6. Jahrgang

MONTAG, 21. AUGUST 1950

Nummer 129

Krankenbehandlung erfordert Milliardenbeträge

Erhöhung der Kosten und der Behandlungsfälle / Gegen die kalte Sozialisierung der Aerzte

Die deutsche Aerzteschaft, die am 26. August in Bonn zum Deutschen Aerztetag Zusammentritt, wird sich auch mit den im folgenden Aufsatz angeschnittenen Fragen, die für sie, aber auch die gesamte Sozial­versicherung, von größter Bedeutung sind, befassen müssen. Die Redaktion.

Die Ruinen des Krieges sind überall sichtbar zur öffentlichen Frage Nr. 1 ge­worden. In ähnlich starkem Maße aber hat der Krieg und seine Folgen die öffentliche Ge­sundheit getroffen. Seit Jahren spielt sich, oft nur dem Eingeweihten sichtbar, zwischen der Aerzteschaft und ihren Patienten, sowie den gesetzlichen Krankenkassen und der pri­vaten Krankenversicherung ein bewegtes Tau­ziehen um die Entscheidung ab, wer die nach Milliarden zählenden Kosten für die heute notwendige und teuerer gewordene Versor­gung der Kranken tragen soll. Der Krieg mit seinen schweren gesundheitsschädigenden Fol­gen an der Front und in der Heimat und die Nachkriegsjahre mit einer sehr fragwürdigen Kalorienrechnung haben eine außerordent­liche Untergrabung des allgemeinen Gesund­heitsniveaus hinterlassen, das nun mit DM- Mitteln wieder gehoben und verbessert wer­den soll, nachdem vor der Währungsreform auch auf diesem Gebiet ein angestauter Be­darf entstanden war. Obwohl die Sozialver­sicherung keineswegs zu einer Erhöhung der Zahlungen an die Aerzte schritt, um damit dem Gesamtproblem eine entscheidende Wen-

Vorkriegsjahren ermittelten versicherungs­mathematischen Unterlagen errechnet waren, blieben hinter dem allgemeinen Ansteigen der Krankheitskurve und der einzelnen Kosten zurück. Mit der Währungsreform verloren ferner diese Gesellschaften ihre für Krisen­zeiten bestimmten Rücklagen in Hphe von et­wa 200 Millionen RM, während gleichzeitig die Ersatzansprüche der Mitglieder, die für ihre DM nunmehr auch uneingeschränkte Krank­heitsbehandlung erhalten konnten, schlagartig anstiegen.

Wohl war der Privatpatient wieder zum ge­schätzten Besucher jeder ärztlichen Praxis geworden, aber oft nur die höchsten Tarife der Versicherungsgesellschaften können die ge­genüber dem Frieden erhöhten Honorarforde­rungen mancher Aerzte befriedigen. Nicht nur die Einzelhonorare sind allgemein gestiegen, sondern auch die Häufigkeit der Behandlung am einzelnen Patienten hat in bisher nie ge­kannter Weise zugenommen.

Bei einzelnen Gesellschaften stiegen die rei­nen Arztkosten gegenüber 1939 bis zu 178 Pro­zent, die (vom Arzt verordneten) Arzneikosten bis zu 282 Prozent und die Krankenhauskosten bis zu 228 Prozent der Vorkriegswerte. Ob­wohl einzelne Krankenhausfälle oft Tausende von Mark beanspruchen, beträgt der Anteil von Krankenhäusern rund 20 Prozent der Ge­samtleistungen, während heute etwa 50 Pro­zent der gesamten Auszahlungen für Rechnun-

digungen der Ortskrankenkassen zu suchen.

Die gesamte Situation wird dadurch er­schwert, daß in den Westzonen 45 000 Aerzte zur ausreichenden Versorgung der Bevölke­rung ausreichen würden, während dieser Satz heute schon erheblich überschritten ist und man bis 1952 mit 72 000 Aerzten zu rech­nen haben wird. Es steht allerdings außer Zweifel, daß ein Volk vom rein medizini­schen Standpunkt aus überhaupt nicht genug Aerzte haben kann und es ist dabei zu be­denken, daß durch die Bevölkerung der West­zonen heute bereits Milliardenbeträge aufge­bracht werden, um eine ausreichende medizi­nische Versorgung der Allgemeinheit sicher­zustellen.

