundesten Völker bis heute die Eskimos und Ostasiaten sind, zu deren Ernährung wenig Zucker und weißes Mehl gehören. Daraus schloß er, daß es dem Menschen von heute an Rohnahrung, an gesunden vitaminreichen Stoffen fehlt. Daraus entstand seine Diät, mit der er noch einen Schritt weiter geht als alle bisher tätigen Ernährungsforscher, und die er insbesondere für die Multiple-Sklerose-Kranken anwendet: Er diagnostiziert die Multiple Sklerose nach allen bisherigen Erfahrungen als Stoffwechselkrankheit auf Grund unnatürlicher Ernährungsweise.
In seiner Kartei stehen über 100 Fälle aus dem In- und Ausland; 60 davon, die vorwiegend der näheren Umgebung entstammen, unterliegen einer dauernden Beobachtung und werden als sogenannte Standardfälle alljährlich zur Beobachtung bei einer Aerztekonferenz herangezogen, die im April oder Mai in seinem Hachener Hause mit bekannten deutschen Neurologen stattfindet. Bisher ist kein einziger Rückfall der in seiner Behandlung Befindlichen zu verzeichnen.
Die Kollegen sind skeptisch
Die Gegner des Dr. Evers — gegen sich hat er im Grunde genommen die gesamte ärztliche Wissenschaft, der die verblüffende Einfachheit seiner Heilmethode bei einem derartig diffizilen Leiden nicht in den Kopf will — behaupten, die Erfolge des Dr. Evers seien nur Inter
valle einer Besserung, fachlich gesprochen, eine durch die Diät bewirkte Remission.
Noch im Jahre 1944 sprach Dr. Evers auf einem Aerztekongreß in Wien über seine Heilmethode. Er wurde ausgelacht. 1948 ergriff er auf einem Nachkriegs-Kongreß deutscher Mediziner in Göttingen erneut das Wort zum gleichen Thema, mit demselben Erfolg eines spöttischen Lächelns seitens seiner Kollegen. Einzig ein ehemaliger deutscher Arzt aus Freiburg, der seit 1923 Amerikaner und an der California University in San Franzisko tätig ist, sprach sich für die Gedanken des Dr. Evers aus und nahm die von ihm bereitwillig zur Verfügung gestellten Arbeitserfahrungen und Unterlagen mit nach Amerika, mit dem Versprechen, sobald er etwas erreicht habe, von sich hören zu lassen.
Dankesbriefe aus aller Welt
Tausende von Briefen aus aller Welt sprechen voller Dankbarkeit von dem praktischen Arzt aus Westfalen. Sie kommen aus England, Amerika, Luxemburg, Belgien und anderen Ländern.
Heute ist es des bescheidenen Arztes großer Wunsch, bessere materielle Möglichkeiten zu finden, um einer noch größeren Zahl Heilungssuchender zu helfen. Nicht für sich selbst, sondern für die Kranken, von denen sich nach seiner Auffassung noch viele in falscher Behandlung befinden, erhofft er eines Tages auch eine Anerkennung seiner Methode durch die Wissenschaft, damit einer unheimlichen Krankheit der Schrecken des Unheilbarseins genommen werden möge. Rosemarie Winter
Mit 100 km auf Gummirädern
Neues aus der Verkehrstechnik der Schweiz Von unserem W. M.-Mitarbeiler in Bern
Auf der Schnellzugstrecke in Richtung Bern- Intcrlaken sind kürzlich die ersten D - Z u g s - wagen auf Gummirädern in Fahrt gesetzt worden; es handelt sich um eine Weiterentwicklung des französischen Michelin-Pneu- wagens durch die Waggonsfabrik Schlieren-Zü- rich. Der Stahlkasten der Neukonstruktion wiegt nur 4900 kg; im übrigen sind die Wagen, da sie Vorerst in gewöhnlichen Zügen laufen, bedeutend stärker gebaut als die französischen. Es wurden wesentlich höhere Belastungswerte erzielt, als unter normaler Betriebsbelastung notwendig ist. Der Wagen rollt auf zwei Drehgestellen von je fünf Achsen, also auf zwanzig mit einem gerippten Spurkranz versehenen Gummirädern. Er rollt auch bei Geschwindigkeiten von hundert und mehr Stdkm. vollkommen erschütterungsfrei und absolut geräuschlos. —
