6. Jahrgang
WIRTSCHAFT
Nummer 1X8
Funktechnik auf Weltleistungsstandard
Fühlbare Preissenkungen / UKW im Mittelpunkt
Kritik am
englischen Wirtschattskurs
In der englischen Zeitschrift „New Epoch“ erachten ein „Die Genossenschaften und die Ver- staatlichungspolitik“ betitelter Aufsatz, der sich mit den Ergebnissen der bisherigen Nationalisierungen in England auseinandersetzt. Die „New Epoch“ wird vom Ruskin College, Oxford, herausgegeben, einer von den englischen Gewerkschaften und Genossenschaften gegründeten und finanziell unterhaltenen Bildungsstätte für unbemittelte Begabte. Der Verfasser des Aufsatzes stellt einleitend fest, daß der Sozialismus, wie ihn die englische Fabianschule aufgefaßt habe, mit der Verstaatlichung der Wirtschaft nicht identisch gewesen sei. Gerade das aber werde heute von den führenden Politikern der Labour- Partei übersehen, die sich immer mehr in Bahnen bewegten, die zuim omnipotenten Staat hinführten.
Das Problem der Bürokratie werde um so brennender, je mehr die Planwirtschaft um sich greife. „Wir stehen der Tatsache gegenüber, daß die Verstaatlichung einen Punkt erreichen kann, wo sie zu einer derartigen Machtzusammenballung führt, daß eine neue Form der Tyrannis, die des Staates, sich entwickelt.“ Die vom Volke ausgeübte Kontrolle bildet keinen wirksamen Schutz gegen die „Tyrannis“, sie hat sich in der Praxis als unwirksam gegenüber dem „alles beherrschenden Riesen“ erwiesen. „Die Verstaatlichung der Produktionsmittel läßt keine wirkliche Kontrolle von unten herauf zu; sie tendiert zwangsläufig zur. totalen Planwirtschaft hin, zum Leviathan-Staat.“
Die Einmischung des Staates in die Konsumgüterindustrie und Güterverteilung führt nicht zu einer Steigerung der Produktivität in der Wirtschaft, beschränkt aber die Freiheitsrechte des Volkes im Zuge der Aufblähung der Bürokratie. Es ist heute klar geworden, daß für die Konsumenten keine direkten Vorteile von der Nationalisierung der Industrie zu erwarten sind. Der Labour-Regierung wird vorgeworfen, die Genossenschaften kaum anders als kapitalistische Unternehmen zu behandeln. Die Verstaatlichungs- Politik führe zum Einbau der Genossenschaften in den Staatsapparat. Die bisherigen Erfahrungen in der Kohlen- und Transportindustrie sowie beim Gesundheitswesen sprächen dafür, und noch düsterer seien die Aussichten im Versicherungswesen, wenn alle Projekte zur Ausführung gelangten. Man könne es den Genossenschaften nicht übelnehmen, wenn sie es vorzögen, ihre Anlegenheiten. selbst zu regeln, statt sie durch den Staat ausführen zu lassen und sich selbst dafür abzufinden mit einem demokratischen Recht, das praktisch nur darin bestehe, alle fünf Jahre einmal einen Stimmzettel einzuwerfen. Die Methoden der Labourpartei führten aber dazu, daß das zweite Ziel — die Erhaltung" der Freiheitssphäre — immer mehr in der Ferne verschwinde.
DÜSSELDORF. Die deutsche Funkausstellung 1950, die gestern eröffnet wurde und die Düsseldorf gewissermaßen als Treuhänderin für Berlin durchführt, vermittelt nach den ersten Eindrük- ken die Ueberzeugung, daß die deutsche Rundfunkindustrie in Preis und Qualität den internationalen Leistungsstandard wieder erreicht hat. Insbesondere zeigen die Preise der auf der deutschen Funkausstellung ausgestellten Rundfunkgeräte, daß die Radioindustrie des Bundesgebietes trotz der Rohstoffpreisentwicklung auf den Weltmärkten sich zu weitgehenden Preissenkungen entschlossen hat. Man sieht zahlreiche Modelle in der Preislage von 190.- bis 200.- DM, die etwa dem im Jahre 1948 von den Besatzungsmächten allein zugelassenen „Sechskreis-Vierröh- ren-Standardsuper“ entsprechen, dessen Preis um 475.- DM betrug. 1938 kosteten Geräte dieser Klasse etwa 225.- DM. Die Masse der in Düsseldorf ausgestellten Empfänger liegt im Preis zwischen 200.- und 340.- DM.
