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HEIMATBOTE FÜR DEN BEZIRK NAGOLD

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MONTAG, 17. JULI 1950

ÜBERPARTEILICHE HEIMATZEITUNG 6 . Jahrgang/nr. 109

Stalin antwortet Nehru

Indien gegen Verquickung verschiedener politischer Probleme

MOSKAU. Generalissimus Stalin hat die persönliche Botschaft des indischen Premier­ministers Pandit Nehru vom Donnerstag vergangener Woche am Samstag in einem Brief be­antwortet. Der stellvertretende sowjetische Außenminister Gromyko überreichte im so­wjetischen Außenministerium dem indischen Botschafter die sowjetische Antwort, die sofort telegraphisch Pandit Nehru übermittelt wurde.

Ueber den Inhalt des Schreibens Stalins an Pandit Nehru ist noch nichts Näheres be­kannt geworden.

Das persönliche Schreiben des indischen Ministerpräsidenten an Stalin, dessen Text bisher gleichfalls noch nicht veröffentlicht wurde, enthält nach Aussagen von zuständi­ger Seite die Feststellung, daß die Zulassung des kommunistischen Chinas zu den UN als der erste Schritt zu einer schnellen Beendi­gung des Krieges in Korea angesehen wer­den könnte. Wenn erst Peking in den UN vertreten sei. werde die Sowjetunion den Boy­kott dieser Weltorganisation beenden und dann könne in Korea unter der Autorität der Vereinten Nationen vermittelt und die Gefahr einer Ausbreitung des Koreakonflikts vermin­dert werden.

Pandit Nehru soll in seinem Schreiben den Standpunkt vertreten haben, daß die Frage der Vertretung Chinas in der UN und der Konflikt in Korea getrennt behandelt werden müßten. Nur durch Amerikas Entscheidung, Formosa gegen jeden Angriff der chinesischen Kommunisten zu schützen, eine Entscheidung, die Indien mißbillige, sei die Frage der chi­nesischen Vertretung in der UN indirekt mit Korea verquickt worden.

Schließlich wird berichtet, der indische Pre­mierminister habe in seinen Botschaften an Generalissimus Stalin und den Außenminister

der USA, Dean Acheson, die Wiedervereinigung Koreas und freie Wahlen im ganzen Lande an­geregt.

Nach indischer Auffassung hängt viel da­von ab, ob die USA den Versuch machen wer­den, im Sicherheitsrat die ihnen befreundeten Nationen bei der Abstimmung über Pekings Antrag auf Mitgliedschaft bei der UN zu be­einflussen, oder ob die USA darauf bestehen,

daß die Kampfhandlungen in Korea zuerst eingestellt und die nordkoreanischen Truppen bis zum 38. Breitengrad zurückgezogen wer­den. In letzterem Falle könnten die Sowjets allen Friedensbestrebungen in der Koreafrage mit dem Einwand begegnen, daß der Kampf eine innerkoreanische Angelegenheit und eine Einmischung von außen nicht berechtigt sei.

Am Samstag richtete der indische Minister­präsident nunmehr auch an den britischen Premierminister Attlee eine Botschaft, die sich mit der Koreafrage befaßt.

Nach Meldungen aus Washington sind die USA nach wie vor ge"cn die Zulassung der Volks­republik China zu den UN.

Der Kum überschritten

Taejon bedroht / Teilmobilisierung der USA bevorstehend?

TAEJON. Nordkoreamsche Verbände haben am Samstag die linke Flanke der amerikani­schen Verteidigungsstellungen am Kumfluß aufgerollt und die Amerikaner auf neue Linien zurückgedrängt, gab ein Sprecher des ameri­kanischen Fronthauptquartiers bekannt. Der linke Flügel der amerikanischen Stellungen ist bis westlich Taejon zurückgeworfen wor­den. Im Nordwesten der Stadt halten sich die amerikanischen Einheiten in vorbereiteten Stellungen.