Die Maschinenfabrik Oerlikon-Zürich entwickelte den Gyrobus, ein Verkehrsvehikel, dem die Bedeutung eines sehr wirtschaftlichen Straßenbahnersatzes für ländliche Strecken zu- gemessen-j wird. Der. Gyrobus läuft wie ein Trolleybus auf Gummireifen, bedarf jedoch keiner Oberleitung und keiner Akkumulatorenbatterie. Die Räder werden von einem Drehstrom-Kurzschlußankermotor angetrieben, für den die elektrische Energie einem mitgeführten, horizontal umlaufenden Schwungrad entnommen wird. Auf dem Schwungrad ist ein Elektromotor aufgebaut, der an der Endstation das Schwungrad auf 3000 Umdrehungen pro Minute beschleunigt, wodurch eine gewisse Energie mechanisch aufgespeichert wird. Schaltet man den Motor ab und erregt man ihn mit Kondensatoren, so wird er zum Generator und vermag die im Schwungrad gespeicherte Energie wieder in Elektrizität zu verwandeln. Es ist also das Schwungrad, das während der Fahrt die Transportarbeit leistet; da es dabei immer langsamer läuft, muß es nach einiger Zeit wieder auf 3000 Umdrehungen gebracht werden: dies geschieht an den großen Haltestellen und erfordert eine Zeit von 1—3 Minuten. Hierzu werden vom Führer, der seinen Platz nicht verlassen muß, drei Dach-Kontaktbolzen an die Stromzuführung am Straßenrand ausgehoben. Zwischen zwei solchen Wiederaufladungen kann der Gyrobus etwa sechs km zurücklegen. Die Maximalgeschwindigkeit be
trägt 50 Stdkm; die Bremsleistung kann zum Teil dem Schwungrad wieder zugeführt werden.
Der Gyrobus wurde für beschränkten Aktionsradius geschaffen, also für den Personenverkehr zwischen eng benachbarten Ortschaften. Man hofft, den Aktionsradius wesentlich erweitern zu können. Der Hauptvorteil des neuen Verkehrsmittels besteht in seiner Unabhängigkeit von Schiene und Oberleitung.
Zürich erhielt die ersten Funk-Tax- automobile Europas. Sie sind mit einer mobilen Sende-Empfangsstation ausgerüstet. Fahrgäste können vom fahrenden Wagen aus mit jedem Telefonabonnenten der Stgdt in mündliche Verbindung treten. Umgekehrt kann jeder Taxi auf der Fahrt angerufen werden.
Die gute Ausrede
Eine Bliitenlcse aus dem Gerichtssaal
Ein Taschendieb wird von einem Polizisten auf frischer Tat ertappt und vor den Richter gebracht. „Bekennen Sie sich schuldig, den Diebstahl begangen zu haben?“ fragt die Stimme des Gesetzes.
„Nein“, antwortet der Angeklagte, „ich hatte einen Anfall von Unwohlsein.“
„Und was hat das mit der Tatsache' zu. tun, daß Sie Ihre Hand in eine fremde Tasche steckten?“
„Sehen Sie, Herr Richter, mir wurde einen Augenblick ganz schwindelig und da tastete ich herum, um mich irgendwo festzuhalten.“ „Na und?“
„Ja, da griff ich daneben und meine Hand landete in der Tasche von dem Manne da.“ „Aber als Sie die Hand wieder herauszogen“, meinte, der Richter, „da hatten Sie die Geldbörse drin. Waren Sie wirklich so furchtbar krank?“
„Ganz furchtbar, hoher Gerichtshof. Als ich mit der Hand in die Tasche kam, da hatte ich einen Schmerzanfall und meine Hand krampfte sich unwillkürlich um die Geldbörse. Ich wollte' sie wieder loslassen, doch waren meine Finger ganz starr geworden.“
„Drei Monate, abführen, der nächste Angeklagte.“
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„Angeklagter, geben Sie zu, die zwanzig Zinkbarren gestohlen zu haben?“
„Nein, Herr Richter, ich habe sie nicht gestohlen.“
„Waren Sie vielleicht auch krank?“
„Ja, das war ich. Ich habe die Barren bloß genommen, um sie zu stemmen. Ich wollte damit feststellen, ob ich wieder so stark war wie vor meiner Krankheit.“
„£wei Monate, abführen, der nächste Angeklagte.“
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„Sie sind angeklagt, anstatt mit den vorgeschriebenen 40 Stundenkilometern 75 in der Stunde gefahren zu ' sein.“
„Unmöglich, Herr Richter, ich bin ja nur die zwanzig Minuten vom Theater bis zu meiner Wohnung gefahren.“
„Hundert Mark Geldstrafe. Keinen mehr vorlassen, ich habe für heute genug.“
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Der Dieb stand vor dem Richter.
