6. Jahrgang
Mittwoch, 26. Juli 1950
Nummer 114
Faßt Vertrauen!
James Burnham: „Die Strategie des kalten Krieges“ ‘)
H. Sch. Wird Europa am Leben bleiben? Oder stehen wir vor dem Untergang des Abendlandes? Hat sich das Katastrophenzeitalter erfüllt? Die politische, ökonomische, moralische und seelische Unruhe der Welt nach dem zweiten Weltkrieg hat viele kluge Köpfe zu einer Überprüfung der friedlosen Weltverhältnisse von heute veranlaßt und dabei zu aufschlußreichen Analysen und Folgerungen für den Aufbau einer neuen demokratischen Weltordnung geführt. Seit Emery Rives „Anatomie des Friedens“ und Walter Lippmanns „Gesellschaft freier Menschen“ haben wir keine so klare, leidenschaftslose und überzeugende Zergliederung unserer weltpolitischen Situation gelesen als die James Burnhams, der sich als geistreicher amerikanischer Soziologe schon durch seine Bücher über „Das Regime der Manager“, „The Machiavellians“ und „The Struggle for the World“ ausgewiesen hat. In dem weltanschaulichen und machtpolitischen Gegensatz der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion hat sich der ehemals dem radikalen Marxismus nahestehende Verfasser eindeutig zu der Weltmission US-Amerikas bekannt, ohne daß er freilich die Gefahren der amerikanischen Außenpolitik für die Völker der freien Welt übersieht: er glaubt an die Niederlage des Weltkommunismus weiter von der Überlegenheit der amerikanischen Macht überzeugt ist!
Burnham meint, der Kampf gegen den Weltkommunismus erfordere, die traditionelle Strategie und Diplomatie aufzugeben, die Planung der Vereinigten Staaten gegen Moskau sei in allem unzulänglich, weil unzeitgemäß; sie sei nicht einheitlich, zu eng, zu einseitig defensiv und verwirrend, weil sich das Weiße Haus die Bolschewisten „in friedlichen Begriffen vorstelle, während jene in kriegerischen Begriffen denken und handeln“. Die Eindämmungspolitik ist deshalb kein Heilmittel, und es sei höchste Zeit, daß die Vereinigten Staaten auf dem Wege von der Versöhnungs- über dieEin- dämmungs- zur traditionswidrigen politischuntergründigen Angriffspolitik fortschreiten; denn „nur vor Festigkeit und Macht weichen die Sowjets zurück und sind zu Zugeständnissen bereit“
Moskaus größte Stärke ist die Persönlichkeit Stalins. Er ist nach Burnhams Meinung ein besonnener und geduldiger Mann; er hat niemals dazu geneigt, hastig, voreilig oder impulsiv zu handeln; er ist niemals große Risiken eingegangen, wenn er es vermeiden konnte. Aber den Vereinigten Staaten sind die „Eigenarten“ der bolschewistischen Kriegführung völlig fremd und die politische Unkenntnis und Leichtgläubigkeit der amerikanischen Geschäftsleute, Werksdirektoren. Ingenieure, Buchverleger u. a. sind eine Gefahr für die Kriegsstrategie US-Amerikas, deren mangel-
Gefährdetes Siesesdenkmal
Zeitzünderbomben in nächster Nähe
BERLIN. Das von den Sowjets in der Nähe des Brandenburger Tors im britischen Sektor Berlins kurz nach Kriegsende errichtete Siegesdenkmal ist durch eine 10-Zentner-Zeit- zünderbombe, die jetzt bei Planierungsarbeiten entdeckt wurde, gefährdet.