Der von den Kommunisten am Südufer des Kumflusses errichtete Brückenkopf konnte, wie aus dem Samstag-Kommunique McArthurs hervorgeht, trotz heftigen amerikanischen Ar-

Beratungen über Subventionen

Kontroverse FDP-CDU / Programm des Bauernverbandes

BONN. Der Beschluß des Bundestages, die bisherigen Subventionen für Brotgetreide und Düngemittel fortzuführen (nur in einem Teil der letzten Ausgabe gemeldet), hatte am Sams­tag längere Ressortbesprechungen zwischen Vizekanzler Blücher und Finanzminister Schäffer zur Folge. Die ursprünglich vor­gesehene Sondersitzung des Kabinetts nach der Niederlage in der Brotpreisfrage wurde nicht abgehalten. Ein Sprecher der Regierung erklärte zu dem Bundestagsbeschluß, das Ka­binett sei von dieser Entwicklungvöllig über­rascht worden.

In einer Erklärung der Bundestagsfrakticn der FDP kam zum Ausdruck, der Beschluß, die Brotgetreidesubventionierung fortzufüh­ren, überlasse der Bundesregierung die Sorge, wo sie die 600 Millionen DM für die Subven­tionierung hernehmen solle. Die Erklärung wandte sich insbesondere gegen die Haltung der CDU Seitens der CDU/CSU wurde fest- gestellt, man habe sich lediglich hinter die Er­klärung des Bundeskanzlers gestellt, der ver­sprochen habe, daß der Brotpreis nicht erhöht würde.

Wie am Sonntag aus Bonner Regierungskrei­sen bekannt wurde, haben es die einzelnen Bundesländer abgelehnt, gegen eine Brotpreis­erhöhung einzuschreiten. Nach Angaben des Bundesernährungsministeriums haben die Lan­desbehörden übereinstimmend erklärt, daß ihnen keine Vorschrift bekannt sei, die ihr Ein­schreiten rechtfertigen würde.

Ueber 3000 Bauern aus dem Bundesgebiet protestierten am Samstag gegen die Wirt­schaftspolitik der Bundesregierung, des Bun­destages und des Bundesrats, die die Lebens­interessen des Bauerntums ernsthaft gefähr­de. In einem Zwölfpunkteprogramm wurde

Korea nur ein Aspekt

Churchill glaubt nicht an Krieg

PLYMOUTH. Winston Churchill er­klärte am Samstag, der sowjetische Druck auf der ganzen Welt stelle heute für den Westen die ernsteste Bedrohung seit dem Jahre 1940 dar, als Hitler kurz vor dem Sieg zu stehen schien. DieFörderung und Lenkung ^ des Krieges in Korea durch die Kommunisten sei nur ein Aspekt eines globalen Feldzugs zur Erringung der Weltherrschaft.

Mit dem Hinweis auf 1940 habe er jedoch nicht behaupten wollen, so fuhr Churchill fort, daß der Krieg vor der Türe stehe. Er persönlich glaube nicht daran, daß es jetzt zum Krieg komme. Die 13 oder 14 maßgeben­den Männer im Kreml ließen sich nicht von den Ereignissen treiben, sondern verfolgten vielmehr eine ganz bestimmte Politik, deren Ziel erkennbar sei. Der Zeitpunkt, zu dem sie ihre Weltherrschaftspläne ausführen wollten, lasse sich jedoch nicht Voraussagen.

Er, Churchill, sei nicht der Ansicht, daß das, was in Korea geschehe, die Gefahr eines drit­ten Weltkrieges vergrößere:Diese Gefahr war schon vorher groß, sie ist uns jetzt nur näher gerückt.

gefordert, daß ausreichende landwirtschaft­liche Preise und Löhne gesichert würden, da­mit die Ernährung des deutschen Volkes so­weit wie möglich aus der heimischen Scholle gewährleistet sei. Die Erhaltung des gegen­wärtigen Preisniveaus der Phosphatdüngemit­tel wurde als Mindestforderung bezeichnet. Die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse solle auf den echten Bedarf beschränkt, die Einfuhr von Gbst und Gemüse sofort einge­stellt werden. Ferner wurde eine variable Mar­garineausgleichsabgabe verlangt, die zurzeit mindestens 50 Pfg. pro Kilo betragen müsse.

