6. Jahrgang
Die £efefiunbe
Nummer 13*
Balzac öecEauft Soltaice
Gist Gruber
Vergebens war Balzac der angesehenste Romanschreiber von Paris; ständig war er in Geldverlegenheit, obwohl er sich neben der Schriftstellerei auch mit verschiedenen geschäftlichen Transaktionen versuchte. Phantasie besaß er in Ueberfluß, aber durchgeführt und verwertet wurden seine Ideen immer von anderen.
Mißmutig zog der Dichter jetzt die lichtgrauen, enganliegenden Pantalons an, schlüpfte in den dunkellila Frack, stülpte den grauen Zylinder auf den Kopf und nahm seinen berühmten Spazierstock mit den elfenbeinernen Nymphen unter den Arm. So angetan, spazierte er nach dem linken Seineufer, wo auf dem Gehsteig die Buchhändler in langen Reihen ihre Kostbarkeiten zur Schau stellten.
Hier hatte Balzac schon des öfteren wertvolle Ausgaben entdeckt. Er durchstöberte auch jetzt einen ganzen Haufen Bücher, ging unzufrieden weiter, blieb wieder vor einem der vollen Regale stehen und schnupperte. Endlich fand er zwei in rotes Leder gebundene Bände, durchblätterte sie nachlässig und fragte den jungen Verkäufer nach dem Preis.
„Hundert Francs, mein Herr... es ist eine überaus seltene Ausgabe.“
„Für ein solches Schundwerk wagen Sie hundert Francs zu begehren?“ fuhr ihn Balzac an. „Kaum fünfzig Jahre alt. ist es nichts
Richter Snob, in gestrengem Ton: „Angeklagter, Sie sind ein äußerst burtaler Mensch und verdienten, mit der Peitsche gezüchtigt zu werden. Eine schwache Frau so zu mißhandeln!“ Angeklagter: „Wenn Sie nur wüßten, Herr Richter, wie die Frau mich provoziert, dann würden Sie nicht so streng urteilen!“
Richter Snob: „Nun, was sagt sie denn?“ Angeklagter: „Sie schreit fortwährend: Versuch es nur einmal, mich zu schlagen! Wage es nur einmal, dann wehe Dir! Ich lasse Dich vor den kahlköpfigen, alten Esel, den Richter Snob, bringen. Der wird Dir die Gemeinheiten schon austreiben!“
Richter Snob, verlegen — und fast ein wenig beleidigt: „Der Angeklagte ist freigesprochen!“
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anderes als eine himmelschreiende Verhöhnung der herrlichsten Gestalt der glorreichen Geschichte Frankreichs; eine frivole Verspottung der Jeanne d’Arc. Hätte Voltaire nichts anderes als dieses Buch geschrieben, so verdiente er wahrlich den Galgen.“
Der junge Verkäufer blickte den fremden Kunden verwundert an. Wie konnte man nur auf Voltaire so erbittert sein?
„Sie wissen vielleicht nicht, mein Herr“ entgegnete er, „daß diese Ausgabe der „Pu- celle d'Orleans“ exkommuniziert und durch den Scharfrichter verbrannt wurde. Nur wenige Exemplare konnten gerettet werden ... .Hundert Francs ist wahrlich ein Spottpreis dafür.“
„So also preist ein Sohn der Grande Nation ein Werk, das durch Henkershand vernichtet werden mußte!“ unterbrach ihn Balzac. „Nehmen Sie zur Kenntnis, junger Freund: Es gibt keinen wahren Patrioten, der dieses Pamphlet in die Hand nehmen könnte, ohne daß ihm die Schamröte ins Gesicht stiege!“
„Ich überlasse es Ihnen für sechzig Francs“, murmelte er emgeschüchtert.
„Fünfzig — und keinen Centime mehr!“
Die 6d)lic£enfängei’
Von Johann Peter Hebel
Es gibt so wunderliche Herrschaften, daß es niemand bei ihnen aushalten könnte, wenn es nicht ebenso schlaues Gesinde gäbe.
Einer verlangte früh im Bette ein Glas Wasser von seinem Bedienten. Das Wasser war nicht frisch genug. „Geschwind ein anderes!“ Der Bediente stellte das Glas draußen auf den Tisch und holte dem Herrn ein zweites. Das Glas war noch nicht sauber genug. „Geschwind ein anderes!“ Der Bediente stellte es draußen auf den Tisch und holte ein drittes. Das Wasser war nicht rein genug. „Geschwind ein anderes!“ Der Bediente stellte das dritte auf den Tisch und brachte das erste wieder. Das trank sein Herr mit großem Gelüst. „Hättest du mir' dieses nicht gleich zuerst bringen können? Geschwind noch so eins!“ • Da brachte ihm der Bediente das zweite wieder, und also auch das dritte, und gestand nachher seinem Herrn, daß es immer das nämliche gewesen sei.