Nach Feststellungen von Feuerwerkern, die die völlig verrostete Bombe untersuchten, hat bisher nur ihre schräge Lage verhindert, daß die Zündsäure den Zündmechanismus noch nicht ausgelöst hat. Die Feuerwerker sehen in einer Sprengung an Ort und Stelle die einzige Möglichkeit, kein Menschenleben zu gefährden. Die Sowjets wiederum fordern, daß die Bombe mindestens 200 m vom Denkmal entfernt zur Explosion gebracht wird, weil sie befürchten, daß das Siegesmal, das ohne feste Fundamente auf den lockeren Boden gebaut wurde, bei der Sprengung schwer in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
haftes Verständnis des Wesens und der Taktik der Kommunisten die rein defensive Politik des containrtient (Eingitterung) erklärt.
Es hat immer Kriege und Depressionen, Hungersnöte und Revolutionen gegeben — die Menschheit hat sie überlebt. James Burnham macht Front gegen Spengler und Toynbee, gegen die Weltuntergangsstimmung, das Nachlassen des Lebenswillens, den Verlust des Gemeinschaftssinns, die'allgemeine Demoralisierung. Er glaubt an die unverbrauchte Jugendkraft der Vereinigten Staaten, aber sie bedürfe entschlossener Führung nach innen und außen,
um die Politik einer demokratischen Weltordnung erfolgreich durchzuführen. Es könnten genug Kräfte in der freien Welt für den Kampf gegen den Weltkommunismus mobilisiert werden, wenn man sich nur in Washington darauf verstände, sie propagandistisch zu „Widerstandsoperationen“ richtig einzusetzen. Burnhams Buch ist durch die Offenheit seiner Sprache peinlich für den Kommunismus, aber peinlich auch für das Weiße Haus; es ruft mit guten Gründen zum Vertrauen auf und legt der freien Menschheit nahe, sich seelisch und geistig von der katastrophischen Betrachtungsweise des Weltgeschehens freizumachen, denn die Krise sei eine Illusion und die Katastrophe ein Angstkomplex!
*) Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttg. 1950. Die amerikanische Originalausgabe trägt den Titel „The Coming Defeat of Communism“. 344 Seiten.
Wilhelm Keil zum 80. Geburtstag
Ehrung eines verdienten w ürttembergischen Politikers
em. Obwohl Wilhelm Keil, der heutige Landtagspräsident des Stuttgarter Parlaments, seit Beginn seines politischen Wirkens vor 60 Jahren stets ein Mann der SPD war, hat er doch in allen entscheidenden Taten seiner Laufbahn überparteilich gehandelt, das Ganze der von ihm ernstgenommenen Demokratie über partikulare Interessen gestellt, dem Fortschritt und der Freiheit gedient in einer so exemplarischen Weise, daß man ihn fast als den Typus eines Praktikers und eines dem versöhnenden Ausgleich lebenden Politikers nennen darf. Am 24. Juli durfte Keil seinen 80. Geburtstag feiern. Die Stuttgarter Regierung und der Landtag hatten ihn am Montag in einer glänzenden yersammlung geehrt; die Stadt seiner Wahl — er ist geborener Thüringer — ernannte ihn zum Ehrenbürger, und gab der Straße, in der er wohnt, seinen Namen.
In Keils Werdegang wird eine klare Linie offenkundig, die nicht ohne weiteres mit der Linie eines Parteidogmatikers in Einklang zu bringen ist. Als erster sozialdemokratischer Abgeordneter trat er in den Landtag König Wilhelrhs II. ein. Damals vertrat er das. was es heute im politischen Vokabularium nicht mehr gibt, das „marxistische Proletariat“. Er und seinesgleichen errangen sich durch unermüdliches, angestrengtes Einarbeiten in die fachlichen Disziplinen der Landtagsgegenstände die Achtung der rein bürgerlichen Minister des Königs. Was der SPD-Opposition im Königreich die Gunst der Massen Sicherte, war nicht ihr Marxismus, den sie längst in einen Re-
Nachriditen aus aller Welt
DÜSSELDORF. 58 deutsche Kommunisten, die den Kurs Moskaus ablehnen, wählten am vergangenen Sonntag in Düsseldorf einen Zehnerausschuß zur Bildung einer „Unabhängigen Arbeiterpartei Deutschlands“.