Andere Forderungen des Programms sind eine fühlbare Senkung der Einkommen- und Umsatzsteuer für die nichtbuchführenden Land­wirte, sowie die Ablösung der für die Land­wirtschaftuntragbaren Soforthilfe durch den endgültigen Lastenausgleich, der die Landwirt­schaft jährlich höchstens mit 1 Prozent des Reinvermögens belasten dürfe.

tilleriefeuers und rollenden Lufteinsatzes nicht zerschlagen werden; dagegen gelang es den Nordkoreanem, noch einen zweiten Brücken­kopf zu bilden. Weitere Versuche, den Fluß zu überschreiten, sind verhindert worden.

Amerikanische Streitkräfte haben am Sams­tag erstmals ein Landungsunternehmen ander Ostküste Koreas durchgeführt. Zweck des Un­ternehmens war es, die nach der Hafenstadt Pusan, dem Hauptnachschubzentrum der Ame­rikaner, führende Küstenstraße durch Spren­gung für nordkoreanische Panzerwagenkolon­nen unbrauchbar zu machen.

Amerikanische Militärsachverständige er­klärten am Samstag, der Krieg in Korea werde die USA nach vorläufigen Schätzungen etwa 5 Milliarden Dollar kosten. Man glaube, daß der Koreakonflikt innerhalb eines Jahres er­folgreich beendet werden könne. Der wahr­scheinliche Termin für den Beginn einer um­fassenden Gegenoffensive sei der 15, Septem­ber. Bei den Schätzungen über die entstehen­den Kosten geht man davon aus, daß weder die Sowjetunion noch die chinesische Volks­republik mit starken eigenen Truppenverbän­den in den Kampf eingreifen.

Hohe amerikanische Regierungsbeamte in Washington erklärten am Samstag, Präsident Truman werde dem Kongreß bis Mitte die­ser Woche eine Sonderbotschaft mit der Bitte um die Ermächtigung und die Mittel für ein Teilmobilisierungsprogramm übersenden. Es wird damit gerechnet, daß Truman die zusätz­liche Bewilligung von 2 bis 6 Milliarden Dol­lar für den Militärhaushalt, die Einberufung von sechs bis neun Divisionen Nationalgarde, die Einziehung einer gewissen Anzahl von An­gehörigen des Reservekorps, die Reaktivierung von mindestens zwei Divisionen der regulären Armee, größere Vollmachten zur Vergebung von Rüstungsaufträgen und die Erteilung der Genehmigung, Reserven an Mangelrohstoffen anzulegen, fordern wird.

Lockerung der Grenzen

Papst Pius für Vereinigtes Europa

ROM. Papst Pius XII. äußerte am Sams­tag vor 200 Juristen aus aller Welt, der Eu­roparat und andere Bewegungen zur Vereini­gung Europas erforderten eine Lockerung der geographischen Grenzen. Die Idee des Verei­nigten Europa sei Ausdruck der Notwendig­keit, die alte Starrheit der geographischen Grenzen sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu beseitigen oder zumindest zu lockprn. Die Kriegsfolgen, Uebervölkerung und Arbeitslosigkeit hätten in vielen Gebieten eine Bewegung der Völker verursacht, die für die kommenden 50 Jahre vielleicht bedeutungsvoller sein werde, als die einstige Auswanderung nach Amerika.

Besatzungssdiädeii

Alliiertes Gesetz in Vorbereitung

BONN. Die Alliierte Hohe Kommission be­reitet gegenwärtig ein Gesetz über die Besat- zungs- und Belegungsschäden vor, teilte das Bundesfinanzministerium am vergangenen Wo­chenende mit. Das neue Gesetz werde eine ein­heitliche Regelung für das gesamte Bundes­gebiet schaffen. Alle ab 1. August entstandenen Schäden sollen in der französischen Besatzungs­zone wie in den beiden anderen Westzonen Berücksichtigung finden Sachschäden aus der Zeit vor der Währungsreform würden entspre­chend dem Umstellungsgesetz abgewertet, während Geldentschädigungen für Unfälle, die- den Tod oder eine dauernde Behinderung zur Folge hatten, im Verhältnis 1 DM für 1 RM gezahlt werden sollen.