HAMBURG. Die Auslieferungslager und Tankstellen der „Zentralbüro für Mineralöl GmbH.“ sind streng angewiesen worden, Dieselkraftstoff nur noch gegen Bezugsmarken auszuliefern. Alle Verbraucher werden aufgefordert, ihre Dieselkraftstoffmarken bei den Ausgabestellen abzuholen; es wird davor gewarnt, sich ohne Marken auf die Fahrt zu begeben.
Die in Aussicht genommene Aufhebung der Dieselkraftstoffbewirtschaftung ist bis auf weiteres hinausgeschoben worden. Die Kontingente für August und September sind jedoch so weit erhöht worden, daß der Bedarf sämtlicher Verbrauchergruppen in vollem Umfang gedeckt werden kann, soweit sie nicht unter die preisbegünstigten Kontingentsträger fallen.
Erfolge der Liberalisierung
BASEL. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) betont in einem Bericht die wachsende Bedeutung Deutschlands als Handelspartner europäischer und außereuropäischer Länder. Die entschlossene Liberalisierung habe Genugtuung ausgelöst und zu einer wesentlichen Erhöhung der Umsätze auf beiden Seiten der Außenhandelsbilanz geführt.
Rund 10 Millionen Dollar Ausfuhrüberschuß mit der Schweiz
FRANKFURT. Im deutsch-schweizerischen Warenverkehr hat die Bundesrepublik im Juli einen Ausfuhrüberschuß von 2,9 Mill. Dollar erzielt. In den ersten sieben Monaten des Jahres beläuft sich damit der westdeutsche Exportüberschuß auf rund 10 Mill. Dollar. — Die deutsche
Im Mittelpunkt der Ausstellung, die auf 50 000 qm und mit mehr als 170 Ständen die neuesten Ergebnisse der deutschen Rundfunkindustrie und der Funktechnik zeigt, steht die Ultrakurzwellentechnik. Obwohl die deutsche Rundfunkindustrie erst auf eine eineinhalbjährige Entwicklungszeit auf diesem Gebiet zurückblicken kann, ist es ihr bereits gelungen, die Möglichkeiten der serienmäßigen Produktion zu schaffen. Es werden Geräte gezeigt, die den UKW-Bereich bei den preiswerteren Typen mit einem Aufpreis von etwa 20.- DM, bei hochwertigen Geräten mit einem solchen von etwa 60.- DM als Bestandteil eines vollkommenen Rundfunkgerätes eingliedern. Neben Zusatzgeräten werden erstmalig in Europa Apparate mit vier Wellenbereichen — lang, mittel, kurz und ultrakurz — ausgestellt. Die technisch einwandfreie Entwicklung auf dem Gebiet der Ultrakurzwellentechnik in Deutschland und die preisgünstigen Lösungen finden auch im Ausland Beachtung.
Ausfuhr nach Italien hat sich im 1. Halbjahr 1950 gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres mehr als verdoppelt. Die Einfuhr lag dagegen auf der Höhe des Vergleichszeitraumes 1949. Dementsprechend weist die Zahlungsbilanz einen Aktivsaldo für Westdeutschland auf. — Dagegen hat sich die Handelsbilanz mit Frankreich seit Mitte Juli von 40 Mill. Dollar auf gegenwärtig über 60 Mill. Dollar Passivsaldo zu Lasten der Bundesrepublik verschlechtert. Nach Ansicht deutscher Außenhandelskreise ist anzunehmen, daß auf französischer Seite die Einfuhr deutscher Erzeugnisse nicht so großzügig gehand- habt worden ist wie die Einfuhr französischer Produkte in die Bundesrepublik.