DÜSSELDORF. Wie am Montag aus unterrichteten Kreisen verlautete, will sich die CDU bei der Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen mit der „Kleinstkoalition“ CDU-Zentrum begnügen, nachdem die Verhandlungen mit der SPD und der FDP ergebnislos geblieben sind.
HELMSTEDT. Vier Personen, die versuchten, eine größere Menge Uran (etwa 1 kg, im Werte von mehreren Millionen DM) in die Ostzone zu bringen, wurden am vergangenen Wochenende von der Grenzpolizei festgenommen.
BERLIN. Der Westberliner „Kurier“ berichtete am Dienstag, der Führungsausschuß der liberaldemokratischen Partei in der Ostzone habe den bisherigen Parteivorsitzenden und stellvertretenden Ministerpräsidenten Prof. Dr. Hermann Kästner abgerufen. Alle sechs Landesverbände hätten sjch geweigert, Kästner als Kandidaten für die Oktoberwahlen zu nominieren.
BERLIN. Ueber das vergangene Wochenende sind 13 Volkspolizisten nach Westberlin geflüchtet und haben dort um Asylrecht gebeten. Damit erhöhte sich die Zahl der seit 1. Juli geflohenen Volkspolizisten, die sich in Westberlin meldeten, auf 63.
formismus umgewandelt hatte, sondern ihr sachlich-nüchternes Mitarbeiten, das zu langsamen Erfolgen führte, an den allgemein wichtigen staatlichen Aufgaben.
Im November 1918 kam Keils große Stunde und zugleich seine Bewährung vor der Demokratie. Er und seine Parteifreunde begrüßten die republikanische Staatsform, ohne gegen die abdankende Monarchie eine feindselige Haltung einzunehmen. Ja sie taten mehr. Sie verhinderten das Aufkommen des Radikalismus im Sinne Lenins. Keil und Bloß bekannten sich in wichtiger Stunde zur parlamentarischen Demokratie und damit zur schwäbischen Tradition. Das Zentrum und die Demokratische Partei wurden von Keil aufgefordert, nach Abdankung des Königs und seiner Regierung zusammen mit der SPD eine neue Regierung zu bilden, die in ihren Grundelementen bis 1933 funktioniert hat und nach der Hitlerkatastrophe sich im nämlichen Geiste der achtungsvollen Zusammenarbeit der Parteien neu konstituierte.
So ist Keil in der politischen Geschichte des Landes Württemberg eine jener Persönlichkeiten geworden, die über die engere und notwendige Parteiarbeit hinweg in die Sphäre des Politischen und Staatsmännischen emporgewachsen ist, ein Beispiel des Ernstes, der Zuverlässigkeit, des Fleißes und der Vernunft, wie es aus den Reihen der deutschen Schüler August Bebels auch in nichtwürttembergischen Staatsgebieten gekommen ist.
ISTANBUL. In Smyrna wurden dieser Tage Vierlinge geboren. Der Junge erhielt den Namen Freiheit, die drei Mädchen wurden Gleichheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit benannt.
SYDNEY. Bei einer Unwetterkatastrophe in Neusüdwales (Australien) sind 200 000 Schafe umgekommen.
HALIFAX. Der Chef der kanadischen Atlantikflotte, Konteradmiral Mainguy, gab am Montag bekannt, zwei Fregatten und eine Spezialeinheit suchten nach einem U-Boot unbekannter Nationalität, dessen Auftauchen in kanadischen Küstengewässern gemeldet worden war.
SAIGON. Der französische Hohe Kommissar in Indochina hat den Vietminh-Aufständischen angeboten, Verhandlungen über den Austausch von Gefangenen zu eröffnen. In französischer Hand befinden sich zurzeit rund 20 000.