„Ich habe die.Uhr gegen meinen Willen gestohlen.“
Der Richter nickte: „Dann werden Sie auch acht Tage gegen Ihren Willen sitzen!“
Riesengeschäft mit der Schönheit
Rivalinnen seit Jahrzehnten, beide in der Fifth Avenue von New York residierend, nur durch ein dazwischenliegendes Haus voneinander getrennt, herrschen zwei inzwischen alt gewordene Frauen im Weltreich der weiblichen Kosmetik: Elizabeth Arden und Helena Rubinstein. Trotz der Nachbarschaft haben sie sich bisher noch nicht persönlich kennengelernt, das Geschäft, ein Millionengeschäft, liegt zwischen ihnen.
Beide sind durch Heiraten richtiggehende Prinzessinnen. Elizabeth Arden war, wenn auch nur für ein Jahr, mit dem russischen Prinzen Michael Eflanoff verheiratet, Helena Rubinstein lebt noch heute in Ehe mit dem Prinzen Artsehil Gurielle-Tschkunia, einem Georgier. Die Rubinstein hatte in Australien angefangen, war dann nach London und Paris gegangen, um von dort aus den Sprung nach New York zu wagen, wo sie sich trotz der Arden-Firma festsetzen konnte. Das war 1915, ■und seitdem geht ein ununterbrochenes Ringen zwischen den Frauen, vielmehr zwischen ihren bedeutenden Unternehmen vor sich. Es führte zum Beispiel dazu, daß Helena Rubinstein den ersten Mahn Elizabeth Ardens, einen Herrn Lewis, der sich scheiden ließ, mit offenen Armen in ihr Geschäft aufnahm. Dieser Herr Lewis, Geschäftsmann durch und durch, hatte vor dem ersten Weltkrieg Elizabeth Ar
den auf einem Ozeandampfer kennengelemt und nach der Heirat ihre damals noch kleine Kosmetik-Firma hochgebracht.
Interessant ist, daß Elizabeth Arden in Wirklichkeit nie Elizabeth noch Arden geheißen hat. Sie wurde als Florence Nightin- gale JGraham in einem kanadischen Dorf geboren und war die Tochter eines armen Hausierers. In den ersten Jahren unseres Jahrhunderts kam sie als Verkäuferin in ein Schönheitsgeschäft von New York. Wenig später eröffnele sie mit einer Freundin einen eigenen Betrieb dieser Art. Die Freundin, von der sie sich bald trennte, hieß mit Vornamen Elizabeth. Ihn übernahm Fräulein Graham aus irgendeiner Laune, und eine andere Laune ließ ihr den Helden aus Tennysons Gedicht „Enoch Arden“ als Firmen-Familiennamen geeignet erscheinen. So mischte sich krasser Realismus mit Romantik.
Heute besitzt Elizabeth Arden eine Riesenproduktion von allen möglichen Schönheitsmitteln und 35 große Salons in Nordamerika, Europa und Australien. Sie ist die Frau der betonten Eleganz, ihre Salons und ihre Fabrikate fraben eine noble, schöne Aufmachung, während Helena Rubinstein das äußere Bild ihres Geschäfts bewußt vernachlässigt und damit operiert, daß die Fabrikate selbst entsprechend besser und wertvoller seien.