Zur Lösung dieser akuten Fragen wird das ThemaArzt, Patient und Versicherung" in immer stärkerem Maße Oeffentlichkeit und Gesetzgeber beschäftigen müssen. Vor allem sind die Beiträge für die gesetzlichen Kran­kenkassen mehr wie bisher für die eigent­lichen zahlenden Mitglieder zu verwenden, während der Staat zur Erfüllung seiner öf­fentlichen Wohlfahrtsverpflichtungen nicht auf die Mittel der Sozialversicherung zurückgrei­fen sollte. Es läge nahe, wenn auch die Sozial­versicherung, ähnlich den öffentlichen Haus­

halten, ihre Budgets zur Diskussion stellen und sich damit der Kontrolle der Oeffentlich­keit unterwerfen würde.

Die Aerzteschaft als einer der bisher freie­sten Berufe gerät in immer stärkerem Maße in die absolute Abhängigkeit der Sozialver­sicherung, die durch die große Zahl ihrer freiwilligen Mitglieder weit über den ihr an­fangs zugedachten Personenkreis an Umfang zugenommen hat und in ihrer Gesamtheit nur mit einem Riesenkartell verglichen werden kann, das heute nicht nur die Arzthonorare für Millionen von Patienten bestimmt, son­dern durch eigene Vertrauensärzte auch die Tätigkeit der freien Aerzte kontrolliert und damit den Arztberuf auf kaltem Wege sozia­lisiert. Auch auf dem Gebiet der Versiche­rung sollte man nur dort Planwirtschaft trei­ben, wo sie wirklich angebracht erscheint und jede Tendenz zur totalen, alles beherrschen­den Bürokratie rechtzeitig im Keim erstik- ken. Vor allem aber sollte-man die Sozial­versicherung nach rein sachlichen und nicht nach ideologischen Erwägungen überprüfen.

Wenn auch das Thema nach dem heutigen Stand selbst für Fachleute verworren er­scheint, so besteht doch die Wahrscheinlich­keit, daß es durch eingehende Verhandlungen aller Beteiligten zufriedenstellend gelöst wer­den kann, wenn die nach dem Krieg und der Währungsreform entstandene Situation in ei­ner Neuordnung ihren Niederschlag finden wird. H. G.

düng zu geben, war sie doch gezwungen, ihre gen von Aerzten aufgewendet werden müssen. Beiträge erheblich zu erhöhen. Durch das am Heute rechnet die private Krankenversiche- 1. Juni 1949 in Kraft getretene Sozialversi- rung in den Westzonen als zweitgrößter Zweig cherungs-Anpassungsgesetz wurden darüber der Individualversicherung mit einem jähr- hinaus auch die monatlichen Einkommen bis liehen Prämienaufkommen von etwa 400 Mil

Entwicklungen in der Mandschurei

Nordkoreas unerschöpfliches Hinterland

zu DM 375. als sozialversicherungspflichtig erklärt, ohne daß die Betroffenen darüber entscheiden konnten, ob sie nicht weiterhin ihre Versicherungsfreiheit behalten wollten, die bisher bei monatlich DM 300. lag. Da sich die Höhe der Beiträge nach dem Einkom­men richtet, floß damit der gesetzlichen Kran­kenversicherung ein erheblicher Stamm neuer Mitglieder der höchsten Beitragsklasse zu.

Kurz vor der Währungsreform begannen die vor einer breiten Oeffentlichkeit vorgetrage­nen Klagen der Aerzteschaft, vor allem gegen die pauschale Abfindung durch die Ortskran­kenkassen, die nicht als angemessene Entschä­digung für die ärztliche Tätigkeit angesehen werden kann. Denn für jeden Krankenschein erhalten die Aerzte den gleichen minimalen Entschädigungssatz, gleichgültig, ob eine ein­malige oder eine ausgedehnte Behandlung des Patienten notwendig ist. Die besondere Kritik rufen vor allem die freiwilligen Mit­glieder der Sozialversicherung hervor, die, zum wesentlichen Teil in gut bürgerlichen Verhältnissen stehend, die Vorteile der sozia­len Gesetzgebung, wie freie Arztbehandlung beansnruchen, die seit Bismarck im Prinzip nur für die wirklich bedürftigen Bevölke­rungskreise gedacht war. So kann der groteske Fall eintreten, daß ein Handwerker dem Arzt seine Arbeit nach den üblichen Sätzen mit mehreren hundert Mark berechnet, während dieser für die schwierige Behandlung eines schwerkranken Kindes des gleichen Handwer­kers auf den Krankenschein nur etwa DM 3.50 gutgeschrieben erhält. Dem Arzt wird da­mit inmitten einer freien Wirtschaft eine so­ziale Funktion selbst gegenüber wohlsi­tuierenden Patienten auferlegt, die er in die­ser Form nicht erfüllen kann und für die in zahllosen Fällen gar keine Voraussetzung ge­geben ist solange' jeder andere Beruf seine Rechnungen nach Umfang, Dauer und Wert