Für und wider Chikago
CHIKAGO. Seit Anfang der Woche werden zunehmend Klagen und Unzufriedenheit über die Geschäftstätigkeit und das bisherige Ergebnis auf der Chikagoer Messe laut. Die Aussteller üben insbesondere an der Organisation der Messe Kritik. Teile der Ausstellung seien in recht abgelegenen und verkehrsmäßig ungünstigen Gegenden der Stadt untergebracht. Dies gelte bei den deutschen Ausstellern besonders für die Erzeugnisse des Maschinenbaus, der Elektroindustrie, der Optik und Feinmechanik sowie des Fahrzeugbaus. Es wird auch Klage über ungenügende Reklame durch die Messeleitung geführt. Dennoch werde von fast allen Ausstellern nicht bedauert, an der Messe teilgenommen zu haben. Der Umsatz der' deutschen Aussteller hat sich bis einschließlich Mittwoch auf über 3,4 Mill. Dollar erhöht.
Für den Autofahrer
Chrom muß gepflegt werden
Die beste Verchromung hält auf die Dauer nur, wenn sie — nach Säuberung mit Wasser — trockengerieben und mit einem Pflegemittel behandelt wird. Mercedes-Benz empfiehlt dazu ihr Polierwasser „Neuglanz“ (als hervorragendes Lackpflegemittel bekannt). Dieses Pflegemittel enthält in Terpentin gelöste Wachse. Feinste Poren, welche in einer galvanisch aufgebrachten Metallschicht stets vorhanden sind, werden so verschlossen und konservieren die Chromschicht. Chromteile an Fahrzeugen, die in Küstennähe, also meist in Seewasserluft gefahren werden, sind mit Hartwachsen dünn einzureiben und mit einem Flanellappen blankzureiben.
Fahrgestell „170D“ für Lieferwagen
STUTTGART. Der Verkauf von Mercedes- Benz-Fahrgestellen Typ „170 D“ zur Verwendung als Lieferwagen ist nunmehr fredgegeben, allerdings mit dem Hinweis, daß die Aufbaulieferanten die Bedingungen hinsichtlich der Maße und Gewichte einhalten. Das Eigengewicht des Fahrgestells einschließlich Karosserdevorbau, Bodenanlage, Reserverad und Werkzeug beträgt 960 kg, das Gesamtgewicht, unter Berücksichtigung einer Hinterachsbelastung von 900 kg, ist festgesetzt auf 1600 kg, so daß für Aufbau, Fahrpersonal und Nutzlast insgesamt 640 kg zur Verfügung stehen.
Der Preis des Fahrgestells mit Vorbau, einschließlich Windschutzscheibe, Bodenanlage und fünffacher Bereifung 5,50 x 16 beträgt 6750 DM ab Werk Sindelfingen.
Einigkeit über die Aufteilung der Kompetenz; die Ueberprüfung der Außenhandelsfirmen wird Sache des Bundeswirtschaftsministeriums und der Landeswirtschaftsministerien sein, wogegen die Bundesfinanzverwaltung alle übrigen Firmen devisenrechtlich überprüfen wird, die in irgendeiner Weise mit dem Gesetz Nr. 53 in Berührung kommen. Die Bank deutscher Länder mit ihren Landeszentralbanken wird die Außenhandelsbanken überprüfen.
Strafvollzugsorgan im Rahmen des neuerlassenen Gesetzes ist die Oberfinanzdirektion; das Strafverfahren richtet sich weitgehend nach dem Wirtschaftsstrafrecht.