Lügenhafte Beschuldigung

Ostzonenreaktion auf Kriegsgefangenennote

BERLIN. Der SED-Pressedienst bezeichnete am Samstag in einem Kommentar zu der in einem Teil der letzten Ausgabe gemeldeten

neuerlichen Kriegsgefangenennote der West­mächte an die Sowjetunion die Feststellung, daß die UdSSR noch mehrere zehntausend deutsche Kriegsgefangene unrechtmäßig zu­rückhalte, alslügenhafte -Beschuldigung. Der Vorschlag, eine internationale Kommission zur Ueberprüfung des Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion zu,bil­den, sei eineunverschämte Forderung. .

Die neuen Protestnoten der Westmächte wur­den erst nach monatelangen Verhandlungen fertiggestellt. Im Gegensatz zu früheren An­gaben war nur von einigen zehntausend deut­scher Kriegsgefangener die Rede. Zuständige britische Kreise gaben dazu an, daß diese Schätzungen auf deutschen Zahlenangaben be­ruhen. Ein Sprecher des amerikanischen Hohen Kommissariats erklärte am Samstag in Frank­furt, falls die Sowjetunion die Note unbeant­wortet ließe, würden neue Schritte unternom­men.

Ueberprüfung ostzonaler Urteile

Justizminister tagten in Berlin.

BERLIN. Auf der zweitägigen Konferenz der westdeutschen Justizminister, die am Samstag in Berlin ihren Abschluß fand, wurde beschlos­sen, ostzonale Urteile künftig in der Bundes­republik nur dann zu vollstrecken, wenn eine verwaltungsmäßige Prüfung ergeben hat, daß Urteile den rechtsstaatlichen Grundsätzen oder der Verfassung nicht widersprechen. Ausliefe­rungsgesuche ostzonaler Staatsanwaltschaften sollen überprüft und stets verweigert werden, wenn sich herausstellt, daß die Auslieferung aus politischen Gründen beantragt wurde.

Uebereinstimmend betonten die Justizmini­ster, daß zur Vermeidung von Rechtsverwir­rungen eine möglichst enge Zusammenarbeit mit den Justizbehörden der Ostzone wünschens­wert sei, was jedoch keine Anerkennung der Legalität der Sowjetzone bedeute, sondern le­diglich die Würdigung eines Faktums dar­stelle.

Staatsfreudigkeit

Von Dr. Axel v. Harnadc

Wieviel Mißvergnügen wird unserem sich mühevoll aus chaotischen Zuständen heraus entwickelnden Staate entgegengebracht! Welch utopische Wünsche werden geäußert, welche Schnelligkeit verlangt für die Beseitigung von Kriegsfolgen, welche Kräfte werden ihm in übertriebener Weise zugesebrieben und dann wird bemängelt, daß er sie nicht wirk­sam werden läßt!

Kann man sich den Zustand der .Staats­freudigkeit 1 noch vorstellen? Er stellt etwa das Gegenstück zum .Mißvergnügen 1 dar. Hat es in Deutschland je einen solchen gegeben? Pro­fessor Dr. K. Schmid hat über Jugend und Partei in Nr. 90 dieser Zeitung in besonders eindringlicher Weise gesprochen und ist dabei von seinen Erfahrungen als Parteiführer aus­gegangen. Eine geschichtliche Betrachtung, die seinen wertvollen Aufsatz ergänzen möge, ge­langt zu ähnlichen Ergebnissen.

Die heutige Jugend kennt Staatsfreudigkeit nicht mehr. Man muß schon recht weit, näm­lich bis in den Anfang dieses Jahrhunderts, zurückgehen, um in Deutschland eine Lage zu entdecken, in der weiteste Kreise dem Staate positiv und freudig gegenüber standen und gerne an ihm arbeiteten. Dieser Zustand war angesichts der Haltung des Bürgertums vor 1914 weitgehend erreicht. Bei aller Würdigung der schweren Belastung des Staatslebens durch die Sozialdemokratie muß man sagen, daß damals mehr als ein einigermaßen ausge­glichener, ja, ein befriedigter Zustand herrschte, daß auch in der Arbeiterschaft, wie ihre Hal­tung im Jahre 1914 erwies, viel lebendige Staatsgesinnung steckte. Wer sich der dama­ligen Zeit erinnert, dem wird beim Zurück­denken klar sein, daß die Freudigkeit auf ei­ner ganz deutlich empfundenen Grundstim­mung beruhte. Es war die Sicherheit. Man traute dem Zustand des Staates Dauer und Kraft zu. An den sozialistischen Zukunftsstaat in naher Verwirklichung glaubten nur sehr wenige. So brachte die tätige Mitarbeit am Staat keine Gefahren und Probleme mit sich; arbeiteten doch sogar Sozialisten und Polen deutscher Staatsangehörigkeit aktiv an der Gesetzgebung mit. Der Staat war eine für die Mehrzahl der Bevölkerung angenehme Selbst­verständlichkeit. Dies Gefühl ist uns in 40 Jahren verlorengegangen und ist seitdem nur fragmentarisch aufgelebt.