Deutsches Universitätsleben in ausländischem Licht
Der Lausanner Jurist Dr. Ernst Brand, der im Vorjahr als Gast des Kaiser-Wilhelm-Instituts und der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen vor der hiesigen' Studentenschaft einen stark beachteten Vortrag über „Die schweizerische Neutralität“ gehalten hat, faßt seine Eindrücke vom deutschen Studentenleben in einem Aufsatz in einer Lausanner Zeitung zusammen, dem wir folgendes entnehmen:
Dem Schweizer fällt auf, daß das Durchschnittsalter der Studenten verhältnismäßig hoch ist, das der Professoren dagegen niedrig. Beide Tatsachen sind Kriegsfolgen. Die Studenten, darunter zahlreiche Werkstudenten und Verheira-, tete beiderlei Geschlechts, zeigen regen Eifer. Sie stehen mit den Professoren in engerem Kontakt als es früher üblich war. Die Professoren wissen die wiederhergestellte Lehrfreiheit zu würdigen und zu handhaben. Sie verkünden, ohne durch obrigkeitliche Gebote oder Verbote gehemmt zu sein, das was sie für wahr und echt erachten. Ohne daß sie auf ihre Hörer einen geistigen Druck ausüben, sei doch zu wünschen — schreibt Dr. Brand —, daß es ihnen gelinge, die heranwachsende akademische Generation sowohl vor chauvinistischer Ueberheblichkeit als auch vor Minderwertigkeitskomplexen und nihilistischer Verzweiflung zu bewahren. Ein geistig gesundes und wirtschaftlich selbständiges Deutschland müsse, entgegen der von etlichen „Welterneuerern“ verfochtenen These, als eine Notwendigkeit für den europäischen Kontinent anerkannt werden. Die ebenso ernste wie würdige „Entschließung“ des Großen Senats der Universität Tübingen vom 10. Oktober 1949, die sich die Westdeutsche Rektorenkonferenz zu eigen gemacht hat, wird lebhaft begrüßt. Der junge Akademiker muß die Blicke nach vorwärts, nicht nach rückwärts richten. Er soll verantwortungsbewußt aufbauen, eine wahre Volksgemeinschaft schaffen helfen, nicht darauf ausgehen, überlebte studentische Gepflogenheiten (Mensuren, Ausschließlichkeit, ,,Comment“-Zwang, Trinkunsitten) zu restaurieren.
Zum Schlüsse weist Dr. Brand darauf hin, daß <Ke Universiäten Genf und Lausanne auch während der beiden Weltkriege ihre seit Jahrzehn
ten bestehenden Lehrstühle für deutsches Recht besetzt gehalten haben und daß an der Universität Lausanne vor dem ersten Weltkrieg regelmäßig 100 Deutsche immatrikuliert waren „qui ont garde et laisse le meilleur souvenir“ (die die beste Erinnerung behalten und zurückgelassen haben). Unter den über Deutschland und die Schweiz hinaus bekannten Juristen, die ihre Studien in Lausanne begonnen haben, erwähnt er den Obmann der rechtwissenschaftlichen Abteilung der juristischen Fakultät Tübingen und den Inhaber des Lehrstuhles für deutsches Recht in Lausanne, dem die Regierung kürzlich noch das Transportrecht (einschließlich Luftrecht) und das internationale Privatrecht übertragen, hat. Dr. Brand richtet an die zuständigen Behörden die Einladung, die Devisenschwierigkeiten zu überwinden, die zurzeit noch bestehen, und dadurch den deutschen Studenten, die einige Monate ln der romanischen Schweiz zuzubringen wünschen, die heute fehlende unerläßliche Voraussetzung für die Erweiterung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen zu eröffnen. Die ganz natürliche Folge wäre, daß Westschweizer Studenten die gute alte Tradition wieder aufnehmen, zu der ein Besuch deutscher Hochschulen mit ihren reichen Instituten und Bibliotheken gehört hat.
„Utopia“-Uraufführüng
Stefan Andres’
dramatisierte Novelle in Düsseldorf
Die Novelle „Wir sind Utopia“ gilt in literarischen Kreisen als eine der wesentlichen Erfüllungen dieser Form. Stefan Andres hat sie jetzt dramatisiert, indem er Personen und Handlung ziemlich genau in die fünf Akte der Tragödie „G ottes Utopia“ übernahm, die soeben vom Düsseldorfer Schauspiel erfolgreich uraufgeführt wurde. Der ehemalige Karmelitermönch Paco und der Leutnant Don Pedro disputieren während des spanischen Bürgerkrieges über den Irrsinn des Brudermordes. Der Pater, selbst Angehöriger der kämpfenden Truppe, erteilt, vom soldatischen Gegner gefangen, diesem Absolution für die Schuld an bestialischen, auf Befehl begangenen Greueltaten und wird am Schluß mit seinen Kameraden, die er auf das Jenseits vorbereitet hat, von dem Losgesprochenen und seinen Helfern durch eine Maschinengewehrgarbe
niedergemacht. Utopia, das ideale Nirgendsheim, die ersehnte Insel, auf der die Welt in Ordnung ist, liegt- also in weiter Ferne.
Der Dialog — das Ganze bleibt eine tief lotende Erzählung mit verteilten Rollen — tührt Fragen des Glaubens, des Menschenseins, des Lebenssinnes und der Gegenwartsproblematik auf und fesselt, obwohl er bisweilen bieit wird, durch den dichterischen Ernst des Vortrags. Der schneidende Ausklang, die militärische Hinrichtung aller besseren Einsicht zum Trotz, mitten' in das Amen der ahnungslos Betenden hinein, ist die pessimistische Fes f sta!lung irdischer Unvollkommenheit und ein Fragezeichen.