COCOA (Florida). Von einer britisch-amerikanischen Versuchsstation bei Florida wurde am Montagnachmittag eine zweistufige Rakete über eine neue Versuchsstrecke über den Atlantischen Ozean abgeschossen. Man erwartet, daß man damit Entfernungen von über 400 km überbrücken kann. Die 12 t schwere ferngelenkte Rakete wurde schließlich durch Fernzündung mehrere tausend Meter über dem Meer zur Explosion gebracht.
WASHINGTON. Die Bevölkerungszahl der USA beträgt nunmehr über 150 Millionen. Die amerikanische Bevölkerung hat sich in den letzten 50 Jahren fast verdoppelt.
Die Partei, die Partei...
cz „Obwohl Suslow“ — Generalsekretär der kommunistischen Partei der Sowjetunion —‘ „russisch sprach, wurden seine Ausführungen von begeisterten Ovationen unterbrochen.“ Tosender Beifall — rhythmisches Händeklatschen Und anschließend das obligate Telegramm an den „teuren Genossen Stalin“ zur Uebermittlung der „herzlichsten und brüderlichsten“ Grüße. Zwischendurch eine Delegation Volkspolizei, deren Sprecher die deutsche Sowjet(zonen)republik gegen „imperialistische Agenten und Kriegsprovokateure“ zu schützen verspricht und berichtet, jeder Volkspolizist werde zu einem „glühenden Patrioten“ erzogen, der bereit sei, „notfalls sein Leben nicht zu schonen“. Die Volkspolizei sei ein „treuer Freund“ der Sowjetunion und werde im Falle eines „Angriffs“ (wessen?) an der Seite der Sowjetunion kämpfen. Bevor die Delegation abrückt, noch ein „kräftiges dreifaches Hurra“ — recht zackig hoffentlich — auf Stalin und die Rote Armee.
Und sonst die alten Schlagworte: „Spal- tungs, Kolonisierungs- und Kriegspolitik des anglo-amerikanischen Imperialismus“, „Fronherrschaft der Hohen Kommissare“, „Verräter Heuß, Adenauer und Schumacher“ usw. Nehmen wir noch als letztes hinzu, daß nach sowjetischem Vorbild in der deutschen Ostzone jetzt auch die Auszeichnungen „Held der Arbeit“, „Verdienter Aktivist“, „Meisterhäuer“ und „Verdienter Bergmann“ eingeführt werden, dann weiß man über den dritten SED- Parteitag in Berlin das meiste und kann sich den Rest beinahe selbst zusammenreimen, vom Anspruch auf das Saargebiet — dies nach Abschluß der Verträge über die Oder-Neiße- Linie — bis zum Kampfprogramm für das Bundesgebiet, wo eine „Atmosphäre des Abscheus und des Hasses gegen die amerikanischen Mörder entfacht“ werden soll.
Gegenüber solchen Meisterstücken an Demagogie verblaßt schon beinahe, was das NS- Regime in dieser Hinsicht aufzubieten hatte. Der byzantinistische Hitlerkult kann mit der Stalin-Anbetung keinesfalls sich messen.
„Parteitag des Kampfes um den Frieden“ nennt man das. Nun 1939 hieß es in Nürnberg auch „Parteitag des Friedens“. Eine ganz neue Parteihymne gab es auclj: „Die Partei, die Partei hat immer Recht... aus Lenins Geist wächst, von Stalin geschweißt, die Partei, die Partei, die Partei“.
Und das sollen wir im Westen natürlich auch bekommen: Die Partei, die Partei, die Partei. So wurde wenigstens in Berlin angekündigt. Ohne uns!
Die territoriale Neugliederung
Studienkommission des Bundes gefordert
WEINHEIM (Bergstraße). Etwa 60 maßgebende Politiker und Wissenschaftler, die am vergangenen Wochenende in Weinheim a. d. Bergstraße zu einer Arbeitstagung des Frankfurter Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten zusammengekommen waren^ forderten die Bildung einer Studienkommision durch die Bundesregierung, die das Gesamtproblem der endgültigen territorialen Gliederung des Bundesgebiets untersuchen soll. Die Tagungsteilnehmer vertraten die Ansicht, daß bestimmte Probleme der Neugliederung schon jetzt entscheidungsreif seien. Dazu gehöre die Bildung des Südweststaates, die Neugliederung des Gebietes von Rheinland-Pfalz mit Anschluß der Pfalz an die angrenzenden rechtsrheinischen Gebiete und die Ueberfüh- rung Schleswig-Holsteins in ein größeres Staatsgebilde.