Tarifverträge gekündigt
REUTLINGEN. Die Gewerkschaft „Holz" hat eine größere Zahl von Lohntarifen gekündigt; Verhandlungen sind bereits eingeleitet. In einer Erklärung bezieht sich die Gewerkschaft „Holz" auf den Beschluß des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die Gewerkschaften sollten die Tarife kündigen. Um dem Ziele einer Vereinheitlichung der Lohn- und Arbeitsbedingungen näher zu kommen, soll vor der Kündigung aller Tarifverträge der Zentrale der Arbeitgeberverbände vorgeschlagen werden, den notwendigen Ausgleich nach einheitlichen Gesichtspunkten herbeizuführen und darüber in Besprechungen einzutreten. — Auch die Gewerkschaft „Textil-Beklei- dung" hat in einer Betriebsrätevollversammlung in Tübingen die Haltung der Gewerkschaft begrüßt, den geltenden Tarifvertrag auf den 31. August zu kündigen. Die Tarifkommission hat den Auftrag erhalten, einen Vertrag abzuschließen, der dem einzelnen angemessene Lebensbedingungen gewährleistet, die Vielzahl der Gruppen und Sparteneinteilungen vermeidet und nur in geringem Maße unterscheidet zwischen Hilfsarbeitern und Arbeiterinnen, gelernten und ungelernten Arbeitern sowie Spezialisten.
DM-Wechselkurse
Die zu ledern Wochenende erscheinende Tabelle weist das Umrechnungsverhältnis von 100 DM zu den wichtigsten fremden Währungen aus, und zwar nach den Kursen im Züricher Freihandel.
Schweiz. Franken
17. 8.
79.—
16. 8 79.50
USA-Dollar . . .
18.20
18.31
Engl. Pfund . . .
7.36
7.43
Franz. Franken .
7 053.—
7 098.—
Belg. Franken . .
918.60
923 34
Holl. Gulden . .
74.03
74.29
Span. Peseten . .
863.38
854.84
Port. Eskudos . .
535.59
537.89
Schwed. Kronen .
114.90
115.21
Argent. Pesos . .
282.14
283.93
Oesterr. Schilling
514.65
514.56
Ital. Lire ....
11 969.—
12 045.—
Tschech. Kronen .
7314.—
7 361.—
Getreide-Erzeugnisse 8-10 Prozent teurer
Gesamter Lebenshaltungsindex etwas über 1 Prozent gestiegen
BONN. In der Schnellstatistik des Bundesstatistischen Amtes kommt jetzt zum ersten Male die Steigerung der Lebenshaltungskosten zum Ausdruck. Die statistische Untersuchung, bei der 10 Landeshauptstädte des Bundesgebietes erfaßt wurden, betrifft die Verbraucherpreise für Getreideerzeugnisse. Gegenüber dem 15. Juni waren danach die Preise für Roggenbrot um 9,6 Prozent bis zum 4. August gestiegen, die Preise für Mischbrot in der gleichen Zeit um 7,5 Prozent, die Weißbrotpredse um 12 Prozent, die Preise für Kleingebäck um 8,5 Prozent, die Preise für einfaches Hefegebäck um 9,3 Prozent und die Weizenmehlpreise um 12,9 Prozent. Unverändert geblieben sind die Preise für Kinderstärkemehl; Puddingpulver ist bis zum 4. August nur um 1,4 Prozent gestiegen und Graupen nur um 2,3 Prozent, während sich der Preis für Weichweizengrieß um 20,1 Prozent erhöhte, der für lose Haferflocken um 10 Prozent, der Preis für gepackte Haferflocken um 16,3 Prozent, der Preis für lose Schnitt- oder Bandnudeln um 10,2 und der Makkaronipreis um 10,8 Prozent. Das Preisniveau für Getreideerzeugnisse insgesamt hat sich danach etwa um 8—10 Prozent gehoben. Unterstellt man, daß der Anteil für Getreideerzeugnisse am Gesamtbudget der Preisindexziffer für die Lebenshaltung im Juni ungefähr 12 Prozent betrug, würde der gesamte Lebenshaltungsindex sich um 1—1,2 Prozent erhöht ha
ben, vorausgesetzt, daß sich Preisänderungen bei den anderen Waren oder Dienstleistungen nicht ergeben haben.
Das Bundesstatistische Amt wird im übrigen diese wöchentliche Schnellberichterstattung nunmehr auch auf Fleisch, Fett und Zucker ausdehnen.