lionen Mark und trotzdem reicht diese Sum­me nicht aus, um insbesondere den gestiege­nen Arztkosten zu folgen. Aber auch heute beharrt die private Krankenversicherung nach wie vor auf ihrem grundlegenden Prinzip der freien Arztwahl unter Verzicht auf jede Be­einflussung einer Behandlung tfon der finan­ziellen Seite her. Sie versucht allerdings, in direkten Verhandlungen mit der Aerzteschaft allgemein eine Normalisierung der ärztlichen Gebührenrechnungen herbeizuführen. Wenn die Sozialversicherung auf die Krankenscheine höhere Vergütungen gewähren und die große Zahl der nicht bedürftigen freiwilligen Mitglie­der reduziert würde, könnte sich die Lage der Aerzte ändern, und sie könnten darauf ver­zichten, beim Privatpatienten einen übermäßig hohen Ausgleich für die niederen Entschä-

R. Sp. Tief beunruhigt verfolgt der Westen die militärischen Erfolge der kleinenDemo­kratischen Volksrepublik von Korea. Hitz­köpfe im amerikanischen Kongreß und briti­schen Unterhaus schlugen vor, das nordkorea­nische Kriegspotential durch Abwurf von Atombomben zu zerstören. Mit dieser Auffas­sung sind sie Opfer russischer Irreführungen. Nordkoreas materielle Wurzeln der Kraft lie­gen jenseits der Grenzen. Nach der Sowjet­union gibt die Mandschurei dem roten Staats­chef Kim II Sung die wichtigsten Hilfen.

Theoretisch gehört die Mandschurei zu Chi­na, in Wirklichkeit sind dievier Provinzen nordöstlich der Großen Mauer heute jedoch halb-autonom Sie haben eine eigene Wäh­rung und Wirtschaftsplanung. Psychologisch geschickt verlegten die neuen Machthaberden Regierungssitz vom japanischen Hsinking (= Changchun) zum historischen Mukden. In den alten Mandschu-Kaiserpalästen regiert heute Kao Kang, so wie sein bäuerlicher Genosse

Rätsel um die Ermordung Trotzkis

Wer ist Mornard / Wer beauftragte ihn

Von Larry F. Stuntz, Korrespondent der Associated Press

MEXIKO CITY. Vor 10 Jahren ist Leo Trotzki ermordet worden, aber der Schleier des Geheimnisses, das dieses Attentat umgibt, ist immer noch nicht gelüftet.

Jacques Mornard, wenn das der richtige Name des Mörders ist, verbüßt gegenwärtig eine fast 20jährige Gefängnistrafe in Mexiko City. Aber die Polizei ist sich weder über seinen Namen, noch über seine Nationalität und die Herkunft der Geldmittel im klaren, mit denen Mornard ein den Verhältnissen entsprechendes angenehmes Leben in einer wahrenFlucht von Zellen im mexikani- kanischen Bundesgefängnis bestreitet.

Noch nicht einmal das Motiv der Tat ist einwandfrei geklärt worden. Trotzki sagte kurz vor seinem Tode, Mornard sei Agent der russischen Geheimpolizei und von- Sta­

der Leistung stellt Man kann nicht erwarten aer russischen oeneimponz« una vom ena- oer j_,eisxung scem. . _ Haß hn beauftragt worden. Trotzki hatte bereits

a ^ ch m sozialistis Patient vor allem bei seiner Ankunft in Mexiko prophezeit, daß

Schier leit in der durch die starke Vermeh- sowjetische Geheimagenten versuchen wür- rung in diesem Beruf viele Ae "-^um ein er- Mexiko, nachdem er mit Sta-

trägliches Exisjen?mmimum^z ^ ^ ej _ i in gebrochen hatte und aus Rußland verbannt

worden war. Seme Vierte Internationale, der anti-stalinistische Kommunimus, hatte schon Anhänger gefunden. Aber, seine Feinde ver­folgten ihn. Er entkam bei einem Angriff mit Maschinengewehren auf das Haus, das er von dem mexikanischen Maler Diego Rivera ge­mietet hatte. Einer seiner Sekretäre und Ver­trauensmänner wurde entführt und getötet.