An der Tagung nahmen u. a. der Vizepräsident des Bundestages, Prof. Dr. Karl Schmid, der hessische Innenminister Heinrich Zinnkamm und der schleswig-holsteinische Innenminister Wilhelm Käber, teil.
BISERTA. Der französische Flugzeugträger „Dixmuide“ traf am Montag im Hafen von Bi- serta mit fünfzig amerikanischen Flugzeugen ein, die im Rahmen des Waffenhilfeprogramms an Frankreich geliefert wurden.
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ROMAN
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2 0. Fortsetzung
„Danach scheint er Ihre Tochter zu lieben?“
„Soweit man bei ihm von Liebe sprechen kann, gewiß! Zu seinem Leidwesen erwidert Margot seine Gefühle nicht! Anfangs mokierte sie sich über die hartnäckige Art, ihr immer auf den Fersen zu bleiben, sie ließ es den Baron auch deutlich merken — aber er war nicht abzuweisen! Mit der Zeit gewöhnte meine Tochter sich daran, daß er immer um sie ist,“ Thomaschek lachte, „er ist sozusagen ein Zeitvertreib für sie, wenn sie Langeweile hat. ein nie versagender Kavalier, über den sie ganz nach Wunsch und Laune verfügen kann!“
Lauren schüttelte den Kopf.
„Mein Fall wäre das nicht!"
„Das glaube ich Ihnen aufs Wort, Herr Lauren! Sie sehen nicht danach aus, als ob Sie eine derartige Rolle wie der Baron spielen würden!“
Nach einer Weile erschien Hasse bei den beiden Herren.
„Das gnädige Fräulein bittet Herrn Lauren, für einige Minuten auf die Terrasse zu kommen!“ sagte er mit unbeweglicher Miene; und zu dem Hausherrn gewandt: „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
Ich wüßte nicht, was mir, lieber wäre, Baron!“
Sehr überraschend war Margot Thomascheks Aufforderung für Lauren gekommen. Was mochte sie von ihm wollen?
Sie lehnte, als er die Terrasse betrat, regungslos in ihrem Sessel; das Licht der Lampe, die auf dem Tische stand, schien ihre Züge etwas zu beleben.
„Gnädiges Fräulein wünschen mich zu sprechen?"
Mit kurzer Handbewegung lud sie ihn ein, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Dann sagte sie, ihre Stimme klang genau so unbeteiligt wie sonst:
„Warum kümmern Sie sich gar nicht um mich, Herr Lauren?
Diese Frage hatte er nicht erwartet; im ersten Augenblick war er um eine Antwort verlegen.
„Ich glaubte Sie in so anregender Gesellschaft, gnädiges Fräulein, daß ich nicht stören wollte; zudem unterhielt ich mich gerade mit Ihrem Herrn Vater so glänzend...“
„Sie hätten trotzdem mich darüber nicht ganz zu vernachlässigen brauchen!“ unterbrach sie ihn. „Sind Sie Damen gegenüber immer so ungalant?“
Lauren stieg das Blut zu Kopfe.
Was fiel Margot Thomaschek ein, ihn in dieser Weise abzukanzeln? Zuerst behandelte sie ihn von oben herab, wie einen lästigen Fremden — — wenn er dann nicht in Aufmerksamkeit für sie überfloß, zog er sich ihr Ungnade zu.