Kompetenzaufteilung in der Devisenbewirtschaftung
FRANKFURT. Die Hohe Kommission hat soeben das Gesetz Nr. 33 über Devisenbewirtschaftungsfragen erlassen. Durch dieses Gesetz, das eine Lücke im westdeutschen Devisenrecht schließt, haben nunmehr Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister die Ermächtigung erhalten, Verwaltungsvorschriften und -anweisun- gen zu erlassen. Auf die Zuständigkeit in der Devisenüberwachung haben beide Minister bisher den Anspruch erhoben. Es besteht nunmehr
Wettlauf um Zucker
HAMBURG. Es ist eine ganze Reihe von Jahren her, daß der internationale Zuckermarkt in eine solche Bewegung geraten ist wie seit den Juli-Wochen, stellen letzte Berichte eines Zuk- kersachverständigen fest. In dieser kurzen Zeit hat eine Menge von 750 000 t Kuba-Zucker seinen Weg in Verteilungskanäle gefunden, begleitet von einem Preisanstieg für Rohzucker von nicht weniger als 1.65 Dollar für 100 (englische) Pfund.
Der Hauptgrund hierfür war der Käufersturm, der sich bald nach dem Ausbruch des Koreakonfliktes zeigte. Diese Einkaufswelle wurde durch Vorratskäufe hervorgerufen seitens gewisser Konsumländer, die Lücken für eine nahe oder etwas fernere Zeit zu füllen hatten und die ihren Bedarf gegen eine Unterbrechung der normalen Zufuhr sichern wollten. Andere fürchte
ten ganz einfach Preiserhöhungen in Verfolg einer allgemein erhöhten Nachfrage.
Der erhöhte Zuckerverbrauch in den USA für dieses Jahr hat in nicht geringem Maße zu der vermehrten Nachfrage nach Kubazucker geführt.
Da die Vorräte an Zucker jetzt schnell verschwinden, wird .es fraglich, ob auch nur der normale Bedarf einiger Länder voll befriedigt werden kann, ganz zu schweigen von der Dek- kung außergewöhnlicher Anforderungen solcher Länder, in welchen das Warenhorten jetzt im Gange ist.
Wenn die USA mit ihren 150 Mill. Einwohnern eine Hortungspolitik wie im Kriege betreiben sollten, so wird hierzu von britischer Seite festgestellt, so würden dadurch die verfügbaren Zuckerüberschüsse der westlichen Hemisphäre für 1950 absorbiert werden.
Wichtiges in Kürze Dieselkraftstoff nicht mehr schwarz
Aus der christlichen Welt
Nächstenliebe ohne Grenzen?
Keine Forderung wird heute so heftig an die Christen und die Kirche gerichtet, als die allseitige Erfüllung des Gebotes der Nächstenliebe. Mit vollem Recht. Daran soll man die Getreuen Christi erkennen, daß sie einander lieben. Nicht Aemter und Ehrenstellen zu verwalten ist die höchste Leistung der Jünger Christi, sondern der Dienst an den Brüdern. „Wer unter euch der Erste sein will, sei euer Diener.“ „Ein Gericht ohne Erbarmen ergeht über den, der kein Erbarmen geübt.“ Es genügt nicht, nur von Liebe zu reden oder bloß Mitleid zu zeigen, die christliche Gesinnung muß sich auch in der Tat äußern. „Tätige Liebe heilt alle Wunden“, ist ein geflügeltes Wort unserer Tage. Aber wird hierin oft nicht zuviel verlangt? Und dabei so einseitig immer nur vom andern, nicht ahnend, daß der Arme in seinem Bitten das Hauptgebot Christi genau so zu beachten hat, daß er nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Nächstenliebe ist und bleibt. Wenn die wahre Nächstenliebe auch nicht auf Dank und Anerkennung wartet, so darf sie doch auch keine Gelegenheit darstellen, sich Immerfort ausnützen zu lassen. Sie muß auch einmal hart sein können und eine Gabe verweigern, wenn das Beste in einem Menschen in Gefahr gerät oder wieder aufstehen soll. Nicht immer ist eine möglichst große Gabe Ausdruck •ufrichtiger Liebe und Mitsorge.