Das Stück wird bei dem Mangel an deutschen Beiträgen zum aktuellen Theater vermutlich nald weitere Resonanz finden. Die außerordentlich subtile Inszenierung Ulrich Erfurths (Bühnenbilder: Herta Böhm)- mit Karl Worzel (Pafco) und Rudolf Therkatz (Pedro) war ihm ein sehr gu- .ter Vfegbereiter. -a-
Kulturelle Nnchrirhten
Die Märchenbücher des amerikanischen Groteskzeichners Walt Disney, die in Frankreich, Belgien, Holland und anderen Staaten mit großem Erfolg erschienen sind, kommen jetzt im Blüchert-Verlag, Stuttgart, heraus. „Schneewittchen“ und „Bambi“ liegen bereits vor. Die Bücher sind bisher in einer Weltauflage von zusammen 5 Millionen verkauft.
Als dritter Gastregisseur des Landestheafers Württemberg-Hohenzollern wird Rudolf Hofmann, Bielefeld, Georg Büchners „Danlons Tod“ inszenieren. — Am 4. Oktober findet in Tübingen die Premiere des erfolgreichen Lustspiels „Liebesbriefe“ von Felix Lützkendorf statt. Das heitere Stück erzielte seinerzeit in Berlin am Staatstheater über 250 Aufführungen.
Am 1. Oktober 1950 werden es 30 Jahre, daß der Musikverlag C. L. Schultheiß in Ludwigsburg gegründet worden ist. Der Verlag befand sich seit 1925 in Stuttgart und ist seit 1945 in Tübingen. In den ersten Jahren seines Bestehens förderte er hauptsächlich die jüngeren Komponisten (G. v. Albrecht, Hans Fleischer,
Hilda Kocher-Klein, Hans Schink, Franz Philipp, Hermann Unger, Siegfried Brächet). Seit dem Jahre 1936 befaßt er sich fast ausschließlich mit der Kirchenmusik beider Konfessionen, wobei Orgel- und Chorwerke aus dem 17. und 18. Jahrhundert besonders gepflegt werden. Dem Ver-' lag ist auch eine Werkstätte für Notentypie angegliedert.
Am 24. und 25. Oktober veranstaltet das Freiburger Kunsthaus Julius Pfisterer seine dritte diesjährige Kunstauktion. Der Katalog verzeichnet neben einer großen Auswahl antiker Möbel und schöner Orientteppiche einige sehr gute graphische Blätter von Rembrandt, Dürer, Ostade und Teniers. Unter den angebotenen Gemälden befindet sich auch ein Porträt Friedrich des Weißen von Sachsen von Lukas Cranach dem Aelteren, signiert und datiert 1525 und ein Selbstbildnis von Reynolds.
Für ‘den Bücherfreund
Johann Wolfgang, von Goethe. Sankt Rochusfest zu Bingen; Vorwort von Ernst Beutler. Steften-Verlag, Limburg/Lahn 1930.
Die Perle goethischer Altersprosa mit ihrer bildergesättigten Sprache ist hicht nur den Kennern kostbar. Der Steffen-Verlag hat eine nette Ausgabe dieses Reiseberichts auf 50. Kunstdruckseiten herausgebracht und den Text mit einfühlsamen Aquarellen von Rudolf Fuchs illustriert.
Gerhard Ulrich, Europäische Frauenbildnisse aus fünf Jahrhunderten. 1.—15. Tausend. (Das Kleine Buch 18) 70 S. 41 Bilder. C. Bertelsmann Verlag Gütersloh.
Wir sind erfreut, in der erfolgreichen Bertelsmann-Reihe „Das kleine Buch“ zum ersten Male ein Bildbändchen zu finden, das mit seinen 41 ganzseitigen Frauenbildnissen großer. Meister aus fünf Jahrhunderten, schon vom Preis her gesehen, eine verlegerische Leistung ist! Für den Kunstfreund ist so eine Bildergalerie von Botticelli bis Leibi, von Leonardo da Vinci und Rembrandt bis zu Goya und Manet geschaffen, die in dieser Zusammenstellung reizvolle Vergleichsmöglichkeiten bietet. Dazu eine Einführung des Herausgebers, nebst knappen Anmerkungen über die Meister.