Es kam der erste Weltkrieg, der alles in Fra­ge stellte und mit der Monarchie das Sicher­heitsgefühl austilgte. In der Weimarer Repu­blik gab es nur eine schmale Schicht, die in frohem Optimismus an Sinn und Dauer des demokratischen Staates glaubte und um seine Ausgestaltung rang. Die Anfeindungen von links und rechts, denen die Republik und vor allem diese Mittelschicht ausgesetzt waren, und von denen sie schließlich zerrieben wur­den, waren zu massiv, als daß Staatsfreudig­keit aufkommen konnte. Man stand dauernd in der Verteidigung.

Während des Dritten Reiches hat sich bei Millionen im Verlaufe. einiger Jahre eine ge­wisse Staatsfreudigkeit entwickelt, nachdem sie in die Bevölkerung mit Gewalt und Ge­schick hineingepreßt war. Man darf nicht leug­nen, daß zeitweise wirklich geglaubt, gehofft, ja Begeisterung empfunden wurde. Um so furchtbarer die Enttäuschung, als Lug und Trug, Verbrechen und Schande entdeckt wur­den, als klar erkannt wurde, wieviel Propa­ganda, wie wenig Wahrheit bedeutet hatte. Wir stehen noch unmittelbar unter dem Druck der Last, welche diese Zeit hinterlassen hat. Es ist nicht zu erwarten, daß aus einem so ausgelaugten und vergifteten Boden alsbald die Pflanze ,Staatsfreudigkeit 1 gesund auf­sprießen kann.

Bei der Jugend beobachten wir heute eine ausgesprochene Unsicherheit und Zurückhal­tung, eine Staatsfremdheit. Noch ist diese Ge­neration von der Demokratie nicht ergriffen, die es ja immer so schwer hat, anziehend zu sein. Die Jugend argumentiert etwa so: Erst wenn eine Staatsform, eine Bewegung Erfolge aufzuweisen hat, stoßen die Millionen derer hinzu, die nicht geneigt sind, im Staate mit­zudenken und mitzuhandeln. Diese Menschen erstreben Anlehnung und Sicherheit. Risiko lehnen sie ab; sie fürchten, später bloßgestellt zu werden, wenn sie zu früh gekommen sind, und das ganze System einmal zusammenbricht. Die Jugend will warten, bis sie den Staat für gesichert hält; sie ist nicht unmittelbar ge­gen den heutigen Staat gerichtet, aber sie wünscht ihn ignorieren zu können. Sicherheit gibt es nur, wenn Millionen fest Zusammen­halten. Sind doch die Mitläufer des Dritten Reiches am besten gefahren. Ihre Zahl war so riesenhaft, daß man sie gar nicht zur Ver­antwortung, ziehen konnte. Während des Drit­ten Reiches waren sie geborgen. Dabei hatten sie stets die Möglichkeit zu einem guten Start in die Höhe, solange das Regime Erfolg hatte. Nach dem Zusammenbruch konnte man prak­tisch und auf die Dauer nicht an sie heran: sie waren zu zahlreich.

Demgegenüber waren die Widerstands­kämpfer während der Herrschaft des Dritten Reiches in ständiger Lebensgefahr; nach dem Zusammenbruch kam nur ein kleiner Teil von ihnen beruflich oder politisch zum Zuge. Ein­mal waren die wirtschaftlichen Verhältnisse