Denn die christliche Nächstenliebe strebt nicht nur die Erleichterung unserer irdischen Lebensverhältnisse an. Sie ist unzertrennlich mit der Gottesliebe verbunden, so sehr daß sie geradezu einen Beweis für deren Echtheit und Tiefe bietet. Das gilt von ihrem Quellgrund wie auch von ihrem Ziele. „Wenn einer den Bruder, den er sieht, nicht liebt, wie kann man ihm glauben, daß er Gott liebt, den er nicht sieht.“ Der Christ will durch seine Liebestat den anderen als Gottesgeschöpf heimholen und tiefer einführen in das Reich und die Liebe Gottes. Er stellt das Heil der Seele an die Spitze seines Strebens und Gebens und übersteigt damit wesentlich alle bloße Humanität, welche die irdische Wohlfahrt zuerst meint.
Wenn auch jeder Mensch uns der Nächste wer
den kann, so ist doch eine kleine Zahl von Allernächsten uns beigegeben in der eigenen Fa-, milie, in der Verwandtschaft, in einer edlen Freundschaft. Diesen sind wir besonders verpflichtet. Es wäre verkehrt, sich anderen so weitgehend zu widmen, das Vermögen so freigebig und unterschiedslos zu verteilen, daß die eigenen Angehörigen darunter leiden und darben. Die eigene Familie ist der erste und wichtigste Raum, in dem sich unsere Nächstenliebe auswirken muß. Wird sie hier geübt, dann strahlt sie auch weiter hinaus ideell und materiell. Sie verliert durch diese natürliche Abstufung nichts an Innigkeit und Weite, im Gegenteil, sie wird um so mehr zum Segen für die anderen, je mehr sie sich ihrer Grenzen und ihres Zieles bewußt bleibt. Dies sollten Gebende und Nehmende beachten. Hugo Rat'ngeb
Kriegsdienst kein christlicher Tribut
Zu den Fragen, ob dem Christen der Krieg und die Kriegsdienstverweigerung erlaubt seien, erklärte Landesbischof D. W u r m, er halte es für verfehlt, wenn von kirchlicher Seite Aeußerun- gen kämen, die als Abschwächung der uns drohenden Gefahr und als Unentschiedenheit in der Gegenwehr gedeutet werden könnten. Eine andere Frage sei freilich die, ob man den Dienst mit der Waffe für jeden verbindlich machen dürfe und solle. „In dieser Hinsicht“, sagte der Landesbischof, „ist man im evangelischen Deutschland unter dem Eindruck alles dessen, was über uns ergangen ist, nachdenklich und vorsichtig geworden. Jesus und seine Apostel rechnen zwar damit, daß es immer Kriege geben wird; ein utopischer Pazifismus, der den zeitweisen Ausbruch der elementaren Kräfte des Bösen in dieser Welt mit menschlichen Mitteln verhindern zu können glaubt, kann sich nicht auf sie berufen. Andererseits ist festzustellen, daß das Neue Testament den Kriegsdienst nicht zu dem Tribut rechnet, den der Christ der Obrigkeit schuldig ist. Es läßt die Möglichkeit offen, daß dem, der aus Gewissensgründen ein blutiges Handwerk einfach nicht verrichten kann, es auch nicht aufgezwungen werden darf. Es*gestattet aber auch dem, der sich ziur aktiven Teilnahme an dem Schutz seines Landes und Volkes verpflichtet weiß, ein gutes Gewissen zu haben.