Mornard zeigte sich begeistert von Trotzki. Am Nachmittag des 20. August 1940 bat er Trotzki um eine Unterredung. Er sagte, er wolle Trotzkis Meinung zu einem Manuskript hören. Wenige Minuten später hörte einer der bewaffneten Sekretäre Trotzkis einen Tu­mult im anliegenden Zimmer. Er stürzte hin* aus und begegnete auf dem Flur dem blut­überströmten Trotzki. Hinter diesem kam

ben. Der Krankenscheinpatient mit dem et genen Auto und im Pelzmantel bedeutet kei­nen sozialen Fortschritt, sondern er ist eine Zumutung für jeden Arzt.

Es war deshalb nur zu naheliegend, daß die Aerzte wenigstens im Privatpatienten die Mög­lichkeit sahen, ihre Einkünfte durch Erhöhung der Honorare und Vergrößerung des Behand­lungsaufwandes zu verbessern, da bei Privat­rechnungen jede einzelne Leistung gesondert berechnet werden kann. Mit dieser Entwick­lung wurden die privaten Krankenversiche­rungsgesellschaften auf den Plan gerufen, die den größten Teil der Privatpatienten versi­chert haben, und deren Mitgliederbestand in den Westzonen etwa 10 Millionen Versicherte beträgt. Ihre Tarife, die auf Grund der in den

Außenpolitik

Zeitschrift für internat. Politik, Juli, Heft 2, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart

Im zweiten Heft der .Außenpolitik, deren seriöses Wollen schon in den Herausgeber-^ namen Erich Kordt und Artur W. Just zum Ausdruck kommt, stehen an der Spitze zwei Arbeiten über die militärische Situation Eu­ropas, in der gegenwärtigen Krisenstimmung und angesichts der Bemühungen der Atlantik­paktstaaten, ihre Aufrüstung zu beschleuni­gen, besonders aufschlußreich. Der britische Militärschriftsteller Liddell Hart versucht zu­sammenzustellen, was aufgeboten werden kann, und befaßt sich daneben mit den Pro­blemen, die sich aus der Heraufkunft der Atomenergie ergeben, nennt daneben jedoch als vielleicht wesentlicheres modernes Kampf­mittel die Infiltration, als Schutz vor Atom­bombenangriffen die Verlegung eigener Regie­rungsstellen und . Schlüsselindustrien in be­setztes Gebiet, Bevölkerungsaustausch usw. Ob diese Rechnung aufgeht?

Der amerikanische Publizist Robert Ingram spürt die Lethargie, die über Europa liegt auf und nennt Deutschland als Faktor, der für die USA noch von Bedeutung werden

könnte. Der bekannte Rußlandkenner Artur W. Just analysiert unter dem TitelMoskaus neue These eine Rede Malenkows, des Man­nes, der seit dem Tode Schdanows zu einem der Mächtigsten der UdSSR wurde. Aus dieser Rede, gehalten am 6. November 1949 anläßlich des 32. Jahrestages der bolschewistischen Re­volution, glaubt Just entnehmen zu dürfen, daß für die Sowjets das Gefühl desGebor­genseins und deraußenpolitischen Sätti­gung gekommen ist, was durch weitere Texte zu belegen versucht wird.

Winfried Martini schrieb eine Studie über Chaim Weizmann, Antonio Y Garcia über Spanien und der Katholizismus", Fritz V. Globig über Australien. Es folgen Alexander Rüstrow:Der Kampf um die Weltherrschaft und Max BenseDie katholische Intelligenz Frankreichs. Dazu eine außenpolitische Chro­nik, Buchbesprechungen, eine Bibliographie und eingangs des Heftes einige politische Glos­sen. Wenn die Zeitschrift in der Lage sein wird, dieses Niveau zu halten, wird sie sicher in steigendem Maße Beachtung finden. cz.

Mornard, die Axt unter dem Mantel verbor­gen.