Ein anderer, ein junger Edelmann, hätte fürs Leben gern Freude gehabt am Morgenrot und am Vogelgesang untereinander, wenn er nicht noch größeres Vergnügen gefunden hätte am Schlafen. Deswegen befahl er seinem Bedienten, daß er ihn jeden Morgen um 5 Uhr wecken und keine Ruhe lassen sollte, bis, er aufstünde. „Und sollt’s bis zu Schlägen kommen“, sagte er, „aber es bleibt unter uns.“ Item zu Schlägen kam es fast allemal, aber wer sie davontrug, war der Bediente; und wars nicht früh um fünf, wenn er den Herrn weckte, so war es vormittags um zehn oder elf Uhr, wenn er ihn schlafen ließ, ausgenommen denn, der Bediente gebrauchte eine List. Eines Morgens, als der Herr noch so ganz fest zu schlafen schien, strich er ihm die Achsel und den Rücken, soweit er zukommen konnte, mit roter und blauer Farbe an und deckte ihn zu. Um zehn Uhr, als der Herr erwachte und die Sonne schon hoch über das Kirchendach herabschaute, fuhr er zornig aus dem Bett heraus und auf den Bedienten los: „Warum hast du mich heute nicht geweckt?“ „Hab ich heut nicht geweckt? Warum seid ihr nicht aufgestanden?“ „Warum hast du nicht Gewalt gebraucht?“ „Hab ich euch nicht braun und blau geschlagen? Beseht nur eure Achsel in dem Spiegel.“ Als aber der Herr in dem Spiegel die roten und blauen Striemen sah, ward sein Zorn zufrieden und legte sich. „Das laß dir gut sein“, sagte er zu dem Bedienten, „daß du mich so zerschlagen hast.“
„Mein Chef entläßt mich, wenn ich das tue.“
„Ich werde mit ihm selbst sprechen“, antwortete der Schriftsteller wohlwollend, „wir sind alte Bekannte.“
Balzac klemmte die beiden Bücher unter den Arm, überquerte die Straße und trat in den Laden des Buchhändlers.
„Herr Dambrun, was glauben Sie, was ich Ihnen da bringe“, begrüßte er herzlich den alten Antiquitätensammler, „eine seltene Ausgabe! Gucken Sie einmal her! „Pucelle“, gedruckt 1786 auf allerfeinstem Velinpapier mit wundervollen Kupferstichen. Sie können sich nicht vorstellen, wie schweren Herzens ich mich davon trenne.“
Der Antiquar prüfte eingehend die beiden Bände durch die dicke Brille.
„Wahrhaftig ein schönes Exemplar. Wenn ich nicht irre, habe ich dieselbe Ausgabe auf meinem Lager. Ich gebe Ihnen sechzig Francs dafür.“
„Ihr Angebot, Herr Dambrun, erfüllt mich mit tiefer Trauer“, erwiderte Balzac entrüstet. „Ist Frankreich so weit gesunken, daß seine Söhne den größten seiner Geister nicht mehr würdigen? Sechzig Francs —! Sehen Sie denn nicht die köstlichen Kupferstiche, dieses allerfeinste Pergament, das Saffianleder! Ein Kunststück, innen und außen ... Sechzig Francs für dieses in rotes Leder gebundene Prachtexemplar?“
„DieKuoferstiche sind v/' ’-’'h sehr schön“, gab der Buchhändler zu. „Bitte ich gebe Ihnen achtzig Francs, damit wir gute Freunde bleiben.. Ob ich aber so bald jemanden finden werde, der sich heutzutage noch so leidenschaftlich für Voltaire einsetzt, das ist eine andere Frage.“
Nachlässig steckte Balzac die Goldstücke ein und entfernte sich zufrieden. Auf der Straße winkte er den Verkäufer zu sich:
„Ihr Chef will nicht nachlassen. Hier haben Sie die sechzig Francs! Adieu, junger Mann!“
Der Verkäufer verbeugte sich tief, Balzac aber ging mit den überschüssigen zwanzig Francs in der Tasche weiter.
AUGUST
Wieder ist Fülle.
Der ruhenden Gärten gelassene Opfer ernten begnadete Zeit, und weit in den Tälern finden sich Früchte und Aehren in wiegender Stille.
Aber das Herz
spürt in der Fülle
die welkenden Kränze —
Erfüllung undi Ende der Zeit, und Angst ist uns wieder bereitet im immer lebendigen Wissen: wir wagen den Tod um zu reifen.
KAY HOFF
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Eine wahre Geschichte von C. F. D. Schubart
D’Argens sagte zum König Friedrich dem noch leben wird.“ Der Geistliche studierte Großen er wüßte einen Geistlichen, der weis- die Physiognomie des Soldaten und sagte end
sagen könne. „Möchte ihn sehen“, sagte der König und befahl, daß, sobald der Prophet kommen würde, ein zum Galgen verdammter Soldat vor seinem Zimmer Schildwache stehen sollte. Der Geistliche kam.
lieh: „Der Kerl wird in einem hohen Alter sterben.“ Laut lachend erwiderte der König: „Weiß er, Herr Weissager, daß ich diesen Kerl morgen henken lasse?“ Der Pfarrer blieb bei seinem Wort. Anbrach der Tag der Hin-
,Er kann weissagen“, sagte der König, „nun richtung; schon stand der Unglückliche am so sag er mir, wie lang die Schildwache da Pfahl des Todes: eine Karosse rollte vorbei
— die Herzogin von Braunschweig und Prinzessin Amalie wollten ihren königlichen Bruder mit einem Besuch überraschen. „Halt, was gibts hier? — Was hat der Kerl getan?“ — „Er ist desertiert.“ — „Ein paar Minuten Verzug bis auf weiteren Befehl.“
Die Prinzessinnen kamen nach Potsdam und wurden von Friedrich mit Bruderfreuden begrüßt „Oh, eh wir mehr sprechen, gewähren Sie uns eine Gnade, liebster Bruder! Sie können es tun, schwören sie uns, wollen Sie?“ Besiegt von dieser zärtlichen Zudringlichkeit, sagte der König: „Ich will’«! So sprecht!“
„Wir bitten um das Leben des armen Soldaten, der soeben gehenkt werden soll!“
Ein Kurier brachte dem Missetäter das lieben, und der weissagende Priester wurde königlich belohnt.
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REEMTSMA
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