Dem Einwand, daß die Möglichkeit der Verweigerung des Kriegsdienstes auch die Fahnenflucht aus niedrigen Motiven befördern und den Staat wehrlos machen könnte, ist entgegenzusetzen, daß es nur zur Verhütung der Kriege beitrage, wenn eine Regierung nur dann zu den Waffen greifen kann, wenn sie das Volk hinter sich hat.“
Rettet den Menschen
Wir warten schon lange auf das tätige Christentum, weil so viel gepredigt wird und doch so wenig zu spüren ist von den 95 */. Christen, die es in Deutschland geben soll. Gibt es so viele laue Christen? Gegen sie wird auf dem evangelischen Deutschen Kirchentag in Essen ein Generalangriff unternommen. Es geht um die Aktivierung der sog. Laienchristen, ohne die eine Kirche überhaupt nicht existieren kann. Und das Grundthema heißt: „Rettet den Menschen — seine Freiheit — seine Familie — seine Arbeit — seinen Glauben!“ — Es werden Vorträge gehalten, dann werden sich die Arbeitsgruppen über die schwerwiegenden Themen besinnen—damit jeder nach seiner Rückkehr, vielleicht mit einem neuen Verständnis des Daseins, aktiv in den christlichen Gemeinden mitarbeite.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag Essen dauert vom 23. bis 27. August. Für die vielen, die an der Tagung selbst nicht teilnehmen können, werden die westdeutschen Rundfunksender neben Zeitfunkkurzberichten ihrer zum Tagungsort entsandten Reporter unter dem Sammelthema: „Rettet den Menschen“ an folgenden Tagen Ue- bertragungen bringen: 23. August: 16.30—17.30 Eröffnungsempfang. 26. August: 18.30—19.00 Querschnitt durch die Besprechungen der Arbeitsgruppen. 27. August: 9.00—10.15 Gottesdienste; 16.00—17.30 Schlußfeier aus dem Essener Stadion.
Betet um den Frieden
ROTTENBURG. Bischof Dr. Karl Josef Leip- recht erließ dieser Tage einen Aufruf, ernstlich um den Frieden in der Welt zu beten. Es heißt darin: „Ueber fünf Jahre sind verflossen seit dem deutschen Zusammenbruch im Mai 1945, und immer noch ist kein Friede in der Welt. Heimtückisch wurde der sogenannte kalte Krieg entfesselt und genährt und schon wieder droht die
Kriegsfackel einen Weltbrand zu entfachen. Da darf es neben den Staatsmännern und Politikern nicht an Betern fehlen, die das Unheil von der bedrohten Menschheit abwenden. Erst vor einigen Tagen hat der Heilige Vater wieder zum wahren Frieden und zur wahren Eintracht aufgerufen. Er warnt vor den entsetzlichen Katastrophen, die ein neuer Weltkrieg zur Folge hätte. Die Völker und ihre Regierungen können das Unheil allein nicht verhindern, wenn Gott, der Herr über Leben und Tod, über Krieg und Frieden, nicht seine schützende Hand über uns hält. Bildet mit eurem Bischof eine große, gewaltige Prozession von Betern, dann wird und muß es gelingen, die Geißel eines künftigen Krieges abzuwenden.“
STUTTGART. Die Glockengießerei Kurtz, 1690 in Reutlingen gegründet, und seit 1803 in Stuttgart ansässig, konnte jetzt den 100. Glockenguß seit Kriegsende vollführen. Da bei einem Glok- kenguß etwa 10—15 Glocken entstehen, sind so seit Kriegsende ungefähr 1200 Glocken aus den Werkstätten der alten Firma hervorgegangen.
STUTTGART. Da zahlreiche Berichte von Kirchengemeinden der Ostzone auf den Mangel an Schuhwerk für Kinder hinweisen, wird das Evangelische Hilfswerk in den Westzonen eine Schuhsammlung für die Kinder der Ostzone beginnen.
STUTTGART. Nach zehnjähriger Unterbrechung begann am Mittwoch eine Sommertagung der Christengemeinschaft, an der über 2000 Personen, darunter Gäste aus den USA, aus England, Frankreich, Oesterreich, der Schweiz, Holland und den nordischen Staaten teilnehmen. Die Priestersynode ist vom 22. bis 30. August in Tübingen. Die Christengemeinschaft wurde von dem protestantischen Pfarrer Dr. Ritteimeyer gegründet und hat ihren Sitz in Stuttgart.
MARBURG. Von den 3200 Studierenden an der Marburger Universität des Sommersemesters 1950 gehörten 274 zur Theologischen Fakultät. Die Universität weist darauf hin, daß u. a. in der Evang. Theologischen Fakultät für das Wintersemester 1950/51 noch freie Studienplätze zur Verfügung stehen.