Am andren Tag erlag Trotzki seinen schwe­ren Kopfverletzungen im Krankenhaus. Vor seinem Tode flüsterte er seinem Rechtsanwalt zu, daß Mornardsehr wahrscheinlich ein von Stalin beauftragter sowjetischer Geheim­agent sei. Mornard stritt dies beim Verhör ab. Er hatte in Mexiko unter dem Namen Frank Jackson gelebt. Sein richtiger Name sei Jacques Mornard. Er sei der Sohn eines belgischen Diplomaten, erklärte er.

Aber belgische Diplomaten, die mit Mor­nard sprachen, sagten, daß sein Französisch keinen belgischen Akzent habe. Einmal be­hauptete die Polizei, Mornard sei als Salva­dor Torkoff, Angehöriger einer Schmuggel­bande russischer Emigranten identifiziert worden.

Ein Konzilium von Psychiatern, die Mor­nard eine Woche lang untersuchten und be­fragten, legte dem Gericht ein 1332seitiges Gutachten vor, das besagte, Mornard sei mit einem Komplex behaftet. Durch diesen Kom­plex fühle er sich gezwungen, auf andere Per­sonen einzuschlagen. Im übrigen sei Mornard völlig normal, abep schlecht erzogen, und seine Intelligenz liege unter dem Durch­schnitt.

Mornard sagte vor Gericht aus, daß er in Notwehr gehandelt habe. Trotzki habe bei der Durchsicht des Manuskripts erklärt, daß er (Mornard) nicht schreiben könne. Darauf­hin sei er wütend geworden und habe Trotz­ki am Arm gepackt. Trotzki habe in seine Hand gebissen und die Pistole gezogen. Dann, sagte Mornard, habe er zu seiner Axt ge­griffen und auf Trotzki eingeschlagen.

In seiner Tasche wurde bei seiner Fest­nahme ein Brief gefunden, in dem Mornard erklärte, er sei ein Anhänger Trotzkis ge­wesen, sei aber enttäuscht worden, nachdem er die nähere Bekanntschaft des russischen Staatsmannes gemacht habe. Im mexikani­schen Bundesgefängnis ist Mornard eine ganze Flucht von Zellen angewiesen worden. Er hat ein Schlafzimmer, einen Wohnraum und ein kleines Empfangszimmer. Obwohl er englisch, französisch und spanisch spricht, redet er nie mit seinen Mitgefangenen. Er geht auch niemals in den Rosengarten des Gefängnisses, wie es andere prominente Häftlinge zu tun pflegen.

Mornard braucht nicht zu arbeiten. Er liest oft in den Büchern, die ihm sein Anwalt bringt, Aber niemand weiß, wie er seinen Anwalt die Bücher, und viele andere Dinge, die ihm ebenfals gebracht werden, bezahlt. Mornard schreibt auch viel. Gefängnisbeamte erklär­ten, sie wüßten nicht, was er schreibe und was mit seinen Manuskripten geschehe.

In diesem Monat nach lOjähriger Haft kann der jetzt 46jährige vom Präsidenten begnadigt werden. Nach mexikanischem Recht kann eine Begnadigung wegen guter Füh­rung nach Verbüßung der halben Strafe aus­gesprochen werden. Die Untersuchungshaft wurde Mornard angerechnet. Aber nichts deutet darauf hin. daß er vorzeitig freige­lassen wird oder daß er überhaupt frei­gelassen zu werden wünscht.

Mao Tse-tung in derVerbotenen Stadt von Peking und der große russische Lehrmeister im zaristischen Kreml.

Kao Kang ging aus den Untergrundkämpfen gegen die japanische Besatzungsmacht und das von ihnen am 15. September 1932 als unabhän­gig erklärte Mandschukuo hervor. Der Ein­bruch der russischen Armee am 9. August 1945 brachte ihn in die Führung der sich überall bildenden roten Befreiungsarmeen. Ihre Volks­komitees kürzten alle Pachtsätze summarisch und zwangen die verbliebenen Großgrundbe­sitzer, meist Chinesen, zu weitgehendenfrei­willigen Abtretungen ihrer Besitzungen. Ver­sprengte Japaner und Kollaborateure wurden hingerichtet.