Da war sie bei ihm an den Unrechten geraten! Baron von Hasse mochte nach ihrer Pfeife tanzen, vielleicht war sie es auch von anderen Verehrern, an denen es ihr bei ihrem Reichtum sicher nicht mangelte, .gewöhnt, daß sie sich nach ihren kapriziösen Launen richteten — — er würde ihr die gebührende Antwort nicht schuldig bleiben!
„Ich glaube kaum, daß ich bisher Damen gegenüber als ungalant galt, wenigstens wurde dieser Vorwurf mir bisher nicht ge- 'macht; dies blieb Ihnen Vorbehalten, gnädiges Fräulein!“ erwiderte er kalt. „Im übrigen
würde ich es natürlich außerordentlich bedauern, wenn ich mir durch mein Verhalten Ihre Ungnade zugezogen hätte!“
So — das war deutlich genug! Wenn die hochmütige Dame jetzt, empört aufstehen und davonrauschen würde, sollte es ihn nicht wundern!
Aber nichts dergleichen geschah.
Margot Thomaschek sagte, als ob nichts zwischen ihnen vorgefallen sei:
„Würden Sie mir drinnen die Zigaretten holen, Herr Lauren?“
„Darf ich Ihnen eine von den meinigen geben?“
„Danke_ ich rauche nur meine eigene
Marke!“
„Wie Sie wünschen!“
Er brachte ihr die Dose mit den Zigaretten und reichte ihr Feuer.
Sie machte einige Züge, dann sagte sie leichthin:
„Sie sind Ingenieur. Herr Lauren?“
Ein heißer Strom jagte Lauren zum Herzen. Jenes Zusammensein mit Maud Smith in den Dünen, als er ihr von seinem Beruf erzählt hatte, war ihm eingefallen. Mauds Bild stand greifbar vor ihm ... alles andere war ihm versunken ...
..Ja...“, antwortete er und zwang sich zur Wirklichkeit zurück.
„Mein Vater sprach davon, daß Sie in Ihrem väterlichen'Unternehmen tätig seien; er erfuhr es, glaube ich, von Frau Munck. Es ist eine kleine Fabrik, nicht, wahr?“
■ •Ganz so klein, wie Sie annehmen, ist unser Betrieb nundoch nicht“,entgegnete er,aufs neue ärgerlich geworden. „In normalen Zeiten beschäftigen wir immerhin vierhundert Leute . . .“
„Vierhundert?“ unterbrach sie ihn in hörbarer Geringschätzung. „Mein Vater hat in seinen verschiedenen Unternehmungen viele tausend Arbeiter!“
Darauf also lief das Gespräch hinaus! dachte Lauren; für die vorherige Abfuhr suchte Margot Thomaschek sich jetzt dadurch schadlos zu halten, daß sie. die Tochter des allmächtigen Auto-Industrieller., ihm zu Gemüte führte, wie wenig er in ihren Augen bedeutete!
„Ich glaube, daß es nicht entscheidend ist. wie groß oder klein ein Betrieb ist. sondern daß man dort, wo man steht, seine Pflicht erfüllt! Ob es sich dabei um ein Unternehmen von vierhundert oder vierzigtausend Arbeitern handelt, ist meines Erachtens nicht ausschlaggebend!“
Fast feindselig hatte Lauren zum Schluß gesprochen. Zum Donnerwetter — er war doch nicht hierher gekommen, um sich derart behandeln zu lassen!
Margot Thomaschek lacht spöttisch auf.
„Sie scheinen sehr empfindlich zu sein. Herr Lauren!“ Er lehnte sich vor.
„Empfindlich bin ich keineswegs; nur wehre ich mich dagegen, wenn versucht werden soll, mich oder meine berufliche Stellung herabzusetzen!“
Die hochmütige Ueberlegenheit in Margot Thomascheks Zügen war einem erstaunten Ausdruck gewichen, als begreife sie, was soeben geschehen war. nicht
„Ich wollte Ihnen nicht zunahe treten. Herr Lauren“, kam es widerstrebend über ihre Lippen. (Fortsetzung folgt.)