Fachleute prophezeiten, daß zehn Jahre nö­tig seien, umTung Pei, die nordöstlichen Provinzen, wieder aufzubauen. Leider irrten sie. Unter dem mit den Russen zurückgekehr­ten Chinesen Li Li-san begann eine Wirt­schaftsplanung sowjetischen Stiles. Achtzig Prozent aller Industriebetriebe wurden ver­staatlicht. Zu ihrem Wiederaufbau wurde 1949 der Erlös aus 2 Millionen Tonnen Getreide verwandt. Unter den Japanern floß jährlich der Wert von 8 Millionen Tonnen Getreide als Pacht in private Hände. Die Nordost-Volks- Regierung kürzte die Pachtabgabe der Bauern auf 2,3 Millionen Tonnen. Der größere Teil der Differenz fällt jetzt als Wiederaufbaufonds an den Staat.

Im Juli 1949 wurde ein Handelsvertrag mit der Sowjetunion abgeschlossen. Darnach be­kommen die Russen 60 Prozent der Ernte­spitze für ihr Industriekombinat im Amurbo­gen. Mukden erhält dafür einen Teil der ge­raubten Maschinen zurück. Ferner besonders dringende Materialien und Einrichtungen. Der wirtschaftliche Austausch wird weitgehend durchpolitische Beratungen unterstützt. So­wjetische Beamte haben ihr Hauptquartier im prunkvollen Eisenbahnhotel von Mukden er­richtet. Sie unterhalten Muster- und Lehrfa­briken in Harbin, Chiamusu und Dairen. Sie beraten und kontrollieren alle Munitionsfabri­ken der Mandschurei.

Ein zweites, wichtiges Wirtschaftsabkom­men konnte Kao Kang durch den inzwischen nach Peking übergesiedelten Li Li-san mit Mao Tse-tung abschließen. Zunächst half er mit 2 Mill. Tonnen Getreide den chinesischen Hungergebieten. Jetzt sollen 200 000 Tonnen Sojabohnen und Mais gegen nordchinesischen Weizen getauscht werden. Für die zu ihren Gunsten entstehende Spitze erhält die Nord- ost-Volks-Regierung Baumwollstoffe und Man­gelware. Gleichzeitig erhält die Mukdener Re­gierung 3000 Spezialisten aus der rotchinesi­schenTechniker-nach-Nordost-Kampagne.

Das dritte und zugleich unübersichtlichste Abkommen wurde 1949 mit Kim Il-Sung in Pyöngyang abgeschlossen. Nach Feststellung der UN-Korea-Kommission verpflichtete sich hierbei Mukden zu militärischen Hilfen in den sich als notwendig ergebenden Formen. Hier­unter fällt auch die Stellung von Truppenver­bänden. Amerikanische Vernehmungsoffiziere identifizierten bereits in der Mandschurei aus­gebildete koreanische Einheiten. Ihre Durch­setzung mit mandschurischen Freiwilligen ist hierbei auf Grund der jahrzehntelangen ge­meinsamen Untergrundtätigkeit als sicher an­zunehmen. Gleichzeitig erklärt dieses Abkom­men die nachweislich ausreichende Ernäh­rungslage in Nordkorea, obgleich der dort an­fallende landwirtschaftliche Ertrag unzurei­chend ist. Die in der Mandschurei erzielten in­dustriellen Fortschritte ermöglichen bereits 1950 Lieferungen für die Koreafront. Mit je­dem Monat werden die Leistungen größer. Die Mukden-Antung-(Grenze - Pyöngyang -) Bahn wurde zweigleisig ausgebaut.

Damit wird die Mandschurei zu einem für den Westen gefährlichen Hinterland Nord­koreas. Die 41 Mitglieder der Nordost-Volks- Regierung in Mukden können als Kommuni­sten nur für das östliche Ziel arbeiten Durch den Moskau-Peking-Pakt vom Februar 1949 wurde der sowjetische Einfluß legalisiert. Die Russen beherrschen zu 50 Prozent die nord­mandschurische Eisenbahnlinie von Qtpor- Manchuli nach Wladiwostok (ErsDarnis 1000 km) und die südmandschurische Verbindung von Harbin nach Dairen. Auch den Handels­hafen Darren verwalten sie zur Hälfte. Im an­schließenden Kriegshafen Port Arthur sind sie ausschließlich Herr. Südkorea ist damit zu­gleich von den sowjetischen Flottenstützpunk­ten Port Arthur und Wladiwostok eir,geschlos­sen.